Parlamentskorrespondenz Nr. 932 vom 13.10.2011

Bereits 250.000 Zugriffe auf Gehaltsrechner des Frauenministeriums

Gleichbehandlungsausschuss befasst sich mit Einkommensschere

Wien (PK) – Der von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek initiierte Gehaltsrechner stößt bei der Bevölkerung auf breite Resonanz. Wie die Ministerin heute im Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrats berichtete, sind in den ersten zehn Tagen bereits 250.000 Berechnungen durchgeführt worden. Mit dem Rechner können Frauen und Männer feststellen, ob sie schlechter oder besser entlohnt werden, als in ihrer Branche und mit ihrer Ausbildung üblich. Ziel des Frauenressorts ist es, die nach wie vor deutlichen Unterschiede in der Bezahlung von Frauen und Männern deutlicher sichtbar zu machen und die Betroffenen zu motivieren, sich gegen Benachteiligungen zu wehren. Von jenen, die das Angebot bisher genutzt haben, waren nach Auskunft von Heinisch-Hosek zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer.

Von Seiten der Abgeordneten wurde der Gehaltsrechner weitgehend positiv beurteilt, es gab aber auch einzelne Kritikpunkte. So wies ÖVP-Frauensprecherin Dorothea Schittenhelm auf Ungereimtheiten bei den Gehaltsangaben hin. Ihre Fraktionskollegin Christine Marek drängte auf eine genauere Differenzierung der Branchen und der Ausbildungskriterien und sprach sich für weitergehende Links zu den jeweiligen Kollektivverträgen aus. Abgeordnete Ursula Haubner (B) äußerte sich generell skeptisch und forderte eine rasche Überarbeitung des Tools.

Frauenministerin Heinisch-Hosek hielt zu den Kritikpunkten fest, dass man für den Gehaltsrechner bewusst nicht auf Gehaltseinstufungen nach Kollektivvertrag abgestellt, sondern Lohnsteuer- und Mikrozensusdaten der Statistik Austria herangezogen habe, um die realen Gehälter in der jeweiligen Branche abzubilden. Eine Liste der Kollektivverträge hätte sie gerne angeboten, meinte sie, es sei ihr aber nicht gelungen, die entsprechenden Daten zu erhalten. Wer eine kollektivrechtliche Überprüfung seines Gehalts will, wird, wie eine Expertin des Ressorts ausführte, direkt an die Sozialpartner verwiesen. Die Mitarbeiterin erklärte zudem, man habe den Rechner so einfach wie möglich gestalten wollen, um die Bedienbarkeit zu erleichtern. Die Kosten für den Gehaltsrechner bezifferte Heinisch-Hosek mit 350.000 €.

Zur Sprache brachten die Abgeordneten auch die schleppende Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung, in Stelleninseraten Gehaltsangaben zu machen, wobei Heinisch-Hosek hier auf ein baldiges Umdenken durch drohende Sanktionen setzt.

Frauen-Einkommen: Ampel steht nach wie vor auf Rot

Basis für die Diskussion im Ausschuss bildete ein Bericht der Frauenministerin über den Abbau von Benachteiligungen von Frauen 2009-2010. Daraus geht hervor, dass sich an der Gehaltsdifferenz zwischen Frauen und Männern trotz verschiedenster Bemühungen der Politik in den letzten 10 Jahren kaum etwas geändert hat. Die Ampel steht in diesem Bereich nach wie vor auf Rot. Die vergleichsweise niedrigen Löhne und Gehälter der Frauen wirken sich in der Folge auch negativ auf Pension und Arbeitslosengeld aus.

Zumindest geringfügige Verbesserungen sind hingegen bei der Wahl untypischer Berufe und dem Durchbrechen der "Gläsernen Decke" (für beide wird die Ampelphase Orange ausgewiesen) sowie beim Aufschließen in der Erwerbstätigkeit (Grün) zu verzeichnen. Die Folgekosten akuter häuslicher Gewalt werden im Bericht mit Hinweis auf eine 2006 durchgeführte Studie mit 78 Mio. € jährlich angegeben.

An den Ausschussberatungen nahmen auch zwei der Autorinnen des Berichts, Michaela Gstrein und Karin Schönpflug vom Institut für Höhere Studien, teil. Sie erläuterten den wissenschaftlichen Ansatz, auf dem die Studie basiert, und berichteten unter anderem, dass von den Maßnahmen zum Abbau von Benachteiligungen von Frauen, die die Bundesministerien, Landesregierungen und Sozialpartner den Autorinnen gemeldet hatten, besonders viele Maßnahmen Mädchen sowie die Arbeitswelt betrafen.

Bei den relevanten Kennziffern habe man allerdings, so Schönpflug, trotz der Fülle von Aktivitäten wenig konkrete Änderungen gegenüber dem Beobachtungszeitraum 2007/2008 feststellen können. Bemerkenswert ist für sie insbesondere auch, dass sich die Kennzahlen in Bezug auf die Segregation im Bildungssektor sogar verschlechtert haben, also Mädchen bei der Bildungswahl wieder stärker zu traditionellen Berufen tendierten. Als "vielversprechend" qualifizierte sie dem gegenüber den Nationalen Aktionsplan.

Abbau von Benachteiligungen: Bereits bei der Bildung ansetzen

Von Seiten der Abgeordneten hinterfragte Abgeordnete Sonja Ablinger (S) die grüne Ampelschaltung in Bezug auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Sie wies darauf hin, dass der Zuwachs bei der Erwerbsarbeit von Frauen ausschließlich auf Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungen zurückzuführen sei. Damit werde die Eigenständigkeit von Frauen jedoch nicht gefördert. Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) trat für eine Offenlegung der verpflichtenden Einkommensberichte großer Unternehmen gegenüber der Gleichbehandlungsanwaltschaft ein. Generell meinte sie, in der Gesellschaft werde man nur dann weiterkommen, wenn man bezahlte und unbezahlte Arbeit gerechter verteile.

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) betonte, für sie sei der springende Punkt für einen nachhaltigen Abbau von Benachteiligungen von Frauen der Bildungsbereich. Man müsse schon in der Volksschule ansetzen, betonte sie und forderte in diesem Zusammenhang eine Zusammenarbeit von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied. In Zusammenhang mit der Beschäftigung von älteren Frauen wies ihre Fraktionskollegin Gertrude Aubauer darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit bei älteren Frauen zuletzt stärker angestiegen sei als bei älteren Männern.

Kritisch zum vorliegenden Bericht äußerte sich Abgeordnete Heidemarie Unterreiner (F). Sie monierte unter anderem die komplizierte Darstellung und die gehäufte Verwendung von Anglizismen und bedauerte, dass es keine Empfehlungen im Bericht an die Politik gebe.

Was die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern betrifft, verwiesen sowohl Unterreiner als auch ihre Fraktionskollegin Carmen Gartelgruber auf die Ergebnisse einer von der FPÖ initiierten Studie, wonach die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen weniger groß seien als die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen mit und ohne Kinder. Je mehr Kinder eine Frau habe, desto größer die Differenz. Mit mehr Kinderbetreuungseinrichtungen lässt sich Gartelgruber zufolge dieses Problem nicht lösen, man solle sich vielmehr überlegen, was man für Frauen tun könne, die sich dafür entscheiden, in den ersten Jahren bei ihrem Kind zu bleiben. Auffällig ist für Gartelgruber auch die geringe Beschäftigungsquote unter Migrantinnen.

Abgeordnete Judith Schwentner (G) hob die Notwendigkeit hervor, die Wirkung der zum Abbau von Benachteiligungen gesetzten Maßnahmen zu analysieren. Zudem sprach sie sich generell dafür aus, politische Vorhaben auf Geschlechtergerechtigkeit zu prüfen. Schwentner kritisierte in diesem Zusammenhang die so genannte "steirische Reformpartnerschaft", die sich aufgrund von massiven Kürzungen im Sozialbareich ihrer Meinung nach besonders negativ auf Frauen und Frauenarbeitsplätze auswirkt. Abgeordnete Daniela Musiol (G) drängte unter anderem auf Notwohnungen für zwangsverheiratete Frauen.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) plädierte dafür, den Fokus mehr auf die Qualität der Maßnahmen als auf die Quantität zu richten. Auch sie vermisst Empfehlungen an die Politik im Bericht. Generell kritisch äußerte sich Haubner zum Gehaltsrechner, der ihrer Meinung nach mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet. Der Rechner müsse, so Haubner, so rasch wie möglich überarbeitet werden.

Ausschussvorsitzende Gisela Wurm (S) meinte, man müsse generell hinterfragen, warum der Dienstleistungsbereich, in dem vorrangig Frauen tätig seien, gegenüber anderen Bereichen finanziell so niedrig bewertet werde. Grundsätzlich spreche schließlich nichts dagegen, dass Frauen einen Beruf nach ihren Neigungen wählten.

In Beantwortung der aufgeworfenen Fragen räumte Studienautorin Schönpflug ein, dass man hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung von Frauen die Ampel auch auf Orange oder auf Rot hätte setzen können. Man habe sich aber am so genannten Lissabon-Ziel der EU orientiert, das Österreich mit einer Frauenerwerbsquote von mehr als 70 % erfüllt habe.

Michaela Gstrein wies darauf hin, dass es schwierig sei, die Wirkung von Maßnahmen zu beurteilen, die erst vor kurzem gesetzt worden seien. Auch über die Wirksamkeit von Sanktionen könne der Bericht keine Aussagen treffen, meinte sie. Auf eine konkrete Passage im Bericht angesprochen, stellte Gstrein klar, die Autorinnen würden nicht empfehlen, nicht in Bildungsmaßnahmen zu investieren, sondern darauf aufmerksam machen, dass Bildungsmaßnahmen nur dann wirksam seien, wenn man gleichzeitig an anderen "Rädchen" drehe, damit besser gebildete Frauen auch höhere Gehälter erhielten.

Heinisch-Hosek: Ausbau des Kinderbetreuungsangebots ist notwendig

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hob erneut die Bedeutung des Ausbaus von Kinderbetreuungsplätzen hervor und machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass fast jede zweite Frau Teilzeit arbeite. Bei der Bildung hätten die Frauen die Männer zwar teilweise überholt, skizzierte sie, das wirke sich aber nicht auf ihre Einkommen aus. Es gebe immer noch sehr wenige Frauen in technischen Berufen.

Was das Thema Geschlechtersensibilität betrifft, will Heinisch-Hosek unter anderem bei der Lehrerbildung ansetzen. Zudem erachtet sie Bewusstseinsarbeit bereits in Kindergärten für erforderlich.

Generell hielt Heinisch-Hosek fest, nicht immer seien Gesetze notwendig, um Veränderungen herbeizuführen. Mit dem von den Autorinnen gewählten Ampelsystem wird man ihrer Meinung nach künftig besser beurteilen können, was einzelne Maßnahmen bewirken. Sie verwies dabei auch auf die 55 Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans.

Zur Forderung der FPÖ nach mehr Maßnahmen für Migrantinnen merkte Heinisch-Hosek an, Migrantinnen seien keine homogene Gruppe. Es gebe hoch qualifizierte Frauen mit Migrationshintergrund, die um eine Anerkennung ihrer Berufsbildung kämpfen müssten. Daneben gebe es aber auch Analphabetinnen.

In Bezug auf Notwohnungen für Frauen, die in Zwangsehen lebten, sei sie im Gespräch mit Innenministerin Mikl-Leitner, berichtete die Ministerin. Beide seien bereit, Geld in die Hand zu nehmen, es müssten aber noch einige offenen Fragen geklärt werden.

Abgeordnete urgieren stärkere Beteiligung von Männern in der Pflege

Breiten Raum in der Diskussion nahm auch das so genannte Care-Paradox ein. Wie Schönpflug ausführte, stehen für den Pflegebereich immer weniger personelle Kapazitäten zur Verfügung, weil immer mehr Frauen im Regelarbeitsmarkt beschäftigt seien. Die Löhne der Frauen würden aber nicht ausreichen, um professionelle Pflege zu bezahlen. Dadurch steige die Doppelbelastung. Die Gesetze des Marktes würden hier offenbar nicht gelten.

Von Seiten der Abgeordneten wurde in diesem Zusammenhang eine Entlastung von pflegenden Angehörigen und eine stärkere Beteiligung von Männern im Pflegebereich gefordert. Frauenministerin Heinisch-Hosek teilte dazu mit, dass nur 11,5 % der pflegebedürftigen Personen professionelle Pflege in Anspruch nehmen, während 88,5 % von nahen Angehörigen gepflegt würden. Zwei Drittel davon seien Frauen, wobei Frauen im Schnitt 11,4 Stunden pro Woche und Männer 9 Stunden für Pflegearbeit aufwendeten.

Der vorliegende Bericht wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen. Er soll auch im Plenum des Nationalrats diskutiert werden.

Opposition kann sich mit Anträgen nicht durchsetzen

Abseits des Berichts der Frauenministerin stand im Gleichbehandlungsausschuss eine Reihe von Oppositionsanträgen zur Diskussion. So fordern die Freiheitlichen, die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten auszuweiten (1604/A[E]) und Zeiten der Kinderbetreuung bei Gehaltseinstufungen laut Kollektivverträgen zu berücksichtigen (1621/A[E]). Das BZÖ schlägt ein Schulprojekt vor, um die SchülerInnen auf den Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten und sie für Lohngerechtigkeit zu sensibilisieren (1675/A[E]), und mahnt eine Studie zum Thema "Gewalt gegen Männer" (1673/A[E]) ein. Den Grünen geht es um eine verbindliche Frauenquote von mindestens 40 % in Aufsichtsräten sowohl von börsennotierenden als auch von staatsnahen Unternehmen ab dem Jahr 2014 (1418/A[E]) sowie um die Erstellung eines Überblicks über alle bundesweiten Initiativen und Projekte, die auf eine nicht-traditionelle Berufs- und Ausbildungswahl von Frauen abzielen (1526/A[E]).

Der Antrag der FPÖ betreffend Gehaltseinstufung von Frauen wurde vom Ausschuss mit S-V-G-Mehrheit abgelehnt. Abgeordnete Renate Csörgits (S) argumentierte, dass bereits die meisten Kollektivverträge Karenzurlaube im Ausmaß des Präsenzdienstes berücksichtigten. Der SPÖ gehe es außerdem vorrangig darum, Frauen so rasch wie möglich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern und auch Männer zu bewegen, in Karenz zu gehen, meinte sie. Abgeordnete Judith Schwentner (G) gab zu bedenken, dass es kontraproduktiv wäre, würde Frauen nach zehnjähriger Abwesenheit vom Beruf das gleiche Gehalt zustehen, wie Frauen, die in dieser Zeit ohne Unterbrechung gearbeitet haben. Seitens der ÖVP wies Abgeordnete Christine Marek darauf auf das Regierungsprogramm hin.

Was die von der FPÖ geforderte erweiterte steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten betrifft, hob Abgeordnete Daniela Musiol (G) hervor, dass Familien mit geringem Einkommen nicht davon profitieren würden. Vorrangig sind für sie daher ein flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen und die Verankerung eines Rechtsanspruchs auf kostenlose Kinderbetreuung. Ähnlich argumentierte auch Ausschussvorsitzende Gisela Wurm (S), die darauf aufmerksam machte, dass Österreich "Weltmeister"  bei Geldleistungen für Familien sei, während es bei der Infrastruktur nachhinke. Abgeordnete Ursula Haubner (B) verwies auf das Steuermodell des BZÖ, das auf ein einfaches und transparentes Steuersystem abziele und für Kinder einen pauschalen jährlichen Absetzbetrag vorsehe.

Der FPÖ-Antrag soll nun dem Familienausschuss zugewiesen werden. Ein entsprechender Antrag von Abgeordneter Claudia Durchschlag (V) wurde einstimmig angenommen.

Die beiden Anträge des BZÖ und der Grünen wurden vom Gleichbehandlungsausschuss vertagt. Abgeordneter Gabriel Obernosterer (V) und seine Fraktionskollegin Dorothea Schittenhelm machten darauf aufmerksam, dass sich eine laufende Studie des Familienministeriums auch mit dem Aspekt der Gewalt gegen Männer auseinandersetze. Abgeordnete Sonja Ablinger (S) gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass Frauen in einem weitaus höheren Ausmaß von familiärer Gewalt betroffen seien als Männer und warnte davor, Männer- und Frauen-Gewalt in ihrer Dimension gleichzusetzen. Ursula Haubner (B) hielt dem entgegen, dass es für eine politische Diskussion Daten und Fakten brauche.

Die Forderung der Grünen nach verpflichtenden Frauenquoten in Aufsichtsräten wurde von Abgeordneter Judith Schwentner mit den Ergebnissen einer kürzlich von der Arbeiterkammer präsentierten Studie untermauert. Demnach kommen viele Unternehmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung, Frauenförderungsmaßnahmen zu setzen, nicht nach. Sie führt dies nicht zuletzt auf fehlende Sanktionen zurück. Abgeordnete Christine Marek (V) hielt dem entgegen, dass sich, wenn auch langsam, sehr wohl etwas bewege. Abgeordnete Carmen Gartelgruber (F) sprach sich grundsätzlich gegen verpflichtende Quoten aus. (Schluss)