Parlamentskorrespondenz Nr. 103 vom 03.02.2011

Bundesrat: Fragestunde mit Claudia Bandion-Ortner

Justizministerin plädiert für gemeinsame Obsorge

Wien (PK) – In der Fragestunde der heutigen Sitzung der Länderkammer stand Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER den Bundesrätinnen und Bundesräten Rede und Antwort. Der Fragebogen reichte von der Anwendung der elektronischen Fußfessel über Erkundigungen zur Korruptionsstaatsanwaltschaft und das Obsorgerecht bis hin zu Diskussionen über Neubesetzungen im Gerichtsbereich.

Bundesrat Michael HAMMER (V/O): In wie vielen Fällen wurde der elektronisch überwachte Hausarrest bereits angewendet?

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Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER teilte mit, dass insgesamt  bereits 116 Personen elektronisch überwacht wurden und dass mit Stichtag 21.1.2011 76 Häftlinge mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet sind. Ein Tag elektronische Überwachung koste 22 Euro pro Person, ein Tag Haft hingegen 100 Euro pro Person. Aufgrund der besseren Resozialisierung rechnete die Ministerin langfristig auch mit einer finanziellen Entlastung beim Verein Neustart.

Bundesrat Gerald KLUG (S/ST): Wie gedenken Sie angesichts der überlangen Verfahrensdauer zahlreicher Korruptionsstraffälle der noch immer dramatischen personellen Unterbesetzung der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu begegnen?

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Die Ministerin erinnerte daran, dass bei ihrem Amtsantritt fünf Staatsanwälte an der Korruptionsstaatsanwaltschaft tätig waren. Mittlerweile gibt es bereits zwölf Planstellen, im Endausbau sollen es 40 werden. BANDION-ORTNER erwartete sich von der Aufstockung und der dadurch möglichen Teamarbeit eine Verkürzung der Verfahrensdauer, meinte aber, im internationalen Vergleich schneide Österreich in Sachen Verfahrensdauer hervorragend ab. Sie gab überdies zu bedenken, dass Wirtschaftsverfahren aufgrund ihrer Komplexität generell mehr Zeit beanspruchen. Die großen Verfahren, wie Hypo, BUWOG und Auer von Welsbach würden jedenfalls bereits jetzt von mehreren Staatsanwälten betreut. Mit Nachdruck betonte BANDION-ORTNER überdies, es gebe in der österreichischen Justiz keine Straftäter erster und zweiter Klasse, auch Politiker würden so behandelt wie jeder andere Staatsbürger. Gerade die erhöhte Transparenz ermögliche es, diesbezüglichen "Verschwörungstheorien" vorzubeugen.

Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V): Welche Anstrengungen haben Sie bisher unternommen, um den Strafrahmen des § 92 Abs.3 StGB zu erhöhen?

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In sämtlichen Bereichen, in denen die Opfer Kinder sind, werde über eine Evaluierung der Strafrahmen nachgedacht, kündigte die Justizministerin an. Die Erhöhung der Strafen könne Signalwirkung nach sich ziehen, werde Täter von ihrer Straftat aber wohl kaum abhalten, gab sie zu bedenken. Beim Schutz der Kinder gegen Gewalt und Missbrauch gehe es daher vor allem auch darum, die Gesellschaft noch stärker zu sensibilisieren und Zivilcourage zu wecken. An konkreten gesetzlichen Vorhaben nannte die Ministerin vor allem den Kampf gegen Cyber-Kriminalität, gedacht sei aber auch an eine große Familienrechtsreform, die die Bereiche Obsorge und Scheidungskinder zum Inhalt haben werde.

Bundesrat Kurt STROHMAYER-DANGL (V/N): Wie sind die Erfahrungen mit der Tätigkeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft?

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BANDION-ORTNER berichtete von positiven Erfahrungen als Folge der Spezialisierung, erwartete sich aber noch weitere Fortschritte und eine höhere Aufklärungsquote durch die mit Jahresbeginn eingeführte Kronzeugenregelung. Was die Ausbildung der Korruptionsstaatsanwälte betrifft betonte sie, es würden sich hochqualifizierte Interessenten bewerben. Sie sei jedenfalls zuversichtlich und werde dafür sorgen, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft in ihrer Endausbaustufe mit 40 Staatsanwälten eine schlagkräftige Einheit werde.

Bundesrätin Inge POSCH-GRUSKA (S/B): Auf welche Weise wollen Sie künftig bei gerichtlichen Besetzungsverfahren negative Begleiterscheinungen der jüngsten Zeit vermeiden?

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Die Ministerin meinte, Vakanz sei nichts Ungewöhnliches, man sei aber bemüht, diese so kurz wie möglich zu halten. Sie sei als Justizministerin nicht als einzige in Besetzungen involviert, gab BANDION-ORTNER zu bedenken, meinte aber, es gebe fast immer einen reibungslosen Ablauf. Zur Besetzung des Oberlandesgerichtes Wiener Neustadt teilte sie mit, der Fall habe sich mittlerweile erledigt, das Gericht sei seit 1. Februar besetzt.

Bundesrätin Elisabeth GREIDERER (V/T): Wie weit sind die Überlegungen zur Neuordnung des Obsorgerechts gediehen?

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Die Ressortchefin kündigte den Bereich Obsorgerecht als einen ihrer Schwerpunkte für die nächsten Monate an und sprach sich für einen möglichst breiten Konsens in dieser heiklen und gesellschaftspolitisch wichtigen Frage aus.  Persönlich trat BANDION-ORTNER für die gemeinsame Obsorge ein, die ihrer Meinung nach deeskalierend wirke. Klar war für sie zudem, dass die Frage der Obsorge aus dem Trennungsstreit herausgelöst werden müsse. Handlungsbedarf sah sie auch bei der Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern im Zusammenhang mit der Obsorge.

Bundesrat Ewald LINDINGER (S/O): Welche Überlegungen betreffend die Gerichtsorganisation stellen Sie zur Qualitätssicherung der Rechtssprechung wie auch der Standortpolitik - insbesondere für Oberösterreich - an?

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BANDION-ORTNER war sich, wie sie sagte, der Vorteile eines Kleingerichtes am Lande als rechtlicher Nahversorger bewusst, meinte aber, sie sei durchaus offen für die Zusammenlegung von Kleinstgerichten in Oberösterreich, es gelte aber, dieses Thema mit dem Landeshauptmann und der Landesregierung zu besprechen. Sie rechnete vor allem mit Einsparungen im Sicherheitsbereich als Folge einer Zusammenlegung und plädierte im Übrigen aus Kosten- und Sicherheitsgründen auch für eine Abschaffung der Gerichtstage. (Fortsetzung Bundesrat)


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