Parlamentskorrespondenz Nr. 964 vom 19.10.2011

Sind die Maßnahmen zum Klimaschutz ausreichend?

Klimaschutzgesetz und Emissionszertifikategesetz im Nationalrat

Wien (PK) – Der Nationalrat beschloss heute auch mit Mehrheit von SPÖ und ÖVP ein Klimaschutzgesetz, das zu einer besseren Zusammenarbeit von Bund und Ländern führen soll. Im Sinne der völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs zur Verringerung von Treibhausgasemissionen und Stärkung von Kohlenstoffsenken sollen Emissionshöchstmengen für einzelne Sektoren festgelegt und über deren Einhaltung Verhandlungen zwischen Bund und Ländern geführt werden. Als konkrete Maßnahmen werden genannt: Erhöhung der Energieeffizienz, stärkere Nutzung erneuerbarer Energieträger, Berücksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung, Mobilitätsmanagement, Abfallvermeidung, Erweiterung natürlicher Kohlenstoffsenken und ökonomische Anreize für Klimaschutzmaßnahmen. Die Verhandlungen sollen aufgrund eines Vorschlags des Umweltministers geführt und bis 31. März 2012 abgeschlossen werden.

Außerdem soll ein Nationales Klimaschutzkomitee und ein  Klimaschutzbeirat eingerichtet werden. Der Umweltminister wird sowohl dem Nationalen Klimaschutzkomitee als auch dem Nationalrat jährlich einen nach Sektoren gegliederten Bericht über die Einhaltung der Emissionshöchstmengen vorlegen. Bund und Länder sollen künftig auch vereinbaren, wer im Fall der Überschreitung einzuhaltender Emissionslimits die Verantwortung zu tragen hat.

Der Entschließungsantrag der Grünen, in dem unter anderem ein verfassungsrechtliches Gebot zur langfristigen Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 30% gegenüber 1990 bis 2020 und um 80% bis 2050 durch Maßnahmen ausschließlich im Inland, klare Prinzipen für die Verteilung der Emissionsreduktionsziele zwischen Bund und Ländern und Einrichtung eines Koordinierungsgremiums zwischen Gebietskörperschaften und ExpertInnen gefordert wird, blieb allerdings in der Minderheit. Auch zwei weitere Anträge der Grünen, in denen einerseits die Forderung nach der Vorlage eines Entwurfs für eine erste Energieeffizienznovelle 2008 (296/A) samt begleitender B-VG-Novelle sowie andererseits die Schaffung der dazu erforderlichen Bundeskompetenz (297/A) gefordert wird, erhielten nicht die erforderliche Mehrheit.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) erklärte, jeder wisse, dass Österreich seine Kyoto-Ziele seit Jahren verfehle, sodass man sich nicht vorstellen könne, dass der vorliegende Entwurf das Gelbe vom Ei sein solle. Nach den vielen Jahren, in denen an diesem Gesetz gearbeitet wurde, sei das Resultat enttäuschend. Österreich gebreche es an einer genauen Strategie zum Klimaschutz, beklagte der Redner, der konkrete Maßnahmen und Schritte vom Minister erwartete.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) meinte hingegen, der Klimaschutz sei mit diesem Gesetz in der österreichischen Realverfassung angekommen. Endlich würden die Verantwortlichkeiten geklärt und die Kompetenzen klar zugewiesen. Der Entwurf sei daher zu begrüßen.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) konstatierte eine erschütternde Klimabilanz. Die heimische Klimapolitik laufe sichtlich falsch, denn statt mit einer Reduktion habe man es vielmehr mit einer neuerlichen Steigerung zu tun, und auch der vorliegende Entwurf sei nicht dazu angetan, das Problem endlich zu lösen. Eine seriöse Klimapolitik sehe jedenfalls anders aus, schloss die Rednerin, die für eine Kehrtwende in der Klimapolitik eintrat.

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) sah Österreich mit der in Rede stehenden Vorlage auf einem richtigen Weg zu mehr Klimaschutz. Mit diesem Entwurf gebe man dem Minister das richtige Instrument in die Hand, auf diesem Gebiet die nötigen Schritte zu setzen.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) ortete viel heiße Luft auf diesem Gebiet, der Entwurf sei nicht ambitioniert und voller Allgemeinplätze. Inhalte und Ziele fehlten völlig, eine solche Vorlage diene dem Klimaschutz sicher nicht, sie müsse daher abgelehnt werden.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH erläuterte die Hintergründe der Vorlage und ortete immer noch Defizite in manchen Bereichen. Diese gelte es zu beseitigen, weshalb man dieses Gesetzes erarbeitet habe. Eben weil in der Vergangenheit zu wenig geschehen sei, müsse man jetzt fokussiert und zielorientiert vorgehen, und dem diene diese Vorlage. Die Zeit der Lippenbekenntnisse sei vorbei, jetzt werde es ernst mit dem Klimaschutz, denn aus dem "kann" werde nun ein "muss", sagte der Minister. Man habe eine klare Strategie, und die werde auch entsprechende Erfolge bringen.

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) vertrat gleichfalls die Auffassung, dass man mit diesem Gesetzesentwurf die richtige Handhabe in Händen halte, dem Klimaschutz im erforderlichen Ausmaß Rechnung zu tragen. Österreich sei gut aufgestellt, man sei in Europa Vorzeigeland, zeigte er sich überzeugt.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) äußerte Zweifel, dass es mit einem ihrer Ansicht nach schwammigen, unausgegorenen Gesetz gelingen werde, die avisierten Ziele zu erreichen. Österreich laufe Gefahr, das Kyoto-Ziel zu verfehlen, und mit diesem Entwurf werde man keine Punkt-, sondern eine Bruchlandung hinlegen, mahnte die Rednerin.

Abgeordneter Walter SCHOPF (S) empfahl hingegen die Annahme des Gesetzes, da es die richtigen Schritte beinhalte, sodass künftig mehr für den Klimaschutz getan werden könne.

Abgeordneter Erich TADLER (o.F.) bemängelte, dass mit dieser Vorlage die Klimawende nicht zu erreichen sei. Mit dieser Vorlage bleibe Österreich weiterhin Klimaschlusslicht in der EU.

Die V-Abgeordneten Erwin HORNEK, Hermann GAHR und Peter MAYER votierten schließlich für die Annahme der Vorlage, die schließlich auch mehrheitlich vom Plenum beschlossen wurde.

Neue Regelungen für den Emissionshandel

Neben dem Klimaschutzgesetz passierte auch das Emissionszertifikategesetz 2011, mit dem die Emissionshandels-Richtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt wird, das Plenum. Damit soll ein maßgeblicher Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen in Österreich und in der EU erreicht und die Emissionen bis 2020 (im Vergleich zu 2005) um 21% gesenkt werden.

Waren Zertifikate bisher weitgehend gratis zu haben, müssen sie nunmehr ab 2013 bei Versteigerungen erworben werden. Stromerzeuger sind dann verpflichtet, 100% ihrer Zertifikate zu ersteigern. Andere Anlagen erhalten zunächst weiterhin Gratiszertifikate, die nach den Bestimmungen des "Benchmark-Beschlusses" von 2011 zugeteilt werden. Dazu zählen jene Betriebe, die über die effizientesten Anlagen verfügen und bei denen die Gefahr besteht abzuwandern ("carbon leakage"): Verlagerungsgefährdete Anlagen können Gratiszertifikate im Ausmaß von 100% erhalten, nicht verlagerungsgefährdete Sektoren hingegen nur 80%. Bis 2020 wird dieser Anteil schließlich auf 30% verringert, 2027 endet die kostenlose Zuteilung von EU-Emissionszertifikaten insgesamt.

Gemeinsam mit dem Emissionszertifikategesetz stand außerdem ein Entschließungsantrag des BZÖ auf der Tagesordnung, in dem auf die Refundierung von finanziellen Mitteln für die flexible Reserve gedrängt wird. Dieser fand jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.

Abgelehnt wurde auch der Antrag der Freiheitlichen betreffend Förderung von Photovoltaik-Anlagen.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) lehnte die Vorlage ab und übte grundsätzliche Kritik am Zertifikatshandel, der seiner Meinung nach den Wirtschaftsstandort gefährdet und dubiose Zahlungsflüsse erzeugt.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) erwiderte, dieses Gesetz sei ein Vorteil für die österreichische Industrie und sichere Arbeitsplätze im Land.  

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) äußerte sich kritisch zum Emissionshandel und meinte, dieser sei nicht geeignet, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. In einem Abänderungsantrag plädierte sie dafür, die Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate für Klimaschutzmaßnahmen aufzuwenden.

Abgeordnete Andrea GESSSL-RANFTL (S) unterstützte die Vorlage und begrüßte insbesondere die Gratiszertifikate für abwanderungsgefährdete und energieintensive Betriebe. Es müsse verhindert werden, dass Produktionen in Österreich, bei denen umweltschonend gearbeitet wird, ins Ausland verlagert werden, wo keinerlei Umweltauflagen bestehen, mahnte sie.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) forderte in einem Abänderungsantrag die Zweckbindung der Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten für Klimaschutzmaßnahmen und lehnte die Vorlage ab.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH verteidigte das System der Emissionszertifikate als Versuch, die Industrie in den Klimaschutz zu integrieren. Wichtig war für den Minister vor allem auch, dass österreichische Betriebe, die umweltschonend produzieren, vor Abwanderung geschützt werden.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) wandte sich gegen den Antrag der FPÖ zum Thema Photovoltaik und sprach sich hingegen für eine ausgewogene Mischung von alternativen Energien aus.

Abgeordneter Josef AUER (S) erwartete sich von dem vorliegenden Gesetz Ordnung im System sowie Effizienzsteigerungen und begrüßte überdies die Vorkehrungen gegen die Abwanderung von Betrieben.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) bewertete das Gesetz unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit, meinte aber, ohne die Einbindung der aufstrebenden Schwellenländer werde es nicht gelingen, die Treibhausgase einzudämmen.

Abgeordneter Rudolf PLESSL (S) sah in dem Gesetz vor allem einen weiteren Schritt zur Verringerung der Schadstoffbelastung und zur Effizienzsteigerung.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen, die Abänderungsanträge der Grünen und des BZÖ blieben in der Minderheit. Die negativen Ausschussberichte bezüglich der beiden weiteren Anträge wurden jeweils mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Debatte über dritte Piste beim Flughafen Wien-Schwechat

Keine Mehrheit fand schließlich auch der F-Antrag nach sofortigem Planungs- und Baustopp für eine dritte Piste beim Flughafen Wien-Schwechat.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) forderte einen Baustopp der dritten Piste am Flughafen Schwechat, argumentierte vor allem mit der Lärm- und Emissionsbelastung der Anrainer und sprach dem Projekt ferner auch jegliche ökonomische Sinnhaftigkeit ab.

Abgeordneter Thomas EINWALLNER (V) lehnte den Antrag der FPÖ ab und verwies auf das derzeit laufende UVP-Verfahren, bei dem es, wie er betonte, darum geht, die Belastungen der Anrainer so gering wie möglich zu halten.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) unterstützte hingegen den Antrag und kritisierte, die Gutachter im UVP-Verfahren hätten sich nicht einmal an die Empfehlungen der WHO hinsichtlich Lärmschutz gehalten.

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) unterstrich die Bedeutung des Flughafens Schwechat für Wirtschaft und Arbeitsplätze und merkte überdies an, im Mediationsverfahren seien viele Lärmschutzmaßnahmen garantiert worden.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) konnte sich dem Antrag nicht anschließen und gab zu bedenken, es wäre absurd, die Piste nun abzulehnen, nachdem man bereits so viel Geld in den Flughafen investiert habe.

(Fortsetzung Nationalrat)