Parlamentskorrespondenz Nr. 310 vom 30.03.2011

Rasterfahndung wurde noch nie eingesetzt

Kritik an Tierschützerprozess und Vorratsdatenspeicherung

Wien (PK) – Der Nationalrat setzte seine Beratungen mit der Diskussion über den Bericht der Justizministerin betreffend Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen fort. Dem zufolge wurden 2008 vier große und drei kleine Späh- und Lauschangriffe durchgeführt, 334 Verdächtige optisch und/oder akustisch überwacht und 107 Videofallen gestellt. Das Instrument der "Rasterfahndung" kam jedoch – wie in den vorangegangenen Jahren – auch diesmal nicht zum Einsatz. Die Abgeordneten nützten die Debatte auch, um den Prozess gegen die TierschützerInnen sowie die Vorratsdatenspeicherung zu thematisieren. Der Bericht wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) wies darauf hin, dass die besonderen Ermittlungsmaßnahmen bereits seit dem Jahr 1998 zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden können. Im Jahr 2008 hat es ihm zufolge drei Fälle des großen Lausch- und Spähangriffs, also optische und akustische Überwachungsmaßnahmen, drei Fälle des kleinen Lausch- und Spähangriffs und 107 Fälle einer Videokamera-Überwachung gegeben. Lediglich in drei Fällen sei der Antrag auf Einsetzung besonderer Ermittlungsmaßnahmen vom Gericht abgelehnt worden. Auch die Erfolgsquote habe sich erhöht, skizzierte Donnerbauer. Kritisch äußerte sich der Abgeordnete zur Videoaufzeichnung einer nicht-öffentlichen Sitzung des Justizausschusses durch die Grünen.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) wertete den vorliegenden Bericht als weitgehend "unspektakulär". Was auffalle, sei, dass die besonderen Ermittlungsmethoden in erster Linie zur Aufklärung von Straftaten gegen fremdes Vermögen eingesetzt würden und nur wenige Fälle Straftaten gegen "Leib und Leben" betreffen, konstatierte er. Massive Kritik übte Jarolim an der seiner Meinung nach unverhältnismäßigen Überwachung von TierschützerInnen. Seiner Ansicht nach stehen die über Jahre hinweg aufgewendeten Kosten in der Höhe von 5,5 Mio. € in keinem Verhältnis zum Ermittlungsergebnis.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) wies generell auf das Spannungsverhältnis zwischen Ermittlungsmethoden zur Verbrechensbekämpfung und der Wahrung der Grundrechte hin. Die FPÖ wolle Strafverfolgung nicht verhindern, man müsse aber sensibel vorgehen, um einen Überwachungsstaat zu vermeiden, mahnte er. Unter diesem Aspekt setzte sich Stefan auch kritisch mit der geplanten Vorratsdatenspeicherung, der Weitergabe von Bankendaten (SWIFT) an die USA und der umfassenden Erhebung von Fluggastdaten auseinander. Die EU wolle nun in einem Forschungsprojekt sämtliche Daten zusammenführen, bemängelte er.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) nutzte die Diskussion über den vorliegenden Bericht dazu, um näher auf den Tierschutzprozess in Wiener Neustadt einzugehen. Er warf der Polizei vor, sich auf die Seite einer Bekleidungsfirma gestellt und alles daran gesetzt zu haben, demonstrierende TierschützerInnen politisch und strafrechtlich "mundtot zu machen". Zunächst habe man eine Sonderkommission gegründet und eine verdeckte Ermittlerin eingesetzt, später aufgrund mangelnder Ermittlungsergebnisse den Anti-Mafia-Paragraphen herangezogen, um einen großen Lauschangriff durchführen zu lassen. Steinhauser ist überzeugt, dass durch das nunmehrige Verfahren in Wiener Neustadt ein großer Schaden für die Justiz entstanden ist. Zum Bericht selbst hielt Steinhauser kritisch fest, es lasse sich aufgrund der Darstellung nicht eruieren, ob das System des Rechtsschutzbeauftragten funktioniere.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) zeigte sich davon überzeugt, dass es in Österreich schon lange keinen maßvollen Einsatz von Ermittlungsmethoden mehr gebe. Er erinnerte etwa an die illegale Rufdatenabfrage eines Abgeordneten-Handys vor zwei Jahren und die im darauffolgenden Untersuchungsausschuss bekannt gewordenen Verfehlungen der Strafverfolgungsbehörden. Seither habe sich nichts gebessert, klagte Westenthaler, im Gegenteil: von den StaatsanwältInnen werde nach wie vor "ohne Maß drauflos ermittelt". Als ein Beispiel nannte er etwa die Untersuchungen gegen die Bundesliga, wo ihm zufolge aufgrund eines "dubiosen" Zeitungsartikels Hausdurchsuchungen durchgeführt worden seien.

Zur Vorratsdatenspeicherung merkte Westenthaler an, man brauche einen genauen Katalog von Straftaten, bei denen der Justiz der Zugriff auf die gespeicherten Telekomverbindungsdaten ermöglicht wird. Dieser Katalog muss sich seiner Meinung nach auf die Terrorbekämpfung, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und die Aufklärung von Sexualstrafdelikten wie Kinderpornografie beschränken.

Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER betonte, der vorliegende Bericht enthalte "viel Erfreuliches". So wird ihr zufolge klar ersichtlich, dass die Instrumente des Lauschangriffs und der Rasterfahndung nicht nur notwendig seien, sondern auch maßhaltend und verhältnismäßig angewendet würden. Auch die Erfolgsquote habe sich verbessert. Die Justiz brauche gute und effiziente Instrumente zur Bekämpfung der Kriminalität, sagte Bandion-Ortner, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe, dafür sorgten die RichterInnen und StaatsanwältInnen.

Zum Tierschützerprozess hielt Bandion-Ortner fest, sie könne inhaltlich nicht zu einem laufenden Verfahren Stellung nehmen. Der unabhängige Rechtsschutzbeauftragte habe den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen aufgrund der Verdachtslage aber als korrekt gewertet.

Abgeordneter Bernd SCHÖNEGGER (V) hob nochmals einige Zahlen des Berichts hervor und wies u.a. darauf hin, dass im Jahr 2008 insgesamt elf Mal ein Rechtsmittel gegen den Einsatz der besonderen Ermittlungsmaßnahmen ergriffen worden sei. Grundsätzlich zeigen ihm zufolge alle elf Berichte seit dem Jahr 1998 den gleichen Sachverhalt: mit den besonderen Ermittlungsmethoden werde maßhaltend und verhältnismäßig umgegangen. Eine Rasterfahndung sei bisher noch kein einziges Mal zum Einsatz gekommen.

Abgeordneter Otto PENDL (S) hielt dem BZÖ vor, bei der Kritik an der Vorratsdatenspeicherung drei Gesetzesmaterien zu vermischen. Er selbst hält es für angebracht, genau zu determinieren, was eine schwere Straftat ist. In Richtung Justizministerin Bandion-Ortner hielt Pendl fest, er wolle sich nicht in die Arbeit der Justiz einmischen, wenn aber ein Anti-Terror-Paragraph zur Verfolgung von Tierschützern genutzt werde, könne das beim Gesetzgeber nicht auf Verständnis stoßen.

Abgeordneter Werner HERBERT (F) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zum vorliegenden Bericht, weil es keine Beanstandungen seitens des Rechtsschutzbeauftragten gegeben habe. Sodann befasste sich der Redner mit der Vorratsdatenspeicherung, die seine Fraktion äußerst kritisch sehe. Hier sei Missbrauch Tür und Tor geöffnet, weshalb seine Fraktion die berechtigten Zweifel von Grundrechtsschützern teile. Nicht umsonst sprächen sich die ExpertInnen gegen derartige Pläne aus, da zu Recht massive verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, erinnerte Herbert.

Abgeordneter Peter PILZ (G) ortete gleichfalls einen immer geringeren Respekt vor den Grundrechten der BürgerInnen durch die Regierung, was der Redner am Beispiel des Vorgehens der Justiz gegen TierschützerInnen illustrierte. Dieses Verhalten sei umso empörender, als in diesem Land illustre PolitikerInnen nicht gerichtlich verfolgt würden. Es zeige sich, dass die Aufdecker verfolgt würden, während die politischen Gauner unbehelligt blieben. Auf diese Weise sei der Rechtsstaat Österreich zu einer "Gaunerrepublik" geworden, beklagte Pilz, der abschließend dazu aufrief, endlich wieder den Interessen des Rechtsstaates die erforderliche Aufmerksamkeit zu widmen.

Präsident Martin GRAF erteilte Pilz für seine Ausführungen betreffend "Gaunerrepublik" einen Ordnungsruf.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) warnte gleichfalls davor, der Justiz Instrumentarien, die geeignet seien, die Persönlichkeitsrechte zu verletzen, in die Hand zu geben. Massive Kritik übte der Redner an der seiner Meinung nach vorhandenen Parteilichkeit der Justiz. Oppositionsabgeordnete würden unter fadenscheinigsten Argumenten überwacht, während die wahren Gauner und Korruptionisten unbehelligt blieben. Das könne nicht hingenommen werden, die Staatsanwaltschaft bedürfe dringend der parlamentarischen Kontrolle, damit den Eigenmächtigkeiten der StaatsanwältInnen endlich ein Riegel vorgeschoben wird.

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) mahnte die Evaluierung der Strafrechtsreform ein und votierte dafür, die Staatsanwaltschaft unabhängig zu stellen. Sodann befasste sich der Redner mit dem vorliegenden Bericht, zu dem er Zustimmung avisierte.

Der Bericht wurde einstimmig zu Kenntnis genommen.

Grenzüberschreitende Mediation wird erleichtert

Einstimmigkeit herrschte auch über ein Bundesgesetz betreffend bestimmte Aspekte der grenzüberschreitenden Mediation in Zivil- und Handelssachen in der Europäischen Union. Damit wird eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Einer der Kernpunkte ist dabei eine Bestimmung über die "Vollstreckbarmachung" einer schriftlichen Mediationsvereinbarung. Außerdem umfasst das Gesetz eine Ergänzung zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG), mit der eine Lücke in Hinblick auf die Umsetzung des Haager Kinderschutzübereinkommens geschlossen wird.

Abgeordnete Ridi STEIBL (V) erklärte, die Vorlage diene der Umsetzung einer EU-Richtlinie. BürgerInnen wie Unternehmen sollten dadurch einen erleichterten Zugang zum Recht erhalten. Bisherige Erfahrungen zeigten, dass sich dieses System bewährt habe, weshalb es nun auch auf den Bereich der Mediation angewandt werden solle.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) schloss an ihre Vorrednerin an und plädierte angesichts positiver Praxiserfahrungen gleichfalls für die Annahme der gegenständlichen Vorlage.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) griff den positiven Tenor ihrer Vorrednerinnen auf und setzte sich sodann als berufliche Mediatorin mit dem Themenkomplex Mediation auseinander.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) konstatierte nachhaltige Verbesserungen in dem vorliegenden Entwurf, durch welche die Mediation mehr Fleisch bekomme. Seine Fraktion werde die geplanten Änderungen daher unterstützen, erklärte der Redner, der anschließend für die gemeinsame Obsorge eintrat und in diesem Zusammenhang einen umfassenden Entschließungsantrag zum Thema Kinderschutz einbrachte.

Für die Annahme der Vorlage traten schließlich noch die Abgeordneten Anna FRANZ (V) und Ruth BECHER (S) ein.

Die Vorlage wurde einstimmig angenommen. Der B-Entschließungsantrag blieb in der Minderheit. (Fortsetzung Nationalrat)