Parlamentskorrespondenz Nr. 686 vom 04.07.2011

Freizügigkeit in EU darf nicht Einfallstor für Harmonisierung werden

EU-Unterausschuss gegen Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge

Wien (PK) – Der EU-Unterausschuss des Nationalrats bewertete heute den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge kritisch. In der Vorwoche hatte sich bereits der EU-Ausschuss des Bundesrats dieses Themas angenommen (siehe PK-Meldung Nr. 663/2011) und Bedenken geäußert.

Die Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager (V) und Johann Maier (S) weisen in ihrem Antrag auf Mitteilung vor allem auf die in Österreich umgesetzte Kreditverbraucher-Richtlinie hin, die auch auf  Wohnimmobilienkredite ausgeweitet wurde. Der vorliegende Vorschlag würde unnötige Doppelgleisigkeiten verursachen, argumentieren sie, außerdem hätte die Richtlinie unerwünschte Folgen für die österreichische Wohnbauförderung. Im dazu korrespondierenden Antrag auf Stellungnahme wird daher die Bundesministerin für Justiz aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Notwendigkeit der Richtlinie überdacht wird. Insbesondere dürfe eine neue Richtlinie nicht zu einer Absenkung des österreichischen Verbraucherschutzniveaus und zu negativen Auswirkungen auf die österreichische Wohnbaupolitik führen. Beide Anträge wurden einstimmig angenommen.

Anhand dieses Richtlinienvorschlags warf Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) die grundsätzliche Problematik auf, dass mit dem Argument der Freizügigkeit ein Einfallstor für Gemeinschaftsregeln geschaffen werde, was dem Subsidiaritätsprinzip in vielen Fällen widerspreche. Harmonisierungen seien in manchen Bereichen sinnvoll, in manchen nicht, sagte Schüssel. Die Justizministerin führte dazu aus, dass es vor allem der Europäische Gerichtshof sei, der darauf dringt, vieles auf EU-Ebene zu harmonisieren.

Darüber hinaus standen Vorhaben der EU zu Verordnungen über das Ehegüterrecht und das Güterrecht eingetragener Partnerschaften auf der Tagesordnung. Beide Vorschläge wurden grundsätzlich begrüßt, in einem von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ angenommenen Antrag auf Mitteilung verlangen die Abgeordneten jedoch noch einige Präzisierungen.

Weitere Diskussionspunkte im EU-Ausschuss bildeten EU-Vorlagen über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen sowie Maßnahmen zur Stärkung des Opferschutzes.

Soziale Dimension der Wohnbauförderung muss erhalten bleiben

Der Entwurf zur Richtlinie zu Wohnimmobilienverträgen enthält zivilrechtliche Bestimmungen über Kreditverträge, die der Finanzierung von Wohnimmobilien dienen, sowie aufsichtsrechtliche Regelungen für Kreditvermittler. Dies betrifft Punkte wie etwa Werbung, vorvertragliche Informationen anhand eines standardisierten Formulars, angemessene Erläuterungen, effektiven Jahreszins, Angaben zum Sollzinssatz, Kreditwürdigkeitsprüfung, Zugang zu Datenbanken und vorzeitige Rückzahlung.

Wie Bundesministerin Beatrix Karl erläuterte, hat Österreich die Verbraucherkredit-Richtlinie vollständig umgesetzt und sogar auf Hypothekarkreditverträge und sonstige Wohnimmobilienkreditverträge ausgeweitet, um ein möglichst einheitliches Regelungswerk für alle Arten von Krediten mit VerbraucherInnen zu erreichen. Sie habe daher in Bezug auf den vorliegenden Vorschlag ebenfalls Unbehagen, zumal unterschiedliche Regelungen gleicher Materien die Rechtssicherheit untergraben.

Daher müssten, sollte eine solche Richtlinie beschlossen werden, Regelungen für Wohnimmobilienkreditverträge möglichst wortgleich den korrespondierenden Bestimmungen der Verbraucherkredit-Richtlinie entsprechen. Allfällige Abweichungen seien nur vertretbar, wenn sie durch die Besonderheiten von Wohnimmobilienkrediten gerechtfertigt sind, weil Abweichungen von der Verbraucherkredit-Richtlinie, insbesondere im Bereich der vorvertraglichen Informationspflichten, erhebliche Zusatzkosten für die Kreditgeber verursachen würden und überdies kontraproduktiv für die Konsistenz der Rechtslage -und damit auch für das Verständnis der VerbraucherInnen wären. Dazu komme, dass gerade im vorvertraglichen Bereich, bei den Informationen und der Kreditwürdigkeitsprüfung im konkreten Einzelfall häufig noch offen ist, ob ein Kredit mit einer Hypothek besichert werden soll oder nicht, ob das Geschehen also in den Anwendungsbereich der Verbraucherkredit-Richtlinie oder der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge fällt.

Neben diesen grundsätzlichen Bedenken sei insbesondere der Anwendungsbereich der Richtlinie problematisch, weil – anders als bei der Verbraucherkredit-Richtlinie – weder Ausnahmen für unentgeltliche Kreditverträge noch für Kreditverträge im Zusammenhang mit der Wohnbauförderung vorgesehen sind.

Auch Abgeordneter Johann Maier (S) hielt die Notwendigkeit des gegenständlichen Rechtsakts im Hinblick auf die weitreichende Umsetzung der Verbraucherkredit-Richtlinie in Österreich für nicht gegeben. Seiner Meinung nach würde das zu einer Doppelgleisigkeit führen. Als Datenschützer ist es für ihn besonders wichtig, dass die Datenbanken, die zur Kreditwürdigkeit von KreditnehmerInnen herangezogen werden, datenschutzrechtlichen Qualitätsstandards entsprechen und die Daten gemäß datenschutzrechtlichen Vorgaben verwendet werden. Außerdem sieht die Verbraucherkredit-Richtlinie eine Rücktrittsfrist von 14 Tagen vor, was im gegenständlichen Vorschlag fehle.

Einen zentralen Problembereich in diesem Zusammenhang stellen die möglichen Auswirkungen auf die Wohnbauförderung vor allem der Bundesländer dar, erläuterte Maier, da es zu Einschränkungen der Bonität bestimmter KreditnehmerInnen kommen könnte. Dem schloss sich Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (V) an, der auf die sozialen Aspekte der Wohnbaupolitik einging. Der von beiden eingebrachte Antrag auf Mitteilung spricht in diesem Zusammenhang daher auch von einem "Spannungsverhältnis zum Subsidiaritätsprinzip".

Bundesministerin Beatrix Karl informierte daraufhin die Abgeordneten, dass die ungarische Präsidentschaft in der Zwischenzeit einen neuen Vorschlag vorgelegt hat, der dem österreichischen Standpunkt nahekommt und Ausnahmemöglichkeiten für Förderkredite vorsieht.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) hielt die Argumente von Abgeordnetem Maier für überzeugend, meinte aber, dass der Antrag teilweise am konkreten Problem vorbeigeht. Dennoch wollte er diesen unterstützen. Auch Abgeordneter Ewald Stadler (B) teilte die vorgebrachte Kritik, warf jedoch ein, dass eine spezielle Regelung für den Wohnimmobiliensektor die Wohnbauförderung nicht ausnehmen könne. Entweder man macht es ganz oder gar nicht, so sein Standpunkt.

Mehr Rechtssicherheit im (Ehe-)Güterrecht bei internationalen Partnerschaften

Grundsätzlich positiv wurde das Vorhaben der EU bewertet, für Ehepaare bzw. Personen, die in eingetragenen Partnerschaften leben, und wo es - etwa aufgrund des Wohnsitzes oder verschiedener Staatsbürgerschaften - einen Auslandsbezug gibt, klare Zuständigkeitsregeln für den Fall des Todes eines/einer/Partners/Partnerin oder den Fall einer Scheidung festzulegen. In diesem Sinne hat die EU-Kommission jeweils einen Verordnungsvorschlag für das Ehegüterrecht sowie das Güterrecht eingetragener Partnerschaften vorgelegt.

Grund für den Regelungsbedarf ist die Verschiedenartigkeit der materiellrechtlichen Bestimmungen. Die bestehenden nationalen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit und über das anzuwendende Recht, die Vielzahl der möglichen befassten Behörden sowie die eingeschränkte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, Vergleichen und Urkunden führen dazu, dass es für Ehepaare und eingetragene Partner mit internationalem Bezug oftmals schwierig ist, zu wissen, welchem Güterrechtsstatut ihre Ehe bzw. Partnerschaft unterliegt. Auch im Fall des Todes eines Partners/einer Partnerin oder nach Scheidung bzw. Auflösung der Partnerschaft ist es derzeit oft notwendig, Verfahren in mehreren Staaten zur Aufteilung des Vermögens zu führen.

Die vorgeschlagenen Verordnungen sollen diese Lücke schließen, indem sie eine klare und vorhersehbare rechtliche Regelungen schaffen. Mittels der Verordnungen soll daher die internationale Zuständigkeit in derartigen Fällen, das anzuwendende Recht sowie die Anerkennung und Vollstreckung von diesbezüglichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden festgelegt werden.

Obwohl die Bestimmungen in beiden Rechtsakten weitgehend ident sind, gibt es dennoch Unterschiede, wie die Justizministerin erläuterte. So ist bei Ehegatten grundsätzlich das Recht anzuwenden, das diese für ihren ehelichen Güterstand gewählt haben. Die Eheleute können das anzuwendende Recht auch wechseln, liegt keine Rechtwahl vor, so soll primär das Recht jenes Staates gelten, wo die Eheleute den ersten gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Bei eingetragenen Partnerschaften soll jenes Recht des Staates angewendet werden, in dem die Partnerschaft eingetragen ist. Das heißt, hier besteht keine Rechtswahl.

Die Ministerin begründete dies damit, dass in manchen Ländern eine eingetragene Partnerschaft nicht vorgesehen ist. Auch seien die materiellrechtlichen Regelungen im Güterrecht bei eingetragenen Partnerschaften sehr unterschiedlich.

Daran knüpft auch der von den Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Gabriele Tamandl (V) eingebrachte Antrag auf Mitteilung, in dem einige Präzisierungen gefordert werden. Darin heißt es, die Möglichkeit der Rechtswahl fördere den Gestaltungsspielraum der Beteiligten auch im Hinblick auf einvernehmliche Einigung. Es sei jedenfalls als problematisch anzusehen, wenn die in Österreich bisher bestehende Wahlmöglichkeit im Anwendungsbereich der Verordnung abgeschafft würde.

Die Abgeordneten stoßen sich auch an der mangelnden Definition des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt". Eine solche Definition sei jedoch unbedingt erforderlich, weil der gewöhnliche Aufenthalt der wesentlichste Anknüpfungspunkt sowohl für die Entscheidung über die Zuständigkeit der Gerichte als auch im Bereich des Ehegüterrechts für die Entscheidung, welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt, ist. Eine uneinheitliche Definition in verschiedenen Rechtsakten würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen.

Einen Kritikpunkt stellen weiters die Passagen bezüglich der Formerfordernis der Rechtswahl dar. Die Rechtswahlmöglichkeit berge stets die Gefahr in sich, dass jener Partner, der über bessere Informationen oder über mehr finanzielle Mittel verfügt, den anderen übervorteilt. Daher erscheinen den Abgeordneten einheitliche, strengere Formvorschriften in diesem Zusammenhang angebracht.

In diesem Sinne erläuterten die Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Gabriele Tamandl (V) ihren Antrag. Abgeordneter Ewald Stadler (B) unterstützte die Forderung nach Präzisierung des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt", stellte aber grundsätzlich fest, dass die Stärkung der Privatautonomie der Eheleute äußerst positiv zu bewerten sei.

Ministerin Beatrix Karl führte dazu aus, die geplanten Vorschriften zielten darauf ab, dass die Eheleute sämtliche Angelegenheiten des Güterrechts in einem Verfahren abwickeln können. Österreich sei es in den Verhandlungen immer wichtig gewesen, dass die europäische Rechtsetzung möglichst wenig in das österreichische Sachenrecht und Grundbuchrecht eingreift.

Skeptischer zu den Vorlagen war die Stellungnahme von Abgeordnetem Harald Stefan (F). Er sah ein Problem darin, dass man Schritt für Schritt ein einheitliches Zivilrecht schafft, auch im Hinblick auf die Verlassenschaftsverfahren. Österreich habe hier sehr strenge Regelungen und eine Harmonisierung auf EU-Ebene würde die innerstaatliche Rechtsordnung nivellieren, befürchtete er. Die Rechtsordnungen in den einzelnen Staaten seien Teil ihrer Kultur, und so lange es im Bereich der Gerichtsbarkeit kein einheitliches Niveau gibt, solange seien derartige Harmonisierungen nicht sinnvoll. Stefan stimmte aber mit den Bedenken hinsichtlich der Formvorschriften bei der Rechtswahl mit den AntragstellerInnen überein, und warnte vor Diskriminierungsmöglichkeiten eines Partners. (Fortsetzung EU-Unterausschuss)