Parlamentskorrespondenz Nr. 825 vom 21.09.2011

Thema Korruption - Heftige Kritik der Opposition an der Regierung

Justizministerin will jede Korruption bereits im Keim ersticken

Wien (PK) – In seiner heutigen 118. Sitzung hielt der Nationalrat auch eine Aktuelle Europastunde zum Thema "Korruptionsbekämpfung in der EU" ab. Als erster Redner zitierte Werner KOGLER (G) eingangs seines Statements den Chef der Arbeitsgruppe der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung mit den Worten "Österreich ist eine Korruptionsoase" und kritisierte, dass in Österreich einerseits immer mehr Skandale publik werden und andererseits viel zu wenig unternommen werde, um dies in Zukunft zu verhindern.

Zum Thema "Korruptionsbekämpfung in der EU" nannte Kogler ein Dokument der Europäischen Kommission, das auf den durch Korruption entstehenden Schaden in der Union hinweist und eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen enthält. Nach Schätzung der Kommission belaufe sich der durch Korruption verursachte ökonomische Schaden auf 120 Mrd. € im europäischen Raum. Daher forderte Kogler, die Aufklärung aktueller Korruptionsvorwürfe nicht zu blockieren und einen Untersuchungsausschuss zu einem umfassenden Untersuchungsgegenstand zuzulassen. Ebenso verwies der Redner auf eine Resolution der Europäischen Kommission vom September, der zufolge die bestehenden Gesetze eingehalten werden müssten und es Mitgliedsländer gibt, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen und die Bemühungen der Behörden für Korruptionsbekämpfung "weit unterausgeprägt" seien.

Kogler warnte vor großem Glaubwürdigkeitsverlust Österreichs, wenn es nicht gelänge, die Anschuldigungen rasch aufzuklären, Strafsanktionen folgen zu lassen und den errichteten Schaden von den Betreffenden wieder gutmachen zu lassen. Zudem müsste vor allem ein politischer Neustart erfolgen. Um einen glaubwürdigen Neustart für die Politik zu organisieren, machte Kogler auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission bezüglich Verhütung und Bekämpfung politischer Korruption aufmerksam, demzufolge mehr Transparenz und eine effiziente Überwachung der Finanzierung politischer Parteien gefordert wird. "Herzstück jeder Korruptionsbekämpfung" sei die Offenlegung der Parteispenden, betonte Redner und kritisierte, das "Spendenwäsche" in Österreich per Gesetz erlaubt sei. Abschließend monierte Kogler ein Offenlegungsgesetz, um alle Zahlungsströme der Parteien offenzulegen.

Bundesministerin Beatrix KARL untermauerte die Vorbildfunktion und die besonderen moralischen Maßstäbe von politischen Verantwortungsträgern und verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft mit Hochdruck an der Aufklärung der strafrechtlichen Verfehlungen arbeitet.

Aufgabe der Politik sei es, Maßnahmen gegen derartige Machenschaften mit strengen Konsequenzen für die Zukunft zu setzen. Karl kündigte in diesem Zusammenhang für die nächsten Wochen eine Regierungsvorlage zum Lobbying-Gesetz an, mit dem mehr Transparenz Einzug halten soll. Weiters verwies sie auf die Einrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, um entschieden gegen Korruption und Wirtschaftsdelikte vorgehen zu können. Außerdem werde im Justizministerium ein österreichisches Modell des Whistleblowing erarbeitet und auch im Hohen Haus werde an der Erstellung eines Antikorruptionspakets gearbeitet. Diesbezüglich wünschte sich die Justizministerin u.a. eine klare, transparente Regelung zur Parteienfinanzierung, ein Verbot dubioser Provisionen, strengere moralische Richtlinien für PolitikerInnen und maximale Transparenz bei der Vergabe von Inseraten und bei der Offenlegung von Eigentümerverhältnissen von Medienunternehmen.

In ihren weiteren Ausführungen berichtete die Justizministerin von den Aktivitäten der Europäischen Kommission, die im Juni im Rat präsentiert wurden. So werden etwa von den Mitgliedstaaten als auch auf internationaler Ebene stärkere Anstrengungen im Kampf gegen Korruption gefordert, was durch einen von der Kommission erstellten EU-Antikorruptionsbericht, der erstmals 2013 und dann alle zwei Jahre erscheinen soll, unterstützt werde. Dadurch sollen u.a. Antikorruptionsmaßnahmen der einzelnen Länder geprüft und gefördert und besonderes Augenmerk auf eine engere justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit gelegt werden. Zum Whistleblower-Schutz werde die Kommission eine Evaluierung vorlegen und auch Vorschläge für Maßnahmen im Zusammenhang mit den öffentlichen Vergabeverfahren, Rechnungslegungsvorschriften und zur Verhütung von politischer Korruption, seien ebenfalls geplant. Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung der Korruption im privaten Sektor durch die Mitgliedstaaten werde von der Kommission ebenfalls als nicht zufriedenstellend bezeichnet und auch Österreich werde zur vollständigen Umsetzung aufgerufen.

Auf nationaler Ebene seien ebenfalls entsprechende Maßnahmen zu setzen, stand für die Bundesministerin fest. Wir müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln Korruption bekämpfen, bestehende Lücken schließen und dabei auch die aktuellen Gesetze ständig evaluieren, gelte es doch, dafür zu sorgen, dass die Korruption bereits im Keim erstickt wird, betonte Karl.

Abgeordneter Josef CAP (S) sprach sich für Unvereinbarkeitsregelungen, eine Meldepflicht für die einzelnen Abgeordneten analog zum deutschen Bundestag, mehr Transparenz bei Parteispenden, die Verschärfung der Bestimmungen des Anti-Korruptionsgesetzes sowie ein Medientransparenzgesetz aus, wies aber Pauschalvorwürfe an die Mitglieder der Bundesregierung scharf zurück. Die Problematik der Zeitungsinserate sah Cap vor allem vor dem Hintergrund der marktwirtschaftlichen Konkurrenzsituation in Österreich, wobei er zu bedenken gab, die Medien müssten sich am Markt bewähren, Inserate sollten deshalb nicht planwirtschaftlich gesteuert werden.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) forderte eine lückenlose Aufklärung der konkreten Fälle ohne Ansehen an die Person und sah einen dringenden Handlungsbedarf für neue und strengere Gesetze, um das Problem an der Schnittstelle von Politik und öffentlicher Wirtschaft zu bereinigen. Die Aussagen des Staatssekretärs Ostermayer ließen nichts mehr offen und seien ein Geständnis, fügte der VP-Klubchef an und appellierte in diesem Zusammenhang an Bundeskanzler Faymann, eine "saubere" Erklärung vor dem Parlament zu den aktuellen Vorwürfen abzugeben.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) ortete einen Korruptionsskandal bei der SPÖ und stellte fest, sieben Millionen Euro an Steuergeldern seien im Wege einer Inseratenkampagne an den damaligen Verkehrsminister Faymann geflossen. Er warf den Sozialdemokraten erpresserische Methoden und Beweisfälschung vor und forderte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um diesen, wie er sagte, "Saustall" aufzuklären.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) beklagte Vollzugsdefizite Österreichs bei der Korruptionsbekämpfung insbesondere auf dem Gebiet der Parteienfinanzierung und verlangte mehr Transparenz bezüglich der Kosten und der Finanzierungsquellen von Zeitungsinseraten. Vehement trat Moser für die Aufarbeitung der aktuellen Vorfälle in einem Untersuchungsausschuss ein.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) ging scharf mit der SPÖ ins Gericht und stellte empört fest, sieben Millionen an Steuergeldern seien für eine Unterstützung Faymanns verschleudert worden. Die Vorwürfe an Herbert Scheibner hingegen wies er als "lächerlich" und "niederträchtig" zurück, wobei er betonte, sein Fraktionskollege habe nicht einen einzigen Cent an Steuergeldern in Anspruch genommen. Heftig attackierte Stadler in diesem Zusammenhang auch Raiffeisen wegen der Weitergabe von Kontodaten an die Öffentlichkeit.

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) kündigte Regelungen zur Veröffentlichung von Parteispenden ab einem Betrag von 7.000 Euro an und meinte im Übrigen, in Sachen Korruptionsbekämpfung gehe einiges weiter. Aufklärungsbedürftig waren für den Redner aber vor allem die Fälle Grasser, Mensdorff-Pouilly, Scheuch und Strasser. Hinsichtlich der Vorwürfe an Faymann im Zusammenhang mit der Inseratenkampagne zog Kräuter die Glaubwürdigkeit Martin Hubers in Zweifel.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) warf Kräuter und Stadler vor, mit ihren Anschuldigungen lediglich von Fehlverhalten in den eigenen Reihen ablenken zu wollen. Klar war für den Justizsprecher der ÖVP allerdings, dass es einer kompromisslosen Aufklärung sämtlicher Einzelfälle in Österreich ohne Ansehen der Partei und Person bedürfe. Was die gesetzlichen Regelungen betrifft, ortete Donnerbauer Handlungsbedarf hinsichtlich Transparenz bei Parteispenden und Lobbying und meinte, die ÖVP stehe für notwendige Maßnahmen zur Verfügung.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) forderte die Justiz auf, in Sachen Korruptionsbekämpfung selbst mit gutem Beispiel voranzugehen,  drängte weiters auf eine Reparatur der Aufweichung des Anti-Korruptionsgesetzes und verlangte eine klare Regelung der Zeitungsinserate.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) sprach ebenfalls kritisch von einem Aufschnüren des Anti-Korruptionsgesetzes im Jahr 2009 und meinte, wenn es die Regierung nun ernst meint, dann solle sie eine Novelle vorlegen, durch die damalige Aufweichung des Anfütterungsverbotes wieder zurückgenommen wird.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) forderte vehement die Einsetzung eines ständigen Anti-Korruptionsausschusses, der, wie er sagte, in der Manier der heiligen Inquisition wieder für Anstand, Charakter und Sauberkeit in der Republik sorgen solle. Heftige Anschuldigungen richtete Grosz nicht nur gegen Kanzler Faymann, sondern auch gegen Josef Pröll, dem er vorwarf, sich als Finanzminister mit Steuergeld seine künftige berufliche Existenz bei Raiffeisen abgesichert zu haben.

Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) hält, wie er sagte, erfolgreiche Korruptionsbekämpfung nur für möglich, wenn vollkommene Transparenz geschaffen werde und ein "engmaschiges Netz" sicherstelle, dass jeder, der in Korruption involviert sei, damit rechnen müsse, erwischt zu werden. Es sei nicht jeder korrupt, der die Möglichkeit dazu habe, meinte Lugar, die meisten PolitikerInnen würden zu Unrecht in Generalverdacht geraten. Aber nicht alle hätten den notwendigen moralischen Anspruch an sich selbst. (Schluss Europastunde/Fortsetzung Nationalrat)