Parlamentskorrespondenz Nr. 62 vom 20.01.2011

Neuerungen für die Abfallwirtschaft sollen Müll vermeiden

Kritik der Opposition an Abfallpolitik des Umweltministers

Wien (PK) – Fragen der Abfallentsorgung und Müllvermeidung beherrschten den weiteren Verlauf der Debatte im heutigen Nationalrat, stand doch eine Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz zur Diskussion, die der Umsetzung der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie dient. Europa setzt künftig stärker auf Abfallvermeidung und führt dazu neue Begriffsbestimmungen und eine fünfstufige Abfallhierarchie (Vermeidung – Vorbereitung zur Wiederverwertung – Recycling – sonstige Verwertung – Beseitigung) statt der bisherigen dreistufigen Hierarchie (Vermeidung – Verwertung – Beseitigung) ein. Außerdem wird von jedem Mitgliedsland die Erstellung eines Abfallvermeidungsprogramms verlangt.

Die Gesetzesänderung passierte den Nationalrat mehrheitlich. Einige RednerInnen ließen Sympathie für ein Verbot von Plastiksackerln erkennen und kritisierten den Umweltminister wegen seiner Äußerung, es sei zielführend, Plastiksackerl zu verbrennen. Der Minister selbst unterstrich, dass Österreich bei der Abfallwirtschaft die Klimaschutzziele erreiche. 60% des Abfalls würden wiederverwertet.

Inhaltlich in Zusammenhang mit dem Abfallwirtschaftsgesetz steht die Initiative von ÖVP und SPÖ betreffend Nachhaltigkeit im Bereich Verpackung, die ebenfalls mit Stimmenmehrheit angenommen wurde. Konkret will man, dass Mehrwegverpackungen verstärkt eingesetzt werden.

Die Anträge der FPÖ und der Grünen zum Thema Abfall blieben jedoch in der Minderheit. Die FPÖ spricht sich für eine Meldepflicht an Bürgermeister und Gemeinderat bei Lagerung oder Verarbeitung gefährlicher Abfälle und eine stärkere Kontrolle der Abfallsammler  und Abfallbehandler aus. Die Grünen wiederum verlangen eine Bedarfsprüfung von Müllverbrennungsanlagen und die Vermeidung von Müllimporten. 

Die Abfallwirtschaft – ein weites Land

Abgeordneter Harald JANNACH (F) umriss die Ziele der vorliegenden Novelle und wies auf die durchaus kritischen Stellungnahmen hin, die im Zuge ihrer Begutachtung eingetroffen wären: Rechnungshof, Gemeindebund und andere Institutionen befürchteten unter anderem eine Gebührenerhöhung. Es werde außerdem unweigerlich zu "Mülltourismus" aus dem Ausland kommen, was nicht tragbar sei, meinte Jannach, deshalb könnten die Freiheitlichen dieser Novelle keine Zustimmung erteilen. Einzusehen sei auch nicht, dass Mühlverbrennungsanlagen ohne Bedarfsprüfung errichtet werden dürfen.

V-Mandatar Hermann SCHULTES meinte, die Menschen seien nicht nur Konsumenten, sondern vor allem auch Abfallproduzenten, was gravierende Probleme aufwerfe. In Österreich arbeite man aber stetig an der Verbesserung der Abfallwirtschaft. Die vorliegende Novelle stehe dabei ganz im Zeichen der Müllvermeidung und des Recycling. Was den Bereich der Mülltrennung anbelange, verhielten sich die ÖsterreicherInnen bereits heute "vorbildlich". Die Probleme "Müll in der Landschaft" und "Lebensmittel im Müll" gelte es aber noch anzugehen, schloss er.

Erfreut über die Diskussion abfallpolitischer Fragen im Nationalrat zeigte sich G-Abgeordnete Christiane BRUNNER. Dass Müllverbrennungsanlangen mit dem vorliegenden Gesetz nicht mehr als Umweltverschmutzung, sondern als Möglichkeit zur Energiegewinnung bezeichnet werden, konnte die Rednerin jedoch nicht verstehen. Müll zu verbrennen, sei nicht gleichbedeutend damit, Müll zu vermeiden. Im Gegenteil müsse man, wie in dem von ihr eingebrachten Antrag gefordert, dem "Wildwuchs" an Müllverbrennungsanlangen entgegenwirken. Als "umweltpolitische Bankrotterklärung" bezeichnete die Rednerin den Widerstand des Umweltministers gegen ein Verbot von Plastiktragetaschen. Minister Berlakovich habe die Möglichkeiten, die die EU-Richtlinie geboten hätte, nicht genutzt, stand für Brunner fest.

Abgeordnete Petra BAYR (S) kam zunächst auf das Problem "Müll in der Landschaft" zu sprechen. Sie hielt es für sinnvoller, Materialien wiederzuverwerten statt zu verbrennen. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen zum Einsatz von Mehrwegflaschen habe leider nicht gegriffen, schloss sie.

G-Mandatar Wolfgang PIRKLHUBER hielt dem Umweltminister mangelnde Empathie, Fantasie und Ambition vor. Die Mehrwegquote im Getränkebereich sei stark zurückgegangen und liege nun bei unter 25%, skizzierte er. Plastiksackerl zu verbrennen, wie von Berlakovich vorgeschlagen, könne man nicht als zielführend bezeichnen. Initiativen wie das in Oberösterreich umgesetzte Projekt "Return" wären, wie Pirklhuber darstellte, weitaus ambitionierter und gewinnbringender.

Umweltminister Nikolaus BERLAKOVICH zeigte wenig Verständnis für die Kritik an der vorliegenden Gesetzesnovelle. Er wies darauf hin, dass Abfallvermeidung in der EU-Rahmenrichtlinie und damit auch im vorliegenden Entwurf an erster Stelle stehe. Abfallbeseitigung nehme dem gegenüber den letzten Rang im neuen fünfstufigen Verfahren ein. Die EU verpflichte die Länder auch, Abfallvermeidungsprogramme zu erstellen und Abfalltransporte ab einem bestimmten Gewicht und einer bestimmten Transportstrecke auf die Schiene zu verlagern.

Bei der Abfallwirtschaft erreiche Österreich die Klimaschutzziele, unterstrich Berlakovich. 60% des Abfalls würden wiederverwertet. Das sei ein internationaler Spitzenwert. Berlakovich verwahrte sich auch dagegen, als Verteidiger des Plastiksackerls hingestellt zu werden.

Abgeordneter Erwin HORNEK (V) wies darauf hin, dass die Lagerung von Hausmüll auf Deponien der Vergangenheit angehöre, heute würden die meisten Altstoffe recycelt bzw. anderweitig genutzt. Wie seine Gemeinde auch, habe jeder Ort sein eigenes Abfallsammelzentrum. Österreich könne eine "stolze Bilanz" ziehen, sagte Hornek, so sei die Haushaltsmenge an Müll von 2004 bis 2010 um 34% zurückgegangen. 50% des Hausmülls würde stofflich verwertet, weitere 45% verbrannt und für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Österreich setze hier beste Technologie ein.

Abgeordneter Josef AUER (S) meinte, er könne die Aufregung der Grünen nicht verstehen. Die EU setze künftig verstärkt auf Abfallvermeidung und Österreich setze die entsprechende EU-Richtlinie um. Auer unterstrich auch die Notwendigkeit, Einweggebinde zurückzudrängen.

Abgeordneter Johann RÄDLER (V) hielt fest, Österreich könne auf seine Erfolge bei der Abfallvermeidung stolz sein. Die von der EU nun forcierte Abfallvermeidungsstrategie hätten die österreichischen Gemeinden bereits vor 30 Jahren begonnen, betonte er.

Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) forderte ein generelles Umdenken beim Thema Verpackung. Sie spricht sich für ein Anreizsystem aus, um den Trend im Handel zur Einwegflasche umzukehren. Gessl-Ranftl will auch über ein Verbot von Plastiksackerln diskutieren, sie sieht hier die Bevölkerung auf ihrer Seite.

Abgeordneter Peter MAYER (V) bekräftigte, Abfallvermeidung müsse vor Abfallversorgung stehen. Der beste Müll sei der, der gar nicht entstehe, konstatierte er.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) verwahrte sich dagegen, Kritik an Umweltminister Berlakovich mit Kritik an Österreich gleichzusetzen. Für ihn ist es evident, dass es im Bereich der Müllvermeidung und der Forcierung von Mehrwegverpackungen noch einiges zu tun gibt. Lugar warb auch für ein Verbot des Plastiksackerls und zeigte sich überzeugt, dass dieses niemandem abgehen würde.

Abgeordneter Rudolf PLESSL (S) qualifizierte die vorliegende Gesetzesnovelle als Schritt in die richtige Richtung. Die neue europäische Rahmenrichtlinie setze in erster Linie auf Abfallvermeidung, äußerte er sich erfreut.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) bekräftigte, Österreich sei nach wie vor ein Umweltmusterland. Er lasse sich das Land nicht schlecht reden, meinte er und machte geltend, dass TouristInnen die saubere Luft und das saubere Wasser schätzten. Bei der Diskussion um Mehrweggebinde dürfe man nicht den "mündigen Bürger" außer Acht lassen, mahnte Lettenbichler, greife dieser doch zu 80% zu Einwegflaschen, die wiederum zu 90 % recycelt würden.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) unterstrich, für Gemeinden seien Abfallvermeidung und Abfallentsorgung wichtige Themen. Dabei spiele die Aufklärung der GemeindebürgerInnen eine wichtige Rolle. Man müsse bereits in der Schule beginnen, sagte er. Stauber erachtet es aber auch für notwendig, auf die Kosten zu achten und die Entsorgungsgebühren zu begrenzen, um illegale Müllentsorgung zu vermeiden.

Die Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz wurde vom Nationalrat ebenso mit Stimmenmehrheit beschlossen wie die Entschließung des Umweltausschusses betreffend Nachhaltigkeit im Bereich der Verpackung.

Die ablehnenden Berichte des Umweltausschusses über die beiden FPÖ-Anträge 216/A(E) und 1045/A(E), sowie über den Antrag der Grünen 1211/A(E) nahmen die Abgeordneten gleichfalls mehrheitlich zur Kenntnis.

(Fortsetzung Nationalrat)