Parlamentskorrespondenz Nr. 1021 vom 04.11.2011

Bundesrat: Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung ist fix

Vom Klimaschutz über Dienstleistung bis zur Terrorismusprävention

Wien (PK) – Nach Beendigung der Aktuellen Stunde widmete sich der Bundesrat einer umfangreichen Tagesordnung.

Zunächst stand die Novelle zum Telekommunikationsgesetz auf dem Programm. Sie bringt Verbesserungen für die KonsumentInnen. Darunter fällt unter anderem die Verpflichtung zur kostenlosen Bereitstellung einer Papierrechnung, was älteren Menschen entgegenkommt. Mit der Novelle werden fünf EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt und Mängel bzw. Regulierungsdefizite im Bereich der Vollziehung beseitigt. Es wird damit nicht nur die Kompetenz zur Entscheidung über Leitungs- und Mitbenutzungsrechte bei der Regulierungsbehörde konzentriert, sondern auch Verfahren aufgrund missbräuchlicher Verwendung von Mehrwertdiensten beschleunigt. Die Vorlage passierte die Länderkammer mehrheitlich.

Sodann standen drei Berichte der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zur Debatte: Dabei handelte es sich zunächst um den Tätigkeitsbericht 2010 der Bundesanstalt für Verkehr, der Auskunft über die Bemühungen der Bundesanstalt gibt, die sich mit Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beschäftigt. Er wurde einhellig zur Kenntnis genommen.

Weiters diskutierten die Bundesrätinnen und Bundesräte den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control, in dem u.a. auch auf von der EU festgestellte Mängel bei der Umsetzung des 1. Eisenbahnpakets sowie auf Defizite bei den Kompetenzen der Schienen-Control im Schlichtungsverfahren aufmerksam gemacht wird. Auch dieser Bericht passierte den Bundesrat einstimmig. Lediglich mehrheitlich wurde der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht zur Kenntnis genommen, der Bestellungen in der Höhe von 731 Mill. € für das abgelaufene Jahr ausweist.

Mit einer Novelle zum Auslandseinsatzgesetz, gegen die der Bundesrat mehrheitlich keinen Einspruch erhob, soll klargestellt werden, dass für Handlungen österreichischer SoldatInnen, die sie auf einem Auslandseinsatz in Ausübung ihrer Befugnisse setzen, der Rechtfertigungsgrund der "Ausübung von Amts- und Dienstpflichten" in Betracht kommt.

Im weiteren Verlauf der Sitzung befürwortete die Länderkammer die Änderungen zum Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzprokuraturgesetz mehrheitlich. Ziel des Wertpapieraufsichtsgesetzes ist es unter anderem, das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt nach der Krise im Herbst 2008 wiederherzustellen. Dazu zählt auch eine Reform des Systems der Anlageberatungsberufe. In diesem Sinne wird nunmehr der neue Beruf des "Wertpapiervermittlers" als Gewerbe mit Befähigungsnachweis eingeführt. Für ProkuraturanwältInnen wird die Besoldung an deren Ausbildungserfordernisse (Dienstprüfung, Anwaltsprüfung, dreijährige Praxis) und an die besondere Stellung der Finanzprokuratur innerhalb der Verwaltung angepasst.

Die nächsten Tagesordnungspunkte betrafen drei bilaterale Finanzabkommen, nämlich die Doppelbesteuerungsabkommen mit Südafrika und Tadschikistan und das Zoll-Amtshilfeabkommen mit Armenien. Letzteres erhielt einhellige, die Doppelbesteuerungsabkommen lediglich mehrheitliche Zustimmung.

Eine breite Themenpalette, vor allem aber über die Situation von Frauen in Europa und die aktuelle Situation zur Regulierung der Finanzmärkte, diskutierten die Bundesrätinnen und Bundesräte im Zusammenhang mit dem Bericht über Vorhaben der EU im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzlers und der Frauenministerin, der mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.

Mehrheitlich keinen Einspruch gab es dann zu dem mit der Republik Moldau abgeschlossenen Abkommen über soziale Sicherheit. Es bezieht sich, anders als ähnliche Abkommen, ausschließlich auf den Bereich der Pensionsversicherung und zielt unter anderem auf die gegenseitige Anerkennung von erworbenen Pensionsansprüchen und die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten ab.

Kein Einspruch gegen Gaswirtschaftsgesetz und Dienstleistungsgesetz

Auch die Länderkammer gab mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit grünes Licht für das Gaswirtschaftsgesetz 2011. Dieses dient der Umsetzung des 3. Energie-Binnenmarktpakets. Damit soll nicht nur der Wettbewerb am Gasmarkt angekurbelt, sondern auch die Versorgungssicherheit erhöht und der Anbieterwechsel für KundInnen erleichtert werden. Analog zur Stromwirtschaft sind etwa ausführliche Informationen auf Werbematerial und Rechnungen, eine gesetzliche Verankerung des Tarifkalkulators sowie die Einrichtung einer zentralen Beschwerdestelle bei der Regulierungsbehörde E-Control vorgesehen. Außerdem werden mit dem Gesetz die Grundlagen für die Einführung von intelligenten Mess-Systemen ("Smart Meters") geschaffen. Netzbetreiber und Gaslieferanten müssen in Hinkunft klar unterscheidbar sein.

Ebenso passierte mit Mehrheit das Dienstleistungsgesetz den Bundesrat. Damit wird die EU-Dienstleistungs-Richtlinie durch einfaches Gesetz nach zwei Jahren umgesetzt. Die Beschlussfassung, die ursprünglich eine Zweidrittelmehrheit erfordert hatte, war im Nationalrat von der Opposition mit dem Vorwurf der "Regierungsblockade", verhindert worden. Die Opposition verknüpfte das Thema neben inhaltlicher Kritik unter anderem auch mit der Frage der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht.

Durch die Vorlage eines Abänderungsantrags der Koalitionsparteien im Nationalrat war dann das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit nicht mehr gegeben. Die EU-Richtlinie wird nun durch ein einfaches Bundesgesetz und neun Ländergesetze umgesetzt. Beim Dienstleistungsgesetz geht es um Regeln für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die Einrichtung eines einheitlichen Ansprechpartners für KundInnen und Betriebe und um Anpassungen im Preisauszeichnungs- und Konsumentenschutzgesetz.

Ausbau des Kinderbetreuungsangebots nun fix

Einstimmig genehmigte auch der Bundesrat die neue 15a-Vereinbarung zum Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots. Darin bekennen sich Bund und Länder zum Barcelona-Ziel der Europäischen Union, das auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf abstellt. Da das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen für Unter-Drei-Jährige diesen Vorgaben noch immer nicht entspricht, verpflichten sich die Bundesländer nunmehr zu einem weiteren Ausbau. Der Bund stellt für die teilweise Abdeckung des dadurch anfallenden finanziellen Mehraufwands entsprechende Mittel bereit: 2011 beläuft sich der diesbezügliche Zweckzuschuss auf 10 Mio. €, für die Jahre 2012, 2013 und 2014 sind Zuschüsse in Höhe von jeweils 15 Mio. € vorgesehen. Den Hauptanteil der Kosten für den Betrieb der zusätzlichen Kinderbetreuungsplätze tragen Länder und Gemeinden. Den Ausbau des Angebots müssen sie zu gleichen Teilen wie der Bund kofinanzieren.

Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Betreuungsquote der Unter-Drei-Jährigen, die im Kindergartenjahr 2010/11 (unter Einbeziehung der Betreuung durch Tagesmütter und -väter) bei 19% lag, bis 2014 auf rund 28% heben, womit man sich dem Barcelona-Ziel von 33% annähert. Unterstützung sollen außerdem Kinderbetreuungseinrichtungen mit erweiterten Jahresöffnungszeiten, Tagesmütter und –väter sowie Lehrgänge, die nach den landesinternen Bestimmungen durchgeführt werden, finden.

Bundesrat sagt ja zum Klimaschutzgesetz

Keinen Einspruch gab es auch gegen das Klimaschutzgesetz, das zu einer besseren Zusammenarbeit von Bund und Ländern führen soll. Im Sinne der völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs zur Verringerung von Treibhausgasemissionen und Stärkung von Kohlenstoffsenken sollen Emissionshöchstmengen für einzelne Sektoren festgelegt und über deren Einhaltung Verhandlungen zwischen Bund und Ländern geführt werden. Als konkrete Maßnahmen werden genannt: Erhöhung der Energieeffizienz, stärkere Nutzung erneuerbarer Energieträger, Berücksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung, Mobilitätsmanagement, Abfallvermeidung, Erweiterung natürlicher Kohlenstoffsenken und ökonomische Anreize für Klimaschutzmaßnahmen. Die Verhandlungen sollen aufgrund eines Vorschlags des Umweltministers geführt und bis 31. März 2012 abgeschlossen werden. Die Unterstützung erfolgte mehrheitlich.

Terrorismuspräventionsgesetz passiert Länderkammer

Das Plenum des Bundesrats gab heute auch mehrheitlich grünes Licht für das Terrorismuspräventionsgesetz. Es sind Maßnahmen vorgesehen, die zur Verhinderung von Terrorismus bestimmte

Vorbereitungshandlungen und Organisationshandlungen sowie die Ausbildung zu terroristischen Zwecken unter Strafe stellen. Dabei soll nicht nur das Unterweisen als aktive Handlung, sondern auch das Sich-Unterweisen-Lassen und das Verschaffen von Informationen zu terroristischen Zwecken erfasst werden. Darunter fällt zum Beispiel die Teilnahme an einem terroristischen "Trainingslager". Auch das Herunterladen von bestimmten Informationen aus dem Internet zum Zwecke der Begehung einer terroristischen Straftat soll nunmehr strafbar sein. Weitere  Maßnahmen sollen dazu dienen, um gegen die Radikalisierung durch Aufforderung zur Begehung von terroristischen Straftaten oder durch Gutheißung von terroristischen Straftaten effektiver vorgehen zu können. Gleichzeitig verfolgt der Entwurf das Ziel, einer Radikalisierung durch Aufruf zu Gewalt und Hass entgegenzuwirken und dabei auch einen wirksamen Schutz für bestimmte Gruppen oder Mitglieder dieser Gruppen vor rassistischer Verhetzung zu bieten.

Den Schluss der Tagesordnung bildete schließlich die Änderung der Notariatsordnung. In Entsprechung eines EuGH-Urteils soll der Beruf des Notars nicht mehr österreichischen StaatsbürgerInnen vorbehalten bleiben, sondern auch Staatsangehörigen von EU- und EWR-Staaten sowie der Schweiz offen stehen. Der Bundesrat erhob dagegen einstimmig keinen Einspruch.

(Schluss Bundesrat)


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