Parlamentskorrespondenz Nr. 417 vom 29.04.2011

Qualitätsmanagement und Managerqualitäten für die Schulen

Kulturwandel an den Schulen verändert Anforderungen an Direktoren

Wien (PK) – Mit einer Änderung des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes machte eine S-V-Mehrheit im Nationalrat heute den Weg zur schrittweisen Einführung eines umfassenden Qualitätsmanagements an allen Schulen ab 1.9.2012 frei. Zum Kulturwandel an den Schulen zählt auch ein neues Anforderungsprofil für SchuldirektorInnen, die sich künftig stärker als "Manager" verstehen sollen. Diesem Ziel dient eine mit SPÖ- und ÖVP-Mehrheit verabschiedete Novelle des Schulunterrichtsgesetzes. Eine Änderung des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes macht den unbeschränkten Einsatz von PflichtschullehrerInnen in mittleren und höheren Schulen möglich.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) kündigte die Ablehnung der drei Regierungsvorlagen durch die Freiheitliche Fraktion an. Es sei zu befürchteten, dass durch die Neuregelungen ein gewaltiger Verwaltungsaufwand entstehen und der geplante Einsparungseffekt nicht eintreten werde. Konzepte wie das neue Qualitätsmanagement oder die Veränderung des Leitbilds der Schuldirektors seien nur im Kontext einer umfassenden Schulreform sinnvoll zu regeln. Man zäume das Pferd von der falschen Seite auf, meinte Rosenkranz.

Abgeordneter Elmar MAYER (S) unterstrich, es sei wichtig, dass im Bildungsbereich kein Stillstand eintrete. Bundesministerin Schmied garantiere, dass es hier Bewegung gebe. Dem diene Aufwertung der Schulleiter. Auch in der Ausgestaltung der Sekundarstufe gebe es Bewegung. Die zum Beschluss vorliegenden drei Gesetze seien wichtiger Schritte, betonte Mayer und gratulierte der Ministerin zu dem positiven Ergebnis.

Abgeordneter Harald WALSER (G) konnte den Optimismus seines Vorredners nicht teilen. Die Ministerin selbst habe die Bedeutung der erreichten Schritte geringer eingeschätzt. Tatsache sei, dass sich Österreich in einer Bildungsblockade befinde. Die Einführung eines effektiven Qualitätsmanagements sei von der GÖD faktisch hintertrieben worden. Der erstarrte bürokratische Apparat bleibe aufrecht. Österreich brauche ein grundlegendes Bekenntnis dazu, wohin die Reise gehen solle. Bevor das nicht geschehe, könne es keine Schritte in die richtigen Richtung geben. Was hier stattfinde, sei nur ein Austausch von Begriffen. Die Schule brauche objektive Evaluationen, wie sie von diesem bürokratischen Apparat nicht garantiert werden könnten. Die vorliegende Novelle werde auch nicht zum Ende des politischen Proporzes im Schulwesen führen. Was die LandeslehrerInnen betrifft, sei es an sich richtig, das bestehende Standesdenken abzubauen. Dazu brauche es aber ein neues Dienstrecht für BundeslehrerInnen. Der Redner war aber pessimistisch, dass dieses bald zu erwarten sei. Es zeige sich nur, dass dem Modell Neue Mittelschule die Lehrkräfte ausgehen.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) stellte fest, das von Abgeordnetem Walser eingeforderte Bekenntnis, wohin im Schulsystem die Reise gehen solle, liege längst vor. Auch die Kritik an der Organisation des Qualitätsmanagements wies sie zurück. Die Ausweitung der Kompetenz der Schulleiter sei in diesem Zusammenhang ein wichtiger Schritt, der ermögliche, dass Schulen ein eigenes Profil entwickeln. Die Vorlagen seien vielleicht nur kleine, aber zweifellos wichtige Schritte. 

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) äußerte die Befürchtung, was man als Qualitätsmanagement bezeichne, seien nur Maßnahmen, um für Schulinspektoren und für Verwaltungseinheiten, die man im Grunde nicht mehr brauche, eine neue Existenzberechtigung zu schaffen. Die Ausweitung der Kompetenzen für Schulleiter, etwa auf Personalentscheidungen, enthalte zudem die Gefahr, dass Parteipolitik in den Schulen noch mehr Bereiche als bisher erfasse. Das BZÖ mache dabei sicher nicht mit.

Bundesministerin Claudia SCHMIED argumentierte, das Schulaufsichtsgesetz sei nicht geeignet, um eine Diskussion über die Verwaltungsreform zu führen, wie das in der Debatte geschehen sei. Eine weitere Verländerung des Bildungssystems könne ihrer Ansicht nach nicht die Lösung sein. Schulaufsicht und Qualitätsmanagement seien Bundeskompetenzen und sollten es bleiben. Es sei notwendig, sie im Rahmen der bestehenden Behördenstruktur zeitgemäß weiterzuentwickeln. Dies sei auch vor dem Hintergrund der Einführung der Bildungsstandards 2012 zu sehen. Man müsse auch von der Erlasskultur zu eine Feedback-Kultur gelangen. Reformen müssten Schritt für Schritt erfolgen, und die Regelung der Qualitätssicherung und die Stärkung der Schulleiter seien in diesem Zusammenhang zu sehen. Qualität könne nicht von oben verordnet werden, sie müsse gemeinsam erarbeitet werden, meinte Schmied. Deshalb sei sie auch gegen den Einsatz externer Ratingagenturen für Schulen, wie sie die Grünen fordern.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) hielt fest, die vorliegenden Novellen seien zweifellos nur als erste Schritte der Schulreform zu sehen, um 2011 zum Jahr der Bildungsreform zu machen. Nach den heutigen Beschlüssen müsse es weitergehen mit Themen wie dem Ausbau der Neuen Mittelschule, ganztägigen Schulen, mehr Mitbestimmung der Schulpartner und der Attraktivierung der Polytechnischen Schule. Es sei aber klar, wohin die moderne Schule gehen müsse.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) erinnerte an die Reise der Bildungssprecher, die nach der ersten PISA-Studie nach Helsinki und Stockholm stattgefunden habe. Die von Schmied abwertend als "Ratingagenturen" bezeichneten Evaluierungsinstitute seien dort ein zentrales Element des Schulsystems. Wenn man die jetzigen Strukturen beibehalten wolle, habe man nichts gewonnen, denn es sei schließlich bekannt, dass Schulinspektoren in Österreich nach dem Parteibuch ausgesucht werden. Das verkrustete System der Parteibuchwirtschaft müsse endlich abgeschafft werden, wolle man endlich eine bessere Qualität im Schulsystem erreichen.

Abgeordneter Hermann GAHR (V) meinte, die Einführung eines Qualitätsmanagements wie auch die Ausweitung der Kompetenzen der Schulleiter seien wichtige Schritte für die Schulen. Um Qualität zu sichern, brauche man aber Kennzahlen. Es sei insgesamt notwendig, das Schulsystem an die Anforderungen der neuen Zeit anzupassen. Der Abgeordnete plädierte dafür, dabei auf die Bedürfnisse der kleinen Volksschulen in ländlichen Gebieten Rücksicht zu nehmen, und Schulstandorte nicht unüberlegt zu schließen.

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) sah mit der Änderung des Schulaufsichtsgesetz die Voraussetzungen für ein funktionierendes Qualitätsmanagement im Schulbereich geschaffen. Moderne Schule bedeute nicht Auslese, sondern individuelle Förderung. Es werde immer mehr wichtiger, neben Wissen auch soziale Kompetenzen zu erwerben. Schule sei oft hierarchisch aufgebaut, moderne Pädagogik gehe aber weg vom Anordnen und Gehorchen zu Selbstverantwortung. Auf dem Weg zur Bildungsgesellschaft sei ein tiefgreifender Wandel in Bildungskultur und Bildungspolitik unerlässlich.

Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) kam auf die Novelle des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes zu sprechen, die es ermögliche, LandeslehrerInnen – sofern sie dem zustimmten – an Bundesschulen zu verwenden. Das sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund des akuten Lehrermangels ein positiver Schritt, meinte sie. Die S-Mandatarin hielt aber auch die Vorlage eines neuen Dienst- und Besoldungsmodells für notwendig, um junge Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen.

Die Novellen zum Bundes-Schulaufsichtsgesetz, Schulunterrichtsgesetz und Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz wurden in zweiter und dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Prüfungsprämiensystem an Pädagogische Hochschulen verlängert

Einhellig verabschiedete der Nationalrat eine Novelle zum Prüfungstaxengesetz - Schulen/Pädagogische Hochschulen, die Lehrenden weiterhin PrüferInnen-Prämien einräumt. Eine ebenso einstimmig beschlossene Novelle zum Berufsreifeprüfungsgesetz sieht in Anlehnung an die letzte Novelle zum Schulunterrichtsgesetz ab 2016 standardisierte schriftliche Reifeprüfungen für ExternistInnen vor und öffnet AbsolventInnen von Musik(hoch)schulen und Heilmasseuren den Zugang zur Berufsreifeprüfung.

S-Mandatar Elmar MAYER erklärte, was heute beschlossen werde, lege fest, dass die Berufsreifeprüfung standardisiert zu erfolgen habe. Das sei ein wichtiger Schritt, weshalb er auch auf die Zustimmung der Oppositionsparteien hoffe. Die Unterrichtsministerin gelte es in ihren Bestrebungen, was die Reform des Schulwesens anbelange, schließlich tatkräftig zu unterstützen.

Die Einführung einer standardisierten Zentralmatura hielt Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) für einen wesentlichen Schritt. Dass man nun auch die Berufsreife standardisiere und den Zugang zu ihr auch AbsolventInnen von Musik(hoch)schulen und Ausbildungen zum Heilmasseur ermögliche, sei in jedem Fall begrüßenswert. Was die ebenfalls auf der Tagesordnung stehende Novelle des Prüfungstaxengesetzes anbelange, handle es sich um eine Fortschreibung bestehender Regelungen, der man nichts entgegensetzen könnte, schloss Fuhrmann.

Für F-Abgeordneten Walter ROSENKRANZ stand fest, dass die Novelle des Prüfungstaxengesetzes mehr Rechtssicherheit bringe, weshalb sie zu begrüßen sei. Zustimmend äußerte sich der Mandatar aber auch zur Standardisierung der Berufsreifeprüfung. Seine Fraktion werde beide Vorlagen unterstützen, schloss Rosenkranz.

Die Zustimmung seiner Fraktion zu den beiden gegenständlichen Novellen kündigte auch G-Mandatar Harald WALSER an. Der Unterrichtsministerin zolle man durchaus Respekt, doch ändere dies nichts daran, dass im Bildungsbereich noch immer Blockaden bestünden, die von der ÖVP errichtet würden.

Auch Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion zu den gegenständlichen Novellen an. Ihre Fraktion habe sich schließlich lange für das Erfolgsmodell Lehre mit Matura eingesetzt. Enttäuscht zeigte sich die Rednerin darüber, dass die Finanzministerin heute keine großen Reformen im Bereich der Schulverwaltung in Aussicht gestellt habe.

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED bedankte sich für die breite Zustimmung zu beiden Entwürfen. Sie gehe davon aus, dass das neue Dienst- und Besoldungsrecht für die Pädagogischen Hochschulen ab September 2012 in Kraft sein werde. Damit brauche es auch Novellierung des Prüfungstaxengesetzes mehr, erläuterte Schmied.

S-Abgeordneter Franz RIEPL führte aus, die Bewegung im Bildungsbereich gebe Grund zur Freude. Barrieren, die das Schulorganisationsgesetz in Hinblick auf die Durchlässigkeit von unten aufbaue, gelte es jedoch zu beseitigen, stellte Riepl fest. Ein diesbezüglicher Antrag liege derzeit im Petitionsausschuss.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) hob die positiven Aspekte beider Novellen hervor. Was das neue Dienst- und Besoldungsrecht für LehrerInnen anbelange, gelte es intensiv daran zu arbeiten.

Die Novellen des Prüfungstaxengesetzes und des Berufsreifeprüfungsgesetzes wurden in Zweiter und Dritter Lesung mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Schulbesuch Behinderter soll nicht an baulichen Barrieren scheitern

Angesichts der Verlängerung der Frist zur Einrichtung barrierefreier Schulgebäude sprach sich ÖVP-Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg in einem Entschließungsantrag (1397/A[E]), der die Unterstützung der anderen Fraktionen fand, dafür zu sorgen, dass behinderte SchülerInnen nicht wegen baulicher Barrieren vom Besuch einer Bundesschule ausgeschlossen werden.

Abgeordnete Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) meinte, der Zugang zu Bildung müsse allen Menschen offen stehen. Die Unterrichtsministerin arbeite deshalb auch darauf hin, im Bildungssystem Chancengleichheit herzustellen. Dieses Prinzip müsse aber auch in Hinblick auf SchülerInnen mit Behinderung Gültigkeit besitzen. In diesem Bereich gebe es aber noch einiges zu tun: So gehe es etwa nicht an, dass Integration und Inklusion nach der 8. Schulstufe endeten, monierte Königsberger-Ludwig. Sie halte es vor diesem Hintergrund für begrüßenswert, dass die Unterrichtsministerin einen diesbezüglichen Aktionsplan für das Bildungswesen auf die Beine stellen wolle.

V-Mandatar Franz-Joseph HUAINIGG illustrierte anhand eines Fallbeispiels die Notwendigkeit des vorliegenden Antrags. SchülerInnen mit Behinderung müsste es schließlich möglich sein, eine Bundesschule zu besuchen, auch wenn dies individueller Lösungen bedürfe.

F-Abgeordneter Norbert HOFER sprach von einer Notlösung: Er hätte es für sinnvoller erachtet, die Frist für die Schaffung barrierefreier Schulen nicht zu verlängern. Obgleich man in dieser Frage nicht den optimalen Weg eingeschlagen habe, werde seine Fraktion aber dem vorliegenden Antrag zustimmen, schloss er.

Abgeordnete Helene JARMER (G) führte aus, dass die Barrierefreiheit von Schulen in der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen, die Österreich ratifiziert hat, vorgeschrieben wird. Sie halte es für einen guten Schritt, dass man sich damit beschäftige, was diese Kinder brauchen, doch gebe es in der Praxis zahlreiche und verschieden gelagerte Fälle, in denen SchülerInnen mit Behinderung benachteiligt werden. Es gelte daher die Frage zu beantworten, wie man praktisch mit diesen Problemstellungen umgehen wolle. Jarmer forderte in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer behördlichen Anlaufstelle, die diese Fälle behandelt. Behindertenanwalt Erwin Buchinger sei damit schließlich überfordert.

B-Mandatarin Ursula HAUBNER sprach in Hinblick auf den vorliegenden Antrag von einem "Pfusch". Dass man auf Kosten von Menschen, die besonders benachteiligt sind, Einsparungen vornehme und damit die Frist für die Herstellung von Barrierefreiheit in Schulgebäuden verlängere, stelle der Bundesregierung ein "Armutszeugnis" aus. Das BZÖ werde dem Antrag dennoch zustimmen.

Der S-V-Antrag betreffend Behindertengleichstellungsgesetz wurde mit Stimmeneinhelligkeit verabschiedet. (Fortsetzung Nationalrat)


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