Parlamentskorrespondenz Nr. 1063 vom 15.11.2011

Frauenpolitik ist nichts für ungeduldige Gemüter

Frauenministerin Heinisch-Hosek: Es gibt noch viel zu tun

Wien (PK) – Die Lebenssituation von Frauen, insbesondere die noch immer bestehende Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen, die sich auch negativ auf die Pensionen und das Arbeitslosengeld von Frauen auswirkt, standen im Zentrum der Nationalratsdebatte über den Bericht betreffend den Abbau von Benachteiligung von Frauen (2009-2010). Der Bericht wurde mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Mit in Verhandlung standen zwei Anträge der FPÖ. Jener, der darauf abzielt, die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten auszuweiten (1604/A[E]), wurde einstimmig dem Familienausschuss  zugewiesen.

Die Initiative der Freiheitlichen nach Berücksichtigung der Zeiten der Kinderbetreuung bei Gehaltseinstufungen laut Kollektivverträgen (1621/A[E]) wurde hingegen mehrheitlich abgelehnt.

Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) bemängelte, der vorliegende Bericht würde in einem ewig gestrigen feministischen Diskurs stecken bleiben, ohne reale praktische Lösungen zu bieten. Das wahre Problem sei nicht die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, sondern der Einkommensunterschied zwischen Frauen mit Kindern und Frauen ohne Kinder, betonte sie. Nach Ansicht der FPÖ-Mandatarin müsse daher vornehmlich sichergestellt werden, dass Frauen, die sich für Kinder entscheiden, nicht ihr ganzes Leben lang finanziell benachteiligt werden.

Abgeordnete Gisela WURM (S) meinte, beim Abbau von Ungerechtigkeiten für die Frauen sei noch viel zu tun, es sei aber kein Beitrag zu diesem Anliegen, wenn man Frauen mit Kindern und solche ohne Kinder auseinander dividiere, wie dies ihre Vorrednerin getan habe. Als  eine wichtige Aufgabe nannte es die Rednerin, Mädchen noch stärker als bisher dazu zu motivieren, sich nicht nur in einigen wenigen traditionellen Frauenberufen auszubilden, sondern auch Berufe zu ergreifen, in denen bisher fast nur Männer tätig sind. Zur Verbesserung der Einkommensgerechtigkeit wurde mit der Erhöhung der Transparenz ein wichtiger Schritt gesetzt, lobte die Rednerin die Frauenministerin und appellierte an den Konsens zwischen allen Politikerinnen, weiter engagiert für die Sache der Frauen zu kämpfen.  

Abgeordnete Martina SCHENK (B) bezeichnete die Einkommenssituation der Frauen als unverändert schlecht, wobei sie konkret auf Probleme bei der Teilzeitarbeit und auf das ungenügende Angebot an Kinderbetreuungsplätzen hinwies. Wenig Effizienz ortete die Rednerin bei Maßnahmen, die der Förderung von Migrantinnen dienen. Viel Nachholbedarf sah Martina Schenk im Bereich der Pflege, eine Feststellung, die sie mit dem Hinweis darauf untermauerte, dass 80% der Pflegearbeit in Österreich von Frauen geleistet werde. In den Ausschüssen liegen insgesamt 1000 unerledigte Oppositionsanträge, viele von ihnen behandeln laut Schenk Frauenthemen – die Regierungsparteien sollten diese Anträge endlich ernst nehmen, schloss die Abgeordnete.

Abgeordnete Dorothea SCHITTENHELM (V) stellte fest, die hohe durchschnittliche Scheidungsquote von 54% in Österreich mache deutlich, dass die Ehe als Lebensversicherung für die Frauen nicht mehr vorhanden sei. Es sei daher die Aufgabe der Politik, Frauen den Weg zu einem eigenständigen Erwerbseinkommen und damit zu sozialer Sicherheit und finanzieller Absicherung durch eigenständige Pensionen zu erleichtern. Schittenhelm klagte darüber, dass die "gläserne Decke" den beruflichen Aufstieg von Frauen immer noch behindere und forderte mehr Engagement zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kritikwürdig sei auch, dass die Einkommen der Frauen immer noch deutlich unter jenen der Männer liegen und damit auch ihre Pensionseinkommen. Schittenhelm hielt es ferner für nicht hinnehmbar, dass die Pensionen der Frauen immer noch um 60% unter jenen der Männer liegen. Der Bericht dokumentiere die Anstrengungen der Bundesregierung und der Frauenministerin bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Gleichstellung der Frauen, lobte die Abgeordnete.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) sah die tatsächliche Lebensrealität der Frauen in Österreich durch den vorliegenden Frauenbericht nur unvollständig und wenig zutreffend abgebildet. Unter Berufung auf Experten beklagte die Abgeordnete die Diskriminierung von Frauen mit Kindern und erinnerte in diesem Zusammenhang an ihren Antrag, Kindererziehungszeiten in den beruflichen Laufbahnen besser zu berücksichtigen und der Wirtschaft Anreize für die Beschäftigung von Müttern zu geben.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) problematisierte vorweg den Antrag ihrer Vorrednerin, weil sie es für unrealistisch hielt, anzunehmen, dass Unternehmen Frauen nach 10-jähriger Abwesenheit zu denselben Bedingungen einstellen wie solche, die 10 Jahre gearbeitet haben. Notwendig ist für Schwentner eine bessere Abstimmung der Frauenförderungsaktivitäten zwischen den einzelnen Ressorts. Es sei unverständlich, wenn die Frauenministerin eine Kampagne für Frauen in bislang untypischen Berufen startet und gleichzeitig der Arbeitsminister gleichgerichtete Projekt einstellt, kritisierte sie. Dasselbe gelte zwischen den Gebietskörperschaften. In der Steiermark etwa werden derzeit Einsparungen durchgezogen, die in erster Linie zu Lasten der Frauen gingen, beispielsweise bei Behindertenprojekten, in der Pflege oder durch Zurücknahme des Gratiskindergartenjahres.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) sprach sich im Sinne des dazu vorliegenden Antrags der FPÖ dafür aus, die Kindererziehungszeiten im Berufsleben besser anzurechnen und machte dabei geltend, dass auch Männer stärker motiviert würden, in Karenz zu gehen, wenn ihnen die Karenzzeit in ihrer Berufslaufbahn besser angerechnet wird.

Hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit von Kindererziehungszeiten kritisierte die Rednerin das dafür gefundene Modell. Es funktioniere nicht, sagte Haubner und plädierte für den Vorschlag ihrer Fraktion, im Zuge einer Umstellung des Steuersystems auf eine Flat-Tax auch eine generelle Absetzbarkeit von Kindern einzuführen.

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) bekannte sich vorweg zu der politischen Aufgabe, die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft zu beseitigen. Der Bericht biete dazu eine genaue Übersicht und informiere über die diesbezüglichen Maßnahmen. Als ein aktuelles Problem bezeichnete die Rednerin eine neue Tendenz bei den Mädchen, wieder verstärkt traditionelle Frauenberufe zu ergreifen. Geschlechtstypische Rollenzuschreibungen erweisen sich als ein Hindernis beim Abbau von Diskriminierungen in der Arbeitswelt sowie beim Bemühen, die "gläserne Decke" zu durchstoßen, sagte sie. In der Frauenpolitik seien viele Räder in Bewegung, viele gelte es noch anzutreiben, so Binder-Maier. 

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) erläuterte ihren Antrag auf Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten im Berufsleben. Es gelte endlich, die Leistungen anzuerkennen, die die Mütter bei der Erziehung der Kinder und im Management der Haushalte erbringen. Erst die Anerkennung dieser Leistung werde Männer mehr dazu motivieren, in Karenz zu gehen und sich den Aufgaben zu stellen, die bislang ausschließlich von Frauen erfüllt wurden.

Abschließend brach die Rednerin eine Lanze für eine weitere steuerliche Entlastung der Familien. Das würde den Mittelstand sowie "den kleinen Leuten" helfen, zeigte sie sich überzeugt. Keineswegs sei einzusehen, dass viel Geld in die EU und nach Griechenland bezahlt werden, das den Kindern, der Jugend und den Menschen in Österreich fehle.

Abgeordnete Christine MAREK (V) rückte die Forderung nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf in das Zentrum ihrer Überlegungen zum Abbau der Diskriminierung von Frauen in der Gesellschaft. Zu fördern sei die Erwerbstätigkeit von Frauen, nachdem die Ehe kein Versorgungsmodell für die Zukunft mehr sei und nur eine eigenständige Erwerbstätigkeit die Altersarmut von Frauen vermeide.

Zu verbessern sei auch der Zugang der Frauen zu Führungspositionen: Nachdem es gut gelungen sei, Frauen den Weg zur höheren Bildung zu öffnen, gehe es nun um die Beseitigung beruflicher Aufstiegsbarrieren. In diesem Zusammenhang betonte die Rednerin, dass Unternehmen deutlich erfolgreicher seien, die in ihren Führungsetagen auf Frauen setzen.  

Abgeordnete Susanne WINTER (F) unterstrich, ihre Fraktion habe keine "Frauenpolitikerinnen", weil alle FPÖ-PolitikerInnen Politik für Frauen UND Männer machen. Der vorliegende Frauenbericht zeige, dass zwar viele Maßnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen ergriffen wurden, positive Auswirkungen aber noch nicht erkennbar seien. Der Gender-Pay-Gap bestehe weiter und Österreich habe sich bei der Einkommensbenachteiligung von Frauen nur geringfügig verbessert, im internationalen Vergleich lediglich von Platz 37 auf Platz 34. Bei der Lohngerechtigkeit liege es gar nur an 160. Stelle. Es zeige sich, dass sich nur die FPÖ als eine soziale Heimatpartei bezeichnen könne, schloss Abgeordnete Winter.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) registrierte Widersprüche bei den Freiheitlichen, wenn diese dem Bildungsvolksbegehren einen "Bauchfleck" attestieren, obwohl es von 380.000 Menschen unterzeichnet wurde. Die Rednerin erinnerte die FPÖ-Abgeordneten an deren Forderung, Volksbegehren, die 100.000 Unterschriften erreichen, obligatorisch einer Volksabstimmung zu unterziehen. 

Kritisch sah die Rednerin auch Erfahrungen mit dem Familienpaket von 2008, weil die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungsausgaben von vielen Menschen nicht genutzt werden könne, sei es weil sie zu wenig verdienten oder weil sie keine Kinderbetreuungsplätze haben. Daher verlangen die Grünen die Absetzbarkeitsdiskussion zu beenden und stattdessen das Recht aller Kinder auf einen Betreuungsplatz durchzusetzen, der vom Bund zu finanzieren sei.

Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) hielt fest, dass im Pensionsversicherungsrecht maximal 4 Betreuungsjahre pro Kind angerechnet werden können. Den Bericht sah die Rednerin als ein gelungenes Werk an, das deutlich mache, wie engagiert die Bundesregierung den Kampf gegen die Benachteiligung der Frauen in der Gesellschaft führe. Auch das Institut für höhere Studien stelle der Regierung ein gutes Zeugnis hinsichtlich ihrer Frauenpolitik aus. Csörgits bekannte sich zu allen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Chancen für Frauen zu verbessern, durchgängig beschäftigt zu werden und so eine eigenständige Altersversorgung zu erreichen. Plänen der Sozialpartner zur Verbesserung der Berufswahl der Mädchen, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zu einer stärker partnerschaftlichen Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen Frauen und Männern stimmte die Abgeordnete ausdrücklich zu.

Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) meinte, Frauenpolitik sei nichts für ungeduldige Gemüter, denn auch der vorliegende Frauenbericht zeige eine seit 100 Jahren unveränderte Problemlage auf: Ungleiche Entlohnung zwischen Frauen und Männern und ungelöste Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit dem Schwerpunktthema Kinderbetreuung. In diesem Zusammenhang würdigte die Rednerin Anstrengungen ihres Bundeslandes Oberösterreich, die enormen Defizite von Frauen in Führungspositionen auszugleichen, den beruflichen Aufstieg von Frauen zu fördern und beim Ausgleich von Einkommensunterschieden als Vorbild voranzugehen.

Abgeordneter Hermann KRIST (S) konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf die Benachteiligung von Frauen, die in Einkaufszentren Teilzeitarbeit leisten. Sie müssen dort bis zu 50 Wochenstunden arbeiten, werden aber nur für maximal 30 Stunden entlohnt. Diese Praxis sei scharf abzulehnen, weil sie Frauen diskriminiere und zu Einnahmenverlusten bei den Sozialversicherungen führe. Dieser verantwortungslosen Vorgangsweise sei Einhalt zu gebieten, sagte der Abgeordnete, der sich bei den Ministern Huntsdorfer und Heinisch-Hosek bedankte, die diese Vorgangsweise an die Öffentlichkeit gebracht haben.

Abgeordneter Gabriel OBERNOSTERER (V) erklärte, in einem Gemeinwesen wie dem unseren sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Gleichberechtigung gelebt wird. Verstöße dagegen müssten entsprechend geahndet werden. In der Privatwirtschaft habe man das längst erkannt, und jeder Unternehmer sei froh, eine Frau in eine Leitungsfunktion zu bekommen.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) beklagte, dass es nach wie vor unterschiedliche Einkommen für gleiche Leistung gebe, doch arbeite die Regierung daran, diesen Unterschied endlich ins Reich der Vergangenheit zu verweisen. Wenngleich der Weg zu vollständiger Gleichberechtigung noch ein weiter sei. Sodann setzte sich die Rednerin mit Aspekten des Pensionswesens auseinander.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) verwies auf die Altersarmut bei Frauen, die aus ihrer ökonomischen Schlechterstellung während des Erwerbslebens resultierten.

Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) setzte sich gleichfalls für eine Gleichstellung der Frauen bei den Gehältern ein. Gleichstellung sei eine Frage der Fairness und müsse endlich Wirklichkeit werden, erklärte die Rednerin.

Bundesministerin Gabriele HEINISCH-HOSEK beleuchtete die Thematik aus der Sicht ihres Ressorts und bedankte sich für die rege Debatte. Österreich sei noch kein frauenpolitisches Paradies, aber sie arbeite daran, wichtige Schritte in diese Richtung zu setzen. Der Bericht sei dafür eine wichtige Leitlinie. Man könne stolz auf das bereits Erreichte sein, doch gebe es auch weiterhin noch viel zu tun, schloss die Frauenministerin. (Fortsetzung Nationalrat)