Parlamentskorrespondenz Nr. 552 vom 01.06.2011

Bundesrat will Gemeinden engere Zusammenarbeit ermöglichen

Gesetzesinitiative des Bundesrats geht nun an den Nationalrat

Wien (PK) – Der Bundesrat setzte heute eine Initiative, mit der die Bandbreite an Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Kommunen durch Wegfall bestehender Beschränkungen für die Zusammenarbeit erheblich ausgeweitet werden soll. Ziel ist es, den 2.357 österreichischen Gemeinden gemeinde-, bezirks- und länderübergreifende Kooperationen nicht nur im privatwirtschaftlichen Bereich, wie das bisher schon möglich ist, sondern auch im Bereich hoheitsrechtlicher Aufgaben zu eröffnen.

Ein entsprechender, von Bundesratspräsident Gottfried Kneifel (V) und dem Vorsitzenden der Bundesratsfraktion der SPÖ, Bundesrat Gerald Klug, vorgelegter Antrag zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes passierte den Bundesrat mehrheitlich. Auf die Vorberatung des gegenständlichen Antrags im Ausschuss wurde mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit verzichtet, was von den Grünen heftig kritisiert wurde. Sie stimmten auch als einzige gegen den Antrag.

Die Gesetzesinitiative wird nun als Gesetzesantrag der Länderkammer an den Nationalrat weitergeleitet. Bundesratspräsident Kneifel und Bundesrat Klug gehen davon aus, dass der Nationalrat noch vor dem Sommer die Materie in Verhandlung nimmt und in den Juli-Sitzungen beschließt, sodass die Neuerungen mit 1. Oktober 2011 in Kraft treten können.

Konkret sieht der vorgelegte Antrag auf Änderung der Bundesverfassung vor, bestehende Beschränkungen für Gemeindeverbände zu streichen und Gemeinden ganz generell die Möglichkeit zu eröffnen, sich zu Gemeindeverbänden zusammenzuschließen. Zudem sollen die Kommunen künftig untereinander Vereinbarungen schließen dürfen, wenn sie durch entsprechende Landesgesetze dazu ermächtigt sind. Auch über Bundesländergrenzen soll ein Zusammenschluss zu Gemeindeverbänden möglich sein, wenn seitens der betreffenden Länder entsprechende Vereinbarungen geschlossen wurden.

Ermöglicht werden soll weiters eine sprengelübergreifende Zusammenarbeit von Bezirksverwaltungsbehörden. Dabei geht es vor allem um die Kompetenzkonzentration bei Verfahren, die nicht sehr häufig durchgeführt werden. Gängige Leistungen sollen im Sinne der Bürgernähe weiterhin von jeder Bezirksverwaltungsbehörde angeboten und der übliche Parteienverkehr nicht eingeschränkt werden, wie in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten wird.

Wie viel Geld die Gemeinden durch eine engere Zusammenarbeit einsparen könnten, ist laut Antrag nicht genau bezifferbar, das volkswirtschaftliche Institut der Universität Linz hat laut Bundesratspräsident Gottfried Kneifel aber ein Einsparungspotential von rund 800 Mio. € berechnet, wenn alle Kooperationsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Kneifel weist außerdem darauf hin, dass mit der Gesetzesinitiative eine prioritäre Forderung des Städte- und Gemeindebundes im Österreich-Konvent aufgegriffen wurde.

Präsident Kneifel und Bundesrat Klug sprachen in diesem Zusammenhang von einem "historischen Tag für den Bundesrat". Man gebe damit auch den Gemeinden das Signal, dass man deren Sorgen, wie Landflucht und budgetäre Probleme, ernst nehme und ihnen mit dieser "sanften Verwaltungsreform" eine Grundlage biete, für ihre BürgerInnen attraktive Angebote, etwa im Rahmen der Daseinsvorsorge, aber auch der Freizeitgestaltung, schaffen zu können. Die Reform stelle eine Chance für eine einfachere, effizientere und kostengünstigere Verwaltung dar, zeigten sich beide überzeugt.

Stärkung der Gemeinden – Opposition sieht noch Verbesserungsbedarf

In der Debatte wurde die Initiative grundsätzlich von allen begrüßt, auch wenn die Opposition noch Verbesserungsbedarf sah. Auch die Grünen lehnten den Vorstoß nicht gänzlich ab, sie akzeptierten jedoch nicht, dass die Vorlage ohne vorherige Beratung im zuständigen Verfassungsausschuss des Bundesrats auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Bundesrätin Jennifer KICKERT (G/W) hielt fest, ihre Fraktion stehe jeder Verbesserung der Kooperation zwischen Gemeinden und Ländern, die Impulse für die Umsetzung von Reformvorhaben gebe, positiv gegenüber. Dem gegenständlichen Antrag könne man heute allerdings noch keine Zustimmung erteilen, zumal wesentliche Fragen durch Verzicht auf die Vorberatung im Ausschuss offen blieben. Diese beträfen die Bereiche Transparenz, Rechtsschutz und demokratische Kontrolle, die zu wesentlich seien, um einfach darüber hinwegzugehen, schloss Kickert.

Kein Verständnis für diese Position konnte Bundesratspräsident Gottfried KNEIFEL (V/O) aufbringen. Immer nur bürokratische Probleme zu wälzen statt Lösungen aufzubieten, sei nicht der richtige Weg, zeigte er sich überzeugt. Angesichts der Tatsache, dass der Entwurf vor mehreren Wochen an alle Fraktionen ergangen sei, könne er auch nicht nachvollziehen, dass man ihn nach einer Zeit des Schweigens heute einfach ablehne.

Kneifel erörterte sodann die Entstehungsgeschichte des vorliegenden Antrags, der auf einer Empfehlung von Städte- und Gemeindebund basiere: Angesichts der Tatsache, dass die Länder "mit dem Rücken zur Wand" stehen und ihre Budgets nicht mehr ausgleichen können, gelte es schließlich auf derartige Vorschläge zurückzugreifen, um sinnvolle Reformen zu ihren Gunsten durchzuführen. Der Bundesrat sei auch kein "Selbstzweck", sondern müsse mit solchen Initiativen unter Beweis stellen, dass es ihn brauche, um Themen, die den BürgerInnen "unter den Nägeln brennen", aufzugreifen. Er könne dies, indem er die Vorschläge, die von Österreich-Konvent und Rechnungshof in großer Menge vorgelegt wurden, "abarbeite", stellte Kneifel fest.

Der gegenständliche Gesetzesentwurf ermögliche Gemeinden und Ländern eine flexiblere Zusammenarbeit: Was heute bereits im Rahmen der privatwirtschaftlichen Verwaltung gang und gebe sei, werde damit auch für den Bereich der Hoheitsverwaltung möglich, erläuterte der Bundesratspräsident. Das sei der richtige Weg, die Zusammenlegung von Gemeinden hingegen der falsche, konstatierte er. Zu diesem Antrag zu gelangen, wäre zwar nicht einfach gewesen, doch gelte es auch in Zukunft die verfassungsmäßig verankerten Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Interesse der BürgerInnen tätig zu werden, schloss Kneifel.

Auch Bundesrat Gerald KLUG (S/St) sprach von einem "historischen Tag" für die Länderkammer. Der vorliegende Antrag sei schließlich nicht nur ein Schritt in Richtung einer kleinen Verwaltungsreform, sondern auch ein deutliches Zeichen an die heimischen BürgermeisterInnen, an die zunehmend höhere Anforderungen gestellt würden. Der Bundesrat wolle sie unter Einräumung der Möglichkeit, Kooperationen attraktiver und flexibler zu gestalten, unterstützen. Die BürgermeisterInnen erhielten schließlich die Möglichkeit, Gemeindeverbände im eigenen und übertragenen Wirkungsbereich einzurichten, um Projekte einfacher, effektiver und effizienter abwickeln zu können, attestierte Klug. Eine solche Gesetzesinitiative solle aber keine "Eintagsfliege" sein, mahnte der Redner, es gelte das Instrument des Bundesratsantrags auch zukünftig zu nutzen und einzuschreiten, wenn die Interessen der Länder unmittelbar betroffen sind. Das gebiete das Selbstverständnis des Bundesrates als Länderkammer, zeigte sich der Redner überzeugt.

Bundesrätin Jennifer KICKERT (G/W) replizierte auf die Wortmeldung des Bundesratspräsidenten und wollte festgestellt wissen, dass sie lediglich auf offene Fragen hingewiesen habe. Zumal der Antrag auf eine Änderung der Bundesverfassung abziele, sei das Beharren auf einer Diskussion im Ausschuss auch nicht unzulässig, erläuterte sie. Die Kritik, die ihre Fraktion geäußert habe, wäre durchaus konstruktiv und begründet gewesen: "Der Teufel stecke schließlich häufig im Detail", meinte Kickert.

Auch Bundesrätin Monika MÜHLWERT (F/W) ging mit dem gegenständlichen Gesetzesantrag kritisch ins Gericht. Ihre Fraktion befürchte, dass er unter anderem einer "Bezirkshauptmannschaft light" den Weg ebnen könne. Die verbesserten Kooperationsmöglichkeiten halte man allerdings für begrüßenswert, weshalb man dem Entwurf trotz aller Bedenken "kritisch zustimmen" werde. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung nicht einmal kleine Schritte in Richtung einer Verwaltungsreform setze, müsse die Länderkammer initiativ werden, zeigte sie sich überzeugt.

Bundesrat Christoph KAINZ (V/N) meinte, wer sonst, wenn nicht der Bundesrat sollte diese Gesetzesinitiative einbringen, sei doch der Bundesrat die Schnittstelle zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Er dankte daher für diese Initiative, da damit genau diese Schnittstellenfunktion zum Wohle der Gemeinden und ihrer BürgerInnen wahrgenommen werde. Der Redner verwies auf die unterschiedlichen Spezifika in der heimischen Gemeindelandschaft – so habe die Tiroler Gemeinde Gramais gerade einmal 61 Einwohner, die Salzburger Gemeinde Wals-Siezenheim über 11.000 -, die es entsprechend zu berücksichtigen gelte.

Man könne hier also unmöglich alle Gemeinden über einen Kamm scheren. Ein Zentralismus wäre in dieser Frage fehl am Platz, der eingeschlagene Weg sei daher der richtige, denn es gehe um das Motto: "Näher zum Bürger, schneller zur Sache". Der vorliegende Antrag sei zu begrüßen, da er entsprechende gemeindeübergreifende Zusammenarbeit ermögliche, ohne dafür Eigenständigkeit einzuschränken.

In einer zweiten Wortmeldung stellte Bundesrat Gerald KLUG (S/St) klar, dass die Entwürfe zu dem Antrag rechtzeitig an alle Bundesräte und Bundesrätinnen ergangen seien, sodass für jeden die Gelegenheit bestanden habe, sich ausführlich kundig zu machen.

Bundesrat Peter MITTERER (F/K) bemängelte, dass der fertige Antrag erst gestern vorgelegt worden sei, doch handle es sich bei der neuen Version um eine Verbesserung, die man am Vortag noch diskutiert habe, sodass man dem aktuellen Entwurf zustimmen könne. Damit werde die Regierung aufgefordert, endlich jene Punkte umzusetzen, die sie selbst seinerzeit im Österreich-Konvent angekündigt habe. Der Bundesrat nehme hier wichtige Schritte in Angriff, die ja nicht nur den Gemeinden, sondern auch den Ländern ein Anliegen seien. Der heutige Beschluss werde den diesbezüglichen Initiativen helfen, daher werde seine Fraktion dem Entwurf auch zustimmen.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) meinte, sie unterstütze die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden stets und immer, doch es könne nicht angehen, dass man der Opposition wesentliche Mitwirkungsrechte vorenthalte. Es müsse möglich sein, in einem Ausschuss über einen Antrag beraten zu können. Wäre dies geschehen, dann hätten die Grünen dem Antrag vielleicht auch zustimmen können.

Der Antrag passierte das Plenum mit Mehrheit, gegen die Stimmen der Grünen.

(Fortsetzung Bundesrat)


Format