Parlamentskorrespondenz Nr. 1033 vom 16.12.2010

Bildungspolitik im Schatten von PISA

Budgetausschuss diskutiert über Zukunft des Bildungswesens

Wien (PK) – Mit einer Diskussion über die Zukunft des österreichischen Bildungswesens setzte der Budgetausschuss heute Vormittag seine Beratungen über das Budget für 2011 fort. Im Zuge dieser Debatte beantwortete Bildungsministerin Claudia Schmied auch zahlreiche Anfragen zum Budgetkapitel Unterricht.

Schmied freut sich über mehr Mittel für das Unterrichtsressort

Der Budgetentwurf der Bundesregierung veranschlagt für das Unterrichtsressort 2011 Ausgaben in Höhe von 7,7 Mrd. €. Damit konnte eine deutliche Steigerung (+500 Mio. €) gegenüber dem Vorjahr erzielt werden. Darüber hinaus darf sich das Ressort auch über eine einnahmenseitige Zunahme freuen: Konnte es 2010 noch 66,4 Mio. € verbuchen, sind es 2011 90,1 Mio. €. Der Personalstand des Ressorts fällt allerdings von 44.869 (2010) auf 44.814.

Bundesministerin Claudia Schmied und V-Mandatar Werner Amon hielten die Budgetkennzahlen für durchaus erfreulich – eine Auffassung, die G-Abgeordneter Harald Walser nicht teilen konnte, zumal man richtungsweisende Projekte, wie die modulare Oberstufe, "wegspare". Diese Darstellung sei, so Unterrichtsministerin Schmied, nicht richtig: Die bestehenden Projekte liefen weiter, es komme aber zu einer Reduktion der Mittel, stellte sie fest. S-Mandatar Elmar Mayer ortete weniger ein Problem des Mittelumfangs, als vielmehr der Mittelverteilung. Es gelte, so der Abgeordnete, Umschichtungen vorzunehmen und hier bei kostenintensiven Bereichen wie den verschiedenen Typen der Sekundarstufe I anzusetzen.

B-Mandatar Stefan Petzner zeigte sich über das Mehr an finanziellen Mitteln, das man dem Unterrichtsressort im Budgetentwurf zugestehe, erfreut. Kritik übte er aber an der Verwendung dieser Ressourcen, wobei er unter anderem auf die hohen Mietforderungen der BIG zu sprechen kam. Auf diese Weise gingen Mittel für das Unterrichtsressort verloren, indem sie wieder in die Tasche des Finanzministers fließen, schloss er. Die von Abgeordnetem Petzner genannten Größenordnungen stimmten laut Schmied nicht mit dem überein, was sie auf dem Tisch liegen habe. Hier gelte es wohl, einen Zahlenabgleich vorzunehmen, schloss sie.

PISA-Ergebnisse zeigen Handlungsbedarf auf

Desweiteren debattierte der Ausschuss eingehend über die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie. V-Mandatar Werner Amon übte in diesem Zusammenhang Kritik an Präsentation und Auswertung der Resultate durch das BIFI und den für Österreich zuständigen PISA-Verantwortlichen. Bundesministerin Schmied merkte an, sie wolle das Prozedere im Detail prüfen lassen. Zur vertiefenden Diskussion über PISA regte sie die Einsetzung eines eigenen Unterausschusses an. 

G-Mandatar Harald Walser wollte weniger über die Präsentation, und vielmehr über die Ergebnisse dieses internationalen Rankings sprechen. Es habe sich schließlich gezeigt, dass in vielen Bereichen dringender Reformbedarf bestehe. Abgeordneter Elmar Mayer (S) erkundigte sich in diesem Zusammenhang nach dem Zeitpunkt, ab dem die Reformmaßnahmen im Bildungssystem so weit griffen, dass ihre Auswirkungen in internationalen Rankings sichtbar würden – eine Frage, die Unterrichtsministerin Schmied nicht eindeutig beantworten konnte. Ihr zufolge würden schließlich nicht alle Maßnahmen an den PISA-Ergebnissen ablesbar. Ungeachtet aller Rankings sei es aber wichtig, die Autonomie der Schulstandorte zu forcieren und Lehrende zu motivieren: Denn Freude am Lernen könne nur durch Freude am Lehren erzeugt werden. Dabei müsse man sich auch darum bemühen, dem Berufsstand der LehrerInnen wieder mehr Wertschätzung entgegenzubringen. Wechselseitige Schuldzuweisungen, die F-Abgeordnete Anneliese Kitzmüller thematisiert hatte, führten schließlich zu keinen positiven Ergebnissen.

Ad-hoc-Maßnahmen zur Förderung der Lesekompetenz, nach denen sich B-Mandatar Stefan Petzner erkundigt hatte, wollte Schmied nicht setzen. Die PISA-Ergebnisse punktuell zu betrachten, hielt sie insgesamt für den falschen Weg. Es gelte vielmehr, auf allen Ebenen systemisch an die Probleme des Bildungsbereichs heranzugehen. Der Auffassung von B-Abgeordnetem Stefan Markowitz, wonach vor allem Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten im Bildungssystem schlechter abschnitten, schloss sich Schmied an. Das Interesse an Büchern werde schließlich auch von Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Man müsse daher, so Schmied, die Familien mit ins Boot zu holen. Über verschiedene Schulprojekte gelänge das schon sehr gut.

G-Mandatarin Helene Jarmer beklagte, dass im Rahmen der Diskussion um PISA nicht ausreichend von der Bildungssituation behinderter Kinder und Jugendlicher die Rede ist. Dabei fiele die Lesekompetenz von gehörlosen SchülerInnen enorm schlecht aus. Dass Lehrende, die mit diesen Kindern und Jugendlichen zu tun haben, nicht zum Erlernen der Gebärdensprache verpflichtet werden, konnte sie nicht nachvollziehen. Unterrichtsministerin Schmied bekannte sich in diesem Zusammenhang klar zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von behinderten Menschen. Zwar passiere auf diesem Gebiet schon einiges, es gelte aber weitere Fortschritte zu machen, räumte sie ein.

Österreich ist bereits auf Reformkurs

Für Unterrichtsministerin Schmied stand fest, dass man sich bereits auf Reformkurs befinde: Österreichs Bildungswesen stehe nicht mehr am Beginn, sondern mitten in einem Erneuerungsprozess, konstatierte sie. Bedauern äußerte die Ministerin darüber, dass es nicht gelungen ist, eine Neuordnung der Kompetenzlage zu erreichen. Dass man nur eine weitere "Verländerung" des Bildungssystems habe abwenden können, wäre als einziger Erfolg auf diesem Gebiet zu verzeichnen.

Als wichtige Reformagenden ihres Ressorts benannte Schmied die, von den Abgeordneten Anneliese Kitzmüller (F), Katharina Cortolezis-Schlager (V), Silvia Fuhrmann (V), Edith Mühlberghuber (F), Anna Franz (V) und Werner Amon (V) angesprochenen Themenbereiche Neue Mittelschule, Zentralmatura, Schulautonomie, Ganztagesbetreuung und Lehrerdienstrecht neu.

Für die Vorarbeiten zur Zentralmatura habe man, so Schmied, 5 Mio. € veranschlagt. Mit ihrer Umsetzung würde sich vor allem auch die Rolle der Lehrenden neu definieren. Sie würden von PrüferInnen zu BegleiterInnen und ModeratorInnen, hielt Schmied in Richtung Abgeordnetem Josef Riemer (F) fest.

Die Ausweitung der Ganztagesangebote sei, so Schmied, voranzutreiben. Die dazu erforderlichen Kompetenzen lägen jedoch vor allem im Bereich der Pflichtschulerhalter - und damit nicht beim Bund. Mittels 15a-Vereinbarungen mit den Ländern sollen aber Rahmenbedingungen geschaffen werden, die absicherten, dass das Geld für diese Zwecke in den Klassenzimmern ankomme. Der Startschuss für dieses Projekt fällt mit dem ersten Bundesland, das eine derartige Vereinbarung abschließt, hielt Schmied fest.

Das neue Dienstrecht werde ausschließlich auf neueintretende LehrerInnen abzielen. In Bestehendes wolle sie, so Schmied, nicht eingreifen. In diesem Zusammenhang sei es aber erforderlich, noch neue Arbeitszeitmodelle mit dem Gewerkschaften zu verhandeln und den Schulstandorten mehr Kompetenzen in Hinblick auf die Organisation des Einsatzes von Lehrenden zuzugestehen. Eine weitere Diskussion betreffend Anhebung der Nettounterrichtszeit strebe sie, so Schmied, hingegen nicht an.

Für den Schulversuch der neuen Mittelschule veranschlagt der Budgetentwurf 2011 36,2 Mio. €. Weitere Schulversuche würden nur noch bewilligt, wenn sie budgetneutral durchgeführt werden könnten, informierte Schmied V-Mandatarin Anna Franz. Auch die Einführung neuer Fächer, wie von Abgeordneter Heidemarie Unterreiner (F) und Abgeordnetem Harald Walser (G) angesprochen, seien in der bestehenden budgetären Situation nicht möglich.

Weitergeführt wird aber das besonders kostenintensive "Projekt 25" (Senkung der Klassenschüler-Höchstzahlen auf den Richtwert 25), nach dem sich S-Mandatarin Andrea Gessl-Ranftl erkundigt hatte. Fortgesetzt werden aber auch Unterstützungsmaßnahmen für SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Derzeit gebe es an 808 Schulen muttersprachlichen Unterricht in 19 verschiedenen Sprachen, informierte Schmied F-Abgeordnete Edith Mühlberghuber. Die budgetäre Ausstattung für sonderpädagogische Förderung fiele hingegen, wie die Unterrichtsministerin V-Mandatarin Claudia Durchschlag berichtete, gering aus. (Fortsetzung Budgetausschuss)