Parlamentskorrespondenz Nr. 592 vom 15.06.2011

Griechenlandkrise - notwendige Hilfe oder verlorenes Steuergeld?

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) – Das Thema Griechenlandhilfe und Euro-Schutzschirm beschäftigte das Plenum des Nationalrats gleich zu Beginn seiner Sitzungen. Im Rahmen einer Aktuellen Stunde, die auf Verlangen des BZÖ zum Thema "Zahlungsstopp jetzt – genug gezahlt für marode Banken und bankrotte Euroländer", abgehalten wurde, prallten einmal mehr die Meinungen dazu hart aufeinander.

BZÖ-Klubobmann Josef BUCHER begründete die Themenwahl seiner Fraktion mit der dramatischen finanziellen Situation in Griechenland, wobei er an Warnungen von ExpertInnen erinnerte, als die Staats- und RegierungschefInnen der EU-Mitgliedsländer im Februar 2010 einen 110 Mrd.-Euro-Kredit für Griechenland beschlossen haben. Drei Grundprinzipien der Wirtschafts- und Währungsunion seien damals gebrochen worden: das Bail-out-Verbot, das Verbot der EZB, Staatsanleihen zu kaufen und die Maastricht-Kriterien.

Der Bundesregierung warf Bucher vor, die Bevölkerung ununterbrochen falsch zu informieren. Es handle sich nur um eine vorübergehende Hilfestellung, habe es geheißen, das Geld für den Rettungsschirm werde niemals fließen und die Griechenlandhilfe sei ein Geschäft. Heute, nachdem Irland und Portugal bereits unter dem Rettungsschirm stehen und Griechenland weitere Hilfe brauche, wisse man, dass der Schutzschirm ausgeweitet werden soll. "Wir brauchen keinen Schutzschirm, sondern ein Schutzhirn in Brüssel", formulierte Bucher drastisch. Denn Österreich habe bereits 20 Mrd. € an Verpflichtungen übernommen, für die der österreichische Steuerzahler geradestehen müsse, weil Griechenland – wie ebenfalls alle wissen – schon seit einem Jahr pleite sei. Dieser Rettungsschirm führe Österreich "in eine Knechtschaft, aus der wir nie wieder herauskommen werden", warnte Bucher und lehnte eine Politik ab, die an die südeuropäischen Länder das falsche Signal gebe, der reiche Norden könne alles bezahlen.

In Wahrheit machten Banken und Spekulanten weiterhin Geld, weil sie wissen, sie können nichts verlieren, da der Steuerzahler für alle Verluste aufkommen müsse. "Diese Politik führe Österreich geradewegs in den Abgrund", sagte Bucher.

Der BZÖ-Klubobmann kritisierte Absichten für eine zentrale Wirtschaftsregierung in Europa, lehnte eine Ausdehnung des Euro-Schutzschirms auf Zypern, Italien und Spanien ab und forderte die Finanzministerin auf, der österreichischen Bevölkerung endlich die Wahrheit zu sagen. Gegenüber Griechenland plädierte Bucher für einen Zahlungsstopp – es sei genug Geld bezahlt worden.

Finanzministerin Maria Theresia FEKTER unterstrich das große Interesse Österreichs an stabilen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Europa. Der Euro hat unserem Land Wohlstand, niedrige Inflationsraten und zusätzliche Arbeitsplätze gebracht, erinnerte Fekter und fügte hinzu: "Österreich profitiert als Exportland überproportional von der gemeinsamen europäischen Währung".

In ihrer Verantwortung, den Wohlstand in Österreich abzusichern, trete sie daher für eine Politik der Stabilität in der EURO-Zone ein, sagte die Ministerin. Die Griechenlandhilfe habe Österreich bislang keinen Cent gekostet, Griechenland habe aber bereits 19 Mio. € an Zinsen nach Österreich überwiesen. Auch sei Griechenland verpflichtet worden, ein Reformprogramm durchzuziehen, das von IWF, EZB und EU-Kommission streng kontrolliert wird. Österreich sei nur bereit, sich an der Griechenlandhilfe zu beteiligen, "wenn wir unser Geld zurückbekommen", hielt die Finanzministerin an dieser Stelle fest. Fekter informierte die Abgeordneten über die Gründung einer Privatisierungsagentur in Griechenland und über die Reformen, die dazu führen werden, die Steuereintreibung in Griechenland zu verbessern, auch österreichische ExpertInnen werden Griechenland bei diesen Reformen mit Rat und Tat behilflich sein, führte die Finanzministerin aus.

Österreich unterstützt Griechenland bei der Lösung seiner Liquiditätsprobleme, weil es an der Stabilität des Euro-Raums interessiert ist und Dominoeffekte, die von einer Pleite Griechenlands ausgehen würden, vermeiden wolle. Diese Politik ist im Interesse der österreichischen SteuerzahlerInnen und auch der Pensionskassen, die griechische Staatsanleihen in ihren Portefeuilles haben, sagte die Finanzministerin.

SPÖ-Klubobmann Josef CAP warf Josef Bucher Mutlosigkeit vor, weil er es verabsäumt habe, den Problemen auf den Grund zu gehen, die zu den Schwierigkeiten in Griechenland geführt haben. Statt die Politik pauschal zu kritisieren, sollte man sich mit den Auswirkungen neoliberaler Politik in Europa befassen. Auf den völlig unregulierten Finanzmärkten seien Spekulanten und zerstörerische Kräfte am Werk, die an der Pleite von Staaten interessiert sind und auf Kosten Arbeitsloser und armer Menschen Geschäfte machen. Ratingagenturen stufen rücksichtslos Länder herab und machen gemeinsame Sache mit Spekulanten. Es ist laut Cap hoch an der Zeit, sich vom Einfluss dieser Agenturen zu befreien und eine europäische Ratingagentur zu schaffen.

Österreich könne als kleines Exportland, in dem eine Mio. Arbeitsplätze an den Ausfuhren hängen, nicht auf den Euro verzichten, hielt Cap fest und warf FPÖ und BZÖ vor, eine Politik mit unabsehbaren Risiken für Österreich zu betreiben. Außerdem müsse man diese beiden Fraktionen daran erinnern, dass die Freiheitlichen im Juni 2000 für den Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone gestimmt haben.

Die SPÖ stehe in der aktuellen Auseinandersetzung zwischen den Finanzmärkten und der Politik auf der Seite der Politik. Sie verlange eine Regulierung der Finanzmärkte und eine europäische Finanzmarktaufsicht sowie eine Beteiligung der Privaten an der Sanierung Griechenlands, schloss Cap.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) warf der EU beim Thema Griechenland ein "Kommunikationsdesaster" vor, mit dem sie den Rechtspopulisten in Europa Gelegenheit gebe, die Menschen mit Unwahrheiten zu verunsichern. Der Euro ist alles andere als eine "Totgeburt", sagte Stummvoll und wies darauf hin, dass die gemeinsame europäische Währung ein überaus stabiles und erfolgreiches Zahlungsmittel ist. Die Griechenlandhilfe mit der Kürzung von Familienleistungen in Zusammenhang zu bringen, sei ebenso "schwachsinnig" wie ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone zu fordern, stellte der Abgeordnete fest und warnte davor, Griechenland pleitegehen zu lassen.

"Wir wollen nicht Roulette spielen" sagte Stummvoll. Wir müssen Griechenland Zeit geben, sein Budget in Ordnung zu bringen. Österreich wird Griechenland so lange helfen, so lange klar ist, dass andere Lösungen teurer sind.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) hielt es demgegenüber für vernünftig, jetzt einen Schlussstrich bei der Griechenlandhilfe zu ziehen. Das Hilfsprogramm funktioniere nicht, weil Griechenland überschuldet sei und seine Wirtschaftskraft seit dem Ausbruch der Krise um 10% nachgelassen habe. Es sei völlig unrealistisch anzunehmen, dass dieses Land seine Schulden mit einer weiter schrumpfenden Wirtschaft zurückzahlen könne, sagte Themessl. Die Jugendarbeitslosigkeit betrage dort 40%, Gewerbe und Industrie spielten eine untergeordnete Rolle und der Tourismus habe seine Investitionstätigkeit eingestellt. Die Menschen gehen auf die Straße, weil sie das Sanierungspaket nicht ertragen können. Das erkennen immer mehr Experten in Europa, teilte Themessl mit und verlangte seitens seiner Fraktion von der Finanzministerin, ihre Verantwortung für die heimischen SteuerzahlerInnen wahrzunehmen, statt weiteres Geld nach Griechenland zu schicken.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) sah die europäischen Regierungen im Falle Griechenlands in ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem taumeln. Banken und Spekulanten haben daran verdient, Griechenland in eine finanzielles Destaster zu treiben, erinnerte Kogler. Die europäischen Regierungen hätten bislang aber nicht mehr erreicht, als eine Konkursverschleppung, kritisierte der Redner. Die Politik müsse Interessen im Auge behalten, sagte Kogler und riet dazu, über eine geordnete Teilumschuldung unter Beteiligung der Banken nachzudenken. Ohne einen teilweisen Schuldenausgleich, eine "Teilpleite", werde es nicht gehen. Spekulanten und Milliardäre, die ihr Geld zuletzt in die Schweiz, nach Liechtenstein und nach Österreich gebracht haben, seien an der Sanierung Griechenlands zu beteiligen, forderte Kogler. Außerdem werde es notwendig sein, Griechenland dabei zu unterstützen, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) hielt fest, dass Österreich bereits 1,2 Mrd. € nach Griechenland gezahlt habe und wies gegenteilige Ausführungen der Finanzministerin als unwahr zurück. "Wer ihnen die heutige Rede geschrieben hat, arbeitet an ihrem Sturz", sagte Stadler in Richtung Fekter und zeigte sich überzeugt davon, dass die Finanzministerin über die unausweichliche Pleite Griechenlands stürzen werde. Die SPÖ beginne sich bereits von der gescheiterten Griechenlandpolitik der Bundesregierung abzuwenden, registrierte Stadler. Der Abgeordnete zitierte dann aus einem Aufruf von 327 deutschen Topökonomen, die kürzlich die Pleite Griechenlands als nicht mehr abwendbar bezeichnet haben. Stadler machte auch auf eine 6,4 Mrd. Euro-Risikorückstellung der OENB im Zusammenhang mit Griechenland aufmerksam und kritisierte die Politik der Finanzministerin als ahnungslos und hilflos. "Die Griechenlandpleite wird auf Kosten des Steuerzahlers gehen", lautete Stadlers Sorge.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) räumte eingangs seiner Rede ein, die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone sei ein Fehler gewesen. Schuld an der Griechenland-Krise trage nicht zuletzt der Marktfetischismus, der auch die Wirtschaftskrise ausgelöst habe. Es sei auch dringend geboten, dagegen vorzugehen, dass Österreich als Steueroase für Ausländer fungiere. FPÖ und BZÖ warf der Redner vor, alle Maßnahmen in dieser Richtung bisher abgelehnt zu haben. Weitere Finanzhilfe für Griechenland sei schon aus Eigeninteresse geboten, argumentierte Krainer, wenn man einen ökonomischen Flächenbrand verhindern wolle. Es sei der falsche Weg, Griechenland "kaputtzusparen". Auf jeden Fall müsse man vermeiden, in der Krise Rezepte anzuwenden, die schon in der Zwischenkriegszeit nicht funktioniert und zu Krieg und Faschismus geführt hätten.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) warf der Opposition vor, mit dem Thema Griechenlandhilfe nur Panikmache zu betreiben. Man müsse den WählerInnen aber klar vor Augen führen, dass eine Staatspleite Griechenlands schwere Folgen für Europa nach sich ziehen würde. Gegenseitige Schuldzuweisungen, wer für Entscheidungen in der Vergangenheit verantwortlich sei, hielt Tamandl für sinnlos. Die Krise Griechenlands sei aufgrund der massiven Steuerflucht weitgehend selbstgemacht, meinte Tamandl. Allerdings sei es nicht angebracht, das Land schlecht zu reden, oder gar seinen Austritt aus der gemeinsamen Währung zu fordern. Der Euro sei für Österreich als Exportland von grundlegender Bedeutung, man sei es auch den Menschen in Europa schuldig, Griechenland mit derselben Solidarität beizustehen, mit der man den Menschen in Kärnten im Falle der Hypo Alpe Adria geholfen habe.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) bezweifelte die Aussagen von Finanzministerin Fekter, wonach man an Griechenland nur unter Bedingung, dass das Geld früher oder später zurückgezahlt werde, finanziell Hilfe leiste, und stellte in Abrede, dass es sich um ein "gutes Geschäft" für Österreich handeln könne. Es sei auch nicht angebracht, die Schuld beim Neoliberalismus zu suchen, wie man es von Seiten der SPÖ betreibe. Was stattgefunden habe, sei eine Verstaatlichung der Schulden Griechenlands, durch welche sich die privaten Gläubiger von den Risiken befreit hätten. Die Politik der Regierung diene nur dazu, die Finanzblase weiter aufzublasen und die Stunde der Wahrheit möglichst hinauszuzögern. Das sei eine Politik, welche die FPÖ den SteuerzahlerInnen nicht zumuten wolle, schloss Hübner. Man müsse ihnen vielmehr die Wahrheit sagen.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) zog aus der Griechenlandkrise den Schluss, dass man im Bereich der Finanzmärkte dringend handeln müsse. Man brauche eine Finanztransaktionssteuer, sagte die Abgeordnete und eine Entschuldung Griechenlands. Diese müsse unter Beteiligung der Banken, die an der Krise bisher gut verdient hätten, vor sich gehen. Das Rezept des BZÖ nach einem Stopp der Kredite und einem Austritt Griechenlands aus dem Euro sei ein verführerisch einfacher Plan, der Europa aber letztlich teuer zu stehen komme. Griechenland brauche kein Sparen an der falschen Stelle, sondern müsse die Wirtschaft ankurbeln, um mit Steuereinnahmen den Zinsendienst gewährleisten zu können. Lichtenecker zog einen Vergleich zum Marshall-Plan der USA nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem man rasch eine Erholung der Wirtschaft im Nachkriegseuropa erreicht habe.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) hielt den Vergleich seiner Vorrednerin für unzulässig. Es gehe jetzt darum, den Menschen in Europa zu helfen, und nicht weiterhin Hilfe für Spekulanten und Großbanken sicherzustellen. An Finanzministerin Fekter stellte Scheibner die Frage, ob sie tatsächlich garantieren könne, dass die bisher an Griechenland gezahlten Kredite zurückgezahlt werden würden. Scheibner warf den Regierungsmitgliedern vor, Versprechen abzugeben, für die sie später nicht geradestehen müssten. Der Fehler sei passiert, als man Griechenland unter falschen Annahmen die Aufnahme in die Eurozone gewährt habe. Das sei noch unter einer rot-schwarzen Koalition im Jahr 1999 erfolgt. Das BZÖ verlange eine Alternative zur Sanierung Griechenlands auf Kosten der SteuerzahlerInnen. Diese könne nur im Austritt jener Länder aus der Eurozone, welche die Kriterien nicht erfüllen, bestehen, stand für ihn fest.

(Fortsetzung Nationalrat)