Parlamentskorrespondenz Nr. 419 vom 29.04.2011

Wahlrecht: Gesetzentwurf wird in Begutachtung gezogen

Koalitionsparteien und BZÖ legen gemeinsamen Initiativantrag vor

Wien (PK) – Der heute gemeinsam von den Koalitionsparteien und dem BZÖ eingebrachte Gesetzesantrag zur Änderung des Wahlrechts wird einer Begutachtung unterzogen. Ein entsprechender Beschluss wurde vom Verfassungsausschuss des Nationalrats in einer kurzfristig einberufenen Sitzung einstimmig gefasst. Zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme sind neben dem Bundeskanzleramt und drei weiteren Ministerien auch die Ämter der Landesregierung, der Städtebund, der Gemeindebund, der Weltbund der Auslandsösterreicher und der Verein Neustart eingeladen.

Ziel des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2011 ist es, Missbrauch bei der Briefwahl zu verhindern. Außerdem will man die Bestimmungen über die Wahlausschließungsgründe im Hinblick auf ein Urteil des Europäischen Menschengerichtshofs adaptieren und Mitgliedern des Hauses Habsburg die Kandidatur bei Bundespräsidentenwahlen gestatten.

In einer ersten kurzen Debatte zeigte sich Abgeordnete Daniela Musiol (G) über die Initiative erfreut und wies darauf hin, dass sich im Antrag auch einige Gesetzesvorschläge der Grünen wiederfinden, etwa was die Briefwahl und den Habsburger-Passus betrifft. Skeptisch äußerte sie sich hingegen zu den Bestimmungen über das Wahlrecht von Strafgefangenen. SPÖ-Klubobmann Josef Cap hob eine im Gesetzesantrag enthaltene Verfassungsbestimmung hervor, wonach die Zuerkennung des passiven Wahlrechts für die Familie Habsburg bei Bundespräsidentschaftswahlen keine Auswirkungen auf die erfolgte staatliche Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen habe.

Ausschussobmann Peter Wittmann will nach Vorliegen der angeforderten Stellungnahmen mit den Fraktionen die weitere Vorgangsweise in Bezug auf die parlamentarischen Beratungen über den Antrag abstimmen.

Nachfrist für Einlangen von Wahlkarten soll gestrichen werden

Konkret müssen laut vorliegendem Gesetzentwurf Wahlkarten in Hinkunft spätestens um 17 Uhr des Wahltags bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde eingelangt sein. Ansonsten werden sie nicht bei der Stimmauszählung berücksichtigt. Damit will man eine Stimmabgabe nach Vorliegen der ersten Hochrechnungen zur Gänze ausschließen. Ausgezählt werden sollen die Wahlkarten bereits am Montag nach der Wahl.

Um ein rechtzeitiges Ausstellen der Wahlkarten zu ermöglichen, ist geplant, die Fristen für die Einbringung von Wahlvorschlägen um eine Woche vorzuverlegen. Sowohl am Wahltag als auch am Tag vor der Wahl soll eine Abgabemöglichkeit der Wahlkarten vor Ort zwischen 8 und 17 Uhr sichergestellt sein.

Wer eine Wahlkarte beantragt, soll sich künftig entweder bei der Antragstellung oder bei der Zustellung legitimieren müssen. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, dass Personen in Pflegeheimen eine Wahlkarte nur persönlich zugestellt werden kann. Eine Ersatzzustellung ist in diesen Fällen ausdrücklich untersagt. WählerInnen, die eine bei der Post hinterlegte Wahlkarte nicht rechtzeitig beheben können, sollen eine "zweite Chance" zur Ausübung ihres Stimmrechts erhalten: die Wahlkarten werden von der Wahlbehörde abgeholt.

Geändert werden sollen darüber hinaus die Wahlausschließungsgründe. Anlass dafür ist ein Erkenntnis des Europäischen Menschengerichtshofs in der Sache "Frodl gegen Österreich". Demnach soll künftig nicht jeder, der zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, automatisch vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen sein. Eine solche Sanktion droht nur noch bei bestimmten Delikten wie etwa Landesverrat, Wahlbetrug oder bestimmten Fällen von Amtsmissbrauch, bei Verstößen gegen das Verbotsgesetz, bei Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation oder einer Terrorgruppe sowie bei einer Verurteilung zu mehr als fünf Jahren Haft. In jedem Fall bedarf es einer Einzelfallentscheidung durch das Gericht. Beim passiven Wahlrecht bleiben die Wahlausschließungsgründe hingegen aufrecht.

Um zu vermeiden, dass in kleinen Gemeinden mit Justizanstalten eine überproportional große Anzahl der WählerInnen Häftlinge sind, werden die Hauptwohnsitz-Bestimmungen in Zusammenhang mit Wahlen adaptiert. Für Häftlinge, die keinen Wohnsitz außerhalb der Haftanstalt haben, gilt gemäß Gesetzentwurf der letzte Wohnsitz vor Festnahme als Hauptwohnsitz.

Der Wahlausschließungsgrund "Mitglied regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben" bei Bundespräsidentenwahlen soll gestrichen werden. (Schluss)