Parlamentskorrespondenz Nr. 279 vom 23.03.2011

EU-Hauptausschuss: Neuerliche Debatte über Anti-Atom-Politik

Sorge über Lage in Nord-Afrika und im arabischen Raum

Wien – (PK) Thema der heutigen Sitzung des EU-Hauptausschusses war vor dem Hintergrund der Katastrophe in Japan einmal mehr die Zukunft der Energiepolitik in Europa.

Die Grünen legten dazu einen Antrag auf Stellungnahme vor, in dem sie die sofortige Stilllegung aller Risikoreaktoren in Europa und den Baustopp für alle in Europa in Bau befindlichen AKW fordern. Sie verlangen des weiteren einen europäischen Ausstiegsplan aus der Atomenergie und die unverzügliche Überarbeitung der Richtlinie für nukleare Sicherheit. Zu den Forderungen der Grünen zählen darüber hinaus die Beendigung des EURATOM-Vertrags und die Gründung einer europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Österreich dürfe dem Kommissionsvorschlag für das EURATOM-Forschungsprogramm keine Zustimmung geben, meinen die Grünen, und die EU-Kommission habe den Ausbau der erneuerbaren Energien mit aller Kraft voranzutreiben. Der Antrag fand jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.

Bundeskanzler Werner Faymann hielt dazu fest, dass Österreichs Standpunkt derzeit keine Chance auf eine Mehrheit habe. Der Großteil der EU-Länder wolle weiterhin Atomstrom zur Reduktion von CO2 einsetzen. Die österreichischen Regierungsmitglieder würden aber in den einzelnen Gremien nicht locker lassen und Bündnispartner suchen, um Teilziele zu erreichen. Mittelfristig sollten die Risikoreaktoren abgeschaltet werden, sagte Faymann, das engagierte Programm sei aber ohne Druck der Bevölkerung, etwa durch eine europäische Bürgerinitiative, nicht durchsetzbar, gab er zu bedenken.

Die einsame Lage Österreichs im Hinblick auf die Anti-Atom-Politik wurde auch von Abgeordnetem Martin Bartenstein (V) thematisiert. Der Antrag der Grünen sei derzeit unrealistisch, sagte er. Dem gegenüber argumentierte Abgeordnete Christiane Brunner (G), die Formulierungen in den Schlussfolgerungen des Rats seien äußerst unverbindlich. Außerdem halte sie den Stresstest für die AKW für problematisch, weil die Atom-Lobby die Kriterien dafür festlege. Dieser Kritik schloss sich auch die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek an. Von "Placebo-Effekten" sprach Abgeordneter Andreas Karlsböck (F). Würde man bei den Stresstests die erforderlichen Kriterien anwenden, dann müssten sämtliche Kraftwerke in Deutschland zugesperrt werden, stellte er fest. Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) erwartete sich ein bestimmteres Auftreten der österreichischen Regierungsvertreter in Brüssel.

Spindelegger zu Libyen: Die Rolle der EU ist keine militärische

 

Der kommende Gipfel in Brüssel wird sich auch mit der Lage in Nordafrika und in der arabischen Region befassen. Bundesminister Michael Spindelegger erläuterte dazu die Position der EU. Als Voraussetzung für ein Eingreifen in Libyen habe die EU eine UNO-Resolution als Bedingung formuliert. Darüber hinaus sollte das Vorgehen auch von den Betroffenen im Land selbst und von der Arabischen Liga mitgetragen werden.

Die Rolle der EU sei keine militärische, betonte der Außenminister, ihr Hauptaugenmerk liege auf humanitären Aktionen. Zur Versorgung der gewaltigen Flüchtlingsströme seien von der EU 73 Mio. € zur Verfügung gestellt worden, von der Kommission kämen 36 Mio. €. Österreich selbst habe 500.000 € gespendet, zusätzlich kämen vom Bundesministerium für Inneres Zelte und weiteres Material im Wert von 150.000 €.

Der Außenminister stellte klar, dass es sich bei den derzeitigen Aktionen um keinen Krieg handelt, sondern um die Herstellung der Flugverbotszone zum Schutz der Zivilbevölkerung. Er räumte jedoch mit Bedauern ein, dass dabei auch zivile Opfer zu beklagen seien. Europa habe sich auf größere Flüchtlingsströme vorzubereiten, sagte der Außenminister und unterstrich die Bereitschaft der EU, bei einer Neuordnung der Staatenwelt in der betroffenen Region beim Aufbau von Rechtstaatlichkeit mitzuwirken. Dies wurde von Abgeordnetem Wolfgang Schüssel (V) bekräftigt. Europa müsse sich ein sinnvolles Programm für die nächsten fünf bis zehn Jahr überlegen, stellte er fest.

Auch Klubobmann Josef Cap (S) thematisierte die Gratwanderung, die man bei derartigen militärischen Operationen zum Schutz der Bevölkerung bewältigen müsse. Abgeordnete Ursula Plassnik (V) sah das außenpolitische Krisenmanagement der EU gefordert und wies auf die dramatische Zuspitzung der Ereignisse im Jemen, aber auch in Bahrain hin.

Auf ihre Frage, wer denn die Ansprechpartner in Libyen nun seien, meinte der Bundeskanzler, die Schwierigkeit bestehe darin, dass es in diesen Ländern keine gewachsene Opposition gibt, was die Zusammenarbeit schwierig mache. Er halte den derzeit vorsichtigen Weg der EU der Nicht-Anerkennung für richtig, da man nicht genau wisse, welche Kräfte hinter der Opposition stehen. Allgemein war man sich einig, dass man den Anteil der Arabischen Liga stärker einfordern sollte. (Schluss EU-Hauptausschuss)