Parlamentskorrespondenz Nr. 885 vom 05.10.2011

RH-Ausschuss befasst sich mit Krebsbehandlungsprojekt MedAustron

Zwischen medizinischer Hoffnung und finanziellen Risiken

Wien (PK) – Im heutigen Rechnungshofausschuss wandten sich die Abgeordneten unter der Verhandlungsführung ihres Ausschussobmanns Werner Kogler zunächst dem Projekt MedAustron zu, der geplanten Errichtung eines neuartigen Therapie- und Forschungszentrum zur Krebsbehandlung in Wiener Neustadt. Ein Teilchenbeschleuniger soll dort bei der Krebsbehandlung, aber auch bei der nichtklinischen Forschung eingesetzt werden. Nach dem Scheitern der Suche nach privaten Investoren hatte das Land Niederösterreich das gesamte unternehmerische Risiko von MedAustron selbst übernommen. In den Jahren 2005 und 2006 wurden Zuschüsse von bis zu 118 Mill. € durch den Bund (BMWF), 3,70 Mill. € durch das Land Niederösterreich und 3,95 Mill. € durch die Stadt Wiener Neustadt vereinbart. Wie dem Prüfbericht des Rechnungshofs zu entnehmen ist, werden die – nicht limitierten - Errichtungskosten auf 186 Mill. € bis 223 Mill. € und die Finanzierungskosten bis zum Jahr 2046 auf 274 Mill. € geschätzt.

Zur Verbesserung der Planungssicherheit empfahl der Rechnungshof aufgrund seiner Prüfung im Jahr 2009, alle Projektrisiken zu bewerten, den Behandlungskostenzuschuss zu ermitteln und MedAustron in den "Österreichischen Strukturplan Gesundheit" zu übernehmen. Zu prüfen sei, ob das Patientenaufkommen von jährlich 1.200 Personen sowie die Bedarfserhebung für die Hadronentherapie aus dem Jahr 2002 noch realistisch sei. Rechnungshofpräsident Josef Moser mahnte auch den Einsatz eines Risiko- und eines Projektmanagements sowie die Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen ein. Dazu kam die Empfehlung, ein klares Personalkonzept für den Betrieb von MedAustron auszuarbeiten und Kreditverträge in schriftlicher Form abzuschließen. Der gegenständliche Bericht (III-208 d.B.) wurde einstimmig vertagt  

In der Debatte hielten die Abgeordneten Johann Singer und Dorothea Schittenhelm (beide V) zunächst fest, dass es das Land Niederösterreich selbst gewesen sei, das den Rechnungshof um Kontrolle und Prüfung ersucht hat.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) beurteilte die Intention des Projekts und die Kooperation mit CERN positiv, problematisierte aber die Standortentscheidung für Wiener Neustadt und unterstrich die Notwendigkeit der Kooperation von MedAUstron mit den medizinischen Fakultäten. Außerdem drängte die Rednerin auf ein entsprechendes Personalkonzept bei der Umsetzung des Projekts.

Abgeordneter Heinz-Peter Hackl (F) kritisierte MedAustron als ein niederösterreichisches Prestigeprojekt, bei dem das Land die Haftung übernommen habe, nachdem die Suche nach privaten Investoren gescheitert sei.

Abgeordnete Martina Schenk (B) zeigte sich besorgt wegen der Gefahr, dass Haftungen auch für den Bund schlagend werden können und drängte darauf, das Projekt in den "Strukturplan Gesundheit" aufzunehmen.

Bundesminister Karlheinz Töchterle sah das Projekt MedAustron sehr positiv. Er sei nur für den Forschungsanteil zuständig, sagte der Minister und bezifferte den Baukostensanteil seines Ressorts mit 41 Mio. € und den Betriebskostenanteil mit 5,5 Mio. € über 14 Jahre. Niederösterreich sei bei Investitionen in Forschungseinrichtungen sehr stark unterwegs, lobte Töchterle und begrüßte die Möglichkeit, in Kooperation mit CERN - einer Einrichtung zur Grundlagenforschung -  ein anwendungsorientiertes Projekt zur Heilung von Krankheiten umzusetzen. Das Geld für MedAustron sei aus seiner Sicht gut angelegt, sagte Minister Töchterle.

Auch Rechnungshofpräsident MOSER sprach die Hoffnung auf eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts MedAustron aus, unterstrich aber die Kritik des Rechnungshofs an dem nach wie vor ungeklärten Auslastungs-, Finanzierungs- und Erlösrisiko. Insbesondere sah es Moser problematisch, dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Behandlungskosten übernehmen soll, obwohl nach wie vor eine aktuelle Bedarfserhebungen fehle und das Auslastungsrisiko auf Grund fehlender Daten über die zu erwartende Anzahl von Bestrahlungen bei der Behandlung von Augen- und Schädelbasistumoren nicht ausreichend einschätzbar sei. Moser warnte vor Kosten von 20.000 € pro Behandlung und der noch offenen Frage, wer diese Kosten zu tragen haben wird, da der Hauptverband dazu nicht bereit sei.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) zeigte sich entsetzt angesichts der Gefahr, das beim Projekt MedAustron 223 Mio. € in den Sand gesetzt werden könnten und ordnete MedAustron in die Reihe von Misswirtschaftsprojekten, zu denen für ihn auch der Zentralbahnhof, die Unterinntalbahn und Skyline zählen.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) meinte gegenüber dem Rechnungshofpräsidenten, von Hoffnung allein könne man nicht leben. Grosz kritisierte mangelnde Professionalität und mangelnde politische Verantwortung beim Projekt MedAustron und forderte Bundesminister Töchterle auf, "die Notbremse zu ziehen".

Demgegenüber verteidigte Abgeordnete Ruperta Lichtenecker in einer zweiten Wortmeldung das Projekt grundsätzlich und forderte die Lösung der Personalprobleme bei MedAustron.

Eine Lanze für MedAustron brach Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V), die daran erinnerte, dass Niederösterreich die Projektentwicklung finanzierte und daher die Entscheidung der Standortfrage zu Recht für sich beanspruchte. Wiener Neustadt biete eine ausreichende Fläche und sei gut erreichbar, hielt die Rednerin fest. Man gehe von 24.000 Bestrahlungen pro Jahr und von der Behandlung von 1.200 Krebspatienten aus. Der Bau sei im Gange und das Gebäude werde 2012 fertig gestellt. 2013 beginnt der Probebetrieb und 2015 werden bei MedAustron die ersten Patienten behandelt werden, informierte die niederösterreichische Abgeordnete.

Der positiven Einschätzung Schittenhelms zur Kooperation mit CERN schloss sich Abgeordnete Christine LAPP an, die sich in ihrer Wortmeldung mit den Risiken des Bundes und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger bei MedAustron befasste.

Bundesminister Karl Heinz TÖCHTERLE merkte an, angesichts der sehr hoffnungsreichen Krebstherapie, die MedAustron bieten werde, sollte man das finanzielle Risiko, das aus der Sicht des Bundes "beherrschbar" sei, wagen.

Rechnungshofpräsident Josef MOSER problematisierte abschließend einmal mehr die nicht aktualisierten Bedarfschätzungen und die Absicht, finanzielle Risiken auf den Hauptverband der Sozialversicherungsträger zu übertragen. Positiv registrierte Moser die Umsetzung von Rechnungshofempfehlungen durch das Land Niederösterreich, insbesondere die Einrichtung eines Projektmanagements und eines Risikomanagements. Es gelte, die Risiken bei diesem auch aus Sicht des Rechnungshofes wertvollen wissenschaftlichen und medizinischen Projekts mit großen Forschungsmöglichkeiten zu minimieren, schloss Rechnungshofpräsident Josef Moser. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss)