Parlamentskorrespondenz Nr. 1055 vom 21.12.2010

Nationalrat setzt Budgetdebatte mit dem Sozialminister fort

Regierung beim Thema Armut unter schwerem Beschuss der Opposition

Wien (PK) – Nach einer Unterbrechung von nur wenigen Stunden setzte der Nationalrat seine Beratungen über das Bundesfinanzgesetz 2011 heute Morgen pünktlich um 9 Uhr fort. Zur Debatte stand zunächst das Kapitel Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit präliminierten Ausgaben von rund 17,93 Mrd. €, das ist um 1,93 % mehr als für 2010 budgetiert. Auf die Untergruppe Arbeit entfallen 5,97 Mrd. €, auf Soziales und Konsumentenschutz 2,36 Mrd. € und auf den Bereich Sozialversicherung 9,59 Mrd. €. Die Einnahmen werden auf 4,88 Mrd. € geschätzt.

Deutlich weniger Geld gibt es unter anderem für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, ebenso sind im Bereich der Krankenversicherung geringere Ausgaben als 2010 veranschlagt. Die Kosten für Pensionen und das Pflegegeld steigen hingegen zum Teil deutlich. Auch für Zuschüsse zur 24-Stunden-Betreuung sowie für Verbrechensopfer sind Mehrausgaben vorgesehen.

FPÖ-Abgeordneter Herbert KICKL eröffnete die Debatte mit scharfer Kritik an der Bundesregierung, die er als "innovations- und gerechtigkeitsresistent" darstellte. Die "schwarze Null" sei seiner Meinung nach eine politische Charakterdefinition des Finanzministers, einer der Hauptverantwortlichen für dieses Budget. Der vorgelegte Entwurf sei aber nur mit Unterstützung von "roten Nullen" möglich gewesen. Kickl konnte insgesamt nur "Nullnummern" im Bereich der sozialen Gerechtigkeit und eines zukunftsweisenden Arbeitsmarktes erkennen.

An Sozialminister Hundstorfer richtete Kickl den Vorwurf, einer derer zu sein, der "Katastrophen am laufenden Band produzieren". Auch der  Umverteilung hat die Regierung nach Ansicht Kickls eine neue Bedeutung gegeben. Umverteilt werde von den Inländern hin zu den Ausländern. Für die FPÖ sei dies kein Ausgleich im Rahmen einer Sozialunion, sondern ein "räuberischer Anschlag" auf die Österreicher. Millionen würden ins Ausland überwiesen, Inländerdiskriminierung sei die Folge. Das Geld werde den Österreichern genommen und in ausländische Banken gepumpt. Zu dieser "neuen Form der Umverteilung" gratulierte Kickl dem Sozialminister und formulierte pointiert: AMS stehe für "Ausländer müssen sein".

Dies sei die zweite Umverteilung, an der die Regierung auch mit diesem Budget arbeite. Die AK warne schon davor, dass der Verdrängungswettbewerb im Niedriglohnbereich zu Lasten der Österreicher gehen werde, sagte Kickl und brachte einen Entschließungsantrag zur Verlängerung der Übergangsfristen ein, um Zeit für die Anpassung des österreichischen Arbeitsmarktes zu gewinnen. Gegen den Aufschub von Maßnahmen zur Barrierefreiheit brachte Kickl einen weiteren Entschließungsantrag ein. Die Fristen sollen nicht verlängert, sondern verkürzt werden. An die Adresse der Bundesregierung sagte Kickl: "Sie sind diese Krise", und fügte abschließend hinzu: "Wir werden diese Krise erst überwinden, wenn wir das rot-schwarze Proporzsystem und diese Bundesregierung überwunden haben".

Abgeordneter August WÖGINGER (V) nannte das Kapitel Arbeit und Soziales einen wesentlichen Teil des Budgets. Österreich liege mit seinen Sozial- und Transferleistungen europaweit im oberen Viertel. Zu erinnern sei aber, dass alle diese Gelder erwirtschaftet werden müssen, bevor sie ausgegeben werden können. Dass sich diese Ausgaben leicht rückläufig entwickeln, zeige nach Meinung des Redners, dass die Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete greifen. Am wichtigsten sei es aber, dass die Menschen Arbeit haben, sagte Wöginger und gab seiner Freude über die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Ausdruck.

Nicht so positiv sei die Entwicklung im Bereich der Pensionsversicherung. Die Ausgleichszulagen seien konstant, die Pensionsanpassung sozial gerecht. Das Problem sei, dass die Österreicher durchschnittlich zu früh in Pension gehen, sagte Wöginger. Auch hätten Gratisersatzzeiten bei der Hacklerpension eine Kostenexplosion verursacht. Dieses Budget wirkt dem entgegen, sagte Wöginger und forderte eine raschere Harmonisierung der Pensionssysteme. Alle Systeme sollten an das ASVG-System angeglichen werden. Wöginger bezeichnete dies als einen "Akt der Gerechtigkeit".

Wöginger ging auch auf die Pflegethematik ein. Die Gemeinden könnten sich die Sozialabgaben nicht mehr leisten, da sich die Ausgaben dramatisch erhöhen. Eine gemeinsame Lösung von Ländern, Gemeinden und dem Bund im Sinne der Betroffenen sei notwendig. Diese sei in zwei Etappen geplant. Beim nächsten Finanzausgleich kann der Pflegefonds finanziert werden. Abschließend wies Wöginger darauf hin, dass Österreich ein dicht geknüpftes Sozialnetz mit sehr guten Leistungen habe. Die Aufgabe der Politik sei es jetzt, diese den veränderten Situation anzupassen.

G-Mandatar Karl ÖLLINGER hinterfragte den Grund der Einsparungen. Seiner Meinung nach hätten die Abgeordneten unterschiedliche Zugänge zu den Sparmaßnahmen. Ein Teil begründete die Sparmaßnahmen mit der internationalen Krise, ein anderer wolle den überbordenden Sozialstaat seiner Meinung auch "niederbügeln", weil er der Meinung sei, dass es den Leuten zu gut gehe. Sparen wie in Großbritannien lehnte Öllinger ab, was dort geschehe sei "Raub an den Menschen und an der Zukunft". Auch Österreich spare zu zwei Dritteln im Sozialbereich ein, kritisierte Öllinger, begehe aber keinen sozialen Kahlschlag, einzelne Maßnahmen seien aber "böse gegenüber den Menschen". Dabei bezog er sich vor allem auf den Zugang zum Pflegegeld, wo der Abgeordnete davor warnte, Sachleistungen gegen Geldleistungen aufzurechnen.

Öllinger nahm auch zu den Pensionen Stellung. Vor allem die unterschiedliche Regelung im Bereich des öffentlichen Dienstes und in der Privatwirtschaft bezeichnete Öllinger als ungerecht. Eine Reform der Pensionen könne durchaus diskutiert werden, sozial gerecht müsse sie aber sein.

S-Abgeordnete Renate CSÖRGITS kritisierte die "polemische, menschenverachtende Rede" des Abgeordneten Kickl und hielt ihm entgegen, dass es unter Regierungsverantwortung der FPÖ die höchste Arbeitslosigkeit gegeben habe. Czörgits nahm in erster Linie zum Arbeitsmarkt Stellung. Die Entscheidung, große finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, sie ihrer Meinung nach richtig gewesen. Dies zeige auch die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich nicht so hoch sei wie in andern Ländern. Czörgits verwies darauf, dass die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr wieder gesteigert werden konnte. Auch die Perspektive für junge Menschen sei in Österreich gut. Die nun notwendigen Einsparungen erfolgen in Österreich auf sozial verträgliche Weise. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit werde fortgesetzt, denn "jeder Arbeitslose ist einer zu viel". Eine hohe Erwerbsquote sei Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Sozialstaates und auch für die Lebensqualität der Menschen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die im Sozialbereich einsparen, habe Österreich soziale Errungenschaften nicht zurückgefahren, sondern eine bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt. Czörgits verwies auf positive Ansätze, etwa die Erhöhung der Invaliditätspension. Am wichtigsten sei Beschäftigung und ein Einkommen, mit dem die Menschen auskommen, schloss sie, und damit werde auch die Kaufkraft gesichert.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) zweifelte daran, dass wirklich alle den Gürtel enger schnallen. Sie vermisste Strukturreformen, Aufgabenreformen und eine Verkleinerung der politischen Gremien. Sie hinterfragte den Umgang mit Steuergeleden. Die Sanierung bestehe aus Steuererhöhungen und Kürzungen sozialer Leistungen. Den Preis dafür zahlen ihrer Meinung nach Familien, Autofahrer, Schüler, Studierende und ältere Menschen. Neuerlich forderte Haubner, im System zu sparen.

 
Die Abgeordnete wies darauf hin, dass eine Million Menschen, vor allem Ältere, Familien und Alleinerziehende armutsgefährdet seien. Haubner erklärte den Pflegebereich zu einer "Großbaustelle" und forderte eine Valorisierung des Pflegegeldes, weil auch Gebühren und Tarife jährlich angepasst werden. Menschen mit Behinderung sah sie "mehr denn je am Abstellgleis". Eine weiter Baustelle seien die Pensionen, die Kosten würden explodieren, das System sie nicht nachhaltig umsetzbar. Die Maßnahmen der Regierung kritisierte sie als kurzfristig. Der Zugang zur Hacklerpension wurde aufgeweicht, sagte sie, jetzt sei sogar der Vertrauensschutz gebrochen worden. Die kleinen dürften nicht zur Kasse gebeten werden, solange es Pensionsprivilegien gibt. Das neu entwickelte System des BZÖ würde die Eigenverantwortung auch in diesem Bereich stärken. Abschließend forderte sie Investitionen in Bildung, Familie, Forschung und Pflege. Dafür sie auch die Bevölkerung bereit, den Gürtel etwas enger zu schnallen.

S-Abgeordneter Wilhelm HABERZETTL (S) erinnerte an den einstimmigen Beschluss zur Hacklerregelung im Jahr 2008. Vereinbart wurde eine Änderung in einem Schritt ab 2040. Für Frauen gebe es eine Übergangsregelung. Haberzettl stellte fest, dass die Invaliditätspension die Frage der Rehabilitation in den Mittelpunkt rücke. Diese soll jedem Antrag automatisch vorausgehen. Auch im Bereich der Abschläge komme es zu Verbesserungen, sagte Haberzettl. Die Empfänger würden geringfügig bessergestellt. Auch eine Härtefallregelung für ungelernte Arbeiter gebe es: Ab dem 50. Lebensjahr werde ein Berufsschutz eingeführt. Auch Altersteilzeit sei weiterhin möglich.

Der Bundesregierung habe den Weg aus der Wirtschaftskrise geschafft. Jetzt sei der erste Schritt in die Vermögenszuwachsbesteuerung, die Bankenabgabe, die Stiftungsbesteuerung und die Konzernbesteuerung bei Zuwächsen gelungen. Haberzettl betonte die Bedeutung einer Steuerreform, die so der Abgeordnete noch in dieser Legislaturperiode über die Bühne zu bringen sei.

F-Mandatarin Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN kritisiert die "Rot-Weiß-Rot-Card" als sinnlos und undurchsichtig. Weiters kritisierte sie die Initiative der Bundesregierung "Echte Männer gehen in Karenz". Bei der Barrierefreiheit für Behinderte gehe nichts weiter. Auch die Änderungen bei der Pflegegeldeinstufung sei eine reale Kürzung im Bereich von kranken und behinderten Menschen – das Geld gehe an Ausländer, die die Mindestsicherung aus Österreich erhalten wollen. Die Mindestsicherung ist vor Missbrauch nicht gefeit, weil man die Vermögenswerte im Ausland nicht nachprüfen könne. Sie bezeichnete das Vorgehen der Regierung als "Umverteilung in Richtung der Ausländer".

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) wies auf den österreichischen Grundkonsens hin, auf hohen Sozialniveau leben zu wollen. Daher werden mehr als 10.000 Euro pro Kopf für Sozialleistungen ausgegeben. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bezeichnete Bartenstein als äußerst erfreulich. Die "Rot-Weiß-Rot-Card" werde international als sinnvolles Zugangsinstrumentarium gewürdigt und sei eine sinnvolle Weiterentwicklung des Systems.

Nicht zufrieden sei er hingegen mit der Hacklerregelung, sagte Barteinstein in Richtung Sozialminister. Diese sollte nie zum Regelfall werden, mittlerweile sei sie jedoch zum Regelfall geworden. Begünstigt seien derzeit zudem vor allem Beamte und andere Bedienstete. Die aktuelle Gegenmaßnahmen seien daher "richtig und wichtig", sagte er. Aus seiner Sicht hätten diese noch weiter gehen können, ein Anfang sei aber gemacht, sagte Bartenstein abschließend.

G-Abgeordnete Helene JARMER kritisierte, dass die Einsparungen für Behinderte widersprechen der diesbezüglichen UN-Konvention. Sie sagte, es sei nicht klar, wer die Einhaltung der Barrierefreiheit überprüfe. Die Gruppe der Menschen mit Behinderung sei sehr groß und die Ausgleichstaxe zu wenig erhöht worden. Daher hätten die Firmen keinen Grund, behinderte Menschen einzustellen. Jarmer brachte einen Entschließungsantrag mit dem Ziel ein, die Zugangskriterien zu den Pflegestufen 1 und 2 unverändert beizubehalten.

Auch kritisierte die Rednerin die Einsparungen bei den Universitäten und bei der Familienbeihilfe. Auch diese würden behinderte Menschen treffen. Jarmer forderte, behinderte Menschen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, denn auch dies sehe die UN-Konvention vor, die Österreich ratifiziert habe. Sie hoffe auf ein Weihnachtswunder, sagte Jarmer abschließend.

Abgeordnete Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) sah die Behindertenpolitik keineswegs auf der Warteliste stehen und zählte Verbesserungen auf, die in den vergangenen Jahren erreicht wurden. Am wichtigsten sei sicher die Teilnahme am Arbeitsleben und damit die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Leben. Auch Sozialbarrieren müssten abgebaut werden. Der diesbezügliche Aktionsplan werde im kommenden Jahr erstellt und werde alle Betroffenen einbeziehen, versicherte die Rednerin. Man solle das Augenmerk auf die Stärken der Menschen mit Behinderung legen, nicht auf ihre Defizite. Die Verlängerung für die Umsetzung der Barrierefreiheit werde nicht allgemein gelten. Alle Ministerien müssten bis zum Jahresende ihre Teiletappenpläne veröffentlichen. Diese seien gemeinsam erarbeitet worden. Königsberger-Ludwig zeigte sich davon überzeugt, dass die Ministerien diese Vorgaben einhalten werden.

Zum Pflegegeld werde niemand, der jetzt im System sei, auch nur einen Cent verlieren. Dennoch erzwinge die demographisch Entwicklung und auch die finanzielle Lage der Gemeinden Änderungen und Einsparungen. Diese Änderungen werden in Absprache mit den Ländern getroffen. Auch der Pflegefonds werde Abhilfe schaffen, um das Pflegegeldsystem in der gewohnten Qualität aufrecht zu erhalten.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) beklagte die massiven Verschlechterungen im Pflegebereich und die abermalige Erhöhung der Mineralölsteuer, was zu einer neuerlichen Belastung der Pendler führen werde. Man begehe das "Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung", dieses Budget trage dem jedoch in keiner Weise Rechnung. Mittlerweile sei eine Million Österreicher von Armut bedroht, der Sozialbericht zeige, dass die Einkommensschere weiter auseinandergehe, das Budget setze mithin falsche Schwerpunkte, und dennoch steige die Staatsverschuldung weiter. Dieses Budget könne daher nicht hingenommen werden. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaft möge endlich tätig werden und sich nicht nur in Worthülsen ergehen, forderte der Redner, der auch für ein gerechtes Pensionssystem eintrat.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER fühlte sich dazu berufen, einige Punkte richtigzustellen. Die von der Opposition befürchteten massiven Kürzungen fänden in dieser Form nicht statt, vielmehr habe man sich erfolgreich bemüht, soziale Schieflagen zu vermeiden und ein ausgewogenes Budget vorzulegen. Er stehe aber dazu, Verträge einzuhalten, weshalb die Öffnung des Arbeitsmarktes per 1. Mai 2011 über die Bühne gehen werde. Doch man habe sich sehr gut auf diese neuen Bedingungen vorbereitet, es bestehe daher auf diesem Gebiet kein Anlass zur Sorge.

Außerdem sei Österreich im Bereich des Pflegegelds Weltmeister, diese Materie sei nirgendwo so großzügig geregelt wie in Österreich. Daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern, sagte der Minister unter Hinweis auf den entsprechenden Pflegefonds. Schließlich habe man die niedrigsten Arbeitslosenzahlen, den stärksten Rückgang bei Langzeit- und jugendlichen Arbeitslosen - die Bilanz dieser Regierung könne sich also sehen lassen.

Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) meinte, man habe eine sehr schwierige politische Phase hinter sich und noch so manches Problem vor sich, umso notwendiger sei es daher, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Es sei nichts gegen das demokratische Recht zu sagen, hier Anträge einzubringen und sie zur Abstimmung zu stellen, doch dann erwarte er auch von den Grünen, dass sie am nächsten Tag nicht - wie etwa die grüne Klubobfrau - durch Abwesenheit glänzen. Das vorgelegte Budget sei verantwortungsvoll und trage den Bedürfnissen der Zukunft Rechnung. Die Regierungsfraktionen übernähmen damit Verantwortung und sorgten dafür, dass die nötigen Reformen in Angriff genommen werden, durch die Österreich auch morgen noch gut dastehe.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) hielt den Ausführungen des Ministers entgegen, dieser erwecke den Eindruck, als flössen in diesem Land Milch und Honig. Das Gegenteil sei der Fall. Es könnten sich 330.000 Menschen nicht mehr das Heizen leisten. Dies sei Ausdruck der sozialen Kälte, für welche die Regierung die Verantwortung trage. Eine Million Menschen seien in diesem reichen Österreich armutsgefährdet, worauf die Regierung nicht adäquat reagiere. Dieses Budget sei ein reines Belastungspaket, das nur Grauslichkeiten enthalte. Es würden die Armen, die Kranken und die Behinderten belastet, das könne nicht akzeptiert werden. Die Regierung habe in der Sozialpolitik versagt und beschränke sich darauf, die Dinge schönzureden. Für dieses unsoziale Budget sei der Minister eigentlich rücktrittsreif, schloss der Redner.

Abgeordneter Johann MAIER (S) vertrat hingegen die Ansicht, der Minister habe eine erfolgreiche Sozialpolitik betrieben, was sich vor allem auch an der Mindestsicherung zeige. Er verwies auf die zahlreichen Beratungsinstitutionen im Lande, etwa auf den Verein für Konsumentenschutz, die hervorragende Leistungen böten, worauf auch das Budget entsprechend Rücksicht nehme. Dieses Budget unterscheide sich daher wohltuend von der Politik des seinerzeitigen Ministers Grasser, gegen dessen Agieren gerade der VKI und die Arbeiterkammer vielen Menschen beistehen mussten.

Abgeordneter Birgit SCHATZ (G) erinnerte daran, dass es die Regierung gewesen sei, die die Verfassung gebrochen habe, wodurch man überhaupt erst in die Lage gekommen sei, Themen von großer Wichtigkeit hier im Eiltempo verhandeln zu müssen. Generell brauche es eine andere Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, mit diesem Budget würden wichtige Weichenstellungen versäumt, wie sich etwa im Bildungsbereich zeige. Statt gerade hier zu investieren, kürze man weiter, die negativen Folgen würden darob nicht ausbleiben, warnte die Rednerin. Dieses Budget sei kein positives Signal für die Zukunft, sodass sie hoffe, es möge künftig anders weitergehen.

Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) bezeichnete die Kritik der Opposition als inhaltsleer. Die Regierung habe vielmehr ein Budget erstellt, dass den Verantwortungen für die Zukunft Rechnung trage, damit Österreich auch weiterhin seine europäischen Spitzenwerte halten könne.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) sprach von einer Verhöhnung, wenn sein Vorredner sich hierher stelle und Zuckerln verteile. Und dies angesichts des Umstandes, dass 200.000 Menschen ohne Arbeit seien, eine Million an der Armutsgrenze leben müsse. Dies zeige den ganzen Zynismus dieser Regierung. Vor allem der Sozialminister erkenne die eigentliche Problemlage nicht und habe etwa mit der Mindestsicherung einen "Pfusch" vorgelegt. Dieses Budget sei Ausdruck des "verwalteten Elends". Der Umstand, dass die Treibstoffpreise auf höchstem Niveau seien, müsse ebenso heftig kritisiert werden wie die massiven Einschnitte im Pflegebereich und die hohen Zahlen bei der Jugendarbeitslosigkeit. Wirkliche Reformen würden verabsäumt, stattdessen gebe es nur neue Belastungen. Das werde seine Fraktion nicht hinnehmen, erklärte der Redner, der sodann einen Entschließungsantrag betreffend ein umfassendes Gesamtpaket im Behindertenbereich einbrachte.

S-Abgeordneter Franz RIEPL hielt seinem Vorredner die positive Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarkts entgegen. Kein anderer EU-Staat könne eine solche Bilanz vorweisen, meinte Riepl, das sei aber auch kein Zufall, denn Österreichs Politik habe richtig auf die Krise reagiert. Regierung, Parlament und Sozialpartner hätten nicht "gejammert", sondern seien zusammen aktiv geworden. Dass die Beitragsleistung der Bauern und Selbstständigen leicht angehoben werde, hielt Riepl für berechtigt.

Für Abgeordneten Andreas KARLSBÖCK (F) stand fest, dass drei Faktoren den Wohlstand Österreichs bedrohten: Das Budgetdefizit, die finanzielle Belastung durch die Europäische Union und die geographisch-historische Position Österreichs zwischen West und Ost. Eine aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik müsse den dadurch entstehenden negativen Folgen entgegenwirken und diese nicht noch fördern, konstatierte Karlsböck. Scharfe Kritik übte der Redner in diesem Zusammenhang an der bevorstehenden Öffnung des Arbeitsmarkts für BürgerInnen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten.

V-Mandatar Karl DONABAUER zeigte sich davon überzeugt, dass die Menschen in Österreich insgesamt "gut versorgt" sind, auch wenn es noch einiges zu tun gebe. Die UnternehmerInnen und die Bauernschaft stünden, wie Donabauer ausführte, ebenfalls nicht schlecht da. Es brauche aber faire Produktionsvoraussetzungen in allen Betrieben, stand für den Redner fest. Es gelte daher, das bisher Erreichte zu erhalten, statt es schlecht zu reden. Vor allem den älteren Menschen sollte man die Angst vor dem Morgen nehmen. Einschnitte beim Pflegegeld schmerzten zwar, räumte Donabauer ein, seien aber angesichts des hohen Niveaus Österreichs im internationalen Vergleich vertretbar.

G-Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD meinte, man müsse sich vor Augen halten, wie viele Menschen von den vorgenommenen Einsparungen betroffen seien. Was die Materien Soziales und Gesundheit anbelange, habe man davon auszugehen, dass sie untrennbar miteinander verbunden sind - ein Fakt, dem die Politik aber nicht in erforderlichem Maße Rechnung trage. Soziale Maßnahmen wie Bildungsförderung könnten dabei auch positive Effekte im Gesundheitsbereich zeitigen. Der Status-quo habe hingegen nichts mit Chancengleichheit und Fairness zu tun. Was den Bereich der Pflege anbelangt, möchte Grünewald das Grundrecht auf eine menschenwürdige und qualitativ hochwertige Betreuung verankert wissen.

Abgeordneter Heidrun SILHAVY (S) meinte, Österreichs Wirtschaft habe sich rascher als erwartet von der Wirtschafts- und Finanzkrise erholt. Das sei vor allem auf den funktionierenden Sozialstaat und die Konjunkturpakete zurückzuführen. Handlungsbedarf ortete sie vor allem in Hinblick auf die Forcierung von Vollzeitbeschäftigung im Wirtschaftsbereich. Dem heimischen Tourismus gehe es zwar sehr gut, doch müsse man auch hier ansetzen: Ganzjährige Beschäftigungsformen seien zu forcieren, stand für Silhavy fest.

Scharfe Kritik an den geplanten Einschnitten beim Pflegegeld übte B-Abgeordnete Martina SCHENK. Die Bundesregierung habe zwar Geld, doch wolle man es pflegebedürftigen Menschen nicht geben, stand für die Mandatarin fest. Von diesen Einsparungen seien aber vor allem Frauen und Familien betroffen, weshalb man sie als "unsozial" qualifizieren müsse. Schenk brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag ihrer Partei betreffend Vorlage eines zukunftsweisenden Konzepts für den Pflegebereich ein.

V-Mandatar Franz-Joseph HUAINIGG zollte jenen behinderten Menschen Respekt, die trotz Kälte und Schnee auf die Straße gegangen sind, um für ein Pflegegeld zu demonstrieren, das ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Bedauern äußerte Huainigg darüber, dass die Budgetdebatte in diesem Bereich sehr emotional geführt werde. Die positiven Aspekte würden leider "unter den Tisch gekehrt": So bringe das Budget unter anderem die Aussetzung des Kündigungsschutzes für behinderte Menschen, um ihnen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen. Kritik äußerte Huainigg an der vorgenommenen Kürzung der EZA-Mittel. Hier gelte es im Sinne der Solidarität eine bessere Lösung zu finden.

Für F-Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER stand fest, dass das Budget Anlass "zum Fürchten" gebe. In Österreich bestünden nicht nur einwanderungsbedingte Parallelgesellschaften, sondern auch massive Probleme im Familienbereich: Die Bedürfnisse von Frauen und Kindern würden nicht berücksichtigt, denn man fördere eher staatliche anstelle von familiären Erziehungsmodellen. Den Frauen werde damit das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben genommen. Gelder, die man in falsche linke Theorien stecke, wären, so Unterreiner, "vergeudet". Man solle sie vielmehr dafür einsetzen, eine Altersabsicherung für jene Frauen zu schaffen, die sich ein Leben lang um ihre Familien gekümmert haben.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) freute sich darüber, dass man den Amtstag an den heimischen Gerichten nicht abgeschafft habe. Das sei notwendig, zumal sich nicht jeder, der Hilfe in Anspruch nehmen wolle, auch einen Anwalt leisten könnte. Was vorliege, sei ein soziales Budget, dem man gerne seine Zustimmung erteile, schloss Jarolim.

G-Mandatarin Judith SCHWENTNER übte heftige Kritik an der Wortmeldung von Abgeordneter Unterreiner. Es sei gut und richtig, dass Gender Budgeting eingeführt wurde, stand für die Rednerin außer Frage. Eine derartige seriöse Auswertung fehle aber im vorliegenden Budget. Die Bundesregierung habe außerdem überall dort Einsparungen vorgenommen, wo sie wenig Widerstand erwarten konnte. Die familienpolitischen Einschnitte träfen vor allem auch Ein-Kind-Familien und damit auch AlleinerzieherInnen, hielt Schwentner fest. Was die Einsparungen im Pflegebereich anbelange, wären es meist Frauen, die die Betreuung übernehmen, sie hätten daher auch hart an den Einsparungen zu tragen. Schwentner brachte überdies einen Entschließungsantrag ihrer Fraktionskollegin Helene Jarmer betreffend Bundesbehinderteneinstellungsgesetz ein.

V-Mandatar Jochen PACK hielt fest, dass die Budgetkonsolidierung nicht einfach, aber erforderlich ist. Die Schwerpunkte, die man im Budget setze, seien die richtigen, zeigte er sich überzeugt. Das illustrierten vor allem die Investitionen in Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) kam auf das Thema Konsumentenschutz zu sprechen. Gerade im Bereich Kinderspielzeuge habe sich, was die hier eingesetzten gesundheitsgefährdenden Stoffe betreffe, trotz eines 5-Parteien-Antrags wenig getan. Kritik übte Spadiut auch an der Kürzung der Mittel für Schuldnerberatungen. Bundesminister Hundstorfer habe den Konsens mit seinen KollegInnen zu suchen, um Verbesserungen im Bereich Konsumentenschutz zu erzielen, stand für Spadiut außer Frage.

S-Abgeordnete Christine LAPP erinnerte an das kürzlich im Hohen Haus präsentierte Theaterstück der Gruppe Interact, das die Armutsspirale in Österreich zum Inhalt hatte. Dass der heimische Arbeitsmarkt sich nun wieder stabiler gestalte, wie ihm auch internationale Analysen attestierten, sei gerade auch vor diesem Hintergrund ein positives Signal. Die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder hätten sich, so Lapp, erfolgreich für mehr gesellschaftliche Fairness eingesetzt.

Für F-Mandatarin Carmen GARTELGRUBER stand fest, dass die Regierung gerade den Schwächsten "schamlos in die Taschen" greife. Die Senkung des Pflegegelds der Stufen I und II sei ein harter Schlag, meinte sie. Die Bundesregierung habe außerdem nicht viel für die österreichischen Familien übrig: Man bestrafe sogar jene, die sich mit viel Einsatz um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmerten. Dass die Normverbrauchsabgabe (NoVA) behinderten Menschen nicht mehr rückerstattet werde, sei außerdem kritikwürdig. Die F-Mandatarin brachte daher einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion betreffend Rückvergütung der Mehrwertsteuer bei Fahrzeugenkäufen durch in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen ein.

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) beschäftigte sich in seiner Wortmeldung mit dem Thema Pensionen. Auch hier setze das Budget Konsolidierungsmaßnahmen, die es vor dem Hintergrund der Forderung nach Generationengerechtigkeit auch umzusetzen gelte. In bestehende Pensionen solle, so Schmuckenschlager, nicht eingegriffen werden, die verschiedenen Pensionsantrittsalter müsse man aber harmonisieren, schloss er.

B-Abgeordneter Christoph HAGEN zog in Zweifel, dass man Sozialminister Hundstorfer "beim Wort nehmen" könne. Dieser habe seine Versprechungen schließlich nicht eingehalten, denn die Kosten für die Autobahnvignette seien – trotz gegenteiliger Beteuerungen – stetig erhöht worden. Kritik übte Hagen außerdem daran, dass das Sozialsystem verhindere, dass Menschen eine Beschäftigung annehmen.

Dass der Sozialminister kein Wort über den Bereich des Konsumentenschutzes verloren hat, bedauerte V-Mandatar Johann HÖFINGER. Dieser Thematik gelte es schließlich mehr Raum einzuräumen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) leiste zwar hervorragende Arbeit, doch müsse der Bundesminister dort auch Schwerpunkte setzen können, schloss Höfinger.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) brachte einen Entschließungsantrag seiner Fraktion betreffend Neuregelung der erstmaligen Valorisierung von Neupensionen ein. Es sei schließlich "unsozial", Menschen, die in Pension gehen möchten, auf eine Warteliste zu setzen.

Sozialminister Rudolf HUNDSTORFER wollte einiges klargestellt wissen. Die angesprochene NoVA-Förderung in Form eines Freibetrags könne nunmehr von 30.000 Menschen genutzt werden. Mit der Zahl der Armutsgefährdeten müsse man sich auseinandersetzen. Gleichzeitig aber zu kritisieren, dass die Zahl der BezieherInnen der Mindestsicherung steige, sei "perfide", denn um Armutsgefährdeten zu helfen, sei sie eingeführt worden.

B-Mandatar Ernest WINDHOLZ kam auf die schwierige finanzielle Situation der Gemeinden zu sprechen. Die Ausgaben im sozialen Bereich stiegen hier massiv an, während die Einnahmen zurückgingen. Die Gemeinden könnten diese Situation aber nicht mehr bewältigen, sodass die Abgaben stetig erhöht werden müssten. Der gesamte Sozial- und Schulbereich "schreie nach Reformen", hier sei die Bundesregierung aber reformunwillig, konstatierte er.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) bedauerte, dass sich am Budget "kein Beistrich verändert hat", obgleich die Opposition zahlreiche Vorschläge vorgebracht habe. Es könne, so Jannach, nicht sein, dass nur bei den BürgerInnen, nicht aber bei der Verwaltung eingespart werde. Allein Proporz und "Günstlingswirtschaft" verhinderten, dass man die wirklich erforderlichen Kürzungen vornehme, schloss er.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) warf dem Sozialminister vor, im Nationalrat selbstherrlich zu agieren und zu versuchen, den Abgeordneten das Bild einer heilen Welt in der österreichischen Sozialpolitik vorzugaukeln. "Was fällt ihnen dazu ein, dass tausende Menschen in Wien, darunter viele Frauen mit Kindern, vor der Entscheidung stehen, ob sie ihre Miete zahlen ODER ihre Wohnungen heizen ODER Essen kaufen sollen". Österreichweit befinden sich 300.000 Menschen in dieser Situation, sagte Westenthaler und wies darauf hin, wie sehr die Menschen unter den zuletzt exorbitant gestiegenen Heizkosten leiden, insbesondere alleinerziehende Mütter. Enorm zugenommen haben auch die Mobilitätskosten für die Menschen - egal ob eine Alleinerzieherin ihre Kinder zum Arzt bringen oder Pendler ihre Arbeitsplätze aufsuchen müssen, sie alle leiden unter den Kostensteigerungen für Treibstoffe und für die Erhaltung von Fahrzeugen. Ein Sozialminister, der das alles ignoriere, sei ein "Antisozialminister" und sollte zurücktreten, schloss Westenthaler. (Fortsetzung Nationalrat/Budget)