Parlamentskorrespondenz Nr. 974 vom 21.10.2011

Schuldenkrise und Finanzkrise: Was tun in der EU?

EU-Hauptausschuss diskutiert Vorschläge zur Bewältigung der Krise

Wien (PK) – Das Ringen um eine gemeinsame Vorgangsweise innerhalb der Europäischen Union zur Bewältigung der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise, die Komplexität der damit in Zusammenhang stehenden Fragestellungen und insbesondere die Möglichkeiten, wie man das Instrument des EFSF flexibler gestalten kann, stand nach der gestrigen Debatte im Nationalratsplenum auch heute im Mittelpunkt des EU-Hauptausschusses. Der Ausschuss trat im Vorfeld des Europäischen Rats am kommenden Wochenende zusammen.

Welch steinigen Pfad die Verantwortlichen in der EU vor sich haben, zeigt bereits die Tatsache, dass aller Voraussicht nach am kommenden Sonntag beim EU-Gipfel noch keine Beschlüsse gefasst werden und eine weitere Sitzung der Staats- und RegierungschefInnen in der folgenden Woche nötig sein wird. Bundeskanzler Werner Faymann begründete dies damit, dass für politische Entscheidungen noch rechtliche Expertisen notwendig seien, inwieweit eine größere Flexibilität des EFSF und der EZB rechtskonform gestaltet werden kann. Diese Unterlagen lägen jedoch noch nicht auf dem Tisch. Die FinanzministerInnen würden heute im ECOFIN darüber beraten, morgen werde der Allgemeine Rat der AußenministerInnen zusammentreten. Der Bundeskanzler begegnete damit auch dem Vorwurf der Opposition, die Regierung würde das Parlament nicht ausreichend informieren. Sobald er beschlussreife Vorlagen zur Verfügung habe, werde er diese selbstverständlich sofort an die Abgeordneten weiterleiten, sicherte er zu.

Bundeskanzler Faymann ließ in seinem Statement eine Präferenz für den Vorschlag Deutschlands erkennen, den EFSF wie eine Teilkaskoversicherung zu nützen. Die Unsicherheit bestehe aber darin, dass man nicht wisse, ob diese angedachte Versicherungsleistung von 20% auch funktioniert. Er erinnerte daran, dass auch die EZB-Ankäufe von Staatsanleihen Private nicht ermuntert haben, selbst zu kaufen. All diese Fragen müssten einer eingehenden Bewertung unterzogen werden. In der Diskussion selbst unterstützten seitens der Opposition vor allem die Grünen die Versicherungslösung, während FPÖ und BZÖ sich vehement dagegen aussprachen. Die Politik fange nun an, sich jener Methoden zu bedienen, die man bei Ausbruch der Krise scharf kritisiert habe, hieß es aus den Reihen von BZÖ und FPÖ.

FPÖ und BZÖ traten im Hinblick auf die bestehenden Unsicherheiten für eine Nachdenkpause auf europäischer Ebene ein und forderten, mittels Anträgen auf Stellungnahme von der Regierung ein Veto gegen die Ausweitung des EFSF einzulegen. Dies wurde umgehend von den anderen Parteien als ein Rückschritt zurückgewiesen, der das Problem nur verschärfen würde. Die beiden Anträge fanden daher auch nicht die erforderliche Mehrheit.

Ebenso wenig Erfolg hatte der Antrag auf Stellungnahme der Grünen, in dem u.a. die Einberufung eines europäischen Konvents zur Etablierung einer demokratisch legitimierten europäischen Wirtschaftsregierung, zur Einführung von Eurobonds und das Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip in Fragen der Steuerharmonisierung gefordert wird. Der Bundeskanzler warnte eindringlich davor, in der gegenwärtigen Situation vom Einstimmigkeitsprinzip in derart sensiblen Fragen abzugehen, um die Interessen Österreichs entsprechend wahrnehmen zu können. Die Notwendigkeit für die Einberufung eines Konvents sah Faymann dann, wenn man Sanktionsmöglichkeiten für jene Mitgliedsländer beschließt, die sich nicht an die vorgegebenen Regeln, insbesondere an die Maastricht-Regeln, halten. Ein derartiger Sanktionsmechanismus würde eine wesentliche Änderung der Verfassung bedeuten, erläuterte er, weshalb in diesem Falle eine Volksabstimmung durchzuführen wäre.

Einen breiten Raum nahm in der Diskussion auch die notwendige Rekapitalisierung der Banken ein. In einem geplanten informellen Gespräch werde darüber beraten, wie im Rahmen der EZB die Bewertung der Banken besser erfolgen könnte. Die letzten Stresstests hätten sich als nicht aussagekräftig genug herausgestellt, denn daraus seien die Probleme der Banken, vor denen man jetzt stehe, nicht vorhersehbar gewesen. Man beabsichtige nun, die EZB zu beauftragen, einen Stresstest vorzulegen, der beantwortet, wie viel Kernkapital die einzelnen Banken benötigen. Infolgedessen werde an die Banken selbst der Auftrag ergehen, das nötige Eigenkapital aufzubauen. Mitdiskutiert werde, ob der EFSF dafür genützt werden könne, systemrelevante Banken in Ländern zu stützen, wo dies aus eigener Kraft nicht möglich ist. Ziel sei aber, dass die Banken selbst in der Lage sind, das nötige Kapital aufzubringen, sagte Faymann.

In Österreich stehe das Instrument des Partizipationskapitals zur Verfügung, zuvor müssen aber die Möglichkeiten ausgeschöpft werden, sich das nötige Geld auf den Kapitalmärkten zu beschaffen. Grundsätzlich zeigte der Bundeskanzler große Sympathie für die Trennung von Kerngeschäft und Investmentgeschäft in den Banken, da hier das Risiko ein unterschiedliches ist.

Das Ganze koste viel Geld, stellte Faymann offen klar. Die Finanztransaktionssteuer könnte daher auch als ein Finanzierungsausgleich dienen, weshalb man sie als einen Bestandteil des Ganzen sehen müsse. Er sei durchaus auch dafür, gegebenenfalls die Finanztransaktionssteuer allein in der Eurozone einzuführen. Jedenfalls sei diese Steuer als Punkt 12 in den vorbereiteten Schlussfolgerungen für den Gipfel vorgesehen, ergänzte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger.

Die Grünen machten auch klar, dass ihre Zustimmung zur Etablierung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) an Bedingungen geknüpft ist. Darin müsse auf alle Fälle eine Gläubigerbeteiligung und ein Entschuldungsverfahren enthalten sein. Die Einführung des ESM bedarf einer Vertragsänderung, die im österreichischen Parlament mit Zweidrittelmehrheit ratifiziert werden muss. Daher ist die Zustimmung von mindestens einer Oppositionspartei notwendig.

Der Bundeskanzler hob ferner hervor, dass die EU ihre Politik auch dahingehend ändern werde, als man mehr auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum Wert legen möchte. Bisher habe man sich allzu sehr auf die Staatsschulden konzentriert, ohne zu überlegen, wie man das Wachstum fördern könne. Auf dieses zweite Standbein werde nun mehr geachtet, indem man zielgerichtet investiert. Man werde daher auch die Regeln für die Kofinanzierung ändern, damit Länder, die die notwendigen Mittel selbst nicht aufbringen können, Mittel aus den Strukturfonds erhalten können.

Die Opposition zeigte sich mit den Ausführungen des Bundeskanzlers wenig zufrieden. Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) fehlten vor allem eine klare österreichische Position und eine ausreichende Information. Dies forderten auch die Abgeordneten Alexander Van der Bellen (G) und Josef Bucher (B) ein. Dem hielt Abgeordneter Martin Bartenstein (V) entgegen, der EU-Hauptausschuss stelle ein gelungenes Format für Information und Diskussion und auch als Begleitung für EU-Gipfel dar. Bartenstein erteilte auch der Forderung von FPÖ und BZÖ nach einem Veto, wie sie dies in ihren Anträgen formuliert haben, eine klare Absage. Es wäre "gemeingefährlich" nichts zu tun und zu warten, was passiert. Das Rezept der Stunde wäre vielmehr ein großer Wurf, den die Finanzmärkte auch akzeptieren. Abgeordneter Josef Cap (S) vermisste angesichts der Kritik der Opposition konkrete Vorschläge von BZÖ und ÖVP.

Strache fordert Nachdenkphase und Veto gegen Ausweitung des EFSF

Man stehe vor dem Hintergrund der Etablierung eines europäischen Bundesstaats, wodurch die EU-Mitgliedsländer ihre Budgethoheit verlieren werden, warnte Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) in seiner Beurteilung der Lage. Auch sei die Summe von 2,5 Billionen €, die nun bei der Flexibilisierung des EFSF im Raum stehen, unvorstellbar. Wahrscheinlich müssten, wenn sie schlagend werden, die heute noch gesunden Staaten wie Österreich dafür gerade stehen. Viel eher hätte man das Geld im eigenen Land nötig. Die Einführung einer Transferunion ist seine Meinung nach unverantwortlich, die geplante Erhöhung des EFSF "gemeingefährlich". Er halte es daher für geboten, in einer solch entscheidenden Frage das Volk mit einzubeziehen.

Die Finanz- und Spekulationsblase könne platzen, deshalb müsse man sich nun mit allen möglichen Szenarien auseinandersetzen. Der Regierung und den anderen Verantwortlichen in der EU warf er vor, mit ihrer Politik die Krise nur noch hinauszuzögern. Die Vergangenheit habe gezeigt, wie groß die Ansteckungsgefahr durch den Rettungsschirm ist, Italien und Spanien seien bereits heftig betroffen. Er plädierte daher dafür, eine Nachdenkpause einzulegen mit dem Ziel, eine harte Nordwährung und eine weiche Südwährung einzuführen.

In die gleiche Kerbe schlug sein Fraktionskollege Abgeordneter Johannes Hübner. Auch er sprach sich gegen eine zentrale europäische Wirtschaftsregierung aus und bewertete die Versicherungslösung für den EFSF als ein unzumutbares Risiko. Deshalb müsse Österreich gegen all diese Pläne ein Veto einlegen.

Van der Bellen für EFSF-Versicherungslösung und demokratische EU-Wirtschaftsregierung

Demgegenüber forcierte Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) die von Deutschland vorgeschlagene Versicherungslösung. Sie sei der von Frankreich ins Spiel gebrachten Banklizenz für den EFSF vorzuziehen, eine solche Lösung ist laut Van der Bellen auch nicht vertragskonform. Die Versicherungsvariante bringt ihm zufolge keine höheres Risiko und stelle auch keine Hebelwirkung dar.

Grundsätzlich erachtet die grüne Fraktion eine Vertragsänderung für unumgänglich, um eine europäische Wirtschaftsregierung unter parlamentarischer Mitentscheidung und Kontrolle einzuführen. Er wurde in dieser Auffassung auch von EU-Abgeordneter Ulrike Lunacek (G) unterstützt, indem sie eindringlich für eine stärkere Handlungsfähigkeit der EU, unter anderem auch durch Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips warb.

Eine demokratisch legitimierte Wirtschaftsregierung wäre vor allem für kleinere Staaten ein Souveränitätsgewinn, zeigte sie sich überzeugt. Dafür erntete sie Widerspruch bei den anderen Fraktionen, insbesondere auch seitens des Bundeskanzlers, der meinte, in der jetzigen Situation brauche man das Einstimmigkeitsprinzip in derartigen Fragen zur Wahrung der eigenen Interessen. Ähnlich sah dies Abgeordneter Josef Cap (S) im Hinblick auf die Souveränität kleiner Länder. Abgeordneter Werner Kogler (G) wiederum argumentierte, die Instrumente zur Bewältigung der Krise und zur Zurückdrängung der Finanz- und Wirtschaftsexzesse könnten nur transnational funktionieren, und das sei ein Souveränitätsgewinn für die BürgerInnen.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) warf zur Frage der europäischen Wirtschaftsregierung ein, es gehe um eine sinnvolle Kontrolle und um Sanktionsmechanismen gegen jene, die sich nicht an die Regeln halten. Eine starke europäische Wirtschaftsregierung könne nicht dazu führen, dass einzelne große Staaten dann das Sagen haben, warf Klubobmann Josef Cap (S) in diesen Teil der Diskussion ein.

Abgeordneter Werner Kogler (G) unterstrich seinerseits die Forderung der Grünen nach Einführung der Euro-Bonds und meinte, die Finanztransaktionssteuer sollte schon 2014 eingeführt werden.

In der Frage eines sogenannten Haircuts für Griechenland befürchtete Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) einen Teufelskreis. Systemrelevante Banken müssten sich rekapitalisieren, wobei zu bedenken sei, dass das angesichts des Zustands der Börsen schwierig sein werde. Die Staaten selbst verfügten nicht über das dafür notwendige Geld, was wiederum dazu führen könnte, dass die Papiere der Staaten unter Druck geraten, die Konsequenz sei ein neuer Druck auf die Rekapitalisierung der Banken. Er stellte daher die Frage in den Raum, warum man nicht schon längst die rechtskonforme Möglichkeit genützt hat, über den EFSF und die EZB laufend griechische Papiere zu kaufen. Damit hätte man automatisch einen Schuldenerlass von rund 20% herbeigeführt.

Die freiwillige Privatbeteiligung etwa bei der Lösung der Probleme in Griechenland setzt voraus, dass dies auch funktioniert, erwiderte Bundeskanzler Werner Faymann. Er unterstütze derartige Bemühungen, in Verhandlungen mit dem Bankenverband habe sich aber gezeigt, dass man zusätzliche Haftungen benötige. Geht man bei den Maßnahmen von der Freiwilligkeit weg, so bedeutet das eine Insolvenz des Staates, und diese Entscheidung hänge dann nicht mehr von einem politischen Beschluss, sondern von den Ratingagenturen ab, sagte Faymann, der damit die Schwierigkeit der diesbezüglichen Verhandlungen untermauerte.

Griechenland sei ein Fall, der speziell zu behandeln ist, stellte Abgeordneter Josef Bucher (B) fest. Damit das Land den Weg der Selbständigkeit beschreiten könne, halte er einen Schuldenerlass für notwendig. Das BZÖ habe nie davon gesprochen, Griechenland in die Insolvenz zu schicken, stellte er klar, vielmehr erwarte er sich vom Gipfel die Auslotung, welche Regelungen man für einen Schuldenerlass in die Wege leiten könne.

Bucher urgiert Trennung des Bankensystems

Unverständlich ist für den BZÖ-Klubobmann, dass man nach drei Jahren der Krise es nicht geschafft hat, das Bankensystem zu regulieren. Bis in die achtziger Jahre hätte es eine Trennung der Banken in Kommerzbanken und Investmentbanken gegeben, erst dann sei man in Richtung Konzernsysteme gegangen. Bei der Rekapitalisierung der Banken müsse man daher genau abwägen, welche Banken Geld erhalten. Kein Geld dürfe es jedenfalls für Investmentbanken geben, die Bucher als "Spielbanken" titulierte. Bucher sprach sich dezidiert dafür aus, diese Trennung wieder herbeizuführen und unterstützte die Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Den Überlegungen nach einem Hebel im Rahmen des EFSF erteilte Bucher eine klare Absage. Die Staaten bedienten sich einer Methode, die die Krise herbeigeführt habe. Um neues Geld zu drucken, sei der Politik offensichtlich jedes Mittel recht, sagte er. Die Europäische Union befinde sich derzeit in einer Situation, wo keiner weiß, was man will, weshalb man dringend eine Nachdenkphase benötige. Es habe keinen Sinn, weiterhin Geld in ein Fass ohne Boden zu pumpen, das keine Wirkung hat.

Bartenstein: Rekapitalisierung der Banken muss vorgezogen werden

Als eine interessante Variante, wodurch man eine Hebelwirkung erzielen könnte, bezeichnete Abgeordneter Reinhold Lopatka (V) die Idee der Versicherungsvariante für den EFSF. Damit könnte man den Haftungsrahmen besser als bisher nützen, ohne ihn auszuweiten.

Lopatka machte sich auch für die Heranziehung des Partizipationskapitals zur Rekapitalisierung der österreichischen Banken stark. Das wurde auch von seinem Fraktionskollegen Martin Bartenstein unterstützt. Die Banken seien im Interesse ihrer KundInnen abzusichern, weshalb die Rekapitalisierung vorgezogen werden müsse. Für das Partizipationskapital stünden noch rund 6 Mrd. € zur Verfügung, um die Banken mit 9% Kernkapital auszustatten, würde man 3 bis 5 Mrd. € benötigen, rechnete der ehemalige Wirtschaftsminister vor. Keinesfalls sei eine Verstaatlichung der richtige Weg, konstatierte Bartenstein. Sollte für die Rekapitalisierung der EFSF herangezogen werden, so müsse auf alle Fälle sichergestellt sein, dass Österreich dabei nicht auch ausländische Banken finanziert.

Krainer: Die Staatsschuldenkrise ist eine Folge der Finanzkrise

Darauf reagierte Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) mit dem Hinweis, dass die genannten 6 Mrd. € nicht nur für das Partizipationskapital reserviert seien und diese Form auch kein geeignetes Instrument darstelle, weil laut Basel III das Partizipationskapital nicht mehr angerechnet werden darf. Krainer widersprach auch der Auffassung Bartensteins, es handle sich derzeit in erster Linie um eine Staatsschuldenkrise und weniger um eine systemische Krise. Bis zum Ausbruch der Krise wären die Schulden Österreichs und vieler anderer Mitgliedsländer im Einklang mit den Maastricht-Kriterien gestanden. Durch die richtigen und wichtigen Maßnahmen zur Abfederung der Krise hätten sich die Staatschulden in Europa durchschnittlich um 20%, in Österreich um rund 15% erhöht. Die Staatsschuldenkrise sei daher eine Folge der Finanzkrise und nicht deren Ursache, sagte Krainer.

Er schätzte das Versicherungsmodell auch nicht so optimistisch ein wie dies Abgeordneter Van der Bellen getan hatte. Über diese Idee könne man aber am ehesten diskutieren, sagte er, man wisse jedoch nicht, wie die Märkte darauf reagieren.

Der Primat der Politik soll wiederhergestellt werden

Der wahre Konflikt stelle sich als ein Machtkonflikt zwischen Finanzmärkten und Politik dar, stellte Klubobmann Josef Cap (S) fest. Es gelte daher, den Primat der Politik wieder herzustellen und darauf zu drängen, die Finanzmärkte wieder zu regeln. Man müsse sich aus der Gefangenschaft eines selbst gebauten Wirtschafts-Lobbying-Systems wieder befreien.

Die Geschlossenheit der EU sei in einem weltweiten Wirtschaftssystem unbedingt erforderlich, stellte Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) fest. Die Einführung einer Schuldenbremse, wie es das österreichische Haushaltsrecht vorsieht, könne wieder zu mehr Stabilität beitragen, zeigte sie sich überzeugt. Erforderlich sei es weiters, die Realwirtschaft wieder stärker an die Finanzwirtschaft heranzuziehen, weshalb sie die Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer unterstütze. Österreich müsse sich für neue Spielregeln in der EU einsetzen, Österreich müsse sich einbringen in die EU, sagte sie, falsch wäre aber, sich aus der EU herauszulösen. Damit wären sechs von zehn Arbeitsplätzen gefährdet, da Österreich als Exportland von der EU bisher enorm profitiert habe.

Wann braucht man eine Vertragsänderung?

Zum Abschluss der Debatte griff der Bundeskanzler noch einmal die Diskussion um die Vertragsänderung auf. Derzeit gebe es eine, wie er sagte, Ideensammlung, die einerseits auf Freiwilligkeit beruhe, andererseits auf Sanktionsmechanismen. Eine wichtige Lehre aus der Krise sei, dass man die Einhaltung der Regeln kontrollieren müsse. Formulierungen in Richtung Haushaltsrecht und Schuldenbremse auf freiwilliger Basis nach österreichischem Vorbild sei grundvernünftig.

Ebenso der Vorschlag, dass die Länder freiwillig ihre Budgets der Beurteilung der Kommission in Form von Empfehlungen unterziehen. Diese freiwilligen Schritte bräuchten keinerlei Vertragsänderungen, anders sei dies bei der Einführung von Sanktionsmechanismen, die man ohne Vertragsänderungen nicht durchführen könne. Das müsste auch in einem Referendum den BürgerInnen vorgelegt werden.

Außenpolitische Themen

Beim kommenden EU-Gipfel stehen auch außenpolitische Themen auf der Tagesordnung. Wie Vizekanzler Michael Spindelegger berichtete, werde man sich mit der neuen Lage in Libyen nach dem Tod Gaddafis auseinandersetzen. Die EU sei bereit, beim Aufbau demokratischer Strukturen mitzuhelfen, etwa bei der Ausbildung von RichterInnen, PolizeibeamtInnen und DiplomatInnen.

Was Syrien betrifft, so überlege die EU weitere Sanktionen. Auch die Arabische Liga habe sich nun klar gegen die Vorgangsweise der syrischen Regierung positioniert und einen Fristenlauf bis zu allgemeinen Wahlen verlangt.

Im Hinblick auf die Gewalt gegen Kopten in Ägypten sicherte Spindelegger zu, dass Österreich, aber auch die EU insgesamt, sehr darauf achten werde, was die ägyptische Regierung dagegen unternehme. Österreich werde sich zudem auch im Menschenrechtsrat engagieren.

Spindelegger berichtete darüber hinaus, dass der Kandidatenstatus für Serbien realistisch sei. Dieser sei jedoch mit der Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo verknüpft. Gewalt könne nicht akzeptiert werden, stellte er fest.

Schließlich bewertet die EU das Strafverfahren gegen die ehemalige Premierministerin Timoschenko in der Ukraine als kein faires Verfahren. Die EU habe daher vor, das Berufungsverfahren genau zu beobachten.

Grüne Initiative zum Klimaschutz

Die Frage des Klimaschutzes war im Ausschuss nur aufgrund eines Antrags der Grünen Thema. Sie fordern u.a. eine kollektive CO2-Reduktion von mindestens 30% bis 2020 und eine Unterstützung der Entwicklungsländer bei Klimaschutzmaßnahmen. Atomkraft und andere Risikotechnologien dürften nicht als Klimaschutzmaßnahmen anerkannt werden. Dieser Antrag auf Stellungnahme bliebe jedoch in der Minderheit.

(Schluss)