Parlamentskorrespondenz Nr. 694 vom 06.07.2011

Erfüllt der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag?

Diskussion über den Jahresbericht 2010 des ORF

Wien (PK) – Der Jahresbericht 2010 des ORF bot den Abgeordneten in der heutigen Sitzung des Nationalrats die Möglichkeit, ausführlich über das Unternehmen zu diskutieren. Dabei gingen die Meinungen darüber auseinander, ob der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag auch tatsächlich erfüllt. Einige Abgeordnete stellten den Vorwurf der politischen Einflussnahme auf die Berichterstattung in den Raum.

Im Jahresbericht 2010 weist der ORF auf ein erfolgreiches vergangenes Jahr hin. Der ORF schloss das Jahr 2010 mit einem Plus von 24,9 Mio. € ab. Für die ORF-Fernsehprogramme wird für 2010 ein Marktanteil von 37,8% ausgewiesen, die ORF-Radiosender konnten mit 76% ihre Führungsposition behaupten. Auch ORF.at und die ORF-TVthek waren erfolgreich. Stark erweitert wurde das Angebot für gehörlose und blinde Menschen, die Werbeeinnahmen sanken. Der Bericht wurde schließlich mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Der Antrag der Freiheitlichen zur Anhebung des Sendeanteils heimischer Volksmusik und volkstümlicher Musik im ORF fand jedoch nicht ausreichende Unterstützung. Der entsprechende negative Ausschussbericht wurde mit Mehrheit angenommen.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) eröffnete seinen Redebeitrag zum ORF-Bericht, indem er aus dem aktuellen ORF-Programm zitierte. Er fragte, ob man tatsächlich annehme, das der ORF mit der ständigen Wiederholung amerikanischer Serien seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht werde, welcher die Rechtfertigung für die Einhebung von Gebühren bilde. Der ORF habe in den letzten Jahren den Anteil an  Informationssendungen kontinuierlich reduziert. Statt seiner Aufgabe als öffentlich-rechtlicher Sender gerecht zu werden, versuche er, mit Privatsendern in Konkurrenz zu treten. Diese Unternehmenspolitik habe dazu geführt, dass seine Quoten an einen historischen Tiefpunkt angelangt seien. Kritisch äußerte sich Vilimsky zudem zur politischen Einflussnahme auf den Sender, den er vor allem von Seiten der SPÖ erkennen wollte. Die Lösung könne nur in einer Neuordnung der Medienförderung bestehen, durch welche alle Produzenten öffentlich-rechtlicher Inhalte gleichermaßen gefördert werden, so Vilimsky.

Abgeordneter Josef CAP (S) widersprach der Darstellung seines Vorredners. Der ORF-Bericht zeige, dass es sich um ein solides und erfolgreiches Unternehmen handle. Vergleich mit früheren Verhältnissen könnten nicht zutreffend sein, denn die angeblich besseren Zeiten des ORF vor Jahrzehnten seien weniger das Verdienst der damaligen Geschäftsführung gewesen, sondern müssten im Kontext einer gänzlich anderen Medienlandschaft beurteilt werden. Der ORF habe mit viel Einsatz seiner Belegschaft ein positives Geschäftsergebnis erreicht. Nachdem die Zahl der MitarbeiterInnen im Zuge von Sparmaßnahmen zunehmend reduziert worden sei, habe man hier nun das untere Limit erreicht. Alles weitere würde zweifellos auf Kosten der gewünschten Qualität des Senders gehen. Es sei daher zu überlegen, ob der im § 31, Ziffer 13 des ORF-Gesetzes formulierte Auftrag an den ORF, den Umfang seiner Leistungen aufrecht zu erhalten, aber gleichzeitig die Gesamt- und die Pro-Kopf-Kosten zu senken, nicht geändert werden sollte, gab Cap zu überlegen.

Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) setzte sich für die Förderung der Volksmusik ein, welche die "Urquelle der Musik" sei. Auch der volkstümlichen Musik müsse mehr Achtung entgegengebracht werden, schließlich seien die Grenzen zur Volksmusik fließend. Der ORF erfülle, im Gegensatz etwa zu Sendern in der Schweiz und in Bayern, seinen Kulturauftrag nicht, meinte sie. Es herrsche gegenüber der Volksmusik und der volkstümlichen Musik eine "bedauerliche Ignoranz" sogar bei KultursprecherInnen der ÖVP und SPÖ, klagte Unterreiner. Der Vorwurf, eine "ewig gestrige" Kulturpolitik zu fordern, sei gänzlich unberechtigt, meinte die Abgeordnete, auch die Jugend in Österreich liebe die Volksmusik.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) hielt fest, das Gebührenprivileg des ORF sei nur gerechtfertigt, wenn dieser auch seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachkomme. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens gebe einigen Grund zur Sorge, hielt der ÖVP-Klubobmann fest, vor allem sei die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens sehr schlecht. Auch um die Unabhängigkeit des ORF stehe es nicht zum Besten, sagte Kopf und plädierte an die ORF-Stiftungsräte, bei der im August bevorstehenden Wahl zur ORF-Geschäftsführung eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen. Er meinte, die Zahlen zeigten, dass die Pro-Kopf-Kosten des ORF zu hoch seien. Wenn bestimmte Voraussetzungen garantiert würden, sei man von Seiten der ÖVP aber bereit, über eine Änderung des angesprochenen § 31 zu diskutieren.

Abgeordneter Josef RIEMER (F) thematisierte ebenfalls den Kulturauftrag des ORF und meinte, dieser werde nur sehr bedingt erfüllt. Insbesondere sprach er sich für eine verstärkte Förderung der Volksmusik durch den ORF aus. Gegenüber früheren Zeiten sei das Volkslied "verstummt",  meinte der Abgeordnete, er wünsche sich seine Wiederbelebung.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) verwies darauf, dass der ORF kontinuierlich Personal abgebaut habe. Man sei hier an einem Punkt angelangt, an dem die Qualität des Programms in Frage gestellt sei. Die Einrichtung von ORF 3 als eigenem Kultursender bewertete Brosz positiv. Er sah einen grundlegenden Widerspruch in der Forderung nach einem anspruchsvollen Programm und gleichzeitig besseren Quoten, wie sie von Abgeordnetem Vilimsky geäußert wurde. Die Vorstellungen der FPÖ in dieser Frage würden außerdem eher dem Bild eines klassischen Staatsfunks als dem eines öffentlich-rechtlichen Senders entsprechen, sagte er. Zur Frage der Unabhängigkeit des ORF meinte er, es werde immer Versuche von Seiten politischer Parteien geben, im Sinne ihrer Interessen zu intervenieren. Die entscheidende Frage sei, wie man von Seiten des Senders darauf reagiere.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) entnahm dem ORF-Bericht, dass die verstärkte wirtschaftliche Ausrichtung zu Erfolgen geführt habe und viel zur Modernisierung der Rundfunkanstalt geschehen sei. Im Programmbereich gebe es aber massive Schwachstellen. Auch was die Unabhängigkeit des Senders angehe, habe er in der Bevölkerung ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Statt eines parteipolitisch gesteuerten müsse es einen tatsächlich unabhängigen, starken ORF geben, forderte Petzner.

Abgeordneter Franz-Josef HUAINIGG (V) meinte, es sei festzustellen, dass der ORF vor allem bei den jungen SeherInnen Anteile verliere, da diese auf deutsche Fernsehsender ausweichen würden. Positiv sei anzumerken, dass in Fragen der Barrierefreiheit im ORF viele Fortschritte zu verzeichnen seien, dies sei nicht zuletzt dem Einsatz der ÖVP bei der Formulierung des ORF-Gesetzes zu verdanken. Huainigg wünschte sich zudem eine größere Sichtbarkeit von Behinderten im ORF, beispielsweise als ModeratorInnen.

Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) kritisierte eingangs seiner Wortmeldung eine oft anachronistische Terminologie, die im ORF-Bericht zu finden sei. So werde etwa hartnäckig an einer Unterscheidung von E- und U-Musik festgehalten. Was die Pflege von Volksmusik und volkstümlicher Musik im ORF angehe, sehe er keine Defizite im ORF. Die Grünen würden dem Antrag von Abgeordneter Unterreiner jedenfalls nicht zustimmen, kündigte er an.   

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (B) signalisierte gleichfalls Ablehnung des vorliegenden Antrags der FPÖ, da gerade im Bereich der volkstümlichen Musik sehr viel getan werde. Förderungswürdig wäre seiner Meinung nach hingegen die musizierende und musikbegeisterte Jugend, denn gerade hier herrsche beim ORF nennenswerter Nachholbedarf.

Staatssekretär Josef OSTERMAYER bedankte sich bei dieser Gelegenheit nochmals für die überwältigende Zustimmung zum Volksgruppengesetz und erläuterte sodann die wesentlichen Inhalte des vorliegenden Berichts zum ORF und zeigte sich zufrieden mit dem Erreichten.

Abgeordneter Angela LUEGER (S) beleuchtete den ORF-Bericht aus der Sicht der Qualitätssicherung und gab sich überzeugt, dass man ein ambitioniertes Programm erarbeitet habe, das die Grundlage für die vorliegenden Erfolge bildete.

Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) meinte, die Förderung der Volkskultur sei ein wichtiger Aspekt regionaler Kulturförderung, und dies geschehe auch durch den ORF und seine Landesstudios. Allerdings müsse man das Volkslied strikt von der volkstümlichen Musik scheiden, da letztere rein kommerziell sei und daher keiner gesonderten Förderung bedürfe.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) erklärte, man werde den F-Antrag ablehnen, weil die Fakten gegen dessen Intentionen sprächen. Real würden jeden 2. Samstag Sendungen mit volkstümlicher Musik ausgestrahlt, von einer Förderungsnotwendigkeit in diesem Bereich könne daher nicht gesprochen werden.

Abgeordnete Karin HAKL (V) kritisierte das Verhalten eines Wiener ORF-Teams am Achensee und warb für eine verbesserte Koordination im ORF zwischen der Zentrale und den Bundesländer-Studios.

Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) und Abgeordneter Johannes JAROLIM (ebenfalls S) äußerten sich gleichfalls noch zu einzelnen Aspekten des Berichts. Man habe die richtigen Konsequenzen aus Fehlentwicklungen in der Vergangenheit gezogen, sodass man nun ein zukunftsweisendes Programm vor sich habe.

(Fortsetzung Nationalrat)