Parlamentskorrespondenz Nr. 824 vom 21.09.2011

Österreich braucht mehr Akademiker und die Universitäten mehr Geld

Minister Töchterle präsentiert Vorschläge zur Finanzierung der Unis

Wien (PK)- "Qualität und Leistung für die österreichischen Universitäten und Hochschulen", lautete das Thema der Aktuellen Stunde, mit der der Nationalrat in seine heutige Plenarsitzung startete.

Das Thema hatte die ÖVP ausgewählt. Die Begründung lieferte eingangs Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V), die darauf hinwies,  dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einer enorm wichtigen Gestaltungsphase vor der Aufgabe stehen, die für die Zukunft Österreichs wichtigen bildungs- und wissenschaftspolitischen Herausforderungen anzunehmen. Bildung und Wissenschaft schaffen die besten Voraussetzungen zur Sicherung von Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätzen. Daher erwarten sich die Wissenschaftler und die Studierenden Maßnahmen von der Politik statt das Festhalten an populistischen Wahlversprechen.

Die Universitäten zeigen im internationalen Vergleich trotz schlechter Rahmenbedingungen hervorragende Ergebnisse, würdigte die Rednerin und ging auf die Vorschläge ein, die Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die österreichischen Studierenden unterbreitet hat. Cortolezis-Schlager unterstützte den Wissenschaftsminister in seinen Bemühungen, mit der Finanzministerin eine zusätzliche Hochschulmilliarde zu bekommen. Sein Modell sei sozial gerecht und sein Vorschlag für Studienbeiträge berücksichtigt sozial bedürftige österreichische Studierende. Wer einen Beitrag leisten könne, soll ihn erbringen, meinte die Wissenschaftssprecherin der ÖVP. Ihre Partei lasse die Hochschulen nicht im Stich und wolle dort die Studienbedingungen verbessern. Da wir nichts gratis zu vergeben haben, wollen wir einen Beitrag von jenen, die einen solchen leisten können. Bei den Kosten pro Uniabsolvent liege Österreich im oberen Drittel, sagte Cortolezis-Schlager und schloss mit der Aufforderung, Studiengebühren wieder einzuführen, statt aus Populismus an deren Abschaffung festzuhalten.

Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE stellte vorweg fest, dass die österreichischen Universitäten Qualität haben und Leistung erbringen. Als Hauptprobleme nannte der Minister "Finanzierungsprobleme" und "Massenfächer" und sah dafür Lösungsmöglichkeiten auf der Grundlage des hervorragenden Universitätsgesetzes 2002 mit dessen Kern, der Universitätsautonomie. Die Autonomie der Universitäten brauche aber eine Steuerung durch den Geldgeber Staat, der darauf achten müsse, dass die Mittel effizient eingesetzt werden. Darum gehe es im Hochschulplan, der derzeit im Zusammenwirken von Vertretern der Universitäten, der Fachhochschulen und des Ressorts aufgesetzt wird. Töchterles Vision ist es, statt ein bis zwei Forschungsuniversitäten in Österreich zu haben, mehrere starke Universitäten mit Forschung und Lehre auf international höchstem Niveau in Österreich zu führen. Dies erfordere einen gezielten Einsatz der Mittel und einen qualitativen und quantitativen Ausbau des Fachhochschulsektors. Dazu kommt die Aktivierung derzeit "inaktiver Studierender", sagte Töchterle und plädierte für Zugangsregelungen überall dort, wo zu wenige Studienplätze vorhanden sind sowie für die Lösung der Finanzierungsprobleme durch eine Studienplatzfinanzierung. In diesem Zusammenhang erläuterte Töchterle sein Bemühen um eine zusätzliche Hochschulmilliarde, die aber nicht mit der Gießkanne über die Universitäten verteilt werden soll, sondern mit steuernden Anreizen verbunden soll. Töchterle bekannte sich zu dem Ziel, den Anteil der Ausgaben für Forschung bis 2020 auf 2 % der BIP zu steigern, was aber nur durch Erhöhung privater Beiträge zu erreichen sein wird. Daher appellierte der Wissenschaftsminister an die Abgeordneten, seinen Vorschlag für die Einführung von Studienbeiträgen zu unterstützen und führte dabei aus, dies dürfe auf keinen Fall dazu führen, dass in Österreich jemand durch finanzielle Hürden davon abgehalten wird, den Weg zu höherer Bildung zu gehen.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) hielt es für positiv, dass der Wissenschaftsminister mehr Geld für die Universitäten auftreiben möchte und dafür eintrete, die Vielfalt des Studienangebots in Österreich zu erhalten. Die SPÖ hält an der Abschaffung der Studiengebühren nicht deshalb fest, weil es sich um ein Wahlversprechen handle, sagte Kuntzl und erinnerte daran, dass die Studiengebühren vor der letzten Nationalratswahl gegen die Stimmen der ÖVP abgeschafft wurden. Die SPÖ will keine finanziellen Hürden auf dem Weg zu höherer Bildung, sie will keine neuen Bildungssteuern, sie will zusätzlich benötigtes Geld nicht bei den Studierenden einheben, sondern in Form von vermögensabhängigen Steuern dort, wo Geld tatsächlich zu holen ist.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) begrüßte das Modell des Wissenschaftsministers für die Hochschulen und unterstützte seine Verhandlungen mit der Finanzministerin. Besonders wichtig sei es, den Anteil privater Mittel für Forschung und Lehre anzuheben und es sei auch richtig, Studienbeiträge einzuführen. Denn es sei nicht einzusehen, dass die Billa-Verkäuferin das Studium der Kinder der oberen 80.000 mitfinanzieren soll.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) kritisierte die schlechte Arbeit der Leistung der Regierung in der Hochschulpolitik und brachte den 12-Punkteplan des freiheitlichen Wissenschaftssprechers Martin Graf zur Sprache, der bislang im Ausschuss von den Regierungsparteien vertagt wurde. Es sei nicht einzusehen, dass über Studiengebühren diskutierte werde, wenn gleichzeitig Milliardenbeträge nach Griechenland geschickt werden. Der Redner unterstützte den Wissenschaftsminister jedoch in dessen Bemühungen um eine zusätzliche Universitätsmilliarde.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) machte darauf aufmerksam, dass die zitierte Billa-Verkäuferin bedauerlicherweise so wenig verdiene, dass sie keine Steuern zahle und daher auch nicht zur Finanzierung der Universitäten beitragen könne. Der Redner wandte sich dagegen, Studierende als ein "Problem" darzustellen, dem nur mit Studiengebühren beizukommen. Grünewald verlangte mehr Qualität bei den Verhandlungen im Wissenschaftsausschuss und brach eine Lanze für einen möglichst breiten Zugang zur Bildung. Der Redner betonte, dass Österreich mehr und nicht weniger Akademiker braucht. "Lassen wir uns auf das Abenteuer Bildung ein" schloss Grünewald.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) hielt fest, dass es niemanden gebe, der nicht Qualität und Leistung für die Universitäten wolle. Kritik müsse sich aber die Regierung gefallen lassen, die zwar bereit sei, Milliarden nach Griechenland zu schicken, zugleich aber nichts gegen die Missstände an den Universitäten unternehme. Widmann machte darauf aufmerksam, dass die Universität Innsbruck einen Ausländeranteil von mehr als 40 % habe und untermauerte damit seine Forderung nach einer österreichischen Lösung für die Finanzierung der Universitäten. Die Bundesregierung müssen sich fragen: "Wo war meine Leistung in der Hochschulpolitik?".

Abgeordnete Laura RUDAS (S) machte darauf aufmerksam, dass Österreich bei der Akademikerquote Nachholbedarf hat und sagte daher: Wir wollen mehr Studierende". Daher sei es die Aufgabe der Politik, junge Menschen auf ihrem Weg zu höherer Bildung zu unterstützen, nicht aber, sie vom Studieren abzuhalten. "Motivieren wir die jungen Menschen, ein Studium aufzunehmen und es abzuschließen", sagte Rudas und legte überdies ein klares Bekenntnis zu einem BIP-Anteil von 2 % für Wissenschaft und Forschung bis 2020 ab.

Abgeordneter Peter MAYER (V) hielt es für notwendig dafür zu sorgen, dass mehr Absolventen von den Universitäten kommen, fügte aber hinzu, dass auch die Lehrlingsausbildung Unterstützung brauche, weil die Wirtschaft unter Facharbeitermangel leide. Wenn ein Bauer für seine Meisterausbildung 1.800 € beitragen könne, sei dies auch Studierenden zumutbar, wenn sie sich Studienbeiträge leisten können. Daher trat der Redner für die Wiedereinführung von Studiengebühren ein und bezeichnete deren Abschaffung im September 2008 als einen Fehler.

Abgeordneter Martin GRAF (F) zeigte sich enttäuscht vom Wissenschaftsminister, der bei der Lösung der Universitätsprobleme nicht bereit sei an Alternativen zu denken. Graf kritisierte scharf die Absicht, "die Zahl der Studierenden zu reduzieren und den Rest mit Studienbeiträgen abzuzocken". Der Minister sollte beachten, dass die Zahl der Studierenden in Österreich aus demographischen Gründen zurückgehen werde und forderte Töchterle auf, Rücklagen einzusetzen, um finanzielle Probleme an den Universitäten zu lösen. Bei einer Abgabenquote von 43,5 % sei es nicht einzusehen, eine neue Steuer für Studierende einzuführen, sagte Abgeordneter Graf.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) rechnete dem Wissenschaftsminister vor, dass auf dem Weg zur Erreichung des Ziels, 2020 für Wissenschaft und Forschung in Österreich 2 % des BIP aufzuwenden, Jahr für Jahr 1,5 Mrd. € fehlen werden. Dieser Betrag werde nicht durch private Beiträge aufzubringen sei, sagte Van der Bellen. Schließlich kritisierte der Abgeordnete die mangelnde Bereitschaft des Ressorts, Synergieeffekte durch Kooperation von Bildungseinrichtungen zu nützen, wie sie etwa in Wien vorgeschlagen werden.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) ortete das Grundsatzproblem in der Hochschulpolitik in steigenden Studierendenzahlen bei stagnierenden Uni-Budgets. Petzner setzte sich dafür ein, die Studienbedingungen für österreichische Studierende zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die österreichischen Universitäten den steigenden Akademikerbedarf "in Österreich statt in Deutschland decken". Für die bildungspolitische Katastrophe machte Petzner die Bundesregierung verantwortlich, sagte dem Unterrichtsminister aber Unterstützung bei seinen Bemühungen um eine zusätzliche Universitätsmilliarde zu. Petzner meldete aber Zweifel daran an, dass es Töchterle gelingen werde, sich bei Fekter durchzusetzen.

Abgeordneter Robert LUGAR (A) warf dem Wissenschaftsminister vor, seine Vision beschränke sich darauf, an den Universitäten alles bleiben zu lassen wie es ist. Das sei zu wenig, weil die Universitäten stark unterkapitalisiert seien und daher auch jenen Studenten, die ihr Studium rasch abschließen wollen, die dafür notwendigen Bedingungen nicht geben können. Lugar wandte sich gegen Zugangsbeschränkungen, weil Österreich mehr Akademiker brauche und schlug demgegenüber neue poltische Prioritäten vor: Statt Geld bei den ÖBB, für "jugendliche" Frühpensionisten oder sinnlose Griechenlandshilfspakete zu verschwenden, sollte der Finanzierung der Universitäten ein wesentlich höherer Stellenwert zukommen, schloss Lugar. (Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat)