Parlamentskorrespondenz Nr. 701 vom 06.07.2011

Nationalrat bekräftigt sein Ja zur Finanztransaktionssteuer

Für aktiven Kampf gegen Todesstrafe und Schutz der Menschenrecht

Wien (PK) – Einstimmig passierte heute ein Entschließungsantrag den Nationalrat, in dem sich die Abgeordneten für eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene stark machen.

Die Regierung wird in einem weiteren Antrag ersucht, sich international für die Abschaffung der Todesstrafe und gegen Menschenrechtsverletzungen einzusetzen.

Rechnungshofberichte bildeten den Abschluss der heutigen Tagesordnung.

Finanztransaktionssteuer bleibt wichtige Forderung Österreichs

Einmal mehr war die Forderung nach Einführung der Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene Thema einer Debatte. ÖVP und SPÖ hatten in die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag aufgefordert, auf europäischer Ebene weiterhin klarzustellen, dass die effektive Besteuerung von Finanzspekulationen durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer für Österreich eine direkte Konsequenz aus der Finanzkrise und eine unbedingte Voraussetzung zur Förderung der Realwirtschaft darstellt. Der Nationalrat erwartet sich von der Regierung, dass diese alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Erreichung dieses Ziels nutzen wird. Der Antrag erhielt die Unterstützung aller Fraktionen.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) verwies darauf, dass die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer erstmals schon 2006 von Politikern der ÖVP  erhoben wurde. Allerdings brauche sie zur Umsetzung eine europäische Lösung. Es zeichne sich zwar bereits ein Umdenken ab, es gebe aber noch einige Staaten, die gegen die geplante Steuer Bedenken anmelden. Die festzustellende völlige Entkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft und die Finanzkrise in vielen Staaten würden aber eindeutig dafür sprechen, jetzt die Spekulation, nicht aber das Eigentum zu besteuern.

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) meinte, Österreich stehe mit seiner Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer nicht mehr allein da und es gebe immer weniger Gegner dieser Maßnahme. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission hätten sich bereits klar dafür ausgesprochen. Diese neue Dynamik gelte es zu nutzen, um die letzten Skeptiker, wie etwa Großbritannien und Schweden, zu überzeugen. Die Lasten der Finanzkrise müssten gerecht verteilt und ihre Wiederkehr verhindert werden. Der Antrag solle daher der Bundesregierung in der Durchsetzung dieser Forderung den Rücken stärken, sagte Muttonen.

Staatssekretär Wolfgang WALDNER begrüßte den Antrag ausdrücklich. Der erste Vorschlag in diese Richtung sei bereits 2005 von Bundeskanzler Schüssel gemacht worden. Wenn nun auch auf EU-Ebene an die Einführung dieser Steuer gedacht werde, sei das auch ein österreichischer Erfolg. Der Finanzsektor müsse sicher einen Beitrag leisten, dürfe dabei aber nicht übermäßig belastet und in seinen Funktionen eingeschränkt werden. Allerdings sei eine als Alternative angedachte Finanzaktivitätssteuer keine Lösung, sondern hätte unabsehbare Folgen. Zur Finanztransaktionssteuer werde bald eine Folgenabschätzung als brauchbare Grundlage für die weiteren Entscheidungen vorliegen. Von einer tatsächlichen Einführung sei man aber noch recht weit entfernt, hier bedürfe es noch vieler Anstrengungen.  

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) sah in der Steuer zwar einen wichtigen Schritt, sie werde aber seiner Meinung nach keine Krisen verhindern können und nur einen beschränkten Effekt haben. Es sei vielmehr die Frage zu stellen, wer die durch sie eingehobenen Mittel erhalten werde. Die FPÖ sei strikt dagegen, dass diese Gelder in das EU-Budget fließen, ohne dass gleichzeitig die BeitragszahlerInnen entlastet werden. Er brachte deshalb einen Entschließungsantrag seiner Fraktion ein, der die Einhebung einer solchen allfälligen Steuer auf nationaler anstatt auf EU-Ebene forderte.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) meinte, erste Vorstöße der Grünen, etwa betreffend eine Devisentransaktionssteuer, habe man vor einigen Jahren noch belächelt. Unterdessen sei zwar ein Umdenken erfolgt, doch sei der Zeitraum für die Umsetzung der Steuer noch immer viel zu weit gefasst. Es kündige sich bereits die nächste Krise an, daher sollte die Finanztransaktionssteuer spätestens bis 2012 umgesetzt werden. Die Grünen treten auch dafür ein, dass die Mittel aus der Steuer für die Erreichung von mehr globaler Gerechtigkeit eingesetzt, und etwa für die Erreichung der Millenniums- und der Klimaschutzziele zweckgebunden werden. 

Auch Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) kündigte die Zustimmung zu dem Antrag an. Es sei wichtig, Spekulanten zu signalisieren, dass man Finanztransaktionen besteuere, um die Finanzmärkte nicht zu reinen Casinos werden zu lassen, sagte der Abgeordnete. Es sei dies auch eine Chance für Österreich, konsequent gegen die Profiteure und Spekulanten der Krise aufzutreten. Es sollte daher ein Junktim der Forderung nach dieser Steuer mit der Zustimmung Österreichs zu anderen Maßnahmen in der EU geben. Das BZÖ vertrete, anders als die FPÖ, zwar die Auffassung, dass es eine europaweite Einhebung geben sollte, gleichzeitig fordere seine Fraktion aber, dass die durch die Steuer eingenommenen Gelder auf die Beiträge der Mitgliedsländer zum EU-Budget angerechnet werden.

In der Abstimmung wurde die Entschließung betreffend die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einstimmig angenommen. Der F-Antrag nach einer nationalen Einhebung dieser Steuer blieb in der Minderheit.

Gegen Befreiung von Urkunden aus Kirgisien von Beglaubigung

Vorher passierte jedoch eine Regierungsvorlage betreffend die unsichere Urkundenlage in Kirgistan den Nationalrat - ebenfalls einstimmig. Da die Bundesregierung der Auffassung ist, in der Kirgisischen Republik herrsche eine hohe Urkundenunsicherheit, erhebt Österreich formell Einspruch gegen den Beitritt Kirgisiens zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung. Ziel dieses Schritts ist es, ein Wirksamwerden des Beitritts im Verhältnis zu Österreich zu verhindern.

Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) erläuterte, Österreich plane, gegen den Beitritt Kirgisiens zum Übereinkommen über die Befreiung ausländischer Urkunden von Beglaubigung Einspruch zu erheben. Im Falle dieser jungen Republik sei es zwar zu begrüßen, dass sie sich im Prozess der Demokratisierung befinde. Trotzdem erfülle sie derzeit die internationale Anforderungen im Bereich der der Urkundensicherheit noch nicht, es seien dort zu viele verfälschte Urkunden im Umlauf. Man müsse die Entwicklung in diesem Raum daher noch abwarten.

Abgeordnete Gisela WURM (S) meinte ebenfalls, die Rechtsunsicherheit in Kirgisien sei noch zu groß und lasse noch keinen Beitritt des Landes zum Übereinkommen zu. Österreich bemühe sich sehr, zu einer positiven Entwicklung beizutragen und die Demokratie dort zu stärken. Es sei positiv, dass seit Kurzem erstmals auch eine Frau das Präsidentenamt übernehmen konnte, das sei ein ermutigendes Zeichen. Man werde den Einspruch zurückziehen, wenn die Zeit dafür reif sei.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zum geplanten Einspruch an. Österreich erhebe erst zum dritten Mal Einspruch in der Frage der Urkundenbeglaubigungen. Sie vermisse in diesem und ähnlichen außenpolitischen Problemfeldern nachvollziehbare und stringente Kriterien. In diesem Fall sei aber eindeutig keine Urkundensicherheit seitens Kirgisiens gegeben.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) stellte fest, dass seine Fraktion den Antrag ebenfalls unterstützen werde. Er schloss sich dann seiner Vorrednerin in der Fragestellung an, welche außenpolitische Linie von Österreich verfolgt werde. Im Nahen Osten, wo Österreichs Meinung Gewicht habe, schließe man Botschaften, während man in Zentralasien neue eröffne. Es sei dringend notwendig, dass Österreich seine Interessen auf bestimmte Regionen fokussiere und dabei eine eigenständige Linie verfolge, sagte Scheibner.  

Österreichs soll aktive Rolle im Kampf gegen Todesstrafe spielen

Im Kampf um eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe soll Österreich eine aktive Rolle spielen, so sieht es jedenfalls ein Antrag der Koalitionsparteien aus, der mehrheitlich angenommen wurde.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) meinte, die Formulierung des Antrags sei "das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist". Er spare etwa fast alle muslimischen Staaten aus und zeige, dass auch in diesem Punkt die österreichische Außenpolitik nicht wisse, was sie wolle. Grosz kritisierte, dass man im Ausschuss einen Antrag seiner Fraktion betreffend die Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch Slowenien wieder einmal vertagt habe. Dem vorliegenden Antrag werde das BZÖ mangels Substanz jedenfalls nicht zustimmen.

Abgeordneter Franz KIRCHGATTERER (S) hingegen bewertete die Initiative als einen Antrag, der zur richtigen Zeit gefasst werde. Er konzentriere sich auf vier Länder, nämlich China, Iran, Russland und USA, erläuterte er. In den USA gebe es immer wieder Fehlurteile, China habe die höchste Hinrichtungsrate weltweit. Im Iran werde die Todesstrafe auf eine mittelalterliche Weise vollzogen. Wenn Österreich diese Fragen thematisiere, so trete es mit Nachdruck für die Abschaffung der Todesstrafe ein.

Staatssekretär Wolfgang WALDNER hielt fest, dass Österreich sich bereits seit langem für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetze. 58 Staaten kennen die Todesstrafe in ihrem Strafgesetz und 25 haben sie in den letzten Jahren angewandt. Schätzungen zufolge befinden sich bis zu 24.000 Menschen weltweit in Todeszellen. Der Einsatz Österreich gegen die Todesstrafe sei daher von großer Bedeutung.

Abgeordneter Erwin HORNEK (V) meinte, der Antrag spreche den Österreicherinnen und Österreichern aus der Seele. In China gebe es eine ungeheure hohe Zahl von Todesurteilen. Auch in den USA werde die Todesstrafe immer noch verhängt, obwohl es nachweislich oft zu Fehlurteilen komme. Es sei die Aufgabe der Europäer, sich dafür einzusetzen, dass die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt wird.

Abgeordneter Christian LAUSCH (F) hielt fest, dass die FPÖ selbstverständlich gegen die Todesstrafe eintrete, allerdings sei die Formulierung des Antrags nur sehr halbherzig erfolgt. Da es aber wichtig sei, dass Österreich ein Zeichen setze und die weltweite Abschaffung der Todesstrafe unterstütze, werde man dem Antrag auch zustimmen.

Abgeordnete Alev KORUN (G) hielt fest, es sei wichtig, dass Österreich gemeinsam mit anderen EU-Partnern für die Abschaffung der Todesstrafe eintrete. Es sei aber ebenso wichtig, dass die Menschenrechte nicht den Wirtschafts- und Exportinteressen Österreichs untergeordnet würden. Sie freue sich, dass der Antrag auch Forderungen der Grünen aufnehme. Es dürfe aber nicht nur bei diesem Beschluss bleiben, sondern er müsse durch die österreichische Außenpolitik auch mit Leben erfüllt werden, forderte Korun.

Nationalrat prangert Menschenrechtsverletzungen an Minderheiten an

Nicht ausreichend unterstützt wurden jedoch die auf der Tagesordnung stehenden Anträge der Opposition. 

Das betraf zunächst den von Abgeordneter Alev Korun (G) vorgelegten Entschließungsantrag hinsichtlich der bedenklichen Lage der religiösen Minderheiten Afghanistans. Weiters den G- Entschließungsantrag der die Gefährdung von Minderheiten weltweit anspricht und insbesondere auf Diskriminierung und Ausgrenzung aber auch auf gewalttätige Angriffe und Übergriffe hinweist. Die EU soll nach Vorstellungen der Grünen dazu angehalten werden, von den Regierungen verstärkte Schutzmaßnahmen vor Diskriminierung und Gewalt sowie die Annahme bzw. die Einhaltung der internationalen Standards betreffend Menschenrechte und Minderheitenschutz einzufordern.

Auf Basis dieses Antrags war jedoch vom Ausschuss für Menschenrechte eine Entschließung gefasst worden, die weiter gefasst ist und generell Menschenrechtsverletzungen an Minderheiten anprangert. Diese passierte den Nationalrat einstimmig. Die in der Sitzung eingebrachte Entschließung zur Lage der syrischen Flüchtlinge wurde mehrheitlich angenommen.

Das BZÖ wiederum hatte sich angesichts der Anschläge auf koptisch-orthodoxe Christen in Ägypten in einem Entschließungsantrag dafür stark gemacht, dass die Bundesregierung in den Beziehungen zu anderen Staaten strengstens darauf achten möge, wie christliche Minderheiten behandelt werden. Für den Fall, dass von einem Staat islamistische Übergriffe oder sonstige menschenrechtswidrige Vorgängen geduldet oder gar unterstützt werden, sollten nach Vorstellungen des BZÖ als Sanktion für solche Menschenrechtsverletzungen umgehend alle EZA-Mittel und -Projekte sistiert werden. Auch dieser Antrag blieb in der Minderheit.

Abgeordneter Bernhard VOCK (F) signalisierte Zustimmung, hinterfragte jedoch die Aktualität der gegenständlichen Anträge, da diese bereits seit geraumer Zeit vom Außenministerium umgesetzt würden.

Abgeordneter Harry Rudolf BUCHMAYR (S) nutzte die Debatte, eine Lanze für die europaweit stigmatisierte Volksgruppe der Sinti und Roma zu brechen, die immer wieder benachteiligt würden, was mit der vollständigen Umsetzung demokratischer Standards nicht vereinbar sei.

Abgeordnete Alev KORUN (G) zeigte sich erstaunt darüber, dass die Regierungsfraktionen ihren Antrag zum Schutz religiöser Minderheiten in Afghanistan ablehnten. Zeitgleich brachte sie einen Mehrparteienantrag betreffend die Situation in Syrien ein.

Staatssekretär Wolfgang WALDNER erklärte, der Schutz religiöser Minderheiten sei stets ein zentraler Punkt der Arbeit des Außenministeriums gewesen, man werde sich dieses Themas auch im Menschenrechtsrat entsprechend annehmen. Der Staatssekretär ergänzte diese Ausführungen mit Verweisen auf die konkreten Aktivitäten seines Hauses.

Abgeordneter Franz GLASER (V) meinte, die Wahl Österreichs in den Menschenrechtsrat habe die Bevölkerung auch für dieses Thema sensibilisiert. Man unterstütze die Bemühungen um die Einhaltung der Menschenrechte rund um den Globus, weshalb man den G-Antrag auch nicht abgelehnt, sondern vielmehr in einen umfassender formulierten inkorporiert habe.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) begründete seinen Antrag betreffend die Verfolgung christlicher Minderheiten in Ägypten und zeigte sich enttäuscht über die Haltung der Koalitionsparteien in dieser Angelegenheit. Es gebe immer mehr Staaten in Nahost, in denen Christen verfolgt würden, und die österreichische Außenpolitik schweige dazu. Das sei mehr als enttäuschend. Menschenrechte seien unteilbar und würden auch für die Religionsfreiheit gelten.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) sagte, Menschenrechte seien kein Thema für Anlassgesetzgebung, sie seien umfassend zu vertreten. An vielen Orten der Welt würden sie missachtet, und alle Betroffenen hätten das Recht, dass man sich für sie und ihre Menschenrechte einsetzt. Man lehne daher die G-Anträge nicht ab, man begreife die Thematik vielmehr umfassend und bringe dies in den eigenen Entschließungen auch entsprechend zum Ausdruck.

Abgeordneter Josef RIEMER (F) wies darauf hin, dass gegenwärtig 100 Millionen Christen weltweit um ihres Glaubens Willen verfolgt, gefoltert und gar getötet würden. Vor allem die islamischen Staaten nähmen hier eine bedauerliche Rolle ein, beklagte der Redner. Daher dürfe man nicht müde werden, aktiv für die Menschenrechte einzutreten.

Abgeordneter Petra BAYR (S) betonte, Menschenrechte müssten überall umgesetzt und eingemahnt werden, auch in wirtschaftlichen Zusammenhängen, denn Menschenrechte seien in der Tat unteilbar.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) warf der Regierung vor, nichts wegen der Verfolgung der Christen in Ägypten getan zu haben. Es sei für eine christlich-soziale Partei beschämend, in dieser Frage nicht aktiver zu sein, kritisierte Stadler. Vor allem habe das Außenministerium in keinem einzigen Fall ökonomische Hilfe von der Beendigung der Verfolgung von Christen abhängig gemacht. Generell habe sich die Situation für Christen in den islamischen Ländern verschlechtert, und kein einziges Mal habe Österreich darauf entsprechend reagiert.

Abgeordnete Maria RAUCH-KALLAT (V) behauptete, Österreich habe sehr wohl etwas für die verfolgten Christen in Tunesien und Ägypten getan, und zwar seien die Opfer dieser Verfolgung in Österreich mit österreichischen Steuermitteln behandelt worden, wie man auch ägyptische Christen in Österreich aufgenommen habe.

Rechnungshofberichte

Die heutige Debatte im Plenum des Nationalrats wurde mit zwei Rechnungshofberichten abgerundet (III-175 d.B. und III-172 d.B.). Vor allem wurden dabei die Berichte über österreichische Botschaften sowie die Unterinntaltrasse  thematisiert.

Abgeordneter Wolfgang ZANGER (F) wies darauf hin, dass der Rechnungshof bei der Ständigen Vertretung in Brüssel massive Verschwendung von Steuermitteln konstatiert habe. Man beschäftige sowohl in Brüssel als auch in den inländischen Koordinationsstellen viel zu viel Personal, was umso bedauerlicher sei, als nicht erkennbar sei, worin die Leistung des entsprechenden Personals bestehe. Die Missstände müssten umgehend abgestellt werden, bekräftigte der Redner, der zudem meinte, dass das Personal der Interessensvertretungen nicht aus Steuermitteln finanziert werden sollte. In diesem Sinne brachte er auch einen Entschließungsantrag seiner Fraktion ein.

Abgeordnete Christine LAPP (S) vertrat hingegen die Ansicht, diese Beschäftigten seien Tag und Nacht für die Interessen Österreichs tätig, was auch für die Repräsentanten der Interessensvertretungen gelte, die maßgeblich zu vielen wichtigen EU-Dokumenten beigetragen hätten.

Abgeordneter Alois GRADAUER (F) unterstrich hingegen die Sichtweise seines Fraktionskollegen. Seine Fraktion habe kein Verständnis dafür, dass die Kammern und der ÖGB Subventionen vom Staat dafür bekämen, in Brüssel präsent zu sein. Der Rechnungshof weise nach, dass 62 Mitarbeiter eingespart werden könnten, und den Empfehlungen des Rechnungshof sollte man auch entsprechend Folge leisten, wie auch durch Zusammenlegungen von Büros Geld eingespart werden könnte, schloss der Redner, der einen Entschließungsantrag betreffend effektive Fachaufsicht durch den Leiter der Ständigen Vertretung und die Erstellung jährlicher Tätigkeitsberichte einbrachte.

Abgeordneter Hermann GAHR (V) wies darauf hin, dass von 22 Empfehlungen des Rechnungshofs im Bezug auf die Ständige Vertretung Österreichs in Brüssel 20 bereits umgesetzt worden seien. Er befasste sich darüber hinaus mit der Rechnungshofprüfung der Unterinntaltrasse und hielt fest, dass ein Teil der Kostenüberschreitungen von 13 Prozent nicht vorhersehbar gewesen sei. Erfreut äußerte er sich darüber, dass der Zeitplan der Inbetriebnahme eingehalten werde. Auch das Projekt Brenner-Basistunnel ist Gahr zufolge plangemäß in Vorbereitung.

Abgeordneter Heinz-Peter HACKL (F) meinte, der Follow-Up-Bericht des Rechnungshofs zu den Botschaften in Lissabon und Madrid zeige, dass es offenbar schwierig sei, auch einfache Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Als Beispiel nannte er die elektronische Erfassung von Akten. Verwundert äußerte sich Hackl über den hohen Personalstand der militärischen Vertretung in Brüssel, der im Jahr 2009 fünfzig Personen umfasst habe. Er forderte in einem Entschließungsantrag, diesen Personalstand auf eine mit anderen Staaten vergleichbare Größe zu reduzieren.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) setzte sich kritisch mit hohen Kostenüberschreitungen großer Infrastrukturprojekte auseinander und wies etwa auf die enorme Verteuerung der Unterinntaltrasse hin. Offenbar sei es üblich, die Kosten zu niedrig anzusetzen, bemängelte sie. Auch bei der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen der ÖBB durch den Bund habe der Rechnungshof, so Moser, gravierende Defizite aufgezeigt. Es habe in der Vergangenheit an Transparenz und Qualitätskontrolle gefehlt.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) setzte sich mit dem Bericht des Rechnungshofs über die Ständige Vertretung Österreichs in Brüssel auseinander. Der Bericht zeigt ihrer Ansicht nach auf, wie Steuergeld "verprasst" werde. Die österreichischen Ministerien und andere österreichische Stellen hätten viel mehr Vertreter in Brüssel als vergleichbare andere Länder. Schenk würde es außerdem begrüßen, wenn die MitarbeiterInnen vor Ort für Verhandlungen in Brüssel herangezogen würden und nicht ständig zahlreiche BeamtInnen und KabinettsmitarbeiterInnen von Österreich nach Brüssel reisen müssten. Dem Rechnungshof gratulierte Schenk zum 250-Jahr-Jubiläum.

Abgeordneter Michael SCHICKHOFER (S) führte aus, um die österreichischen Interessen in Brüssel vertreten zu können, brauche es neben einer starken und leistungsfähigen Regierung auch eine starke und leistungsfähige Vertretung in Brüssel. Nur so sei es möglich, sich als kleiner Staat gegen große Staaten durchzusetzen. Schickhofer zufolge sind zwanzig Empfehlungen des Rechnungshofs bereits umgesetzt worden.

Abgeordneter Johann SINGER (V) wies auf eine Reihe von Leistungen der Bundesbahnen hin, die diese im Interesse der Gemeinwirtschaft erbringen. Der Rechnungshof kritisiere in seinem Bericht allerdings, dass es zu wenig Transparenz gebe. Die Abgeltungen des Bundes seien zwischen den Jahren 2000 und 2009 um 19 Prozent erhöht worden, ohne dass es ein entsprechendes Controlling des Verkehrsministeriums gegeben habe. Das BMVIT habe aber bereits reagiert und einen neuen gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrag mit den ÖBB abgeschlossen.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) wies darauf hin, dass für die vom Rechnungshof aufgezeigten Kostensteigerungen beim Bau der Unterinntaltrasse unter anderem enorm gestiegene Rohstoffpreise für Stahl und höhere Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich seien. Außerdem muss man ihr zufolge bedenken, dass 80 Prozent der Strecke im Interesse der Bevölkerung aus Tunneln, Galerien und Unterflurtrassen bestehe. Wichtig ist für Schönpass, dass die Strecke im Dezember 2012 in Betrieb geht.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) machte darauf aufmerksam, dass die Unterinntaltrasse auch Zulaufstrecke für den Brenner-Basistunnel sei. Seiner Ansicht nach geht es nicht an, sich für das eine Projekt, aber gegen das andere auszusprechen. Angesichts der geplanten Anhebung der Zugdichte und der Geschwindigkeitserhöhung urgierte Lettenbichler effiziente Lärmschutzmaßnahmen.

Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) erklärte, der Rechnungshof agiere seit 250 Jahren unabhängig, objektiv und wirksam. Er zeige immer wieder Missstände beim Umgang mit Steuermitteln auf. Prähauser kritisierte etwa die monatelange Einmietung eines Botschafters in einem Hotel anstelle der Anmietung einer Wohnung.

Rechnungshofpräsident Josef MOSER verwies auf das 250-Jahr-Jubiläum des Rechnungshofs und bekräftigte, Kontrolle zahle sich aus. Das zeigt für ihn nicht zuletzt die Umsetzung zahlreicher Empfehlungen des Rechnungshofs.

Die beiden Berichte des Rechnungshofes wurden vom Nationalrat einstimmig bzw. mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Die drei Entschließungsanträge der FPÖ betreffend Einstellung der Förderung der Bundesarbeiterkammer, der Landwirtschaftskammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, betreffend effiziente Fachaufsicht durch den Leiter der Ständigen Vertretung in Brüssel sowie betreffend Reduktion des Personalstandes der österreichischen Militärvertretung in Brüssel blieben in der Minderheit. (Schluss Nationalrat)