Parlamentskorrespondenz Nr. 418 vom 29.04.2011

Fall Entacher: Keine Ministeranklage gegen Darabos

Bundesheer-Assistenzeinsatz an der Ostgrenze endet mit Jahresende

Wien (PK) – Für eine heftige Debatte im Plenum des Nationalrats sorgte die FPÖ mit ihrem Antrag 1425/A auf Ministeranklage gegen Verteidigungsminister Norbert Darabos. Der Minister habe, so die Antragsteller, bei der Abberufung von General Entacher gegen die Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes verstoßen. - Das Plenum folgte bei der Abstimmung der Empfehlung des Ausschusses und lehnte den FPÖ-Antrag mehrheitlich ab.

Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) ortete keinen Grund, den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport anzuklagen. Die Abberufung des im unterstellten Personals liege schließlich im Ermessen des Ressortschefs. Was das Thema Eurofighter anbelange, habe Darabos durchaus Erfolge vorzuweisen: Ihm sei es schließlich zu verdanken, dass drei dieser Flugzeuge abbestellt und damit Kosten eingespart werden konnten. Es sei auch nicht "fair", ihm etwas vorzuwerfen, das ihm andere "eingebrockt" haben. Einen Minister, der seine Arbeit gut erledige, "zu verunglimpfen" stehe niemandem gut an.

Für B-Abgeordneten Kurt LIST stand außer Frage, dass Entacher als General die Pflicht gehabt habe, auf Missstände im Verteidigungsressort hinzuweisen. Ihn deshalb zu entlassen, sei keineswegs gerechtfertigt. Dem Verteidigungsminister warf List mangelnde Führungskompetenz und Schwäche vor. Beim Kader habe dieser damit die letzte Glaubwürdigkeit eingebüßt.

V-Mandatar Oswald KLIKOVITS mutmaßte, der Minister sehe sich erneut mit der Androhung einer Klage konfrontiert, weil er die politischen Vorgaben für das österreichische Bundesheer im letzten Jahr viel zu häufig verändert und damit Unsicherheit erzeugt habe. Die ÖVP plädiere nach wie vor für eine starke Berufs- und Milizkomponente und die Beibehaltung der Wehrpflicht, um alle Aufgabenbereiche abdecken zu können. Die Linie der SPÖ trete in dieser Frage aber keineswegs klar zutage. Darabos solle das ändern und, was seine Einstellung zur allgemeinen Wehrpflicht anbelangt, "auf den Pfad der Tugend" zurückkehren, schloss Klikovits.

Abgeordneter Elmar PODGORSCHEK (F) hielt Darabos für eine "Fehlbesetzung" im Verteidigungsministerium. Ein Blick nach Deutschland zeige schließlich, wie illusorische es sei, ein Freiwilligenheer zu etablieren. Der Verteidigungsminister solle deshalb von seiner Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht Abstand nehmen und zurücktreten, forderte der F-Abgeordnete.

G-Mandatar Peter PILZ meinte, ihm erschließe sich nicht, warum die Freiheitliche Fraktion Ministeranklage erheben wolle. Was den Fall Entacher anbelange, handle es sich um ein anhängiges Verfahren, dessen Ergebnis es abzuwarten gelte. Die Freiheitliche "Selbstjustiz" wolle er nicht unterstützen, doch spreche er Darabos damit nicht das Vertrauen aus. Dieser werde sich – wie Abgeordnete der Freiheitlichen Partei – in Kürze den kritischen Fragen seiner Fraktion in Hinblick auf Korruptionsfälle und Parteienfinanzierung stellen müssen.

F-Abgeordneter Mario KUNASEK (F) sprach von einem Bruch des Beamtendienstrechts: Entacher sei damit widerrechtlich abberufen worden. Es gehe nicht an, dass der Verteidigungsminister mit derartigen Entscheidungen Druck auf Offiziere machen wolle. Man solle den Ressortchef, nicht die Wehrsysteme austauschen, forderte er.

Abgeordnete Christine LAPP (S) sprach von einem "Bauchfleck" der Freiheitlichen Fraktion: Sie bringe eine Anklage gegen den Verteidigungsminister ein, doch wären die Begründer selbiger zum Zeitpunkt ihres Aufrufs nicht im Saal. Lapp erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass die Freiheitliche Fraktion selbst vor einigen Jahren die Ablöse des bestehenden Wehrpflichtsystems gefordert hatte.

F-Abgeordneter Peter FICHTENBAUER erläuterte, dass es strategisch sinnvoll sei, als letzter Redner zu einem Tagesordnungspunkt zu sprechen. Damit würde ihm schließlich mehr Aufmerksamkeit zu teil. Den eingebrachten Antrag begründete Fichtenbauer mit dem "unrechtmäßigen Vorgehen" des Verteidigungsministers gegen General Entacher. Darabos habe hier widerrechtlich und auf Zuruf der "Kronen Zeitung" gehandelt. Gegen einen solchen "noch nie dagewesenen Affront" gelte es aufzutreten, schloss er.

Bundesminister Norbert DARABOS erinnerte zunächst daran, dass er mit der Abbestellung einiger Eurofighter massive Einsparungen ermöglicht habe. Was die finanzielle Situation seines Ressorts anbelange, habe man außerdem Rücklagen geschaffen, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Dabei habe man einen schwierigen Weg zu beschreiten, doch blicke er dem Ergebnis des Prozesses zuversichtlich entgegen.

Beim Fall Entachter handle es sich um ein anhängiges Verfahren. Ein solcher Prozess sei zwar nicht angenehm, doch könne er dem Ausgang zuversichtlich entgegenblicken. Der von ihm dokumentierte Vertrauensverlust legitimiere schließlich die Entlassung Entachers. Die Ministeranklage könne er daher nicht nachvollziehen, schloss Darabos.

Der Antrag der Freiheitlichen Fraktion auf Ministeranklage wider den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport wurde mehrheitlich abgelehnt.

Assistenzeinsatz an der Grenze endet mit Jahresende

In der Minderheit der Opposition blieb dann ein Entschließungsantrag der Grünen (1071/A(E)) auf sofortige Beendigung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres in der Grenzregion. Sprecher von SPÖ und ÖVP wiesen darauf hin, dass dieser Assistenzeinsatz ohnehin mit Ende des Jahres ausläuft.

Abgeordneter Mario KUNASEK (F) erklärte, man werde dem negativen Bericht nicht zustimmen, denn man teile die Einschätzung der Grünen in dieser Angelegenheit. Der Grenzeinsatz in seiner gegenwärtigen Form sei nicht zufriedenstellend, er sei zu teuer und zu ineffizient, dieser sicherheitspolitische Unsinn sollte daher ehestmöglich beendet werden. Dessen ungeachtet bedankte sich der Redner bei den betroffenen Soldaten für ihre hervorragende Arbeit.

Abgeordneter Kurt GASSNER (S) sprach sich gegen eine sofortige Beendigung des Assistenzeinsatzes aus, dieser werde ohnehin stufenweise abgebaut, um mit Jahresende ganz auszulaufen, sodass es keinen Grund für die von den Grünen geforderten Maßnahme gebe.

Abgeordneter Peter PILZ (G) bezeichnete die Vorgangsweise der Sozialdemokratie als unlogisch. Er habe nichts anderes als die Beendigung des Assistenzeinsatzes gefordert. Dieser werde nun tatsächlich beendet, und dieses Faktum nehme die Regierung zum Anlass, den G-Antrag abzulehnen. Es sei also die Vernunft in diesem Fall auf verschlungenen Wegen zu den Regierungsparteien gekommen, konstatierte Pilz, der allerdings fragte, weshalb es die regierenden Fraktionen nicht einmal jetzt schafften, einem Antrag der Opposition die Zustimmung zu geben.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) würdigte den Assistenzeinsatz als höchst verdienstvoll für das Land. Nun hätten sich aber die Umstände geändert, weshalb sich auch die konkreten Aufgaben änderten. Daher werde der Einsatz auch beendet, aber geordnet in Form eines Stufenplans. Und genau darin bestehe der Unterschied zur Forderung der Grünen.

Abgeordneter Kurt LIST (B) votierte für ein sofortiges Ende des Assistenzeinsatzes. Der Bundesminister könnte dies problemlos in die Wege leiten, doch ihm, List, fehle der Glaube, dass dieser Einsatz überhaupt eingestellt werde.

Abgeordneter Hermann KRIST (S) unterstrich die Ausführungen seines Fraktionskollegen. Er würdigte den Assistenzeinsatz als wertvolle Unterstützung für die Exekutive. Er sei mithin eine Erfolgsgeschichte gewesen. Nun seien die Bedingungen andere, und deshalb werde der Einsatz auch mit Jahresende beendet.

Bundesminister Norbert DARABOS nutzte die Gelegenheit, um allen Soldaten zu danken, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten Assistenzdienst geleitet hatten. Das Regierungsmitglied zog eine erfolgreiche Bilanz dieses Einsatzes. Nun aber werde dieser beendet, die Agenden würden an das Innenministerium zurückgeführt, schloss der Redner.

Verursacher von Eurofighter-Alarmstarts sollen die Kosten tragen

   

Die Kosten teurer Eurofighter-Alarmstarts, die Piloten auslösen, die beim Überfliegen des Bundesgebiets keinen Funkkontakt mit der Luftraumüberwachung herstellen, sollen – so ein Antrag des BZÖ - den verursachenden Fluglinien angelastet werden (822/A(E)). Der Antrag blieb in der Minderheit der Opposition. Minister Darabos tritt für eine europäische Lösung des Problems ein.

Abgeordneter Christian LAUSCH (F) wies auf die finanziellen Vorteile des Entschließungsantrags hin. Gerade in Zeiten allgemeinen Sparens hätte es eine Vorbildwirkung, wenn man hier zu einer entsprechenden Lösung käme.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) erläuterte die näheren Hintergründe der Materie und meinte, diese Flüge eigneten sich auch ganz gut als Training für die Piloten, weshalb man die Angelegenheit nicht allein aus finanzieller Sicht sehen könne. Im Übrigen brauche dieses Thema eine gesamteuropäische Lösung.

Abgeordneter Peter PILZ (G) votierte für eine Offenlegung des Eurofighter-Vertrages und wollte umfangreiche Berichte in dieser Causa. Der Vorschlag des BZÖ sei im Übrigen vernünftig.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) verwies ebenfalls auf den internationalen Kontext dieser Problematik. Die Frage sollte also im europäischen Rahmen gelöst werden.

Schließlich realisierte das Plenum die Empfehlung des Immunitätsausschusses und lehnte das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des G-Abgeordneten Dr. Peter Pilz mit dem Hinweis ab, die inkriminierte Handlung stehe im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Abgeordneten. 

In der Debatte dankte Abgeordneter Ewald STADLER (B) dem Abgeordneten Pilz dafür, das vorliegende Protokoll publiziert zu haben. Dies ermögliche ihm, Stadler, daraus zu zitieren. Stadler zeigte sich davon überzeugt, dass die in dem Protokoll enthaltene Aussage seine Thesen stütze. Der Redner schloss an diese Ausführungen kritische Anmerkungen über das Agieren der Justiz und forderte die Regierung auf, mit Missständen in der Justiz aufzuräumen.

Abgeordneter Peter PILZ (G) erläuterte die Hintergründe des gegenständlichen Protokolls und sah gleichfalls die These bekräftigt, dass es in der Causa Kampusch politische Intervention gegeben habe. Auch Pilz übte Kritik an konkreten Aspekten der genannten Materie.

Eine weitere (104.) Sitzung des Nationalrats diente geschäftungsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen. (Schluss)