Parlamentskorrespondenz Nr. 1041 vom 10.11.2011

Bundesministerin Karl will Wirtschaftskompetenz der Justiz stärken

Budgetausschuss berät Bereich Justiz

Wien (PK) – Zentrale Themen der Beratungen des Budgetausschusses über das Kapitel Justiz waren heute insbesondere die neue Staatsanwaltschaft für die Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), die Personalsituation im Justizbereich, der elektronische Hausarrest, aber auch Aspekte des Opferschutzes, der Bewährungshilfe und des Konsumentenschutzes. Justizministerin Beatrix Karl zeichnete insgesamt ein positives Bild der österreichischen Justiz im europäischen Vergleich.

International gesehen steige Österreichs Justiz sehr gut aus, schickte Karl auf Fragen des Abgeordneten Heribert Donnerbauer (V) voraus. So liege Österreich etwa bei der Verfahrensdauer unter den Top 5 aller Mitgliedstaaten des Europarats, die Verfahrenseffizienz durch IT-Einsatz und elektronischen Rechtsverkehr, insbesondere im Bereich von Firmenbuch und Grundbuch, gelte europaweit als wegweisend. Die Gerichtsgebühren, die von Abgeordnetem Wolfgang Zinggl (G) als zu hoch kritisiert wurden, seien im internationalen Vergleich niedriger als vielfach angenommen, eine Reduktion sei daher nicht geplant. Als unangemessen hoch stufte Karl allerdings die Kopierkosten ein, kündigte aber eine Halbierung im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes an.

Die von Donnerbauer thematisierten Veröffentlichungspflichten in der Wiener Zeitung sollten nach Meinung der Ministerin "neu bewertet" werden, wobei sie auf Bewegung im Zuge der GmbH-Reform hoffte. Klar war für Karl, dass diese Pflichtveröffentlichungen Kosten erzeugen, die im Zeitalter des Internets nicht mehr angemessen erscheinen.

Abgeordnetem Peter Fichtenbauer (F) gegenüber teilte Karl mit, dass sich die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) mit 3,5 Mio. € zu Buche schlagen wird. Von den 21 dafür vorgesehenen Planposten habe man bisher aber nur 15 besetzen können, nun werde u.a. versucht, Personal von der Rechtsanwaltschaft "abzuwerben". Das Personalproblem erklärte die Ministerin vor allem mit dem Umstand, dass bei der WKStA nicht nur juristisches, sondern auch entsprechendes wirtschaftliches Know-how gefragt ist. Deshalb werden der neuen Staatsanwaltschaft, wie sie ankündigte, nun auch zusätzlich sechs Wirtschaftsexperten aus den Bereichen der Steuerberatung, des Controllings von Unternehmen und der Nationalbank zur Verfügung gestellt.  Die Aus- und Weiterbildung der RichterInnen und StaatsanwältInnen, für die der Entwurf 1,1 Mio. € vorsieht, läuft vor allem darauf hinaus, die Wirtschaftskompetenz zu stärken. Karl wies in diesem Zusammenhang auf die nunmehr bestehende Möglichkeit hin, ein fünfmonatiges Praktikum in der Wirtschaft zu absolvieren.

Das so genannte "Whistleblowing", das Abgeordneter Johannes Jarolim (S) im Zusammenhang mit Korruptionsbekämpfung und Kronzeugenregelung zur Sprache brachte, hielt Karl für eine zielführende Maßnahme, um die Kommunikation zwischen der Behörde und dem anonymen Hinweisgeber zu ermöglichen und dabei auch eine Vertrauensbasis aufzubauen. Sie kündigte die Erprobung eines derartigen Modells an und wies auf diesbezügliche positive Erfahrungen in Deutschland hin.

Zur Personalsituation, für die sich neben Jarolim auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) interessierte, bemerkte Karl grundsätzlich, für die Justiz sei die Anzahl der Planposten eine besonders wichtige budgetäre Größe. Angesichts des Erfordernisses von zusätzlichem Personal seien für diesen Bereich 35 Mio. € mehr budgetiert worden. Es gelte, für die Korruptionsbekämpfung, zur Stärkung der Wirtschaftskompetenz sowie für den Bereich der Familiengerichtsbarkeit ausreichend Personal zur Verfügung zu stellen. Schon in den vergangenen beiden Jahren sei die Zahl der Planstellen für RichterInnen und StaatsanwältInnen erhöht worden, für 2012 sehe man nun keine Reduktion vor. Die von Scheibner kritisierte Senkung der Zahl der Planstellen für RichteramtsanwärterInnen begründete Karl mit dem Bedarf dieser Planstellen für die neue WKStA.

Unzufrieden zeigte sich Abgeordneter Albert Steinhauser (G) mit der budgetären Situation beim Verein "Neustart", die er mit den Worten "weniger Personal für mehr Arbeit" umschrieb, sowie mit der fehlenden Budgetierung der Kosten der elektronischen Fußfessel. Die Ministerin sprach hingegen von einem Plus von 200 000 € und versicherte überdies, dass es über die Mehreinnahmen 2012 noch zusätzliches Geld geben werde, das aber derzeit noch nicht budgetiert sei.

Was nun den elektronischen Hausarrest durch die Fußfessel anbelangt, informierte Karl in Richtung der Abgeordneten Franz Glaser (V) und Harald Stefan (F), 455 Personen hätten bisher diese Art der Haft absolviert, es habe an den insgesamt 40 000 Hafttagen keinerlei sicherheitsrelevante Vorfälle wie Fluchten gegeben. Die Einführung des Systems habe 200 000 € gekostet, pro Person und Tag würden 4,50 € an Kosten anfallen. Karl kalkulierte die bisher mit dem elektronischen Hausarrest verbundenen Einsparungen für die Justiz mit rund 4 Mio. €.

Für die Vereinssachwalterschaft – ein Anliegen des Abgeordneten Ewald Sacher (S) – werden nach Angaben Karls 2012 29,735 Mio. € zur Verfügung stehen. Um allerdings den dringendsten Bedarf abzudecken, wäre eine Verdoppelung der Kapazitäten notwendig, gab sie zu bedenken. In Sachen Opferschutz wiederum, mit dem sich die Abgeordnete Anna Franz (V) in ihren Fragen befasste, qualifizierte Karl die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung durch die derzeit 44 Opferhilfeorganisationen als Erfolg. Sie kündigte in diesem Zusammenhang einen Pilotversuch eines Modells an, das speziell auf Vorschulkinder ausgerichtet ist und ein kindgerechtes Verfahren sicherstellen soll, bei dem besonders ausgebildete Sachverständige als Tandem das Kind abseits des Gerichtssaals befragen.

Gegenüber Abgeordnetem Johann Maier (S), der Konsumentenschutzfragen aufwarf, wies Karl auf die für spätestens bis Ende 2012 anvisierte Umsetzung der EU-Verbraucherschutzrichtlinie hin, die auch eine Button-Lösung zur Bekämpfung der Internet-Abzocke enthält.

Vom Vorschlag der Einführung eines weisungsungebundenen Bundesstaatsanwalts war die Justizministerin "nicht überzeugt". Sie könne darin keine wirkliche Verbesserung erkennen, sagte sie auf Fragen des Abgeordneten Johannes Jarolim (S), wobei sie insbesondere mit Nachdruck betonte, es gebe keine politischen Weisungen, Weisungen hätten nur den Zweck, eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Ausländische Erfahrungen, etwa in der Slowakei oder in der Schweiz, würden zeigen, dass allein schon die Bestellung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts mit einem politischen "Gerangel" verbunden sei. 

5 Mio. € sind 2012 für die Errichtung von Zutrittskontrollen in den Gerichten vorgesehen, die von Abgeordnetem Johannes Hübner (F) angesprochen wurden. Das System soll Schritt für Schritt umgesetzt werden und alle Gerichte erfassen, unterstrich Karl und ließ mit einer Statistik aufhorchen: Bei den bisherigen Kontrollen sind 374 Schusswaffen, 39 862 Hieb- und Stichwaffen sowie 111 020 sonstige gefährliche Gegenstände abgenommen worden. Dies allein zeige schon, wie wichtig Zutrittskontrollen sind, sagte sie. 

Die Höhe der Rücklagen ihres Ressorts bezifferte Karl schließlich mit 51,7 Mio. € . Abgeordnetem Herbert Scheibner (B) teilte sie mit, dass Teile davon zur Bedeckung des Mehrbedarfs für die neue Justizanstalt in Salzburg, zur Finanzierung von Investitionen in die Strukturverbesserung oder etwa für die Stärkung der Vereinssachwalterschaften aufgewendet werden.

Insgesamt sind für die Justiz im Jahr 2012 rund 1,186 Mrd. € veranschlagt, man rechnet mit Einnahmen in der Höhe von rund 812 Mio. €. (Fortsetzung Budgetausschuss)