Parlamentskorrespondenz Nr. 697 vom 06.07.2011

Wird die Staatsdruckerei bevorzugt?

Kontroversielle Debatte über Aufträge an die Staatsdruckerei

Wien (PK) – Im Rahmen einer von der FPÖ verlangten kurzen Debatte über eine Anfragebeantwortung kam es heute im Nationalrat zu einer heftigen Diskussion über die Staatsdruckerei. Vor allem die FPÖ kritisierte die nach ihrer Ansicht privilegierte Stellung des Unternehmens. Die Opposition warf Innenministerin Mikl-Leitner vor, das "Ernst-Strasser-Netzwerk" zu schützen.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) setzte sich mit der Verflechtung privater und öffentlicher Interessen am Fall der an sich längst privatisierten "Staatsdruckerei" auseinander. Das Unternehmen stehe  im Eigentum von Privatstiftungen, was eine maximale wirtschaftliche Intransparenz zu Folge habe. Zugleich räume das Staatsdruckereigesetz diesem Unternehmen bei der Herstellung staatlicher Drucksachen immer noch ein Erstanbotsrecht ein, was der Redner als seltsam bezeichnete. Während andere Ministerien FPÖ-Anfragen zum Thema ausführlich beantwortet hätten, habe die Innenministerin eine diesbezügliche SPÖ-Anfrage unter Berufung auf den Datenschutz nicht beantwortet. "Was hat das Innenministerium zu verbergen?", lautete die Frage Hübners. Der Abgeordnete machte auf die enormen Gebührenunterschiede bei der Ausstellung von Personaldokumenten in Österreich und Deutschland aufmerksam, sprach die Vermutung aus, das Innenressort kaufe bei der Herstellung von Ausweisdokumenten bei der Staatsdruckerei sehr ungünstig ein, was die privilegierte Stellung der Staatsdruckerei bei der Auftragsvergabe des Staates aus der Sicht der SteuerzahlerInnen sehr problematisch erscheinen lasse.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) bedauerte die wenig dichte Beantwortung seiner schriftlichen Anfrage durch das Innenministerium. Seine Fragen an das Ressort stünden nach wie vor im Raum, sagte Jarolim.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) und Abgeordneter Norbert Hofer (F) drängten in Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung auf eine Stellungnahme der Innenministerin.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) hielt fest, dass es der Ministerin frei stehe, wann sie die verlangten Antworten erteile. Die Behauptung, die Ministerin habe die an sie gestellten Fragen überhaupt nicht beantwortet, wies der Redner zurück. Vertraulichkeitsbestimmungen müssten bei Geschäftsgeheimnissen aber eingehalten werden, sagte Donnerbauer. Für die ÖVP seien wirtschaftlich sinnvolle und finanziell günstige Vergaben sowie die  Einhaltung des Transparenz- und des Diskriminierungsgebots selbstverständlich, sagte Donnerbauer und hielt fest, dass es keinen Hinweis gebe, dass gegen die entsprechenden Bestimmungen verstoßen worden wäre. Diese Anfragebesprechung habe daher für ihn keinen erkennbaren Anlass.

Innenministerin Johanna MIKL-LEITNER wies ebenfalls die Vorwürfe Hübners zurück und hielt ihrerseits fest, ihr Ressort halte sich strikt an die vergaberechtlichen Bestimmungen. Die Wettbewerbsregeln würden ebenso eingehalten wie das Transparenzgesetz. Niemand werde diskriminiert und bei den Auftragsvergaben würden die Kriterien der Zuverlässigkeit, der fachlichen Kompetenz der Anbieter und der Sicherheit berücksichtigt. Außerdem gelte bei der Auswahl der Anbieter das Bestbieter-Prinzip. Eine rechtsstaatliche Vorgangsweise sei für sie als Innenministerin selbstverständlich. Die Staatsdruckerei sei ein angesehenes Unternehmen, das ihr Know-how in viele Länder der Welt verkaufe. "Wir haben Grund, stolz auf unsere Staatsdruckerei zu sein", sagte sie. Das Innenministerium vergebe Aufträge an die Staatsdruckerei, wahre dabei aber alle gesetzlichen Vorschriften. Ein wichtiger Grund für die Herstellung von Reisepässen in der Staatsdruckerei sei die dort garantierte Sicherheit der Daten, klärte Mikl-Leitner auf.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) vermisste Antworten der Ministerin, die von anderen Ministerien sehr wohl gegeben wurden. Die Abgeordneten brauchten Informationen aus den Ressorts, wenn sie ihrer Kontrollaufgabe nachkommen sollen. Es sei nicht einzusehen, dass ein Unternehmen bei Staatsaufträgen anders behandelt werde als alle anderen, sagte Rosenkranz. Datensicherheit könne nicht nur die Staatsdruckerei, sondern auch andere Anbieter garantieren. Man müsse sich fragen, warum sich MitarbeiterInnen des ehemaligen Innenministers Strasser als Geschäftsführer und Beiräte in der Staatsdruckerei "tummelten", bemerkte Rosenkranz, der verlangte, die Anfragebeantwortung der Ministerin nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Abgeordneter Peter PILZ (G) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zum Antrag der FPÖ an und bezeichnete die Innenministerin als eine ehemalige Strasser–"Azubi", der es offenbar unangenehm sei, über das "Ernst Strasser-Netzwerk" zu informieren. Pilz berichtete über die Weitergabe von Aufträgen durch die Staatsdruckerei an technologisch versiertere Subunternehmen in Deutschland, was die Herstellung von Dokumenten für die StaatsbürgerInnen enorm verteuerte. Pilz sprach auch über "Strasser-Günstlinge" und dutzende Aufträge an Firmen aus dem "Ernst Strasser-Netzwerk". Mikl-Leitner decke Ernst Strassers Netzwerk in Niederösterreich nicht nur im Bereich der Staatsdruckerei und weigere sich, dem Interpellationsrecht der Abgeordneten zu entsprechen, kritisierte Abgeordneter Pilz.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) meinte, die Ministerin decke einen Lobbyisten, der Anlass für die Verabschiedung eines eigenen Lobbyistengesetzes ist. Mit ihrem Wortschwall habe die Innenministerin das Parlament verhöhnt, sagte Stadler. Die Fragen Jarolims seien auf Umsätze gerichtet und seien mit Ziffern zu beantworten. Der Versuch Mikl-Leitners, Aufträge an die Staatsdruckerei mit Geheimhaltungsverpflichtungen zu erklären, sei gescheitert. Das einzige Geheimhaltungserfordernis der Innenministerin besteht laut Stadler darin, die Machenschaften ihres Amtsvorgängers Ernst Strasser zu vertuschen, schloss Ewald Stadler.

Bei der Abstimmung wurde der F-Antrag, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen, mehrheitlich abgelehnt.

(Schluss Kurze Debatte/Fortsetzung Nationalrat)