Parlamentskorrespondenz Nr. 660 vom 28.06.2011

Kärntner Ortstafeln: Verfassungsausschuss billigt Kompromiss

Gesetz könnte noch vor der Sommerpause beschlossen werden

Wien (PK) – Die seit Jahrzehnten geführte Diskussion um die Anbringung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten könnte bald ein Ende haben. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte mit breiter Mehrheit den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf, der die umstrittene Ortstafelfrage endgültig vom Tisch bringen und den mit den Volksgruppenvertretern ausgehandelten Kompromiss verfassungsrechtlich absichern soll. Der Beschluss wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ gefasst, die Grünen äußerten noch einige Bedenken.

Kernpunkt der Gesetzesnovelle ist die taxative Aufzählung von 164 Kärntner Ortschaften, in denen es künftig verpflichtend zweisprachige Ortstafeln geben muss. Zudem wird auch die Zulässigkeit der Verwendung der kroatischen, slowenischen und ungarischen Sprache als Amtssprache verfassungsgesetzlich geregelt. Zuletzt geäußerte Bedenken des Rats der Kärntner Slowenen begegneten die Abgeordneten mit einer Ausschussfeststellung, generell zeigten sie sich aber vom Schwenk des Rats mit Valentin Inzko an der Spitze enttäuscht.

In Rahmen der Debatte erhielt Staatssekretär Josef Ostermayer viel Lob für den erzielten Kompromiss, auch wenn sich einige Abgeordnete mit der nunmehrigen Lösung nicht gänzlich zufrieden zeigten. Man müsse das bestehende "Mondfenster" aber nutzen, war der weitgehende Tenor im Ausschuss.

Ostermayer selbst berichtete nochmals ausführlich über das Zustandekommen des Kompromisses und wies darauf hin, dass man sich nicht nur in Sachen Ortstafeln, sondern auch auf eine zusätzliche Finanzierung zweisprachiger Privatkindergärten und Musikschulen geeinigt habe. Zudem solle ein Dialogforum in Kärnten eingerichtet werden. Für Ostermayer ist der vorliegende Kompromiss, wie er meinte, "fein austariert", die letztendliche Ablehnung durch den Rat der Kärntner Slowenen bezeichnete er als "gewisse Überraschung". Er räumte aber ein, dass im Falle der Ortschaft Dobein keine Einigung erzielt werden konnte.

Seitens der FPÖ äußerte Abgeordneter Martin Strutz die Hoffnung, dass mit dem vorliegenden Entwurf ein endgültiger Strich unter die Ortstafelfrage gezogen werden könne. Er begrüßte es in diesem Sinn ausdrücklich, dass auch die Amtssprachenregelung in das Gesetz integriert worden ist. Den letztendlich erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen führte er nicht zuletzt darauf zurück, dass es zum ersten Mal einen "breiten Kommunikationsprozess" gegeben habe.

Generell hielt Strutz fest, Kärnten habe in der Vergangenheit eine "vorbildhafte Minderheitenpolitik" betrieben, etwa im Bezug auf das Schul- und Kindergartenwesen. Das habe auch eine internationale Kommission bestätigt. Er wünsche sich eine ähnliche Unterstützung für die österreichische Volksgruppe in Slowenien wie für die slowenische Volksgruppe in Kärnten, sagte er. Wichtig sei ihm, dass das vorliegende Gesetz nicht durch Änderungen aufgeschnürt werde, ein Ansinnen, das auch sein Fraktionskollege Peter Fichtenbauer teilte. Fichtenbauer sprach insgesamt von einem "hervorragenden politischen Wurf".

Um ausdrücklich festzuhalten, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Artikel 7 des Staatsvertrags sowohl in Bezug auf die Amtssprache als auch in Bezug auf topografische Bezeichnungen erfüllt sei, beantragte die FPÖ eine Ausschussfeststellung.

Kritischer zum vorliegenden Kompromiss äußerte sich Grün-Abgeordneter Wolfgang Zinggl. Auch wenn nun eine Einigung vorliege, dürfe man nicht vergessen, dass die Rechte der slowenischen Minderheit 56 Jahre lang missachtet worden seien, man die Volksgruppe an der Nase herumgeführt und sie, etwa durch Ortstafelverrückungen, "zynisch verspottet" habe, konstatierte er. Das sei kein geeigneter Umgang mit Minderheiten. Den vorliegenden Kompromiss nannte Zinggl "sehr kleinlich".

Um einige Bedenken der Grünen zu untermauern, brachte Zinggl zwei Abänderungsanträge ein. Unter anderem geht es den Grünen darum, die Kärntner Ortschaft Dobein, die bei der letzten Volkszählung einen 20- bis 25-prozentigen Anteil an slowenisch-sprachigen EinwohnerInnen aufgewiesen habe, in die Ortstafel-Liste aufzunehmen. Auch die vorgesehene Auslassung mancher Ortschaften in zweisprachigen Gemeinden aus dem Anwendungsbereich der slowenischen Amtssprache ist für sie sachlich nicht begründbar. Außerdem treten die Grünen dafür ein, die Ortstafel-Liste für das Burgenland nur einfachgesetzlich festzulegen, da diese Volksgruppe keine Möglichkeit gehabt habe, sich in die Verhandlungen einzubringen. Begrüßt wurden von Zinggl dem gegenüber die gefassten Ausschussfeststellungen, die zum Teil auf seine Initiative zurückgingen.

SPÖ-Klubobmann Josef Cap betonte, es liege nicht nur im Interesse Kärntens, sondern im Interesse von ganz Österreich, nach 56 Jahren eine Lösung in der Ortstafelfrage zu finden. Es sei wichtig, dass dieses Thema endlich "aus den Schlagzeilen verschwinde", meinte er. Man sei schon einmal knapp vor einer Lösung gestanden, erinnerte Cap an das von Bundeskanzler Schüssel initiierte Konsenspapier, damals ist die Zeit seiner Ansicht nach aber noch nicht reif für einen breiten Kompromiss gewesen.

Die Haltung des Rats der Kärntner Slowenen wertete Cap als völlig unverständlich. Schließlich bringe das vorliegende Gesetz eine wesentliche Stärkung der slowenischen Minderheit, zeigte er sich überzeugt. Cap hofft noch auf eine 5-Parteien-Einigung im Plenum des Nationalrats, für ihn wäre das ein gutes Signal über die Grenzen des Landes hinaus. Auch von Caps Fraktionskollegen Franz Kirchgatterer wurde der Ortstafel-Kompromiss begrüßt.

Abgeordneter Oswald Klikovits (V) hielt fest, der Prozess, der sich über Jahrzehnte hinweg gezogen habe, sei auch ein Reifeprozess gewesen. Im Burgenland sei gelebtes Miteinander von Volksgruppen und Mehrheitsbevölkerung dem gegenüber schon lange eine Selbstverständlichkeit, erklärte er. Klikovits bedauerte, dass die anderen Minderheiten nur "sehr spärlich" in den Diskussionsprozess über das vorliegende Gesetz eingebunden gewesen seien. Er hofft trotz des für ihn nicht ganz zufriedenstellenden Kompromisses dennoch auf eine 5-Parteien-Einigung. Um zu verhindern, dass es für die kroatische und die ungarische Minderheit im Burgenland durch das Gesetz zu einer Schlechterstellung gegenüber dem Ist-Zustand kommt, legte Klikovits eine Ausschussfeststellung zu § 13 des Volkgruppengesetzes vor.

Im Namen der ÖVP wertete auch Abgeordnete Ursula Plassnik den erzielten Kompromiss als "klug und tragbar". Einen wichtigen Anteil an der Lösung hatte ihrer Meinung nach auch das Engagement der Zivilgesellschaft.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) warnte davor, den Volksgruppenkonflikt in Kärnten in den vergangenen Jahrzehnten auf einen Ortstafelkonflikt zu reduzieren. Wer das mache, habe den Konflikt nicht verstanden, meinte er. Es gehe um das Zusammenleben der Menschen vor Ort. Kärnten sei auch "keine kuriose Ausnahme", machte Petzner mit Verweis auf andere Minderheitenkonflikte in europäischen Ländern geltend.

Generell gab Petzner zu bedenken, dass das Entscheidende bei der Lösung des Ortstafelkonflikts nicht die parlamentarische Beschlussfassung sei, sondern dass die Menschen vor Ort den Kompromiss akzeptierten. Man dürfe sich auch nicht der Illusion hingeben, dass durch die Lösung der Ortstafelfrage die gesamte Volksgruppenproblematik gelöst sei, unterstrich er. Um unnötige Konflikte zu vermeiden, setzte sich Petzner dafür ein, die vorgesehenen neuen zweisprachigen Ortstafeln in Form eines Stufenplans aufzustellen, er stellte aber gleichzeitig klar, dass das BZÖ den vorliegenden Gesetzentwurf mittragen und mit beschließen werde. Dass der Rat der Kärntner Slowenen die Lösung letztendlich "torpedieren" werde, ist nach Ansicht Petzners absehbar gewesen.

Die Lösung des Konflikts im Jahr 2005 wurde nach Ansicht des Abgeordneten aus parteitaktischen Gründen von der SPÖ verhindert. Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider habe den Kompromiss mitgetragen, erinnerte er.

Neben der Frage des Stufenplans legte das BZÖ auch einen weiteren Entschließungsantrag vor: Abgeordneter Herbert Scheibner meinte, es wäre ein wichtiges Signal, würde Österreich offiziell feststellen, dass mit der Novellierung des Volksgruppengesetzes alle Punkte des Staatsvertrags erfüllt seien.

Ausschussobmann Peter Wittmann bekräftigte vor der Abstimmung, dass ein 5-Parteien-Beschluss im Plenum des Nationalrats ein wichtiges Signal nach außen wäre.

Bei der Abstimmung wurde die Novellierung des Volksgruppengesetzes mit S-V-F-B-Mehrheit gebilligt, ein Abänderungsantrag, der lediglich adaptierte topographische Bezeichnungen betrifft, stieß auch auf die Zustimmung der Grünen. Die beiden Abänderungsanträge der Grünen wurden abgelehnt.

In Form von insgesamt fünf Ausschussfeststellungen nahmen die Abgeordneten, zum Teil einstimmig, zum Teil mit S-V-G-Mehrheit Klarstellungen zu einzelnen Gesetzespassagen vor. Unter anderem geht der Verfassungsausschuss im Hinblick auf die Gemeindeautonomie davon aus, "dass es wie bisher auch weiterhin rechtlich zulässig ist, bei entsprechender Beschlusslage im Gemeinderat weitere zweisprachige Ortsbezeichnungstafeln sowie Bezeichnungen oder Aufschriften topographischer Natur aufzustellen". Außerdem wird festgehalten, dass der verankerte Bestandschutz für alle bestehenden zweisprachigen Aufschriften und Bezeichnungen gilt.

In der Minderheit blieben eine von den Grünen beantragte weitergehende Ausschussfeststellung zur Frage der Gemeindeautonomie, eine von der FPÖ beantragte Ausschussfeststellung betreffend Erfüllung des Staatsvertrags sowie die beiden Entschließungsanträge des BZÖ betreffend die Aufstellung neuer zweisprachiger Ortstafeln nach einem Stufenplan und betreffend Erfüllung des Staatsvertrags.

Zweisprachige Ortstafeln sind "ohne unnötigen Aufschub" anzubringen

Im Volksgruppengesetz werden künftig sämtliche Kärntner und burgenländischen Gemeinden aufgezählt, in denen es zweisprachige Ortstafeln geben muss. Die Kärntner Liste umfasst dabei alle Ortschaften aus der geltenden Kärntner Topographieverordnung, alle Ortschaften, zu denen ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vorliegt, sowie alle Ortschaften mit einem Anteil der gemischtsprachigen Bevölkerung von mindestens 17,5 % und reicht von Dellach/Dole in der Stadtgemeinde Hermagor bis hin zu Sonnegg/Ženek und Tichoja/Tihoja in der Gemeinde Sittersdorf. Laut Gesetzentwurf sind die zuständigen Organe verpflichtet, die Ortstafeln in den genannten Ortschaften "ohne unnötigen Aufschub" anzubringen. In Bezug auf das Burgendland wurde auf die geltende Topographieverordnung-Burgenland zurückgegriffen.

Ausdrücklich festgehalten wird in den Erläuterungen, dass die Verpflichtung zu zweisprachigen topographischen Bezeichnungen in den im Gesetz festgelegten Gebieten Kärntens und des Burgenlands ausschließlich Ortstafeln und offizielle Wegweiser betrifft. Nicht umfasst sind demnach etwa Hinweise auf das Gemeindeamt, Landkarten, Straßennamen und Wanderweg-Beschilderungen. Auch für Unternehmen wie ÖBB und Post, also etwa für Bahnhöfe, gilt die Verpflichtung nicht. Gemeinden haben allerdings das Recht, über die Vorgaben des Volksgruppengesetzes hinaus auch weitere zweisprachige Ortsbezeichnungen bzw. andere topographische Aufschriften anzubringen. Eine spezielle Bestimmung stellt außerdem sicher, dass bereits bestehende zweisprachige topographische Aufschriften in nicht vom Gesetz umfassten Ortschaften nicht wieder abmontiert werden.

In das Volksgruppengesetz integriert werden auch die drei geltenden Amtssprachenverordnungen, die die Verwendung der slowenischen, kroatischen und ungarischen Sprache bei österreichischen Behörden, Gerichten und öffentlichen Dienststellen regeln. In diesem Zuge werden auch einzelne Adaptierungen vorgenommen. So können künftig etwa auch VertreterInnen von Volksgruppenvereinen und anderer mit Volksgruppenfragen befasster juristischer Personen für Anbringen vor Ort die jeweilige Volksgruppensprache verwenden. Ist eine Gemeinde im gemischtsprachigen Gebiet aufgrund zu geringer Ressourcen nicht in der Lage, eine Verwaltungssache in der Minderheitensprache abzuwickeln, kann sie diese Angelegenheit an die Bezirkshauptmannschaft übertragen lassen.

Ausschuss nimmt ORF-Jahresbericht 2010 zur Kenntnis

Vom Verfassungsausschuss zur Kenntnis genommen wurde weiters der Jahresbericht des ORF 2010. Dieser soll auf Verlangen der FPÖ auch im Plenum des Nationalrats behandelt werden.

Viel Lob erntete der ORF hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Entwicklung, wobei Abgeordneter Reinhold Lopatka (V) darauf aufmerksam machte, dass das positive Ergebnis auch aufgrund der Refundierung für die Gebührenbefreiung erzielt werden konnte. Die Abgeordneten ließen auch keinen Zweifel aufkommen, dass für sie der ORF als österreichisches Leitmedium unverzichtbar ist. Kristisch beleuchtet wurden jedoch die Qualität einzelner Sendungen und die Altersstruktur der ZuseherInnen. FPÖ und BZÖ bemängelten auch die ihrer Ansicht nach parteiische Berichterstattung. Staatssekretär Josef Ostermayer unterstrich aus seiner Sicht, trotz aller düsteren Voraussagen sei das "Medienflaggschiff ORF" nicht untergegangen.

Im Jahresbericht 2010 weist der ORF auf ein erfolgreiches vergangenes Jahr hin. Mit dem neuen ORF-Gesetz sei es gelungen, stabile, EU-konforme rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die Einheit des Unternehmens, die Breite des Angebots und die duale Finanzierung zu erhalten, heißt es in der Bilanz. Der ORF schloss das Jahr 2010, nicht zuletzt durch "ambitionierte Spar- und Strukturprogamme", mit einem Plus von 24,9 Mio. € ab. Für die ORF-Fernsehprogramme wird für 2010 ein Marktanteil von 37,8 % ausgewiesen, die ORF-Radiosender konnten mit 76 % ihre Führungsposition behaupten. Auch ORF.at und die ORF-TVthek waren erfolgreich. Stark erweitert wurde das Angebot für gehörlose und blinde Menschen, die Werbeeinnahmen sanken.

In der Diskussion meinte Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F), die Refundierung der Gebührenbefreiung sei ebenso richtig gewesen wie die Novellierung des ORF-Gesetzes. Als einen Erfolg bezeichnete er die TVthek und den ORF on demand. Hinsichtlich des Programms zeigte sich sein Klubkollege Walter Rosenkranz (F) unzufrieden und erwähnte die mangelnde Reichweite von FM4 sowie die Formate Chili und Backstage, die ihre Erwartungen nicht erfüllen konnten. Er war auch nicht einverstanden mit der großen Präsenz von Thomas Brezina im Kinderprogramm und bezweifelte, dass die ORF-Landesstudios einen wesentlichen Beitrag zum Föderalismus leisten. Dem hielt Staatssekretär Josef Ostermayer die hohen Zuschauerzahlen bei den Sendungen der Landesstudios entgegen und meinte, die Republik würde viel verlieren, gäbe es diese nicht. 

Die Zweifel von Abgeordnetem Stefan Petzner (B) an der politischen Unabhängigkeit des ORF, was dieser anhand des hohen Anteils der Berichterstattung über die Koalitionsparteien gegenüber jenem der Opposition zu belegen versuchte, quittierte Staatssekretär Ostermayer mit der Bemerkung, nicht jede Sendesekunde bedeute auch eine positive Berichterstattung über die einzelnen Parteien. Petzner zollte jedoch der wirtschaftlichen Entwicklung des ORF Anerkennung und meinte, dieser Bericht stelle auch eine Bestätigung für die aktuelle Geschäftsführung dar.

Dem schloss sich Abgeordneter Josef Cap (S) an und bemerkte, dass der positive Abschluss sowie die stabilen Quoten eindrucksvoll Zeugnis für die richtigen Maßnahmen der Geschäftsführung mit Unterstützung des Stiftungsrats ablege. Cap befürwortete die Refundierung der Gebührenbefreiung mit dem Hinweis darauf, dass der ORF in harter Konkurrenz stehe und daher politische Unterstützung brauche, um sich im Wettbewerb durchsetzen zu können. Mit der Videoplattform und dem Teletext befinde sich der ORF ebenso auf Erfolgskurs wie mit dem international hohen Marktanteil des ORF-Radio. Cap hob in diesem Zusammenhang vor allem die hohe Akzeptanz von Ö1 hervor.

Wenn auch die wirtschaftliche Lage sich zum Positiven gewendet habe, seien die problematischen Punkte im Bericht nicht angesprochen worden, bemängelte Abgeordneter Dieter Brosz (G). So müsse man sich die Altersstruktur bei Nachrichtensendungen genauer anschauen und darüber diskutieren, welche Antworten man auf das geänderte Medienverhalten von Jugendlichen geben könne. Für Brosz geht die Tendenz auch zu sehr in Richtung "Boulevardisierung", wo es enorme Konkurrenz auf dem Markt gebe, weshalb er dafür plädierte, mehr in Richtung Qualität zu investieren. Laut Brosz ist es auch erforderlich, sich mit der Kernfrage, was die Politik vom öffentlich-rechtlichen Sender erwartet, näher auseinanderzusetzen. Auch Abgeordneter Harald Stefan (F) setzte sich kritisch mit der Zuschauerstruktur auseinander, worauf Staatssekretär Ostermayer einräumte, dass sich dieser Frage die Generaldirektion des ORF anzunehmen habe.

Die Entscheidung, ob der ORF übersiedelt, ist noch nicht gefallen, erläuterte Ostermayer gegenüber Abgeordnetem Reinhold Lopatka (V). Derzeit werde geprüft, was eine Sanierung des Gebäudes am Küniglberg, beziehungsweise eine Übersiedlung oder ein Neubau kosten. Er werde dem Generaldirektor auch den Wunsch von Abgeordnetem Franz-Joseph Huainigg (V) weiterleiten, einen Etappenplan zur Barrierefreiheit des ORF zu erstellen. Huainigg hatte in der Debatte die gesetzten Schritte zur Barrierefreiheit begrüßt, jedoch auf die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen hingewiesen.

Der Bericht wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Europäische Bürgerinitiative soll im April 2012 kommen

Eine breite Themenpalette diskutierten die Abgeordneten im Zusammenhang mit dem Bericht über Vorhaben der EU im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzlers und der Frauenministerin. Dabei standen die aktuelle Situation zur Regulierung der Finanzmärkte sowie die Europäische Bürgerinitiative im Mittelpunkt. Sowohl Abgeordneter Harald Stefan (F) als auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) thematisierten einmal mehr eine Volksabstimmung im Zusammenhang mit der Einführung des Stabilitätsmechanismus (ESM), die eine Vertragsänderung erforderlich macht. Die beiden Abgeordneten sahen darin eine gravierende Änderung und erinnerten an das Versprechen des Bundeskanzlers, in diesem Fall eine Volksabstimmung einzuleiten. Dem hielt Staatssekretär Ostermayer entgegen, dass der ESM eine Verlängerung des jetzigen Stabilitätsmechanismus darstelle und die Vertragsänderung auf Wunsch Deutschlands erfolge. Österreich hätte diese nicht gebraucht.

Ostermayer holte in diesem Zusammenhang weiter aus und ging auf die in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise bereits in Angriff genommenen Maßnahmen ein. So habe man neben dem ESM auch Kontrolleinrichtungen wie die Europäische Wertpapierbehörde eingerichtet, die seit 1. Jänner aktiv ist. Diese habe auch die Aufgabe, die Lizenzen für Rating-Agenturen zu vergeben, und der Chef der ESMA habe vor Kurzem klargestellt, dass die Lizenz der drei amerikanischen Agenturen geprüft werde. Er ging damit auch auf die Kritik von Abgeordnetem Scheibner (B) ein, der gemeint hatte, auf dem Weg zu einer europäischen Rating-Agentur sei man noch nicht sehr weit gekommen und noch immer würden die amerikanischen Agenturen, die viel zu den gegenwärtigen Problemen beigetragen haben, agieren.

Der Staatssekretär wies weiters darauf hin, dass man in Europa nun auch über den neuen EU-Finanzrahmen diskutiere und die Bundesregierung im heutigen Ministerrat einmal mehr ihre Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer wiederholt habe und für eine rasche Regulierung der Finanzmärkte eingetreten sei. Viele Länder seien bereits auf die Position Österreichs eingeschwenkt, sagte er, großen Widerstand gebe es vor allem von Seiten Schwedens und Großbritanniens.

Nachdem Abgeordnete Daniela Musiol (G) die Europäische Bürgerinitiative angesprochen hatte, erläuterte der Staatssekretär, diese solle mit 1. April 2012 in Kraft treten. Was die Umsetzung in Österreich betrifft, so würde der Vorschlag für eine diesbezügliche Änderung im B-VG und in einfachen Gesetzen im Herbst zur Begutachtung ausgeschickt. Ob es für die InitiatorInnen einen Kostenersatz geben wird, das werde derzeit in der entsprechenden Arbeitsgruppe diskutiert. Selbstverständlich werde man auf den Datenschutz achten und die Anmerkungen des VfGH berücksichtigen, sagte Ostermayer.

Die Speicherung der Flugzeugpassagierdaten werde von der Bundesregierung äußerst kritisch gesehen, bekräftigte Ostermayer gegenüber Abgeordnetem Werner Herbert (F). Österreich achte auch sehr darauf, dass weder der Datenschutz noch die Rechtsinstitute in Österreich durch Vorhaben im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit eingeschränkt werden, versicherte er gegenüber Abgeordneter Daniela Musiol (G) und Abgeordnetem Harald Stefan (F).

Hinsichtlich des geplanten Beitritts der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) berichtete Ostermayer über Befürchtungen von Drittstaaten, dass sich die Mitglieder der EU zu einem "Block-Voting" oder zu einer gemeinsamen Haltung im Ministerkomitee zusammenschließen könnten. Dies werde aber durch die Vertragsbestimmungen ausgeschlossen, erläuterte er aufgrund einer Bemerkung von Abgeordneter Sonja Steßl-Mühlbacher (S).

Zur Frage des EURATOM-Forschungsprogramms stellte Ostermayer fest, Wissenschaftsminister Töchterle habe intensiv versucht, durchzusetzen, dass die Sicherheitsforschung einen hohen Stellenwert erhält. Man habe nun in der EU zustimmen können, dies bedeute jedoch nicht, dass dies auch für die im Herbst zu verhandelnden Details gilt.

Der Bericht wurde schließlich mit S-V-G-Mehrheit zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)