Parlamentskorrespondenz Nr. 1061 vom 15.11.2011

Welche Chancen hat Europas Jugend?

Aktuelle Europastunde mit Sozialminister Hundstorfer

Wien (PK) – Die Situation junger Menschen in Europa, vor allem deren Bildungsmöglichkeiten und berufliche Perspektiven, stand nach Beendigung der Aktuellen Stunde im Zentrum der Nationalratsdebatte. Die SPÖ hatte dazu als konkretes Thema "Die besten Chancen für Europas Jugend – Beschäftigung als Schlüssel" ausgewählt.

Abgeordneter Wolfgang KATZIAN (S) meinte einleitend, mit 7% Jugendarbeitslosigkeit könne man stolz auf die Handhabung der Jugendbeschäftigungspolitik in Österreich sein, denn die Zahlen sprächen für sich. Mit 46% Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und 43% in Griechenland sei die Entwicklung dramatisch und eine ganze Generation werde ihrer Zukunftsperspektive beraubt, was auch viel an sozialem Sprengstoff in sich berge und zu einer demokratiepolitischen Krise führen könne.

Katzian brachte ausdrücklich seine Unterstützung von Sozialminister Hundstorfer und dessen Eintreten auf europäischer Ebene für sofortige jugendbeschäftigungspolitische Maßnahmen zum Ausdruck und urgierte außerdem ein neues Wachstums- und Verteilungsmodell in Europa. Einerseits müssten die Schulden reduziert werden, andererseits sollte es Neueinnahmen von jenen geben, die es sich leisten können, in die Zukunft zu investieren.

Auf nationaler Ebene müsste weiterhin der Fokus auf die Senkung der Quote der Jugendarbeitslosigkeit gelegt werden und auf europäischer Ebene sei Engagement für das Inkrafttreten von Maßnahmen und Konjunkturpaketen gefordert, unterstrich der Redner abschließend.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER verwies in seiner Stellungnahme auf die mit 7,1% niedrigste Jugendarbeitslosigkeitsquote innerhalb der EU und sah darin die Bestätigung der Jugendarbeitsmarktpolitik der Regierung, wobei auch der Umsetzung des Reformprogramms "Europa 2020" Rechnung getragen werde. Dieses Reformprogramm beinhalte sieben Leitinitiativen, wobei u.a. ein Ziel sei, bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu erreichen. Die Leitinitiative "Jugend in Bewegung" wiederum sehe vor, die Bildungssysteme zu stärken und Jugendlichen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, informierte der Sozialminister. Als wichtiges Instrumentarium hierfür nannte Hundstorfer den Europäischen Sozialfonds (ESF), der wichtige Impulse für die Weiterentwicklung von Angeboten im Bereich der Jugendbeschäftigung setzte. Den Erfolg des ESF sah der Minister in der Einbindung mehrerer Ministerien, des AMS, der Sozialpartner und der österreichischen Bundesländer begründet.

Im weiteren Verlauf seiner Rede brachte der Minister einige Beispiele für die Tätigkeit des ESF, etwa die Etablierung von 20 Produktionsschulen, über die 2.000 Jugendliche pro Jahr in diverse Lehrstellen vermittelt werden, oder das duale Berufsausbildungsmodell, das beinahe von 40% der Jugendlichen eines Altersjahrgangs beschritten wird. Hundstorfer berichtete auch von der Aktion "Zukunft Jugend", die Jugendliche beim Nachholen eines Bildungsabschlusses unterstützen soll, und vom Projekt "JUST neu", welches sehr niedrig qualifizierten jugendlichen Arbeitslosen beim Abschluss von Lehrberufen hilft. Zum Thema "Schulabbruch", welcher maßgeblich zur späteren sozialen Ausgrenzung beitrage, meinte Hundstorfer, dass ab dem Jahr 2012 mit Jugendcoachings begonnen werde, womit Österreich Pionierarbeit leiste. Spezieller Maßnahmen bedürfe die Eingliederung von Jugendlichen mit Behinderung wie etwa begleitende Hilfe, Jobcoaching bis hin zu persönlicher Assistenz am Arbeitsplatz, konstatierte der Sozialminister.

"Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit stellt europäische Priorität dar", hielt Hundstorfer fest und machte auf die von ihm vorgeschlagene Initiative aufmerksam, die eine Ausbildungs- und Beschäftigungsgarantie für Jugendliche zwischen 15 und 24 sowie die Einrichtung eines Fonds "Zukunft für die Jugend" umfasst. Diese Initiative solle 2012 rasch und unbürokratisch umgesetzt werden und als Vorbild für Europa dienen, denn jeder Jugendliche solle und müsse nach der Pflichtschulzeit eine weitergehende Ausbildung machen, resümierte der Minister.

Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) unterstrich den Erfolg der in Österreich gesetzten Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit, die beispielgebend für die anderen Länder der EU seien. Das Problem sei, dass Arbeitslose keine Zukunftsperspektive hätten und daher zugängig für radikale Parolen seien, beklagte Csörgits und fügte kritisch an, dass Sparmaßnahmen oft dort angesetzt werden, wo es nicht sinnvoll sei und dadurch noch mehr Arbeitsplätze abgebaut werden. Csörgits verwies wie ihr Vorredner auf die in der EU unter dem Motto "Jugend in Bewegung" festgelegten Leitinitiativen und erwähnte als Maßnahmen unter anderem die "Europäische Jugendgarantie".

Abgeordneter Reinhold LOPATKA (V) meinte, Europa in seiner jetzigen Verfassung sei in einer Situation, in der zuerst andere Herausforderungen bewältigt werden müssten, damit eine Basis für Beschäftigung und Perspektiven Jugendlicher geschaffen werden könne. Entscheidend sei, wie schwer der "Schuldenrucksack" sei, der unserer Jugend übergeben werde, mahnte Lopatka und empfahl den Abgeordneten als Lektüre zur Verfassung Europas einen Essay von Jürgen Habermas. Erfreut zeigte sich Lopatka über die Spitzenplätze Österreichs innerhalb aller EU-Staaten bezüglich niedrigste Quoten bei Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit allgemein. Entscheidend für diese Situation am Arbeitsmarkt sei die Bildung und Ausbildung, betonte Lopatka abschließend.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) meinte im Gegensatz zu seinem Vorredner, dass "mehr Europa" nicht die Lösung der anstehenden Probleme sein könne. Viele der Probleme, mit denen man konfrontiert sei, müsse man der EU und dem "Euro-Raum" anlasten, weshalb die von der Regierung genannten Therapievorschläge vielmehr als Ursache der Malaise betrachtet werden müssten.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) ortete in einer Bildungsreform die Grundlage für eine Verbesserung am Arbeitsmarkt. Die gegenwärtigen Verzögerungen seien entschieden kontraproduktiv, sagte sie. Der allgemeine Stillstand stehle jungen Menschen die Chance auf eine gedeihliche Zukunft. Daher müsse die derzeitige Blockadepolitik aufgegeben werden. Nur mit einer Offensive auf dem Gebiet der Bildung werde die Lage sich bessern, wobei dies auch mit einem entsprechenden Job-Angebot verbunden sein müsse.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) warf dem Minister vor, die Lage zu beschönigen. Die heimischen Zahlen sähen nur deswegen so gut aus, weil man eine extrem hohe Zahl an Frühpensionierungen habe. Zudem müsse man der Wirtschaft danken, die so viele Lehrlinge aufnehme und ausbilde. Gleichzeitig müsse man festhalten, dass viele ArbeitnehmerInnen von ihrem Gehalt nicht mehr leben könnten, da die steuerliche Belastung so groß sei, die Inflation steige und die Gebühren immer mehr würden. Hier würde eine Politik an der Realität vorbei gemacht, weshalb es dringend eines Kurswechsels bedürfe.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) stellte hingegen fest, dass Österreich die besten Zahlen bei der Jugendbeschäftigung in der EU habe, sodass man keinesfalls von einer verfehlten Politik sprechen könne. Die Regierung habe die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, man befinde sich also auf dem richtigen Weg, denn die Jugend in Beschäftigung zu halten, sei die wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) fokussierte in ihrer Wortmeldung auf die Initiativen der EU zur Jugendbeschäftigung, um sich sodann den österreichischen Aktivitäten zuzuwenden, wobei sie in diesem Zusammenhang dazu aufrief, gesetzliche Maßnahmen auf ihre Auswirkungen für die Jugend hin zu überprüfen. Von besonderer Wichtigkeit seien dabei die Themen Bildung, Ausbildung und Beschäftigung, unterstrich die Rednerin.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) bezeichnete die aktuelle Arbeitsmarktlage als unerfreulich. In Europa sei die Jugendarbeitslosigkeit erschreckend hoch, und selbst in Österreich suchten 80.000 Jugendliche einen Job, was rund 15 Prozent der Jugendlichen entspreche, während es in der Schweiz lediglich drei bis vier Prozent seien. Dennoch rufe die Wirtschaft weiterhin nach Zuwanderung, was seine Partei nicht verstehen könne. Vielmehr müsse man die heimischen Jugendlichen besser ausbilden, damit sie für die Wirtschaft interessanter würden.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) erklärte, die vorliegenden Probleme bei der Jugendbeschäftigung werde man nicht durch Europa-Programme lösen können, denn bis diese griffen, würden Jahre vergehen. Man sei in der EU drauf und dran, die Zukunft der Jugend zu verspielen, weshalb man sich nicht länger auf Absichtserklärungen beschränken dürfe, sondern endlich Taten setzen müsse. Kritisch betrachtete der Redner in diesem Licht die geplante "Schuldenbremse", denn dadurch würde gerade die Jugend abgestraft werden. Konkret könne es nicht sein, dass bei der Ausbildung gespart werde, während man selbst bei den Höchstpensionen immer noch Zuschüsse leiste, urteilte der Redner.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) übte Kritik an den Ausführungen des Abgeordneten Katzian (S), die weder realistisch noch zielführend gewesen seien. Auch sei diese "Europastunde" kaum aktuell zu nennen, sehe man vielleicht davon ab, dass nun auch die SPÖ dieses Thema entdeckt habe. Die Politik der Regierung belaste die Jugend und verspiele damit deren Zukunft, sagte Stadler. Hier brauche es also ganz "aktuell" einen grundlegenden Kurswechsel.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER meinte, er habe bereits längst ein Bekenntnis zur Schuldenbremse abgelegt, und verwahrte sich dagegen, Österreich permanent schlechtzureden. Ziel müsse es sein, Jugendlichen zu einer Arbeit zu verhelfen, und hier könne man etliche Erfolge vorweisen. Man solle daher mithelfen, die Zahlen weiterhin gut zu halten, das wäre konstruktiver als ein reines Jammern, schloss der Minister.

(Schluss Aktuelle Europastunde/Fortsetzung Nationalrat)