Parlamentskorrespondenz Nr. 465 vom 10.05.2011

Lage der österreichischen Banken wesentlich verbessert

Nationalbankspitze präsentiert Halbjahresbericht

Wien (PK) – Die Weltwirtschaft ist derzeit von einem anhaltenden Konjunkturaufschwung in einem fragilen Umfeld geprägt, das Wachstum im Euroraum fiel zuletzt relativ schwach aus, Österreichs Wirtschaft wiederum präsentiert sich ungeachtet einer Reihe von Risikofaktoren in einer sehr guten Verfassung, die Lage der heimischen Banken hat sich ungeachtet einer nach wie vor unterdurchschnittlichen Eigenmittelausstattung wesentlich verbessert. Diese Kernaussagen liegen dem Halbjahresbericht der Nationalbank über die erfolgten geld- und währungspolitischen Maßnahmen zugrunde, den Gouverneur Ewald Nowotny und Vizegouverneur Wolfgang Duchatzcek heute im Finanzausschuss vorstellten. Die Diskussion mit den Abgeordneten stand allerdings ganz im Zeichen der Griechenland-Krise, wobei vor allem FPÖ und BZÖ heftige Kritik an den Haftungen für Athen übten.

Das Wirtschaftswachstum in den USA habe an Dynamik gewonnen und wurde in den Prognosen des IWF für das Jahr 2011 auf 3,0% nach oben revidiert, schickt der Bericht in seinem Abriss über die Entwicklung der Weltwirtschaft voraus. Allerdings verbessere sich der Arbeitsmarkt nur langsam, und der Immobiliensektor sei nach wie vor angespannt, sodass von beiden Seiten wenig Schwung für die Konjunktur ausgehe, heißt es weiter. Die Erdbebenkatstrophe in Japan wiederum habe die Wirtschaft in einem noch fragilen Stadium der konjunkturellen Erholung getroffen, der laut Bericht rechnet man aber aufgrund des geringen Offenheitsgrades der japanischen Wirtschaft nur mit relativ geringen globalen Auswirkungen.

Stabilitätsmechanismus als Ausdruck europäischer Solidarität

Im Euroraum sei das reale Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2010 mit 0,3% im Vergleich zum Vorquartal relativ schwach ausgefallen, für das laufende Jahr wird unter Hinweis auf Prognosen der EZB ein Wachstum zwischen 1,3 % und 2,1 % erwartet, gleichzeitig wird aber auf die kontinuierlich gestiegene Inflationsrate aufmerksam gemacht. Während sich in den meisten Ländern mit der konjunkturellen Verbesserung eine Trendwende in der Verschuldung der öffentlichen Haushalte abzeichne, sorgen die hohen Schuldenstände einzelner Euroländer weiterhin für Turbulenzen, gibt der Bericht zu bedenken. So seien die Risikoaufschläge für Länder der europäischen Peripherie nach wie vor auf hohem Niveau, verschärft durch die Herabstufung der Ratings für Portugal, Griechenland und Spanien. Die Einrichtung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus ab dem Jahr 2013 begrüßt der Bericht in diesem Zusammenhang als wichtigen Schritt europäischer Solidarität.

Österreichs Wirtschaft entwickelt sich überdurchschnittlich gut

Die österreichische Wirtschaft sei leistungsstark und krisenfest und entwickle sich überdurchschnittlich gut. Als Träger des Wachstums wird dabei die Industrie bezeichnet, die, angetrieben von einer starken Exportnachfrage, ihre Investitionen nunmehr weiter ausweite, während die Bauwirtschaft hingegen schrumpfe. Der Bericht erwartet auch in der ersten Jahreshälfte 2011 ein überdurchschnittlich starkes Wirtschaftswachstum in Österreich und rechnet als Folge auch mit einer deutlichen Verbesserung der schon derzeit sehr günstigen Arbeitsmarktsituation. Die Inflation allerdings ziehe wegen des deutlichen Anstiegs der Energie- und Rohstoffpreise stark an. Dies ändert für den Bericht aber nichts an der Tatsache, dass Österreich auf ein Jahrzehnt mit äußerst stabiler Preisentwicklung zurückblicken kann, in dem die Inflationsrate mit 1,77 % unter der Eurorauminflation von 1,98 % lag.

Wachstum und Wohlstand über EU-Schnitt

Insgesamt zeichne sich die heimische Wirtschaft durch ein höheres Wachstum und mehr Wohlstand als der Euroraum aus, heißt es im Bericht. So konnte Österreich gemessen am BIP pro Kopf in Kaufkraftstandards in den vergangenen zehn Jahren einen Vorsprung von 14% erzielen. Die sektoral ausgewogene Wirtschaftsstruktur wiederum führe dazu, dass Krisen in einzelnen Bereichen verhältnismäßig gut verkraftet werden. Was die Innovation betrifft, lag Österreich bei den wichtigsten Kennzahlen 2010 zum Teil deutlich über dem EU-Durchschnitt, was der Bericht mittelfristig als Garant für eine gute Wirtschaftsentwicklung sowie die Sicherung des Wachstumspotentials und damit des Wohlstands wertet.

Der Bericht spricht überdies von einer mit 9,1% über dem EU-Durchschnitt liegenden Sparquote der Haushalte und betont, die privaten Haushalte, die bis Ende 2010 Geldvermögen im Ausmaß von 460 Mrd. € (160% des BIP) aufgebaut haben, seien wichtige Kapitalgeber für die anderen volkswirtschaftlichen Sektoren. Dazu komme auch, dass Haushalte wie Unternehmen weniger verschuldet sind als jene des Euroraums.

Österreichs Wirtschaft bei Wettbewerbsfähigkeit im Spitzenfeld

Österreichs Wirtschaft nehme vor allem dank moderater Lohnstückkostenentwicklung einen Spitzenplatz im internationalen Wettbewerb ein. Während der Krise haben sich, wie der Bericht vorrechnet, die bis dahin unterdurchschnittlichen Lohnstückkosten dem EU-Schnitt angenähert, für die kommenden Jahre sei aber wieder von einer vergleichsweise günstigeren Entwicklung auszugehen. Als Ausdruck internationaler Wettbewerbsfähigkeit interpretiert der Bericht auch die Leistungsbilanzüberschüsse. Zuletzt habe Österreich Überschüsse von 2,6% des BIP erwirtschaftet, während der Euroraum ein Defizit von 0,6% aufgewiesen hatte. Der Bericht verweist auf aktuelle Prognosen, denen zufolge Österreich auch in nächster Zukunft höhere Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnen werde als der Euroraum.

Als Folge der Überschüsse in der Leistungsbilanz konnte Österreich seine negative internationale Vermögensposition in den letzten Jahren sukzessive verbessern. So lag nach Angaben des Berichts 2009 die internationale Nettoverschuldung bei 13,5% und näherte sich damit dem Euroraumdurchschnitt von 11,3% an.

Solide öffentliche Finanzen

Der Bericht bescheinigt Österreich zudem solide öffentliche Finanzen. Wie in allen Ländern Europas sei auch in Österreich die Neuverschuldung während der Krise gestiegen. Aufgrund der guten strukturellen Ausgangsposition, einer robusten Arbeitsmarktentwicklung und einer relativ rigiden Ausgabenpolitik habe sich die Neuverschuldung aber vergleichsweise in Grenzen gehalten, heißt es. Als im internationalen Vergleich gering stuft der Bericht darüber hinaus die gesamtstaatliche Schuldenquote laut Maastricht in der Höhe von 69,6% des BIP im Jahr 2009 ein und unterstreich zudem, dank einer unter dem Euroraum-Durchschnitt liegenden Bruttoverschuldung seien auch die Zinsenausgaben des Staates unterdurchschnittlich   

Österreichs Banken bestehen Stresstests

Zur Lage der österreichischen Banken hält der Bericht fest, deren Engagement in den Ländern Zentral-, Ost- und Südosteuropas (CESEE) sei vergleichsweise groß, aber breit diversifiziert, die Region gelte langfristig als Wachstumsmarkt für Bankdienstleistungen. Da sich die heimischen Banken verstärkt auf die CESEE-Länder konzentrieren, seien sie im Unterschied zu den deutschen, französischen, britischen und niederländischen Banken in den derzeit schwierigen Märkten Irland, Spanien, Großbritannien, Griechenland und Portugal kaum exponiert. Insgesamt habe sich die Ertragslage der österreichischen Banken, wie Vizegouverneur Wolfgang Duchatzcek im Rahmen der Debatte erläuterte, nach dem krisenbedingten Einbruch nicht zuletzt auch durch die Gewinne aus der CESEE-Region wieder verbessert. Die Stresstests im Herbst 2010 haben einmal mehr gezeigt, dass das österreichische Bankensystem eine ausreichend hohe Resistenz gegenüber einem allfälligen neuerlichen Ausbruch einer globalen Krise aufweist. Auch die im Auftrag des ECOFIN-Rates durchgeführten Stresstests seien für alle teilnehmenden österreichischen Banken zufriedenstellend ausgefallen.

Griechenland im Zentrum der Debatte

Die anschließende Debatte mit den Abgeordneten wurde von der Schuldenkrise in Griechenland und ihren möglichen Auswirkungen auf den Euroraum und Österreich dominiert. Heftige Kritik an den übernommenen Haftungen kam dabei von BZÖ und FPÖ. So zweifelte Abgeordneter Robert Lugar (B) grundsätzlich am Sinn einer Rettung Griechenlands und meinte, es wäre besser, das Land endgültig "pleite gehen" zu lassen, als Athen weiterhin Geld "nachzuwerfen". In diese Kerbe schlugen auch die Abgeordneten Peter Westenthaler (B), Elmar Podgorschek und Maximilian Linder (beide F) oder etwa Abgeordneter Werner Königshofer (F), der die österreichische Budgetentwicklung unter dem "Damoklesschwert" der Griechenland-Haftungen gefährdet sah.

Für die Grünen stellte sich die Frage einer allfälligen Umschuldung, wobei Abgeordneter Werner Kogler von einem "Haircut" als möglicherweise unausweichlichem Schritt sprach und die Folgen dieses Schuldenerlasses für die Wirtschaft im Euroraum thematisierte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) wies auf die Folgen der aktuellen Sparprogramme auf das Wachstum in Griechenland hin und zeigte sich besorgt über die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit in den meisten Staaten des Euroraums. Sein Fraktionskollege Abgeordneter Christoph Matznetter warnte vor Risiken für europäische Banken als Folge einer Verweigerung der Griechenland-Hilfe.

Abgeordneter Günther Stummvoll (V) wiederum stellte den Vorschlag einer Fristerstreckung für Griechenland, um Zeit zu gewinnen, in den Raum.

Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny stellte grundsätzlich fest, es gebe keine Krise des Euro als Währung, sondern vielmehr ein Problem der öffentlichen Finanzen in einigen Ländern und die damit verbundene Gefahr, dass dieses Problem Auswirkungen auf einzelne Wirtschaftsbereiche habe. Der Euro als Währung funktioniere aber absolut.

Eine ökonomische Rationalität eines Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion, wie dies von FPÖ und BZÖ gefordert wurde, konnte Nowotny, wie er sagte, nicht erkennen. Auch bei diesem Szenario würden die Schulden erhalten bleiben, gab er zu bedenken. Das Problem Griechenlands liege in der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit und sei nicht über Nacht zu lösen, manches wäre aber einfacher gewesen, hätte man früher eingegriffen, sagte er. Nun müsse es den politischen Willen im Land selbst geben, die notwendigen Strukturreformen zu setzen.

Die viel diskutierten Alternativen zur Griechenland-Hilfe, wie Austritt aus dem Euro, "Haircut" oder Staatsbankrott, hätten jedenfalls Folgen, nicht nur für Griechenland, sondern auch für Portugal und andere Staaten. Es sei unmöglich, allfällige Ansteckungseffekte zu berechnen. Es könnte aber, wie Nowotny warnte, zu massiven Beeinträchtigungen des europäischen Binnenmarktes kommen, die für exportorientierte Staaten wie Deutschland und Österreich sehr negative Auswirkungen hätten. Auch mit Gefahren für die europäischen Banken sei zu rechnen. Man sollte deshalb die Chance nützen, diese Risiken zu vermeiden, unterstrich der Nationalbank-Gouverneur, der sich allerdings klar darüber war, dass die Hilfe mit Unsicherheiten verbunden sei und dass es keinen "Wunderweg" aus der Krise gebe.

Hinsichtlich der Themen Zinsentwicklung und Inflation, die von den Abgeordneten Kai Jan Krainer (S), Peter Westenthaler (B) und Jakob Auer (V) angeschnitten wurden, erinnerte Nowotny an die Erhöhung des Leitzinssatzes durch die EZB um 25 Basispunkte als Reaktion auf die gestiegene Inflationsrate und meinte, es bestehe die Erwartung, dass weitere Schritte in Richtung einer Zinserhöhung gesetzt werden. Je weiter sich die Wirtschaftslage nach der Krise allerdings normalisiert, desto eher werde auch die EZB ihr Instrumentarium wieder normalisieren. Nowotny ging davon aus, dass die Geldpolitik tendenziell restriktiver gestaltet werde. (Schluss)