Parlamentskorrespondenz Nr. 674 vom 30.06.2011

Tour dhorizon im Außenpolitischen Ausschuss

Ausschuss einstimmig für europäische Finanztransaktionssteuer

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Außenpolitische Ausschuss des Nationalrats vor allem mit einer europäischen Finanztransaktionssteuer. Ein diesbezüglicher Antrag der Regierungsparteien passierte einstimmig den Ausschuss. Abermals vertagt wurde hingegen ein F-Antrag auf Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Die Sitzung begann mit einer Aktuellen Aussprache, die von Staatssekretär Wolfgang Waldner eingeleitet wurde. Dieser zog eine erste Bilanz seiner zweimonatigen Tätigkeit und berichtete von seinen bisherigen Aktivitäten. Insbesondere ging er dabei auf die Bereiche Westbalken, Donauraumstrategie und EZA ein. Abgeordneter Werner Neubauer (F) kam sodann auf die heutige Begegnung zwischen Außenminister Spindelegger und Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder zu sprechen. Konkret wollte er wissen, ob es hinsichtlich der Bestrebungen nach der Ermöglichung einer Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen etwas Neues gebe. Sodann erkundigte er sich nach dem aktuellen Stand der Anti-Atom-Aktivitäten.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) vertrat die Ansicht, in Bosnien-Herzegowina sei die Situation verfahrener denn je, sodass eine adäquate Strategie der EU unabdingbar sei. Abgeordnete Christine Muttonen (S) thematisierte die europäische Nachbarschaftspolitik angesichts der Situation in Nordafrika. Diese belege, dass es ein flexibleres Konzept brauche. Die europäische Kommission habe ja bereits diesbezügliche Vorschläge erarbeitet, wobei insbesondere auf die arbeitsmarktpolitische Entwicklung im Norden des Kontinents Bedacht genommen werden müsse. Schließlich erinnerte Muttonen daran, dass Palästinas Präsident Mahmud Abbas beabsichtige, im Herbst eine Abstimmung in der UNO über die Unabhängigkeit seines Staates abhalten zu lassen und wollte wissen, welchen Standpunkt Österreich in dieser Frage einnehme.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) zeigte sich erfreut über die griechische Entscheidung, schränkte aber ein, die diesbezüglichen Maßnahmen müssten unter privater Beteiligung umgesetzt werden – das französische Modell sei hier sehr überlegenswert. Gleichfalls sei auch die Frage der Zukunft der Rating-Agenturen von europäischer Relevanz. Sowohl in Nordafrika als auch in Syrien brauche es klare und eindeutige Konzepte, wie man dort den angestrebten Übergang bewerkstelligt. In der Palästina-Frage plädierte Schüssel für die Anerkennung der Unabhängigkeit, was eine neue Dynamik in die Sache brächte, weil dann beide Parteien auf Augenhöhe verhandeln könnten. Schüssel begrüßte den erfolgreichen Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und sagte, es sei nun der logische nächste Schritt, Serbien Kandidatenstatus zu verleihen, um den Serben eine konkrete Perspektive zu geben.

Nachdem Abgeordnete Petra Bayr (S) sich mit Fragen der EZA auseinandergesetzt hatte, wollte Abgeordnete Judith Schwentner (G) wissen, wie man beabsichtige, die am wenigsten entwickelten Länder in eine ökonomische Strategie einzubinden. Generell votierte sie für einen offenen und breiten Diskurs zur EZA, um in der diesbezüglichen Strategie zu mehr Verbindlichkeit zu kommen.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) setzte sich mit der Nahostfrage auseinander. In dieser überaus sensiblen Region gebe es eine Vielzahl von Faktoren zu bedenken. Man müsse im gesamten Raum sehr vorsichtig vorgehen, meinte er, zeige doch gerade die Entwicklung rund um Palästina, wie eine Strategie auch fehlgehen könne.

In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, weshalb man den Libyschen Übergangsrat vorschnell als alleinige Vertretung Libyens anerkannt habe. Der Mandatar problematisierte die NATO-Bombardements, die das Land weiter spalteten, da sie von der Bevölkerung Westlibyens dem Übergangsrat in Bengasi angelastet würden. Man laufe hier durch eine unreflektierte Taktik Gefahr, die Situation zu verschlechtern anstatt sie zu verbessern, sagte Scheibner.

Zudem sei die Einhaltung einheitlicher Standards unabdingbar und zwar überall und nach gleichen Spielregeln. Es könne nicht sein, so Scheibner, dass man das Atomprogramm des Iran kritisiere, aber zu jenem Saudi-Arabiens schweige, dass man das Vorgehen der syrischen Regierung gegen Demonstranten scharf verurteile, sich aber zu den Exekutionen von Demonstranten durch Israel nicht äußere. In derart vitalen Fragen dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) befasste sich mit Perspektiven der Balkanregion, Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) mit der Lage von Minderheiten im arabischen Raum. Abgeordneter Gerhard Huber (B) verwies auf ein Interview des italienischen Außenministers in den "Dolomiten", in dem dieser erklärt habe, es liege an Südtirol selbst, faschistische Relikte wie das Meraner Siegesdenkmal zu entfernen, und in dem er außerdem darauf hingewiesen habe, dass es keine Südtiroler Anträge auf Begnadigung der Südtirol-Kämpfer gebe.

Abgeordneter Josef Cap (S) vermisste eine Grundsatzdebatte der EU und der Euro-Zone. Hat man, so fragte er, die richtigen Lehren aus der Griechenland-Krise gezogen? Sind die Kriterien effektiv genug? Ist man sich darüber im Klaren, welches europäische Modell man anstrebt? Fragen wie diese müssten geklärt werden, wolle man nicht nochmals in Situationen wie gerade eben geraten.

Staatssekretär Wolfgang Waldner meinte, die österreichische Position zur Kernkraft sei bekannt, man bemühe sich darum, die Gruppe der nuklearkritischen Staaten auch global zu positionieren. Die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler stehe im Raum und werde geprüft. Darüber hinaus handle es sich aber bei den aufgeworfenen Fragen um Interna, die unilateral einer Lösung zugeführt werden müssen.

In der Tat habe man es bei Bosnien-Herzegowina mit einer äußerst sensiblen Region zu tun, umso wichtiger sei es, allen Beteiligten die Perspektive einer europäischen Integration zu erhalten. Kroatien sei hier ein wichtiges Signal für die anderen Staaten des Westbalkan, unter denen Serbien eine besondere Rolle zukomme. Man müsse Serbiens Bemühungen anerkennen, und so spreche einiges dafür, ihm noch heuer Kandidatenstatus und ein konkretes Datum für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu geben. Während Montenegro und Mazedonien bereits Kandidatenstatus hätten und sich Bosnien-Herzegowina weiter als Sorgenkind erweise, gebe es bei Albanien ob des innenpolitischen Patts und beim Kosovo ob des Fehlens durchgehender internationaler Anerkennung gravierende Barrieren im Integrationsprozess. Auch bei Mazedonien herrsche noch Gesprächsbedarf, da der Name nach wie vor von Griechenland beeinsprucht werde.

Nach einer Erläuterung der aktuellen Nachbarschaftsstrategie wies Waldner auf die Bedeutung hin, der Jugend vor Ort eine ökonomische Perspektive zu geben. Die gestrige Entscheidung des griechischen Parlaments könne man mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen, es komme aber darauf an, auch die nächsten Hürden zu nehmen. Man habe konkrete Lehren aus der Vergangenheit gezogen, so gebe es ab sofort ein zusätzliches Monitoring nach Abschluss von Beitrittsverhandlungen, um negative Entwicklungen hintanhalten zu können. Hinsichtlich Palästinas will sich Österreich, so Waldner, nicht voreilig festlegen. Man warte hier die weitere Entwicklung ab. Abschließend setzte sich der Staatssekretär noch mit Fragen der EZA auseinander.

Ohne Debatte wurde sodann einstimmig eine Regierungsvorlage betreffend die unsichere Urkundenlage in Kirgistan angenommen. Da die Bundesregierung der Auffassung ist, in der Kirgisischen Republik herrsche eine hohe Urkundenunsicherheit, erhebt Österreich formell Einspruch gegen den Beitritt Kirgisiens zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung. Ziel dieses Schritts ist es, ein Wirksamwerden des Beitritts im Verhältnis zu Österreich zu verhindern. (1210 d.B.)

Einstimmig dem Südtirol-Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses zugewiesen wurden sodann zwei Anträge mit konkretem Südtirol-Bezug. Die Freiheitlichen setzen sich dafür ein, 50 Jahre nach Beginn der Südtiroler Aktivitäten zur Erringung einer politischen Autonomie alle von Italien in diesem Zusammenhang verurteilten Aktivisten aus humanitären Gründen zu begnadigen. (1512/A [E]) In einem Mehrparteienantrag wird der Außenminister ersucht, im Rahmen seiner bilateralen Kontakte mit Italien zu betonen, dass Österreich die Bemühungen der Südtiroler Landesregierung zur Umwidmung und Umgestaltung faschistischer Relikte in Gedenkstätten und Mahnmale begrüßt und unterstützt. (1548/A [E])

Ausschuss einstimmig für Finanztransaktionssteuer

ÖVP und SPÖ fordern die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, auf europäischer Ebene weiterhin klarzustellen, dass die effektive Besteuerung von Finanzspekulationen durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer für Österreich eine direkte Konsequenz aus der Finanzkrise und eine unbedingte Voraussetzung zur Förderung der Realwirtschaft darstellt. Der Nationalrat erwartet sich von der Regierung, dass diese alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Erreichung dieses Ziels nutzen wird. (1603/A [E])

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) signalisierte Unterstützung zu diesem Anliegen, da es ein wichtiges politisches Signal darstelle. Es wäre aber, so Scheibner, wichtig, möglichst viele Länder in diese Strategie einzubinden, um ihren Erfolg garantieren zu können. Zumindest die gesamte EU wäre erforderlich, denn sonst erwiese sich eine solche Steuer nur als Werbung für den Finanzplatz London, mahnte der Mandatar. Auch Abgeordneter Johannes Hübner (F) äußerte sich positiv zu dem Antrag, meinte jedoch, dieser dürfe keine Tür zu einer generellen europäischen Steuer öffnen, denn solche Türen ließen sich später kaum mehr schließen. Details zur Materie wurden noch von Abgeordneter Christine Muttonen (S) und von Abgeordnetem Franz Glaser (V) vorgebracht. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Ein weiteres Mal vertagt wurde schließlich ein Antrag der FPÖ auf Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. (47/A [E])

(Schluss)