Parlamentskorrespondenz Nr. 1079 vom 17.11.2011

Kunst- und Kulturbudget: Wie sollen die Mittel verteilt werden?

Schmied: Filmförderung bleibt Schwerpunkt

Wien (PK) – Bundesministerin Claudia Schmied hatte in der heutigen Sitzung des Nationalrats auch den Budgetentwurf für die Bereiche Kunst und Kultur (Untergliederung 30) gegenüber den Abgeordneten zu vertreten. In der Diskussion wurde vor allem die Verteilungsfrage thematisiert, wobei die unterschiedlichen Sichtweisen im Hinblick auf das Förderungswesen deutlich wurden.

Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) bekräftigte, Kultur sei "keine Verzierung und kein Ornament", sondern ein Fundament der Gesellschaft. Kunst und Kultur würden einen wesentlichen Beitrag zur Identität jedes Einzelnen leisten, erklärte sie. Deshalb sei es notwendig, das kulturelle Erbe sowie Sitten und Traditionen zu achten.

Für den Kulturbereich stehen Unterreiner zufolge 2012 0,6% des Gesamtbudgets zur Verfügung. Die Mittel müssten "klug und weise" eingesetzt werden. Es dürfe kein Geld für "die Förderung von Parallelgesellschaften" und kein Geld für "StaatskünstlerInnen" geben, mahnte sie. Es gehe nicht an, den Lebensstil von KünstlerInnen auf Kosten der Allgemeinheit zu finanzieren. Im Konkreten bemängelte Unterreiner in diesem Zusammenhang Förderungen für arrivierte Schriftsteller wie Thomas Glavinic, Egyd Gstättner und Robert Menasse. Kritik übte sie auch daran, dass der Bund aus Kompetenzgründen kein Geld für Musikschulen bereitstelle.

Ein von Unterreiner eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplans zum Schutz und zur Erhaltung der deutschen Sprache ab. Ihrer Meinung nach gilt es, die "Flut von Anglizismen" einzudämmen.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) registrierte fundamentale Unterschiede zum Kulturverständnis der FPÖ und unterstrich die Bedeutung des Integrationsgedankens auch in der Kulturpolitik. Als einen Schwerpunkt der aktuellen Kulturpolitik sah die Rednerin auch die Kulturvermittlung an junge Menschen durch die Förderung von Museen und Bibliotheken sowie die Nachwuchsförderung von KünstlerInnen – alle diese Aktivitäten sind budgetär abgesichert, lobte die Rednerin. Intensivieren will Sonja Ablinger die Diskussion über mehr Mittel zur Verbesserung der schwierigen finanziellen Situation vieler KünstlerInnen sowie die Förderung zeitgenössischer Kunst sowie von Kulturinitiativen. Der kulturellen Vielfalt dient auch eine verstärkte Förderung regionaler Kulturinitiativen, zeigte sich die Rednerin überzeugt und regte die Unterstützung des Verleihs von E-Books sowie der Digitalisierung von Museen an. Es gelte, öffentlich finanziertes Wissen noch weiter zu verbreiten und den Zugang der Menschen zu erleichtern. Dafür sollte ein Sonderfonds eingerichtet werden, regte Abgeordnete Ablinger an.

Dieser Anregung schloss sich Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) an und meinte, es gehe nicht länger an, dass sich die heile schicke Kunstwelt bei Festivals feiere, während die Bedingungen für die Produzenten zeitgenössischer Kunst laufend schlechter werden. Die Verteilungsfrage werde in der Kulturförderung immer wichtiger, konstatierte Zinggl und wies mit Nachdruck darauf hin, dass viele  KünstlerInnen unter der Armutsgrenze leben. An dieser Stelle verlangte der Kultursprecher der Grünen einen Kurswechsel in der Politik der Bundesministerin.

Hinsichtlich der kürzlichen Eröffnung des Museums des 21. Jahrhunderts problematisierte Zinggl die Einrichtung eines weiteren Hauses der Gegenwartskunst, kritisierte die Kostenexplosion bei der Sanierung des Museums und das Ausbleiben der versprochenen privaten Sponsormittel. Außerdem befürchtete Zinggl, dass bei einem konstant bleibendes Kulturbudget außerhalb der Bundesmuseen, der Bundestheater und der vom Bund geförderten Stiftungen Kürzungen eintreten werden und warnte vor einer weiteren Zentralisierung der Kulturförderungspolitik. 

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) wandte sich gegen den von ihrem Vorredner unternommenen Versuch, die Förderung der "großen Tanker" der österreichischen Kultur, der Staatsoper und der Bundesmuseen, schlecht zu reden. Diese Institutionen machen den großen internationalen Ruf der österreichischen Kultur aus. Deren Förderung schließe nicht aus, KünstlerInnen zu helfen, die unter finanziellen Problemen leiden, sagte die VP-Kultursprecherin. Grundsätzlich sei es nicht selbstverständlich, in Zeiten wie diesen Kulturbudgets fortzuschreiben. In Zeiten der Budgetkonsolididierung erfordere es vielmehr verstärkte Überzeugungsarbeit, die Fortsetzung der Kulturförderungspolitik zu begründen, sagte die Abgeordnete. Fuhrmann hoffte auf eine Novellierung des Bundestheatergesetzes, um die Rahmenbedingungen für die Bundestheater weiter zu verbessern, was nicht bedeute, sich nicht auch für die Verbesserung der sozialen Absicherung der KünstlerInnen einzusetzen. Das eine zu tun und das andere nicht zu lassen, sei ihr Verständnis einer ausgewogenen Kulturpolitik, betonte die Abgeordnete und zeigte sich mit dem vorliegenden Kunst- und Kulturbudget zufrieden.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) bekannte sich zu einer Oppositionspolitik, die darauf verzichtet, heute eine Schuldenbremse zu verlangen und morgen darüber zu klagen, dass in den einzelnen Budgets zu wenig Geld vorhanden sei. Daher akzeptiere er, dass das Kunst- und Kulturbudget keine Erhöhung aufweise. Große KünstlerInnen waren in der Geschichte meist nicht Teil des Establishments, sie waren nicht These, sondern Anti-These und haben durch Widerstand und Kritik zur Aufklärung beigetragen, bemerkte Petzner und begründete damit seine Ablehnung subventionierter "StaatskünstlerInnen". Er bekenne sich zur Förderung der Breite und der Vielfalt der Qualität, nicht des Glamours oder jener, die ins Scheinwerferlicht drängen. Abzulehnen sei es auch, wenn KünstlerInnen subventioniert werden, die im Wahlkampf bestimmte Parteien unterstützen. Das vorliegende Budget sei aus Sicht des BZÖ in Ordnung, konstatierte der Redner. Wo große Förderungsbeträge verwendet werden, wie bei den Bundestheatern und bei den Bundesmuseen, sei die Kontrolle zu verstärken, forderte Petzner, der abschließend eine Lanze für die verstärkte Förderung deutschsprachiger Musikproduktionen brach: "Weniger Lady Gaga und mehr Hubert von Goisern im Radio", schloss der Redner.

Bundesministerin Claudia SCHMIED räumte ein, dass die Verteilungsfrage im Kunst- und Kulturbudget relevant sein und zeigte sich froh darüber, dass es unter den gegebenen Bedingungen möglich war, das Kunst- und Kulturbudget stabil zu halten. "Das ist ein Erfolg", sagte die Ministerin mit Stolz. Die Eröffnung des 21er Hauses ist das größte kulturpolitische Projekt, ein Schlüsselprojekt dieser Legislaturperiode, sagte Schmied und trat den kritischen Darlegungen des Abgeordneten Zinggl durch entsprechende Daten entgegen. Das pathologische Museum wird in das naturhistorische Museum integriert, teilte die Ministerin mit und informierte über die Fortführung ihres Projekts "kostenloser Zugang für Kinder und Jugendliche zu den Bundesmuseen". Erfreut zeigte sich die Ministerin über Erfolge des Bundestheaterverbandes beim Versuch, so viel Geld wir möglich aus der Verwaltung auf die Bühne zu bringen. Zu diesem Thema kündigte die Ministerin für 2012 eine spezielle Tagung an.

Auch die Programme zur Förderung jener KünstlerInnen, denen es finanziell nicht gut geht, werden fortgesetzt, unterstrich die Ministerin und nannte auch die Filmförderung als einen Schwerpunkt für die Kunstförderung im kommenden Jahr. Dabei gehe es insbesondere um die Vermittlung, etwa um bessere Sendezeiten im ORF. Sie werde sich auch bemühen, österreichische Filme in Gemeinden ohne Kino zu bringen, hielt die Ministerin fest und bekannte sich an dieser Stelle auch zur Erhaltung von Programmkinos im ländlichen Raum. Dabei sollen auch Mittel der Regionalförderung eingesetzt werden. Wichtig sei es jedenfalls, in der Kulturförderung darauf zu verzichten, einzelne Kunstsparten und einzelne Kulturinstitutionen gegeneinander auszuspielen. Kultur soll auch in den Strukturfonds der EU eine größere Rolle spielen, sagte die Ministerin und bat dabei um Unterstützung der ParlamentarierInnen.

Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) bekannte sich zur Unterstützung international anerkannter Künstler, wie Thomas Glavinic, Robert Menasse oder Hubert von Goisern, da sie Unterstützung für kostspielige Recherchen oder ihre Reisearbeit brauchen – das liege im Interesse der österreichischen Kultur, hielt sie fest. Ernst nehmen möchte die Abgeordnete auch die Sorgen vieler Kinos im ländlichen Raum und zeigte sich erfreut über das neue Programm zur Förderung der Revitalisierung von Programmkinos und Regionalkinos. Dabei werde ein qualitativ hoch stehendes Filmangebot auch außerhalb der urbanen Zentren gefördert. Hakels Appell richtete sich an dieser Stelle an den Wirtschaftsminister, bei der Kofinanzierung "etwas tiefer in die Tasche zu greifen".

Abgeordneter Josef JURY (F) wies auf die Leistungen der Kunststadt Gmünd bei der Förderung von Ateliers und Galerien sowie bei der Kunst- und Kulturvermittlung hin. Auch Kabaretts und Konzerte, Seminare und Bibliotheken werden dort ebenso unterstützt wie die Volkskultur. Mit dieser Arbeit sei die kleine Stadt Gmünd zu einer Destination geworden, die Jahr für Jahr eine halbe Million Gäste anlocke. 2011 habe Gmünd dafür den renommierten Eden-Award gewonnen. Jurys Dank galt der Unterstützung durch die Kulturministerin. Ein Entschließungsantrag des Abgeordneten zielte auf die steuerliche Absetzbarkeit des Ankaufs zeitgenössischer Kunstwerke.

Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) bekannte sich zur Kulturnation Österreich und gab ihrer Freude über das vorliegende Kunst- und Kulturbudget Ausdruck, das als ein Erfolg der Bundesministerin zu werten sei. Denn es sei Schmied gelungen, die Budgetansätze auch in Zeiten der Budgetkonsolidierung stabil zu halten. Wesentliche Aufgaben der Kulturförderung ist es für Durchschlag, in die zeitgenössische Kunst zu investieren, dies sei eine Investition in die Zukunft des Landes. Dazu komme die Aufgabe der Kunst- und Kulturvermittlung an Kinder- und Jugend, wobei die Abgeordnete für eine Verschränkung zwischen den Schulen und den Musikschulen plädierte und dazu aufrief, auch der Förderung der Künstlerinnen mehr Augenmerk zu schenken. Das Urheberrecht von KünstlerInnen sei zu sichern und zu verbessern. Schließlich trat die Rednerin dafür ein, Kunst und Kultur auch im ländlichen Raum verstärkt zu unterstützen.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (B) unterstrich den Wirtschaftsfaktor Kultur, der zuletzt insbesondere im Städtetourismus deutlich geworden ist. Es sei auch wichtig, den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu den Museen zu gewährleisten, stimmte er der Ministerin zu und merkte an, man sollte sich in Zukunft auch überlegen, die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an Theateraufführungen durch Gratiskarten zu erleichtern. Auch die  Förderung österreichischer KünstlerInnen beim ORF hielt Markowitz für wichtig und notwendig. Das Pathologisch-anatomische Museum wird nun in das Naturhistorische Museum integriert – eine richtige Entscheidung, lobte der Redner. Immerhin handle es sich dabei um die größte Sammlung dieser Art in Europa, ein wissenschaftliches und kulturelles Erbe, das unbedingt am Leben erhalten werden soll. Auch die Nutzung von Einsparungspotentialen beim Bundestheaterverband unterstützte Markowitz und sprach die Hoffnung aus, dadurch Mittel für die Förderung von KünstlerInnen freizubekommen.

Abgeordnete Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) bekannte sich zum kulturpolitischen Grundsatz: "Wir bewahren nicht die Asche, sondern geben die Flamme weiter". Dem vielfach geäußerten Lob für die Kunst- und Kulturministerin schloss sich die Rednerin gerne an und betonte die Notwendigkeit, den künstlerischen Nachwuchs zu fördern und die künstlerische Regionalförderung zu verstärken. Außerdem sprach die Rednerin die Erwartung aus, mit der Kunst- und Kulturvermittlung für SchülerInnen auch die Eltern zu erreichen. Königsberger-Ludwig nannte die Amstettener Kulturwochen als Beispiel für eine erfolgreiche regionale Kulturinitiative und unterstrich dabei die Notwendigkeit, die Kulturvermittlung in den Regionen verstärkt zu fördern.

Abgeordneter Josef A. RIEMER (F) unterstrich die Förderung der Vielfalt in der Kultur. Er zeigte Verständnis dafür, dass die großen Leitinstitutionen der österreichischen Kultur in Wien oder Salzburg gefördert werden. Das sind "Sendboten der österreichischen Kultur", die viele TouristInnen nach Österreich bringen. Aus steirischer Sicht zeigte sich der Redner aber traurig darüber, dass die Römerstadt Flavia Solva, die ehemalige Handelsstadt im römisch-keltischen Norikum verfalle und das Freilichtmuseum Stübing knapp vor dessen 50-jährigem Jubiläum in Gefahr sei. Die Europäische Kulturhauptstadt Marburg 2012 will Riemer im völkerverbindenden Geist auch für eine Präsentation der altösterreichischen Minderheit nutzen. Abschließend brachte Riemer einen FPÖ-Entschließungsantrag für die Einrichtung einer Transparenzdatenbank für öffentliche Kunst- und Kultursubventionen ein.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) setzte sich mit der Volkskultur auseinander. Die Volkskultur stelle eine wichtige Basis für das heimische Kulturschaffen dar, konstatierte der Redner.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) vertrat die Ansicht, dass man das kulturelle Erbe, das man von den Ahnen übernommen habe, auch künftigen Generationen übergeben müsse. In diesem Sinne brachte sie den Antrag ein, das Otto Wagner-Spital in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes einzutragen, da es sich um die wertvollste Jugendstilanlage Österreichs handle.

Details des Budgetkapitels, namentlich das Büchereiwesen, die Bundesmuseen und Gender Budgeting, wurden zudem noch von den S-Abgeordneten Rosa LOHFEYER und Ruth BECHER behandelt.

(Schluss Kunst und Kultur/Fortsetzung Wissenschaft)


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