Parlamentskorrespondenz Nr. 826 vom 21.09.2011

Was brauchen junge Menschen heute?

Mehr Familie, mehr Kindergärten, mehr Bildung, Jobs, Fürsorge ...

Wien (PK) – Am Beginn der heutigen 118. Nationalratssitzung nahm Präsidentin Barbara Prammer die Angelobung von VP-Abgeordneter Christine Marek vor, die auf das Mandat von Maria Rauch-Kallat nachrückt, die kürzlich aus dem Nationalrat ausgeschieden ist.

Vor Eingang in die Tagesordnung teilte die vorsitzführende Präsidentin mit, dass das BZÖ eine Dringliche Anfrage an Finanzministerin Maria Fekter gerichtet hat. Thema: "Genug gezahlt für EU-Pleitestaaten, Banken und Spekulanten! Volksabstimmung jetzt!" (9287/J)

Im Anschluss an die Debatte zur Dringlichen, die um 15 Uhr beginnt, kommt ein Fristsetzungsantrag von SPÖ und ÖVP zur Diskussion und Abstimmung. Er ist darauf gerichtet, die Änderung des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes (1390 d.B.) bis spätestens 27. September 2011 im Finanzausschuss zu beraten.

Von den drei Oppositionsparteien wurde darüber hinaus jeweils ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema Korruption eingebracht. Die Grünen wollen die politische Verantwortung für etwaige Korruptionsfälle in der schwarz-blauen Regierung untersuchen, das BZÖ alle mittelbaren und unmittelbaren Geldflüsse ohne entsprechende Gegenleistungen im direkten Umfeld von Politikern und politischen Parteien in den Fällen Telekom, BUWOG, Behördenfunk Tetron und ÖBB-Inserate genauer unter die Lupe nehmen. Die FPÖ beantragte die Untersuchung aller aktuellen Korruptionsvorwürfe. – Im Laufe der Sitzung wurden diese drei Anträge zurückgezogen und durch einen gemeinsamen F-G-B-Antrag ersetzt, der in den späten Nachtstunden zur Abstimmung gelangen sollte.    

Die Lage der Jugend in Österreich

 

An der Spitze der Tagesordnung der heutigen 118. NR-Sitzung stand der aktuelle Bericht zur Lage der Jugend in Österreich (III-248 d.B), der wissenschaftliche mit praxisbezogenen Beiträgen vereint und einen Überblick über das Leistungsangebot der heimischen Jugendarbeit bietet. Nach einer lebhaften Debatte wurde der Bericht mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Entschließungsanträge von Oppositionsrednern fanden keine Mehrheit und wurden abgelehnt.   

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) übte massive Kritik am Jugendbericht. Insbesondere bemängelte sie die ihrer Ansicht nach einseitige Themenauswahl. Kitzmüller vermisst unter anderem eine Analyse der schlechten Bildungssituation von MigrantInnen und die Feststellung, dass das "Um und Auf" für das Wohl des Kindes das Recht von Kindern auf Vater und Mutter sei. Insgesamt würde der Begriff Familie kaum, und wenn, dann meist nur im negativen Zusammenhang verwendet, bemängelte sie. Familien bräuchten aber eine ideelle und finanzielle Stärkung.

Ein von Kitzmüller eingebrachter Entschließungsantrag hat die finanzielle Entlastung von Familien durch die Einführung eines Familiensteuersplittingmodell zum Ziel.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) hielt ihrer Vorrednerin entgegen, dass der Jugendbericht einen umfassenden Einblick in die Lebensrealität von Jugendlichen ermögliche und in vielen Bereichen Verbesserungspotentiale aufzeige. Sie wertet den Bericht in diesem Sinn als wichtige Grundlage für die politische Arbeit.

Familie und Freunde würden bei den Jugendlichen einen enorm hohen Stellenwert haben, skizzierte Steibl. Sie interessierten sich auch wieder verstärkt für Politik. Steibl wies aber auch auf die Verantwortung von Eltern hin: Man dürfe Jugendliche nicht sich alleine überlassen, sondern müsse sie in die Erwachsenenwelt begleiten. Aufgabe der Politik ist es laut Steibl, Familien entsprechende Rahmenbedingungen zu bieten, wobei sie u.a. auf die Kindergartenförderung verwies.

Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) warf der Regierung vor, keine Zukunftspolitik im Sinne der heutigen Jugend zu machen. Die Politik sei nicht in der Lage, offene Problemfelder wie die Verwaltungsreform, notwendige Kompetenzbereinigungen und die Modernisierung des Bildungssystems zu lösen, bemängelte er. "Sie wurschtelt sich", so Lugar, zu Lasten der Jugendlichen von einem Tag zum nächsten. Der Abgeordnete gab zu bedenken, dass bis zu 20 % der Schulabgänger einfache Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen nicht ordentlich beherrschten.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) wies darauf hin, dass der Jugendbericht sowohl Expertisen von Wissenschaftlern als auch Informationen über die praktische Jugendarbeit enthalte. Sie befasste sich insbesondere mit dem Thema Bildung, Ausbildung und Einstieg ins Berufsleben. Lueger kritisierte unter anderem unterschiedliche Bildungschancen von Jugendlichen und meinte, Ziel der Bildungspolitik müsse es sein, Potentiale von Jugendlichen zu nützen und nicht durch selektive Schnittstellen zu vergeuden. Mit der Ausbildungsgarantie und den überbetrieblichen Werkstätten sind ihrer Meinung nach wichtige Schritte gesetzt worden, sie sieht aber auch die Wirtschaft gefordert, Ausbildungsplätze anzubieten. Generell sprach sich Lueger für die Erarbeitung einer aktuellen Jugendstrategie auf Basis des vorliegenden Berichts aus.

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) meinte, der Jugendbericht entlarve, dass es in Österreich keine Jugendpolitik gebe. In der Regierung fühlt sich ihrer Ansicht nach niemand richtig dafür zuständig, das gelte auch für die Empfehlungen des Jugendberichts. Als Untermauerung ihrer Argumentation führte Windbüchler-Souschill an, dass es nach wie vor neun verschiedene Jugendgesetze gebe und die Reform der Jugendwohlfahrt trotz eines seit langem auf dem Tisch liegenden Expertenentwurfs immer wieder verschoben werde. Auch bei der Umsetzung von Kinder- und Jugendrechten vermisste sie Fortschritte.

Familienminister Reinhold MITTERLEHNER wies die Kritik von Abgeordneter Windbüchler-Souschill zurück und machte geltend, dass Jugendpolitik Querschnittsmaterie sei, für die sowohl Bund und Länder zuständig seien. Was das Beratungsangebot für Jugendliche betrifft, ist Österreich seiner Meinung nach sehr gut aufgestellt.

Mitterlehner ging in der Folge auf verschiedene Kapitel des Berichts ein, und brachte unter anderem vor, dass bei einer Umfrage im Jahr 2008 deutlich mehr 16- bis 18-Jährige Interesse an Politik bekundet hätten als noch im Jahr 2004. Schulabbruch sei eine der wesentlichsten Ursachen für Arbeitslosigkeit, betonte er. Die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen sei, was Gesundheit und Sport betrifft, grundsätzlich auf einem sehr hohen Niveau, ab einem Alter von 13 Jahren gebe es aber verstärkt Probleme mit Rauchen und Alkoholkonsum, die sich später fortsetzten. Die Verschuldung bei Jugendlichen nehme zu, ab dem 16. Lebensjahr würde verstärkt das Konto überzogen. Es gebe in allen Bereichen umfassende Beratungsangebote, unterstrich Mitterlehner, man müsse aber auch verstärkt präventiv tätig werden.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (B) machte für die steigende Verschuldung von Jugendlichen nicht zuletzt die aktive Werbung von Banken verantwortlich. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass durch die hohe öffentliche Verschuldung Kinder bereits mit einem Schuldenrucksack von 29.000 € auf die Welt kämen. Er brachte in diesem Sinn einen Entschließungsantrag ein, der auf die Einführung einer staatlichen Schuldenbremse abzielt. In einem zweiten Entschließungsantrag fordert das BZÖ außerdem die Einführung eines Flat-tax-Systems zur Entlastung des Mittelstands. Durch die steigenden Lebenskosten würden, so Markowitz, immer weniger Kinder in die Welt gesetzt.

Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) meinte, man werde alles daran setzen, dass es nicht zu einem Generationenkonflikt komme. Keine Generation dürfe auf Kosten der anderen leben. Daher sei es aber erforderlich, zu untersuchen, wie sich Gesetze auf die einzelnen Generationen auswirkten, damit sie für alle fair und gerecht gestaltet würden. Nur so könne gewährleistet werden, dass auch die Jungen noch eine ansprechende Pension bekämen, wozu auch die bestehenden Privilegien im staatsnahen Bereich abgeschafft werden müssten, denn dann wäre auch genug für alle Generationen da.

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) stellte fest, dass man schon seit langer Zeit dafür Sorge trage, dass Privilegien entweder bereits abgeschafft oder aber im Auslaufen seien, sodass man sich hier auf dem richtigen Weg befinde. Der Bericht zeige, dass die Problemfelder von Jugendlichen unterschiedlich seien, worauf man auch entsprechend reagiert habe, wie die gesetzten Maßnahmen belegten.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) vermisste eine vertiefende Analyse des vorliegenden Berichts und votierte sodann für einen österreichweit einheitlichen Jugendschutz. Schließlich bemängelte die Rednerin die mangelnde Berücksichtigung des Gender-Aspekts im gegenständlichen Themenbereich. Gerade hier sei dieser aber von besonderer Wichtigkeit, denn gerade hier brauche es, etwa bei der Berufswahl, entsprechende Veränderungen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) sprach von Jugendpolitik als einer Querschnittmaterie, in der alle Verantwortlichen gefordert seien. Der Minister müsse ein Motor sein, damit in der Jugendpolitik nennenswerte Fortschritte erzielt werden könnten. Es brauche Rahmenbedingungen, die es den Jugendlichen ermöglichten, zu vollwertigen und verantwortungsvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft heranzuwachsen. Daher dürfe man sich nicht auf Ankündigungen beschränken, sondern müsse endlich konkrete Taten setzen, damit man die Zukunftschancen der Jugend nicht verspiele. In diesem Sinn brachte die Rednerin einen Entschließungsantrag ein, in welchem die Finanzministerin aufgefordert wird, Reformpläne für mehr Generationengerechtigkeit vorzulegen. Schließlich forderte die Rednerin einen konkreten Vorschlag für ein Gesetz zur Jugendwohlfahrt.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER erinnerte seine Vorrednerin daran, dass sie selbst bis 2007 Sozialministerin gewesen sei, sodass gerade sie verstehen müsse, dass die Kompetenz zum Jugendschutz bei den Ländern liege. Er sei unbedingt dafür, einen einheitlichen Jugendschutz in Österreich zu haben, doch dazu brauche es eben einen Konsens mit den Ländern.

Abgeordnete Adelheid FÜRNTRATH-MORETTI (V) zeigte sich überzeugt davon, dass der Minister Garant dafür sei, dass auf dem in Rede stehenden Gebiet die nötigen Schritte gesetzt werden. Sodann ging die Rednerin auf einzelne Aspekte des vorliegenden Berichts ein, wobei sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Lage der Lehrlinge legte, wo in letzter Zeit besonders wichtige und positive Maßnahmen gesetzt worden seien. Österreich sei in der Jugendpolitik auf dem richtigen Weg, resümierte die Rednerin, die abschließend meinte, Fördern und Fordern der Jugend sei wichtiger denn je.

Abgeordneter Hermann LIPITSCH (S) zog eine positive Bilanz auf dem Gebiet der Jugendpolitik, wovon der vorliegende Bericht beredtes Zeugnis ablege. So sei man vor allem bei der Jugendarbeitslosigkeit europaweit Vorbild. Konkrete versuche man verstärkt, Frauen atypische Berufe nahezubringen, was immer besser funktioniere. Der Berufsorientierung komme eine besondere Rolle zu, und dem trage man auch Rechnung.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) wies darauf hin, dass es Ungleichheiten in Fragen der Bildung gebe, die sich sowohl geschlechterspezifisch als auch sozial äußerten. Man müsse also für mehr Gerechtigkeit sorgen, damit alle die gleichen Bildungschancen besäßen. Zudem sei es gut, dass die Jugendlichen sich ihrer eigenen Zukunft annähmen und sich für positive Veränderungen engagierten. Die Rednerin schloss mit einem Appell, das Bildungsvolksbegehren zu unterschreiben.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) dankte den Autorinnen und Autoren des Berichts für das gelungene Kompendium und ging dann auf die elektronischen Medien und ihren Einfluss auf die Jugendlichen ein, wobei er festhielt, dass das Ministerium auf diesem Gebiet hervorragend reagiert habe. Der Minister sei sichtlich am Puls der Zeit. Besonders würdigte der Redner das ehrenamtliche Engagement der Jugendlichen, was zeige, dass die Jugend weit besser als ihr Ruf sei. Die Politik müsse die Jugend als gleichberechtigten Partner wahrnehmen, meinte der Redner.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) setzte sich mit dem Themenkomplex "Jugend und Sexualität" auseinander, um sodann die nötigen Konsequenzen aus den Schlussfolgerungen des Berichts einzumahnen.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) warf den Regierungsparteien vor, sich auf Worte zu beschränken, anstatt endlich die nötigen Taten zu setzen. Die Regierung solle mit voller Kraft für die Jugend arbeiten und sich nicht in Berichten erschöpfen. Konkret brauche es endlich echte Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Auch soziale Probleme beklagte der Redner.

Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Die Anträge der Opposition (drei Entschließungsanträge des BZÖ, einer der FPÖ) fanden hingegen keine Mehrheit. (Schluss Jugendbericht/Fortsetzung Nationalrat)