Parlamentskorrespondenz Nr. 312 vom 30.03.2011

Initiativen der Abgeordneten zu mehr Lebensmittelsicherheit

Abgeordnete warnen vor Falschinformation im Internet

Wien (PK) – Die Gefahren für KonsumentInnen, die sich im Hinblick auf gesunde Ernährung nicht an ÄrztInnen oder ExpertInnen wenden, sondern sich die Informationen aus dem Internet holen und dabei oft zu Schaden kommen, haben Abgeordnete veranlasst, eine Initiative gegen gefährliche Falschinformationen im Internet zu starten. Dabei wird es erforderlich sein, gemeinsam auf europäischer Ebene zu agieren. Ähnlich verhält es sich mit gefährlichen Stoffen, die in Kunststoffprodukten und Lebensmitteln zu finden sind. Auch in diesem Zusammenhang wird der Gesundheitsminister aufgefordert, in den EU-Gremien für bessere Schutzbestimmungen einzutreten. Die entsprechenden Anträge der Abgeordneten fanden jeweils die einhellige Zustimmung des Nationalratsplenums.

Das Internet – manchmal ein gefährlicher Ratgeber

Einstimmig passierte ein Fünf-Parteien-Entschließungsantrag den Nationalrat, mit dem auf die zunehmende Flut von Falschinformationen ("Hoaxes") zu Gesundheitsthemen im Internet reagiert wird. Darin wird der Gesundheitsminister aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Falschinformationen über Lebensmittel und Ernährung durch die EFSA gesammelt und analysiert und fachliche Stellungnahmen dazu veröffentlicht werden.

Abgeordneter Hermann LIPITSCH (S) umriss die grundsätzliche Problemlage auf diesem Gebiet, die eine entsprechende gesetzliche Regelung unumgänglich mache. Dem diene die gegenständliche Vorlage, die daher eine breite Mehrheit finden möge, so der Redner, der schließlich die maßgeblichen Inhalte des Entwurfs erläuterte.

Abgeordneter Erwin RASINGER (V) konstatierte gleichfalls eine bedenkliche Entwicklung auf dem in Rede stehenden Gebiet. Entsprechende Maßnahmen seien daher erforderlich, und dem werde mit der Vorlage auch Rechnung getragen, erklärte der Redner.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) sagte, seine Fraktion werde den Antrag unterstützen, auch wenn er nur ein erster Schritt sein könne, dem weitere Initiativen folgen müssten. So brauche es auch echte Sanktionen gegen jene, die für diese Falschinformationen verantwortlich seien, um derartige Praktiken effizient abzustellen. Hier müsse man auf europäischer Ebene entsprechende Strafrahmen erstellen, denn den Verantwortlichen müsse gesetzlich das Handwerk gelegt werden, schloss der Mandatar.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) macht auf Probleme mit massenhaften Falschmeldungen im Internet zu Themen der Nahrungsmittelsicherheit aufmerksam. Daher ziele der vorliegende Fünf-Parteien-Antrag auf eine koordinierte Sammlung von Falschmeldungen sowie auf deren Klarstellung und Korrektur in der Öffentlichkeit ab. Kritik an der EFSA, der europäischen Behörde für Nahrungsmittelsicherheit, sei aber angebracht. Diese Behörde sei ein "Papiertiger", der bei Risikoanalysen im Bereich der Gentechnik Schwächen und viel zu wenig Rückgrat gegenüber den Gentechnik-Konzernen zeige, stellte Pirklhuber fest.

Auch Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) warnte vor den Möglichkeiten, im Internet massenhaft Unwahrheiten zu verbreiten und unterstrich die Notwendigkeit, gemeinsam mit der EU Falschmeldungen zu unterbinden oder diese in der Öffentlichkeit zu korrigieren.

Abgeordneter Erwin PREINER (S) klagte über den Missbrauch moderner Kommunikationsmittel durch Massenmails mit falschen Informationen. Ein solcher "hoax" (engl. Schwindel), der oft jeder sachlichen Grundlage entbehrt, werde von vielen BürgerInnen oft als bare Münze genommen. Besonders gefährlich sei dies bei Gesundheitsthemen. Die EU sei daher aufgerufen, sich dieses Problems anzunehmen und Falschmeldungen im Internet zu unterbinden, sagte Abgeordneter Preiner. 

Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) warnte vor der Verbreitung Angst machender Nachrichten im Internet, die unseriösen Geschäftemachern die Möglichkeit bieten, "Wundermittel" anzubieten und den BürgerInnen das Geld aus den Taschen zu ziehen. Für den Laien sei es dabei oft schwierig, verbrecherische Machenschaften von einfachen Falschinformationen zu unterscheiden. Unwirksame Mittel, oft mit gefährlichen Nebenwirkungen, werden selbst als Arzneien gegen Krebserkrankungen angeboten. Es gilt Falschmeldungen zu korrigieren und das Vertrauten der Menschen in seriöse und bewährte Institutionen zu stärken, betonte Durchschlag.

Abgeordneter Josef JURY (F) schloss sich der Einschätzung der EFSA als eines "zahnlosen Papiertigers" an und sprach den Verdacht aus, die europäische Lebensmittelaufsicht stehe unter dem Einfluss von Lobbyisten. Als Beweis dafür nannte der Redner die Zulassung gentechnischer Produkte in der EU und forderte die Berücksichtigung einwandfreier moralischer und ethischer Grundsätze bei der Arbeit der EU-Lebensmittelaufsicht.

Bedenken gegen Bisphenol A und Azofarbstoffe in Lebensmitteln

Ebenfalls einstimmig wurde der Entschließungsantrag der Abgeordneten Johann Maier (S) und Gabriele Tamandl (V) beschlossen, der auf Untersuchungen hinweist, denen zufolge der vor allem in Kunststoffprodukten aus Polycarbonat enthaltene Stoff Bisphenol A zu gesundheitlichen Schäden insbesondere bei Kleinkindern führen kann. Deshalb sollen auf EU-Ebene Initiativen zur Herabsetzung der Bisphenol-Grenzwerte für Materialien und Gegenstände gesetzt werden.

Abgeordneter Kurt GASSNER (S) wies darauf hin, dass er bis vor kurzem nicht gewusst habe, was Bisphenol A sei. Inzwischen wisse er, dass man den Stoff brauche, um Kunststoffprodukte gebrauchsfähig zu machen, und er wisse auch, dass der Stoff in Verdacht stehe, giftig zu sein. Vor allem für Säuglinge und Kleinkinder sei der Abrieb ein Problem. Gaßner begrüßte daher eine von Gesundheitsminister Stöger erlassene Verordnung, seiner Meinung nach braucht es aber auch europaweite Grenzwerte.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) erklärte, Bispehnol A sei eine Alltagschemikalie, der man kaum aus dem Weg gehen könne. Vom Endprodukt gehe grundsätzlich keine Gefahr aus, skizzierte er, durch Freisetzungen könne es aber zu gesundheitlichen Problemen kommen. Namhafte Hersteller würden eine Gesundheitsgefahr zwar vehement bestreiten, sagte Höfinger, internationale Studien legten aber negative gesundheitliche Auswirkungen sowohl durch die Nahrungsaufnahme als auch durch Hautkontakt nahe. Unter anderem drohten Fruchtbarkeitsstörungen und Herz-Kreislauf-Probleme.

Abgeordneter Bernhard VOCK (F) zeigte sich von der Stichhaltigkeit verschiedener wissenschaftlicher Studien über die Gesundheitsgefahr, die von Bisphenol A ausgeht, nicht hundertprozentig überzeugt. Für die FPÖ sei die Möglichkeit der Gesundheitsgefährdung aber Grund genug, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen, betonte er.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zur vorliegenden Entschließung an. Er erachtet es für wichtig, dass alle Abgeordneten an einem gemeinsamen Strang ziehen. Als skandalös wertete es Pirklhuber, dass die EU-Kommission die Strahlengrenzwerte für importierte Lebensmittel aus den radioaktiv belasteten Gebieten Japans hinaufsetzen wolle.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) wertete es als positiv, dass der Einsatz von Bisphenol A in Babyfläschchen in Österreich bereits verboten sei, und äußerte die Hoffnung, dass ein entsprechendes Verbot auch für Kinderspielzeug folgen werde. Bisphenol A habe hormonähnliche Wirkung, erläuterte Spadiut, ein zentrales Problem sei auch die Thermobeschichtung von Kassazetteln.

Auch Abgeordneter Johann MAIER (S) setzte sich mit der Gefahr auseinander, die von Bisphenol-A-hältigen Kassazetteln ausgehe, und wies darauf hin, dass die Supermarktkette Spar bereits auf BPA-freies Papier umstelle. Auch die Ketten REWE und Hofer seien auf der Suche nach Alternativen. Von anderen Supermarktketten habe man bis jetzt aber noch nichts gehört, bemängelte Maier.

Gesundheitsminister Alois STÖGER verwies darauf, dass in Österreich Bisphenol A in Säuglingsflaschen seit 14. Februar 2011 verboten ist. Er will dieses Verbot auch auf weitere Produkte ausdehnen, der entsprechende Vorschlag liegt ihm zufolge derzeit bei der EU zur Notifikation. Was die EU-Verordnung zum Thema strahlendbelastete Lebensmittel betrifft, ist Österreich Stöger zufolge mit seiner ablehnenden Position in der EU in der Minderheit geblieben. Er versicherte aber, dass es derzeit keine belasteten Produkte in Österreich gebe.

Genauso einstimmig wurde der Antrag Abgeordneten Johann Maier (S) und Gabriele Tamandl (V) betreffend "Azofarbstoffe in Lebensmitteln" angenommen. Dieser verfolgt das Ziel, bei der AGES gemeinsam mit der Lebensmittelindustrie eine Datenbank über Produkte einzurichten, die frei von Azofarbstoffen sind. Darüber hinaus wird der Gesundheitsminister ersucht, auf EU-Ebene für die Prüfung eines generellen Verbots von Azofarbstoffen vor allem in Lebensmitteln für Kinder einzutreten.

Abgeordneter Erwin SPINDELBERGER (S) gab zu bedenken, dass Azofarbstoffe in bunten Süßigkeiten, Obstkonserven, Speiseeis und Pudding, aber auch in vielen anderen Produkten vorkommen. Sie gelten ihm zufolge als Auslöser für Allergien, außerdem wird ihnen zum Teil nachgesagt, krebserregend zu sein. Eine besondere Kennzeichnung sei ihm daher zu wenig, sagte Spindelberger, er trat für ein Verbot dieser synthetischen Farbstoffe ein.

Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) wertete es als nachvollziehbar, dass Kinder zu leuchtend roten Fruchtgummis und grellgelben Zuckerln greifen. Es gebe allerdings Warnhinweise auf den Produkten, dass diese die Aktivität und die Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigten könnten, skizzierte sie. Auch der Verdacht, dass die Produkte Allergien auslösen und krebserregend sind, stehe im Raum. Höllerer appellierte daher an die KonsumentInnen, auf die Kennzeichnung zu achten und zu alternativen Produkten zu greifen. Insgesamt gibt es laut Höllerer sechs solcher synthetisch hergestellte "Buntmacher", sie würden etwa auch für Fertigsuppen, Käse und Räucherfische verwendet.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) hob generell das gute Diskussionsklima im Konsumentenschutzausschuss hervor. Bezüglich der vorliegenden Entschließung warb er für den verstärkten Einsatz von Pflanzenfarbstoffen, räumte aber ein, dass diese nicht so stark färbten und so billig seien wie Azofarbstoffe. Strengere Normen forderte Pirklhuber u.a. auch für "Gammelfleisch".

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) konstatierte, viele Azofarbstoffe seien aufgrund ihrer toxischen und karzinogenen Wirkung nicht mehr für Lebensmittel zugelassen. Für ein generelles Verbot habe man sich in der EU aber nicht durchringen können, bedauerte er.

Abgeordneter Erwin KAIPEL (S) machte auf eine Studie aufmerksam, der zufolge sich Kinder nach dem Verzehr von Süßigkeiten mit synthetischen Farbstoffen besonders auffällig verhalten haben. Die EU habe darauf mit einer Kennzeichnungspflicht reagiert, erläuterte er. Auch eine Senkung der Grenzwerte sei in Diskussion, ein generelles Verbot aber nicht zu erwarten. Kaipel hält es für wichtig, die KonsumentInnen für diese Problematik zu sensibilisieren, da sie es seien, die mit ihrem Kaufverhalten eine gewisse Macht ausüben könnten.

Abgeordneter Michael PRASSL (V) hinterfragte generell den Einsatz synthetischer Farbstoffe in Lebensmitteln und machte geltend, dass es Alternativen gebe. Dass sich die EU gegen ein generelles Verbot ausgesprochen hat, ist für ihn aus konsumentenpolitischer Sicht nicht schlüssig. Begrüßt wurde von Praßl die geplante Einrichtung einer Datenbank für Produkte ohne Azofarbstoffe, er erwartet sich davon mehr Transparenz.

Abgeordneter Bernhard VOCK (F) kritisierte den Warnhinweis auf Verpackungen von bunten Süßigkeiten. Anstatt darauf hinzuweisen, dass sich die Produkte auf die Aufmerksamkeit von Kindern auswirken könnten, wäre es seiner Ansicht nach sinnvoller, darauf hinzuweisen, dass die Farbstoffe im Verdacht stünden, Allergien auszulösen und Krebs zu verursachen. Einige Firmen würden ihre Produkt zwar schon umstellen, sagte Vock, es gebe aber immer noch zahlreiche bunte Fruchtgummis. Der vorliegenden Entschließung wird die FPÖ Vock zufolge zustimmen. (Fortsetzung Nationalrat)