Parlamentskorrespondenz Nr. 923 vom 12.10.2011

Nationalrat: Debatte über Weiterentwicklung der direkten Demokratie

FPÖ stellt in Sondersitzung Dringlichen Antrag

Wien (PK) – Mangelndes Vertrauen in die Politik und schwindendes Interesse für das politische Geschehen innerhalb der Bevölkerung, wie dies immer wieder durch Umfragen bestätigt wird, war Anlass für die FPÖ, eine Sondersitzung des Nationalrats zu verlangen, die für heute einberufen wurde. Die Freiheitlichen vertreten die Auffassung, dass man diesen Tendenzen durch eine stärkere Einbindung der Wahlberechtigten bei wichtigen Entscheidungen in Form von Volksbefragungen begegnen könnte.

Klubobmann Heinz-Christian Strache hat daher im Namen seiner Fraktion einen Dringlichen Antrag eingebracht, in dem die Abhaltung von sechs Volksbefragungen zu folgenden Themen verlangt wird: Nichtteilnahme Österreichs an einer europäischen Transferunion, Einführung einer zeitlich limitierten Millionärssolidaritätssteuer, Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, Beibehaltung des freien Hochschulzugangs, Ausschluss von Fremden aus der Mindestsicherung und Beibehaltung der nationalstaatlichen Kompetenz zur temporären  Wiedereinführung von Grenzkontrollen.

Der Antrag fand jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.

Vor Eingang in die Tagesordnung teilte NR-Präsidentin Barbara Prammer mit, dass Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek seitens der Grünen mittels eines Fristsetzungsantrags fordert, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 945/A(E) betreffend gläserne Parteikassen eine Frist bis 14. November 2011 zu

setzen. Darüber wird eine kurze Debatte nach Beendigung des Dringlichen Antrags durchgeführt.

Strache: "Direkte Demokratie statt rotschwarzem Reformstillstand"

Wie FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian STRACHE in der Begründung des Dringlichen Antrags ausführte, gehe es seiner Partei darum, dem zunehmenden Vertrauensverlust der Menschen gegenüber der Politik entgegenzuwirken und die Wählerinnen und Wähler in grundlegende politische Entscheidungen direkt einzubeziehen. Er stellte seine Initiative unter den Titel "Direkte Demokratie statt rotschwarzem Reformstillstand" und warf SPÖ, ÖVP und den Grünen vor, regelmäßig Lippenbekenntnisse zur direkten Demokratie abzugeben, konkrete Initiativen aber jeweils abzulehnen.

Die heutige Sondersitzung sei daher eine Nagelprobe, die deutlich machen werde, wie ernst die einzelnen Parteien die notwendige Weiterentwicklung der direkten Demokratie in Österreich nehmen. SPÖ und ÖVP hätten in Wahrheit Angst vor dem Volk, was zuletzt auch in dem Vorschlag der SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Rudas zum Ausdruck komme, das Wahlrecht zu ändern, um ihrer Partei die gewünschten Wahlergebnisse zu sichern. Strache erinnerte auch an das aus seiner Sicht gebrochene Versprechen von Bundeskanzler Faymann, über wichtige EU-Entscheidungen Volksabstimmungen herbeizuführen.

Die Regierungsparteien interessierten sich nicht für die Menschen, stellte Strache fest und kritisierte einmal mehr die Absicht, "gegen die Interessen der ÖsterreicherInnen in Europa eine Transferunion in Gang zu setzen". Über solche Fragen die Bevölkerung entscheiden zu lassen, hätten aber nicht nur SPÖ und ÖVP Angst, sondern neuerdings auch die Grünen, die immer nur dann von direkter Demokratie redeten, wenn es ihnen ideologisch in den Kram passe.

Die FPÖ bekenne sich dagegen nachdrücklich zur Weiterentwicklung der direkten Demokratie und zur Möglichkeit, der Bevölkerung Mitspracherechte einzuräumen, die es ihr ermöglichen, ihre Interessen gegebenenfalls auch gegen das Parlament durchzusetzen. Eine Nationalratswahl alle fünf Jahre sei zu wenig an demokratischer Mitbestimmung, zeigte sich Strache überzeugt und plädierte dafür, drei bis vier Volksabstimmungen pro Jahr durchzuführen, wobei er sich wiederholt dafür aussprach, den Euro-Schutzschirm – "ein Plünderungsinstrument" – einer Volksabstimmung zu unterziehen. Außerdem sollten ein Drittel der Nationalratsabgeordneten eine Volksbefragung herbeiführen können und jedes Volksbegehren, das mehr als 150.000 Unterschriften erhält, verbindlich zu einer Volksabstimmung über das jeweilige Anliegen führen. Als ein Beispiel für gelebte direkte Demokratie empfahl Heinz Christian Strache dem Bundeskanzler das Studium der gelebten direkten Demokratie in der Schweiz. "Mit dem Bevormundungsstaat rot-schwarzer Prägung muss endlich Schluss sein, die Bürger haben sich mehr direkte Demokratie verdient", schloss der FPÖ-Klubobmann.

Faymann: "Europa und Österreich stehen vor entscheidenden Reformen"

Bundeskanzler Werner FAYMANN reagierte auf die Initiative der FPÖ zweifach. Einerseits hielt er eine Diskussion über Fragen der direkten Demokratie für sinnvoll und zeigte sich offen für ernsthafte Vorschläge für den Einsatz direkter demokratischer Instrumente. Kritisch sah der Bundeskanzler aber die möglichen inhaltlichen Fragestellungen in dem Antrag der FPÖ.

Viele Menschen seien derzeit unsicher, ob die Europäische Union in der Lage ist, die aktuellen Probleme zu lösen. Die Wirtschaftskrise habe zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt, stellte Faymann fest: "Auch ist die Krise noch nicht zu Ende". Das Vertrauen nach der Spekulation sei noch nicht wieder hergestellt und auch noch nicht alle Maßnahmen getroffen, die dafür sorgen, dass ähnliche Entwicklungen nicht wieder eintreten können. Immer noch fehlten die Instrumente für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik in Europa. Realistischer Weise müsse man feststellen, dass die EU nicht im Stande sein werde, Steuersysteme oder Grundbücher in südeuropäischen Ländern einzuführen oder dort die Voraussetzungen für Privatisierungen zu schaffen, sagte Faymann. Der EU-Vertrag sehe auch nicht vor, einen Finanzminister zu schaffen, der gegen Staaten vorgehen oder dort die Einhebung von Steuern kontrollieren könnte. Daher sei man gezwungen, in Form einstimmiger Verträge zwischen 17 Regierungen in der Eurozone, die von insgesamt 44 Parteien gebildet werden, Beschlüsse zu fassen.

"Europa und Österreich stehen vor entscheidenden Reformen", sagte der Bundeskanzler und appellierte an den Grundkonsens im Land, dass es dank der guten Arbeit in den Unternehmen und durch gute Rahmenbedingungen infolge der Arbeit der Bundesregierung gelungen ist, in Österreich für überdurchschnittliches Wachstum und Beschäftigung sowie für Wohlstand und finanzielle Stabilität zu sorgen, was in der Einstufung des Landes auf der höchsten Bonitätsstufe seinen Ausdruck finde.

Beim Einsatz direktdemokratischer Mittel könne es nicht um Themen wie "Reformstau" gehen, sondern nur um grundsätzliche Entscheidungen, etwa bei der Veränderung des EU-Vertrags oder über den Einsatz der Kernenergie. Eine "Nichtteilnahme Österreichs an der Transferunion", die es tatsächlich nicht gebe, könne nur einen Austritt aus der Eurozone bedeuten, gab der Bundeskanzler den Antragstellern zu bedenken und wies auf die Gefahren hin, die die Schaffung einer Eurokernzone für die österreichische Exportwirtschaft mit sich bringen würde.

Eine klare Absage erteilte Faymann auch der Absicht, Menschen, die nicht österreichische StaatsbürgerInnen sind, aber in Österreich arbeiten und hier Steuern und Abgaben leisten, aus der Mindestsicherung auszuschließen. Er begrüße eine sinnvolle Diskussion über die Weiterentwicklung der direkten Demokratie, wenn dies dem Versuch dient, die hohen wirtschaftlichen und sozialen Standards in Österreich und in der Europäischen Union abzusichern, sagte der Bundeskanzler.

Wann sollen Instrumente der direkten Demokratie eingesetzt werden?

Abgeordneter Herbert KICKL (F)sprach dem Bundeskanzler jede Kompetenz in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen ab und erinnerte ihn daran, dass das Problem der Eurozone der Euro selbst sei. Keines der Probleme, das in der Eurozone auftrete, habe Fachleute tatsächlich überrascht.

Kickl wies auch auf den Widerspruch hin, der zwischen dem Grundsatz der österreichischen Bundesverfassung "Das Recht geht vom Volk aus" und dem "Knebelungsvertrag von Lissabon" bestehe und begründete damit das Verlangen der FPÖ, das Volk durch Volksbefragungen in die politischen Entscheidungen stärker als bisher einzubeziehen. Die Menschen brauchen die Möglichkeit, sich gegen die Finanzierung von Spekulanten und den Abfluss von Steuergeldern in Pleitestaaten auszusprechen, argumentierte er. Grundsätzlich gehe es darum, die "Politik der Entmündigung und Enteignung" – Hauptinhalte sozialdemokratischer Politik – zu beenden, sagte Kickl. In diesem Zusammenhang erinnerte der Abgeordneter an die erfolgreiche Volksabstimmung gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf. Damals sei es einer Bundesregierung auch mit Einsatz zahlreicher Atomphysiker nicht gelungen, der Bevölkerung einzureden, dass eine Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf eine zukunftsträchtige politische Entscheidung sei.

Ein Politiker mit Leadership, ein Politiker neuen Typs, wie wir ihn heute brauchen, würde stark genug sein, die unmittelbar Betroffenen der Politik in seine Entscheidungen einzubeziehen, zeigte sich Kickl überzeugt.

SPÖ-Klubobmann Josef CAP (S) leitete seine Ausführungen mit der Erinnerung an die FPÖ ein, ihr ehemaliger Obmann Haider sei "einst noch Manns genug gewesen", Volksbegehren zu starten, wenn er mit einem Anliegen im Nationalrat nicht durchgekommen sei. Dieser Mut fehle den heutigen Freiheitlichen, sagte Cap und fragte die Antragsteller auch, wo denn die direktdemokratischen Initiativen der FPÖ gegen den Ankauf der Eurofighter oder gegen den Beitritt Griechenlands zur Eurozone geblieben seien.

Die Politik der Bundesregierung und des österreichischen Nationalrats, der eine große Zahl seiner gesetzgeberischen Entscheidungen einstimmig treffe, habe jedenfalls dazu geführt, dass Österreich über die niedrigste Arbeitslosenrate in Europa, über die höchste Beschäftigungsquote, über einen Spitzenplatz bei der Kaufkraft sowie über vorbildliche Gesundheits-, Sozial- und Pensionssysteme verfüge.

Auf die konkreten Anliegen der FPÖ eingehend fragte Cap, warum sie Millionärssteuern nur zeitlich befristet einführen wolle, und hielt es für nicht notwendig, die Frage des freien Hochschulzugangs einer Volkbefragung zu unterziehen, solange die Studiengebühren aufgrund eines Beschlusses von SPÖ, FPÖ und Grünen abgeschafft seien. Cap erinnerte auch an die Vorschläge der SPÖ zur Aufhebung der Wehrpflicht, wandte sich seinerseits gegen den Ausschluss von "Fremden" von Sozialleistungen und wertete es als einen Erfolg von Bundeskanzler Faymann, die Einführung der Finanztransaktionssteuer in der EU so lange vertreten zu haben, bis diese Forderung auch von Kommissionspräsident Barroso übernommen wurde.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) korrigierte in einer tatsächlichen Berichtigung die Aussage des Abgeordneten Cap, die FPÖ habe nach 2000 keine Volksbegehren mehr gestartet und erinnerte an das Anti-Temelin-Volksbegehren.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) konstatierte, es gebe einen Vertrauensverlust in die Politik. Allerdings hätten FPÖ und BZÖ selbst wesentlich zu diesem Vertrauensverlust beigetragen.

Die Behauptung des Stillstands der Politik wollte er so nicht gelten lassen und nannte eine ganze Reihe von Gesetzesinitiativen der Regierung, die bereits umgesetzt wurden. Das Parlament komme seiner Aufgabe nach und arbeite für das österreichische Volk, sagte er. Zweifellos seien einige Fragen ungelöst, ob aber ein Mehrheitswahlrecht eine Lösung darstellen würde, bezweifle er. Es würde die Arbeit der Regierung zwar erleichtern, das ging aber auf Kosten der Demokratie. Einen solchen Verlust an Demokratie durch Volksbefragungen und Volksabstimmungen ausgleichen zu wollen, sei nicht der richtige Weg. In einer Demokratie obliege es schließlich einer dazu legitimierten Mehrheit, Entscheidungen zu treffen, das sei keineswegs ein "Drüberfahren", wie es die FPÖ nenne, sondern die Wahrnehmung eines Wählerauftrages.

Sehr wohl sollte man über den Ausbau des Parlamentarismus und eine stärkere Personalisierung des Wahlrechts reden, meinet Kopf. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass man die Kräfte auf populistischen Nebenschauplätzen vergeude, sondern man müsse sich den schwierigen Aufgaben stellen, die vor Österreich liegen.

Die Grüne Klubvorsitzende Eva GLAWISCHIG-PIESCZEK (G) meinte, es sei verwunderlich, wenn gerade die FPÖ, die sich bisher nie durch Überlegungen zu Volksabstimmungen und Volksbefragungen ausgezeichnet habe, das Thema zum Anlass einer Sondersitzung mache. Sie vermutete daher ein Ablenkungsmanöver vom "größten Korruptionssumpf der Zweiten Republik", an dem die FPÖ einen wesentlichen Anteil habe.

Bedauerlicherweise werde der Untersuchungsausschuss nicht bereits diese Woche eingerichtet, sagte Glawischnig und forderte schärfere Antikorruptionsgesetze. Die Grünen verhielten sich bei der Offenlegung der Parteifinanzen vorbildlich, sagte sie und forderte das BZÖ auf, es ihnen gleich zu tun. Der Forderungen im Antrag der Freiheitlichen beurteilte sie als gänzlich unbrauchbar. Ein Zerfall der Eurozone, auf den die Vorstellungen der Freiheitlichen hinausliefen, würde nur ein Land nach dem anderen den Spekulanten der Finanzmärkte ausliefern. Zum Thema Mindestsicherung versuche die FPÖ nur in gewohnter Manier, die sozial Schwachen gegeneinander auszuspielen. Auch die Vorstellungen von direkter Demokratie seien als Beitrag zur Debatte untauglich.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) fand es unverständlich, dass gerade die Grünen eine Sondersitzung zu mehr direkter Demokratie ablehnten. Es sei unsinnig, zu behaupten, ein Austritt aus der Eurozone würde nur Nachteile mit sich bringen, meinte der Abgeordnete mit dem Verweis auf jene Länder Europas, die nicht Mitglieder der Eurozone sind und dies nicht zu bereuen hätten. Bucher warf der Regierung Mutlosigkeit vor. Sie wolle keine Entscheidung treffen, die derzeitige Wirtschaftskrise sei aber nicht unwesentlich auf die Versäumnisse der RegierungspolitikerInnen in Österreich und auf europäischer Ebene zurückzuführen.

Wenn der Bundeskanzler nicht den Mut habe, eine Entscheidung über den Euro-Rettungsschirm zu treffen, so sollte er zumindest den Mut haben, dem Volk die Wahrheit zu sagen, dass auf europäischer Ebene eine Transferunion mit Entmündigung der Teilstaaten vorbereitet würde. Binde man die Menschen nicht in wesentliche Entscheidungen über die Zukunft ein, dann werde Politik wieder mehr auf den Straßen stattfinden, warnte Bucher, und appellierte vor allem an die Grünen, die Forderung nach einem Volksentscheid über den Rettungsschirm zu unterstützen. Er sei überzeugt, dass man diesen Rettungsschirm nicht brauche. Man verpfände mit ihm jedoch die Zukunft der kommenden Generationen, warnte der Redner. Seit 1994, unter ganz anderen Bedingungen, habe man das letzte Mal das Volk über eine Richtungsentscheidung zur europäischen Politik befragt. Österreich brauche mehr Demokratie, wolle es eine Zukunft haben, schloss Bucher.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) warf den Klubvorsitzenden Cap und Kopf vor, mit "rhetorischen Verrenkungen" zu versuchen, gegen mehr direkte Demokratie zu plädieren. Die Forderung nach direkter Demokratie von Seiten der Freiheitlichen wolle nichts anderes als das, was Bundeskanzler Faymann selbst dazu versprochen, aber nicht eingelöst habe. Zentrale Entscheidungen, wie etwa die Überweisungen Österreichs für den Euro-Rettungsschirm oder ein EU-Beitritt der Türkei sollten zwingend einer Volksabstimmungen unterzogen werden, forderte Vilimsky. Die Untätigkeit der Regierung habe die Demokratie in eine Krise geführt. Es sei jedenfalls nicht länger hinnehmbar, dass Österreich in wichtige europäische Entscheidungen nicht eingebunden werde.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) konstatierte einen Widerspruch zwischen dem Antrag der Freiheitlichen und deren Praxis in Fragen von direkter Demokratie. Bei der Übernahme der Haftungen für die Hypo Alpe-Adria durch Kärnten habe sie es jedenfalls vermieden, das Volk zu befragen und auch den Kärntner Landtag nicht befasst. Auch als Griechenland 2000 der Eurozone beigetreten sei, sei die FPÖ regierungsbeteiligt gewesen und habe diese Entscheidung mitgetragen. Die Behauptung, dass durch eine repräsentative Demokratie getroffene Entscheidungen nicht ausreichend demokratisch legitimiert seien, wies Wittmann zurück. Mit Instrumenten direkter Demokratie, wie der Volksbefragung, solle man vorsichtig sein, gab er zu bedenken. Sonst laufe man Gefahr, dass nur festgestellt werde, welche Interessensgruppe die wirksamere Kampagne entfalten kann. Eine Volksabstimmung über die Wehrpflicht sei aber für ihn durchaus denkbar.

In einer tatsächlichen Berichtung hielt Abgeordneter Martin STRUTZ (F) fest, dass die Haftungsübernahme für die Hypo Alpe-Adria sehr wohl vom Kärntner Landtag, auch mit Zustimmung von ÖVP und SPÖ, beschlossen worden sei.

Abgeordneter Wolfgang GERSTL (V) wandte gegen den Antrag der FPÖ ein, in diesem werde die Bundesregierung zu etwas aufgefordert, was die FPÖ längst in einem eigenen Antrag formulieren könne, und sah es als Zeichen dafür, dass der Antrag nicht durchdacht und die FPÖ in dieser Frage unglaubwürdig sei. Die Freiheitlichen hätten zudem in Kärnten selbst noch nie vom bestehenden Instrument der Volksabstimmung Gebrauch gemacht. Gerstl wies auch darauf hin, dass die Erfahrung anderer Länder gezeigt habe, dass in der Regel die Beteiligung an Volksabstimmungen nicht groß genug sei, um tatsächlich zu einer durch eine Mehrheit abgesicherte Entscheidung zu kommen. Der Abgeordnete warf der FPÖ vor, nur mit den Urängsten der Menschen zu spielen und eine "inhaltsleere Show" zu bieten.

Abgeordneter Peter PILZ (G) befand, der Dringliche Antrag der Freiheitlichen "strotze von Unsinnigkeiten", wenn es in ihm tatsächlich darum gehen sollte, Volksabstimmungen zu ermöglichen. Er vermutete daher, dass hinter ihm die Absicht stehe, von FPÖ-Skandalen abzulenken. Pilz zitierte dazu aus Vernehmungsprotokollen von Walter Maischberger, der ausgesagt habe, dass er der "Neuen Freien Zeitung", einem Parteiorgan der FPÖ, Gelder der Telekom in Höhe von 192.000 € vermittelt habe, ohne dass dem eine Gegenleistung entsprochen habe. Er vermute dahinter eine illegale Parteienfinanzierung. Die Grünen würden deshalb der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung, betreffend den Verdacht der Veruntreuung und der Steuerhinterziehung von Seiten des Telekom-Managements, übermitteln. Pilz fragte, ob die Freiheitlichen bereit seien, der Telekom das Geld zurückzuzahlen, oder ob sie vielleicht solche Leistungen in Form von Lobbying erbracht haben. Er forderte die Freiheitliche Partei auf, zu erklären, wo die Leistung in dieser Frage gelegen habe, und die Korruption in ihren Reihen aufzuklären.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) die Behauptungen seines Vorredners zurück. Unter seiner Führung habe es einen klaren Schlussstrich unter die Praktiken früherer Parteiführungen gegeben, stellte er fest.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) warf SPÖ und ÖVP vor, abgehoben zu agieren. Die Regierungsparteien würden sich nicht um die Anliegen der Bevölkerung kümmern und dem Volk Ahnungslosigkeit unterstellen, kritisierte er. Für ihn ist es nicht einsichtig, warum man die Menschen etwa nicht über einen EURATOM-Ausstieg oder die Verwaltungsreform abstimmen lassen wolle.

Ein von Grosz namens des BZÖ eingebrachter Entschließungsantrag sieht die Einführung von Internet-Volksbegehren vor. Alle BürgerInnen sollten über die Homepage des Parlaments Volksbegehren starten und unterstützen können. Erhält ein Volksbegehren 400.000 Unterstützungserklärungen, soll nach Ansicht des BZÖ eine verpflichtende Volksabstimmung darüber abzuhalten sein.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) wies auf die Bestimmung in der Verfassung hin, wonach das Recht vom Volk ausgehe. Wer diese Verfassungsbestimmung ernst nehme, müsse für mehr Volksabstimmungen und Volksbefragungen eintreten, meinte er. Wahlen alleine seien zu wenig. Stefan fürchtet, wie er sagte, auch nicht, dass dabei Entscheidungen wie "Freibier für alle" oder die Abschaffung von Steuern getroffen würden. Ein von Stefan eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die Abhaltung einer Volksbefragung über die Einführung mehr direkter Demokratie nach Schweizer Vorbild ab.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) erklärte, die Politik könne stolz darauf sein, dass Österreich ein sicheres und stabiles Land sei. Die Regierung habe auch richtig auf die Krise reagiert und die Kaufkraft gestärkt sowie die Konjunktur angekurbelt, betonte sie. In den letzten Jahren habe der Nationalrat 320 Gesetze beschlossen, damit Österreich heute "so da steht, wie es da steht". Dem Dringlichen Antrag der FPÖ konnte Lueger nichts abgewinnen. Sie glaubt, dass FPÖ-Klubobmann Strache damit lediglich seine rechtspopulistische Parteipolitik forcieren will.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) hielt fest, die Lehre der Koalition aus der heutigen Sitzung müsse sein, noch mehr "die Ärmel aufzukrempeln" und sich noch mehr anzustrengen, um konstruktive Lösungen für anstehende Probleme zu finden. "Genau das werden wir tun", bekräftigte sie. FPÖ-Klubobmann Strache hat ihrer Meinung nach als "populistischer Oppositionspolitiker" keine Ideen zur Krisenbewältigung und zur Lösung offener Fragen. Konkret trat Fuhrmann unter anderem für die Einführung einer Schuldenbremse und einen "Generationen-Scan" für Gesetzesvorhaben ein.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) wertete den Dringlichen Antrag der FPÖ als "absolut untaugliches Mittel", um direkte Demokratie zu forcieren und die Politik- und Parteienverdrossenheit der Bevölkerung zu verringern. Gefragt ist ihr zufolge vielmehr eine stärkere Bekämpfung der Korruption, mehr Transparenz und die Aufklärung von Skandalen.

Generell wertete Musiol direkte Demokratie als eine gute Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. Sie brachte in diesem Sinn einen umfassenden Entschließungsantrag ihrer Fraktion ein. Zu den Forderungen der Grünen gehören unter anderem die zwingende Abhaltung einer Volksabstimmung bei ausreichend unterstützten Volksbegehren, ein Veto-Referendum gegen missliebige Gesetze und die Möglichkeit der Beteiligung von MigrantInnen an direkt-demokratischen Elementen. Über Grund- und Menschenrechte dürfe es jedoch keinesfalls Abstimmungen geben, mahnte Musiol.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) setzte sich kritisch mit dem Dringlichen Antrag der FPÖ auseinander. Das BZÖ unterstütze das Anliegen der FPÖ zwar grundsätzlich, werde den Dringlichen Antrag aber ablehnen, weil er verfassungswidrig sei, konstatierte er. Man könne über die Beibehaltung geltenden Rechts keine Volksbefragungen durchführen. Zudem wünsche sich das BZÖ zum Euro-Schutzschirm keine Volksbefragung, sondern eine Volksabstimmung, sagte Stadler.

Ein von Stadler eingebrachter Entschließungsantrag hat eine Änderung der Verfassung zum Ziel. Demnach solle jede Veränderungen der EU-Verträge verpflichtend einer Volksabstimmung unterzogen werden, wenn dadurch österreichische Interessen berührt sind. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den seinerzeitigen Leserbrief von Bundeskanzler Werner Faymann an die Kronen Zeitung.

Abgeordneter Martin STRUTZ (F) hielt Bundeskanzler Faymann vor, auf den Vorwurf des Stillstands der Regierungsarbeit nicht reagiert zu haben. Dieser Reformstillstand ist ihm zufolge einer der Auslöser für den Dringlichen Antrag der FPÖ gewesen. Volksbefragungen seien notwendig, um die Patt-Situation, die seit Jahren zwischen den Koalitionsparteien herrsche, zu beseitigen.

Um Volksbefragungen zu erleichtern, brachte Strutz einen Entschließungsantrag ein: Demnach sollen ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates beziehungsweise 100.000 ÖsterreicherInnen die Abhaltung einer Volksbefragung verlangen können.

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) führte aus, wer mehr Demokratie fordere, müsse auch Demokratie leben. In diesem Sinn ist es für ihn geboten, dass verurteilte FPÖ-PolitikerInnen ihre Funktionen zurücklegen. Auch innerparteilich gebe es in der FPÖ wenig Demokratie, sagte er. Skeptisch äußerte sich Kräuter auch zum Vorschlag des BZÖ, elektronische Volksbegehren zu ermöglichen. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an das E-Voting-"Desaster" bei den Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft.

Abgeordneter Peter MAYER (V) wies den Vorwurf des Reformstaus bei der Regierungsarbeit zurück. Man dürfe die Erfolge der Bundesregierung nicht klein reden, auch wenn manche Diskussionen, etwa über Studiengebühren oder die Wehrpflicht, länger dauerten, unterstrich er. Mayer warnte auch davor, das Instrument der Volksabstimmung beziehungsweise der Volksbefragung "inflationär" einzusetzen.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) äußerte sich ablehnend zum Dringlichen Antrag der FPÖ. Er versteht etwa, wie er sagte, nicht, warum die FPÖ über eine zeitlich befristete Millionärsteuer abstimmen wolle. Die Grünen seien dafür, dass Menschen mit hohem Vermögen generell und nicht nur befristet mehr Steuern zahlten, betonte Öllinger.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) appellierte an die Grünen, wieder zu ihrem basisdemokratischen Kurs zurückkehren und sich für Volksbefragungen und Volksabstimmungen einsetzen. Ein  Entschließungsantrag Widmanns auf Durchführung eines Stresstests bei den österreichischen Banken wurde von Präsident Martin Graf mangels inhaltlichen Zusammenhangs mit dem verhandelten Tagesordnungspunkt nicht zugelassen.

Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) sprach sich beim Thema mehr direkte Demokratie für die Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts aus und zeigte sich enttäuscht über das Sammelsurium von Anträgen der FPÖ. Es gibt keinen Stillstand in der Regierungspolitik, meinte Großruck und betonte die Notwendigkeit, EU-Instrumentarien zu stärken, um die Europäische Union in Stand zu setzen, auf Krisen besser zu reagieren als bisher.

Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) hielt die Entwicklung, die zu den Zahlungsschwierigkeiten südeuropäischer EU-Mitglieder geführt hat, für absehbar und kritisierte einmal mehr die Aufnahme von Ländern in die Eurozone, die dafür nicht die Voraussetzungen hatten. Österreich kette sich nun finanziell an Länder, die untergehen werden, befürchtete Lugar. Die Wirtschaftskrise sei nicht vorbei und zugleich drohe die Gefahr von Milliardenbelastungen durch Pleiteländer, die nicht zu retten seien. Kritik übte Lugar auch an der Reformverweigerung von Bundesregierung, SPÖ und ÖVP. Schulsystem, Gesundheitssystem – überall fehle es an Reformen. SPÖ und ÖVP blockierten einander. Der SPÖ warf Lugar zudem vor, Volksabstimmungen nur dort durchführen zu wollen, wo ein ihr passendes Ergebnis zu erwarten sei – das zeuge nicht von dem notwendigen Respekt der PolitikerInnen vor dem Souverän, dem Volk.

Bei der Abstimmung blieb der Dringliche Antrag der FPÖ in der Minderheit und wurde abgelehnt.

Abgelehnt wurden auch die FPÖ-Entschließungsanträge betreffend "direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild" und für ein "Minderheitenrecht auf Volksbefragung", die BZÖ-Entschließungsanträge betreffend "Internet-Volksbegehren" und eine "verpflichtende Volksabstimmungen bei EU-Vertragsänderungen" sowie ein G-Entschließungsantrag betreffend "direkte Demokratie".

(Fortsetzung Nationalrat)