Parlamentskorrespondenz Nr. 47 vom 18.01.2011

EU-Unterausschuss begrüßt Beitritt der EU zur EMRK

Ausschuss diskutiert Säumigkeit bei Umsetzung von EU-Recht

Wien (PK) – Aufgrund des Vertrags von Lissabon, wird die EU der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beitreten. Damit ist garantiert, dass Unionsrechtsakte künftig vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auf deren Vereinbarkeit mit der EMRK überprüft werden können. Das Verhandlungsmandat zur Aushandlung eines solchen Beitrittsabkommens wurde der Kommission am 4. Juni 2010 vom Rat übertragen.

Damit wird erstmals eine internationale Organisation der EMRK beitreten. Die EU wird dann sowohl im Ministerkomitee als auch in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats sowie im EGMR vertreten sein.

Der EU-Unterausschuss Nationalrats befasste sich in seiner heutigen Sitzung mit dem gegenständlichen Beschluss des Rats der EU, in dem auch einige inhaltliche Anforderungen für den Beitritt festgelegt sind, da es gilt, die Besonderheiten des Unionsrechts zu wahren und zu vermeiden, dass der EGMR die Kompetenzverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten oder das Unionsrecht generell auslegen kann. Laut Verhandlungsmandat soll auch ein Co-Verteidigungsmechanismus geschaffen werden, der es der Union erlaubt, sich als mitbeklagte Partei einem Verfahren anzuschließen, das gegen einen EU-Mitgliedstaat gerichtet ist, sofern eine Verletzung der EMRK vorliegt, die auf einen Unionsakt zurückzuführen ist. Außerdem soll die vorherige Befassung des EuGH in Fällen sichergestellt werden, in denen der EGMR über die Konformität von sekundärem Unionsrecht mit dem Konventionsrecht zu sprechen hat.

Wie Staatssekretär Josef Ostermayer berichtete, sind die Verhandlungen zu dem Beitrittsabkommen inzwischen aufgenommen worden. Die Frage des Verhältnisses zwischen EuGH und EGMR seien in diesem Zusammenhang die sensibelsten, sagte er. Innerstaatliche Neuregelungen sind laut Ostermayer unmittelbar nicht notwendig.

Mit Ausnahme der Abgeordneten der FPÖ wurde der Beitritt der EU zur EMRK ausdrücklich begrüßt. SPÖ, ÖVP, Grüne und BZÖ bekräftigten dies auch in Form eines Antrags auf Stellungnahme und ersuchten die Bundesregierung, auf einen raschen Abschluss der Beitrittsverhandlungen hinzuwirken. Darin halten sie aber auch fest, dass die Situation der Rechtsschutzsuchenden so weit wie möglich gestärkt werden soll.

Die F-Abgeordneten Johannes Hübner und Harald Stefan lehnten hingegen diesen geplanten Schritt dezidiert ab. Sie legten dazu ebenfalls einen Antrag auf Stellungnahme vor, in dem sie ihrer Befürchtung Ausdruck verliehen, dass ein Beitritt der EU zur EMRK zu einer tieferen Bundesstaatlichkeit führen könnte, was seitens anderer Abgeordneter und des Staatssekretärs heftige Widersprüche hervorrief. Die EMRK habe mit der Bundesstaatlichkeit überhaupt nichts zu tun, sagte etwa Abgeordneter Ewald Stadler (B), vielmehr bedeute der Beitritt eine Unterwerfung unter ein Schutzregime, was positiv sei. Die FPÖ blieb jedoch bei ihrer Meinung. Abgeordneter Harald Stefan bemerkte dazu, die Menschenrechte seien ohnehin in der Charta der Grundrechte der EU und im Europäischen Primärrecht festgeschrieben. Die Mitgliedstaaten der EU gewährten ihren BürgerInnen dank der EMRK auch indirekt gegen europäisches Recht Beschwerdemöglichkeiten, sofern dieses in nationalem Recht umgesetzt sei. Der F-Antrag wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.

Den Bedenken der Freiheitlichen wollten sich insbesondere die Abgeordneten Christine Muttonen (S), Ursula Plassnik (V) und Alexander Van der Bellen (G) nicht anschließen, vielmehr stellten sie fest, ein Beitritt der EU zur EMRK sei ein wichtiger Schritt, und es müsse ein gemeinsames Anliegen sein, dass Menschen vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates geschützt werden. Muttonen bemerkte, die EMRK habe sich als geeignet erwiesen, Antworten auf neue Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte zu finden. Abgeordnete Plassnik hielt es für positiv, dass nun alle Rechtsakte der EU auf Grundrechtskonformität hin überprüfbar sein werden. Die EU sei eine Werte- und Rechtsgemeinschaft und letztere werde durch den Beitritt zur EMRK weiterentwickelt. So wie die Grundrechts-Charta bereits Auswirkungen auf die Rechtsprechung des EuGH gezeigt habe, werde auch die EMRK einen zusätzlichen Maßstab für den EuGH darstellen, erwartete Plassnik. Die ehemalige Außenministerin räumte jedoch ein, dass in den gegenwärtigen Verhandlungen noch heikle Abgrenzungsfragen zu klären sein werden.

Kommission kritisiert verspätete Umsetzung von EU-Recht

Als ein "weit verbreitetes systematisches Problem" beklagt die Kommission in ihrem 27. Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts (2009) die verspäteten Richtlinienumsetzungen durch die Mitgliedstaaten, der heute im Ausschuss ebenfalls auf der Tagesordnung stand. Präventivmaßnahmen, wie z.B. Workshops, sollen diesem Umstand entgegenwirken. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten Korrelationstabellen, die darlegen, welche nationalen Bestimmungen eine Richtlinie umsetzen, bereitstellen, was von Österreich und anderen Mitgliedstaaten jedoch kritisch gesehen wird. Eine verpflichtende Übermittlung von Korrelationstabellen wird abgelehnt, da die Erarbeitung derartiger Unterlagen vor allem für föderal strukturierte Staaten einen unverhältnismäßig hohen Aufwand darstellen, argumentierte Staatssekretär Josef Ostermayer in seiner Stellungnahme. Eine solche Maßnahme würde die Lasten auf die Mitgliedstaaten abwälzen. Die Kommission will laut Bericht auch bei der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften den Durchsetzungsmechanismen mehr Aufmerksamkeit widmen.

Was die bei der Kommission eingelangten Beschwerden betrifft, so hat die Kommission Schlichtungs- und Lösungsmechanismen eingerichtet, die jedoch von Österreich auch nicht uneingeschränkt positiv bewertet werden. Zum einen gibt es das Netzwerk "SOLVIT", in dem die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um Probleme zu lösen, die durch die fehlerhafte Anwendung von Binnenmarktvorschriften entstehen, zum anderen das EU-Pilotprojekt, ein Vertragsverletzungsverfahren vorgeschalteter informeller Lösungsmechanismus, an dem Österreich seit 2008 teilnimmt, wobei nach Angaben des Bundeskanzleramts die Erfahrungen damit uneinheitlich sind.

Staatssekretär Josef Ostermayer berichtete, dass sich derzeit 44 Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich im Stadium des Vorverfahrens, 28 im Stadium des Mahnschreibens und 16 im Stadium der begründeten Stellungnahme befänden. Derzeit seien 12 Klagen anhängig, drei wegen Nichtumsetzung von Richtlinien, vier wegen unzureichender Umsetzung und fünf wegen der Verletzung von primärem Unionsrecht. Vier Verfahren gebe es wegen der Nichtumsetzung eines Urteils. Man liege dabei im Schnitt der EU-Länder, ergänzte Ostermayer.

Die Frage der Umsetzung sei nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Frage, stellte Abgeordneter Hannes Weninger (S) fest. Österreich habe ohnehin rund 99 % der EU-Rechtsakte umgesetzt. Als Beispiel einer schwierigen Frage nannte er die Vorratsdatenspeicherung, die innerstaatlich eingehend diskutiert werde und wozu noch eine Einigung ausstehe. Dem pflichtete Staatssekretär Ostermayer bei und meinte, in einigen Fällen stünden starke politische Wertungen zur Diskussion und daher verzögere sich die Umsetzung bzw. gebe es inhaltliche unterschiedliche Sichtweisen. Dazu zähle etwa das sektorale Fahrverbot, aber auch der Zugang von EU-BürgerInnen zu heimischen Universitäten.

Kritisch äußerte sich Abgeordnete Christiane Brunner (G). Ihrer Meinung nach greife die Kommission oft viel zu spät ein, und die Verfahren würden seitens der Kommission nur sehr schleppend geführt. Die BeschwerdeführerInnen erhielten auch keinerlei Informationen über das Verfahren, bemängelte sie und nannte als Beispiel den Fall des Kohlekraftwerks Voitsberg. Grundsätzlich verlangte sie, dass die BürgerInnen auch beim EU-Pilotprojekt eingebunden werden. Unbefriedigend ist für Brunner weiters, dass die Kommission nur eingreift, wenn der innerstaatliche Rechtszug ausgeschöpft ist, was der Staatssekretär klar in Abrede stellte. Die Kommission werde aufgrund jeder Beschwerde tätig, hielt er fest. Er widersprach Abgeordneter Brunner auch hinsichtlich ihrer Befürwortung der Korrelationstabellen, da diese seiner Meinung nach nicht geeignet seien, die Akzeptanz der EU durch die BürgerInnen zu erhöhen.

Abgeordneter Ewald Stadler (B) urgierte die Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie, die eine Umstellung des Gebührensystems für Wasser und Abwässer vorsieht. Demnach sollen die Kosten des tatsächlichen Wasserverbrauchs als Maßstab dienen, was viel vernünftiger sei als die Heranziehung der Wohnnutzfläche. Die Länder seien in dieser Frage säumig, stellte Stadler kritisch fest.

(Fortsetzung EU-Unterausschuss)