Parlamentskorrespondenz Nr. 1082 vom 18.11.2011

Infrastrukturpolitik zwischen Schuldenbremse und Wachstumsmotor

Verkehrsministerin Bures: Wir werden Österreich nicht kaputtsparen

Wien (PK) – Der Nationalrat setzte heute die Plenarberatungen zum Bundesfinanzgesetz 2012 zunächst mit dem Budgetentwurf für das Bundesministerium "Verkehr, Innovation und Technologie" fort. Im Zentrum der Debatte stand die Frage, wie die Zielsetzung der Budgetkonsolidierung mit jener einer wachstumsfördernden Infrastrukturoffensive sinnvoll miteinander in Einklang gebracht werden können. Gegenüber Forderungen mancher Abgeordneter nach einer "Schuldenbremse bei den ÖBB" und einem Herunterfahren des Investitionsbudgets der Bahn hielt Bundesministerin Doris Bures fest, es gehe in wirtschaftlich angespannten Zeiten nicht darum, ein Land kaputt zu sparen. Wir konsolidieren das Budget und investieren in eine moderne, wettbewerbsfähige, umweltfreundliche und sichere Bahn, sagte die Verkehrsministerin. In der Debatte kamen auch aktuelle Fragen der Verkehrssicherheit und Probleme der Luftfahrt  zur Sprache. Beim Thema Innovationsförderung kritisierten die Grünen zu geringe Budgetmittel und urgierten den schon lange versprochenen Entwurf für ein Forschungsfinanzierungsgesetz.    

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) setzte sich eingangs der Debatte mit Missständen in der Austro-Control auseinander und kritisierte die Rettungshubschrauber-Verordnung, die entsprechenden Diskussionsbedarf offengelegt habe. Ebenso wurde seitens des Redners die Vergabe der Fluglizenzen bemängelt, wo er Änderungsbedarf ortete. Schließlich thematisierte der Redner auch noch die ASFINAG und die ÖBB, wobei er darauf hinwies, dass der Konkurrenzbetrieb der ÖBB Raucherabteile habe, sodass sich auch die ÖBB überlegen sollte, diese wieder einzuführen. Abschließend brachte er einen Entschließungsantrag betreffend Bündelung der Forschungsagenden ein.

Abgeordneter Anton HEINZL (S) sprach von einem ausgewogenen und daher gelungenen Budget, mit dem die erforderlichen Schritte im Bereich der Infrastruktur gesetzt werden könnten, was eine wichtige Grundlage für die Ankurbelung der heimischen Konjunktur darstelle. Besonders unterstrich der Redner die Bedeutung der Schiene für den Wirtschaftsstandort Österreich. Generell werde die Richtigkeit der Politik der Verkehrsministerin mit diesem Budget eindrucksvoll unterstrichen.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) verwies auf das Spannungsfeld zwischen der geplanten "Schuldenbremse" einerseits und dem realen Schuldenberg andererseits. Vor diesem Hintergrund werde es schwer sein, die geplanten Maßnahmen auch tatsächlich setzen zu können. Man sei Verpflichtungen eingegangen, die man im Lichte der geplanten Schritte nicht finanzierbar erschienen, wenn man nicht grundlegende Umgruppierungen vornehme.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) votierte für ein Herunterfahren des Investitionsbudgets der ÖBB. Zudem plädierte er für ein zeitgemäßes Dienstrecht bei den ÖBB und trat für eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters bei ÖBB-Bediensteten und das Streichen der Freifahrten für ÖBB-Bedienstete ein. Damit ließe sich viel einsparen, behauptete der Redner.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) konstatierte die Fortschreibung einer verfehlten Verkehrspolitik, denn auch dieses Budget sei keinesfalls vorausschauend. Praktisch funktioniere die Verlagerung von der Straße auf die Schiene überhaupt nicht, da die erforderliche Schieneninfrastruktur gar nicht gegeben sei. Es sollten die Gelder so eingesetzt werden, dass die Bürger auch etwas davon haben, unterstrich der Redner angesichts der verkehrspolitischen Defizite. Es laufe derzeit viel falsch im Verkehrsressort, ein Kurswechsel sei daher unumgänglich.

Abgeordneter Wilhelm HABERZETTL (S) erinnerte den Abgeordneten Bartenstein daran, dass dieser das von ihm zuvor kritisierte Pensionsrecht der Eisenbahner selbst verfasst und auch beschlossen habe. Zudem sei es nicht hinzunehmen, dass die ÖVP einerseits die Berufsgruppe der Bundesbahner regelrecht verfolge, während andererseits an die Bauern "munter weiter Geschenke verteilt werden".

Abgeordnete Susanne WINTER (F) erklärte, Österreich rattere auf Schuldenschienen Richtung Athen. Die Opposition weise vergeblich auf die zahlreichen roten Ampeln und Stopp-Schilder hin, die Regierung lasse sich aber nicht beirren. Das Budget sei vollkommen verfehlt, und das habe sich die Bevölkerung nicht verdient. Die Rednerin brachte einen Entschließungsantrag betreffend Infrastrukturgesamtstrategie ein.

Abgeordnete Karin HAKL (V) sagte, jeder 10. Steuer-Euro gehe in die ÖBB. Wer da noch nicht verstanden habe, dass es eine "Schuldenbremse" für die ÖBB brauche, dem sei der Ernst der Lage nicht bewusst. Die ÖBB-Pfründe müssten endlich enden, statuierte die Rednerin. Man müsse es schaffen, die Infrastruktur zu verbessern, ohne dabei Mittel zu verschwenden.

Bundesministerin Doris BURES erklärte, angesichts der wirtschaftlich angespannten Zeiten könne es nicht darum gehen, ein Land kaputt zu sparen, vielmehr brauche es intelligentes Investieren in die Zukunft, um einerseits das Budget zu konsolidieren, andererseits auch in schwierigen Zeiten die nötige Ausgewogenheit zu wahren. Man dürfe auf diesem wichtigen Gebiet nicht populistisch agieren, sondern müsse sich ins Bewusstsein rufen, welche Schritte gesetzt werden müssen, um auch in Zukunft eine moderne, wettbewerbsfähige, umweltfreundliche und sichere Bahn zu haben.

Österreich habe die richtige Strategie gewählt und setze diese auch fort, denn es gehe darum, trotz der erforderlichen "Schuldenbremse" Handlungsspielräume zu haben, um die nötigen Investitionen tätigen zu können. So müsse das Schienennetz modernisiert werden, damit die Menschen auch in Zukunft ein gutes Angebot seitens des öffentlichen Verkehrs haben. Sie sei davon überzeugt, dass die in Aussicht genommenen Investitionen die richtige Weichenstellung für die Zukunft darstellten, schloss das Regierungsmitglied, das sich auch mit dem Thema Forschung und Innovation auseinandersetzte.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) meinte, nicht Tunnelbauten seien Investitionen in die Zukunft, sondern die Förderung von Bildung, Innovation und Technologie. Aus Sicht der Grünen fehlten im Budget aber klare Schwerpunkte in diesen Bereichen. Die minimalen Budgetsteigerungen würden durch die Inflation wieder relativiert. Das stehe im Widerspruch zur Aussage der Bundesregierung, Österreich zu einem "Innovation Leader" machen zu wollen. Nehme sie dieses Ziel ernst, so fehlten bis 2015 jährlich 400 Mio. € an Mitteln. Das angekündigte Forschungsfinanzierungsgesetz lasse immer noch auf sich warten, unterdessen rede man nur mehr von einer "Task Force" Forschung. Die Grünen würden die Vorlage dieses Gesetzes jedenfalls einfordern, kündigte Lichtenecker an.

Abgeordneter Johann HELL (S) hielt fest, der seit 2002 erhobene Eisenbahnliberalisierungsindex zeige, dass Österreich in Europa eines der Länder mit besonders weit fortgeschrittener Marktöffnung im Schienenverkehr sei. Das Budget subventioniere auch Privatbahnen mit einer Summe von 43 Mio. €, dazu kämen Bestellungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch die öffentliche Hand. Eine Aufteilung des Unternehmens ÖBB, wie sie in Redebeiträgen bereits mehrfach gefordert wurde, lehne er strikt ab. Das immer wieder zitierte Vorbild der Schweizer Bahnen sei nicht einfach auf Österreich übertragbar. Bei den Schweizer Bahnen erfolgte 1988 eine völlige Entschuldung, sie werden zudem durch hohe Mautgebühren und Mineralölsteuern finanziert, sagte Hell. Der öffentliche Verkehr leiste einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und sichere eine große Zahl an Arbeitsplätzen, Investitionen in die Bahn seien Investitionen in die Zukunft.

Auch für Abgeordneten Sigisbert DOLINSCHEK (B) war es selbstverständlich, dass man in die Infrastruktur investieren und den öffentlichen Verkehr attraktiver gestalten müsse. Vor dem Hintergrund der Diskussion über Schuldenbremse und Sparpakete sei es aber notwendig, die Verbindlichkeiten der ÖBB und der ASFINAG ganz besonders im Auge zu behalten. Voraussetzung dafür, dass hier eine Wende zum Besseren eintreten könne, sei die volle Transparenz aller Förderungen und Ausgleichszahlungen. Dolinschek sah nach wie vor ungerechtfertigte Privilegien bei den ÖBB, wie etwa ein unverständlich niedriges Pensionsantrittsalter. 

Abgeordneter Johann SINGER (V) verwies auf die Bedeutung der Schiene für Pendler, den Gütertransport und den Tourismus. Gleichzeitig müsse man aber auch die Kostenfrage stellen. Auch die ÖBB brauchten eine Schuldenbremse, sagte der Abgeordnete, denn die ÖBB stellten schließlich einen nicht unbeträchtlichen Budgetposten dar. Das Problem der ÖBB-Pensionen liege in den jahrzehntelangen Übergangsfristen begründet, bis das Pensionsantrittsalter sich an das anderer Bereiche angleiche. Prinzipiell sei es wichtig, Schulden zu senken, um nicht in den Zinsendienst investieren zu müssen, sondern wichtige Investitionen, wie etwa in die Verkehrssicherheit, tätigen zu können.

Abgeordneter Harald WALSER (G) kritisierte, die ÖVP fordere zwar die Schuldenbremse, handle aber, indem sie verkehrspolitisch zweifelhafte Projekte unterstütze, entgegen dieser Forderung. Sowohl Semmering-Basistunnel als auch Koralmtunnel seien nach Expertenansicht falsch konzipiert und daher zu teuer. Es gebe zwar auch positive Ansätze im Budget, das notwendige Umdenken in der Verkehrspolitik sei daran aber nicht ablesbar. Notwendig sei die steuerliche Belohnung des umweltschonenden Verkehrs, stattdessen subventioniere man über die Dieselpreise den LKW-Verkehr oder fördere die Zunahme der SUVs im Stadtverkehr durch steuerliche Begünstigungen. Das Ergebnis seien Umweltbelastungen, wie etwa die aktuell hohe Feinstaubbelastung in Wien zeige. Die Grünen forderten daher ein fahrleistungsabhängige PKW-Bemautung und die Förderung von Elektrofahrzeugen.

Abgeordneter Kurt GARTLEHNER (S) sah eine gute Budgetentwicklung im Forschungsbereich. In der Frage der ÖBB wünsche er sich eine problemorientierte und sachliche Debatte, sagte er. Unter solchen Voraussetzungen könne man auch über die Schuldenbremse reden, meinte er.

Abgeordneter Johann RÄDLER (V) ortete in der Frage der ÖBB in den Reihen der SPÖ eine ganze Anzahl von "Bremsern". Er stelle sich die Frage, wie viel an eigenständiger Verkehrspolitik die Bundesministerin bei der Bahn tatsächlich betreiben könne, oder ob sie das tun müsse, was die Gewerkschaft ihr vorgebe.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) gab den Vorwurf der "Bremser" an die ÖVP zurück und wandte sich dann dem Forschungsbudget zu. Als besonders wichtigen Punkt darin sah sie, dass das BMVIT die Prinzipien des Genderbudgetings flächendeckend umgesetzt habe. Es sei besonders wichtig, mehr Mädchen und Frauen für Forschung und Technologieberufe zu interessieren. Die Ministerin sei in dieser Frage auf dem richtigen Weg, meinte die Abgeordnete, und gratulierte ihr dazu.

Abgeordneter Franz ESSL (V) stellte das Thema Infrastruktur in den Mittelpunkt seines Beitrags. Investitionen in diesem Bereich müssten zielgerichtet sein, forderte er. Es sei problematisch, wenn die ÖBB alleine annähernd zehn Prozent des Budgets beanspruchten und der Bund hohe Pensionszuschüsse für ÖBB-Bedienstete zu zahlen habe. Kritisch sah der Abgeordnete außerdem, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen überwiegend bei den ÖBB gestellt würden.

Abgeordnete Rosa LOHFEYER (S) verwies auf hohe Investitionen in das hochrangige Straßennetz, welche für das kommende Jahr im Budget vorgesehen sind. Einen weiteren Schwerpunkt des BMVIT stelle die Verkehrssicherheit dar, die sowohl durch bauliche als auch gesetzliche Maßnahmen erhöht werde. So gelte etwa ab 2012 die "Rettungsgasse". Bis 2020 wolle man durch solche Maßnahmen die Zahl der Verkehrstoten um die Hälfte reduzieren. Die Abgeordnete hob überdies hervor, dass Investitionen in Infrastruktur besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten große wirtschaftliche Bedeutung zukomme. Die Bautätigkeit der ASFINAG sei ein wichtiger Konjunkturfaktor, meinte sie.

Abgeordneter Franz HÖRL (V) sah bedenkliche Entwicklungen im österreichischen Flugverkehr. Während etwa die AUA mit hohen Auflagen zu kämpfen habe, gebe es eine unverständliche Bevorzugung anderer Fluglinien, wie zum Beispiel der United Emirates oder jener indischen Charterfluglinie, die dieser Tage am Flughafen Wien-Schwechat für Schlagzeilen gesorgt habe. Hier gebe es offenbar Fehlentwicklungen, die Aufklärung verlangen. Die Einbeziehung der Luftfahrt in den Emissionshandel brauche ein europaweit geregeltes Vorgehen, sagte Hörl. Er befürchte ansonsten Gefahren für österreichische Arbeitsplätze im Flugverkehr.

Abgeordneter Dietmar KECK (S) verwies auf Steigerungen des BMVIT-Budgets, die dem Ausbau von Bahn und Straße dienten. Diese Ausgaben seien wichtige Beiträge zur Konjunkturbelebung und kämen damit der Wirtschaft direkt zugute. Er warf den Abgeordneten der ÖVP vor, die Diskussion um die ÖBB mit unrichtigen Zahlen zu führen. 

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) sah intransparente Ausschreibungsvorgänge bei der Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen der Bahn. Er halte es für besonders auffällig und bedenklich, dass die Bestellung solcher Leistungen auf der Westbahn nicht mehr erfolge, sobald dort auch private Anbieter auftreten, meinte er. Es sei außerdem notwendig, die Eigenkapitalquote der ÖBB zu erhöhen. Möglichkeiten dafür würde etwa die Verwertung von ÖBB-Liegenschaften oder eine Privatisierung ihrer Kraftwerke bieten, meinte er.      

Abgeordneter Josef AUER (S) wandte sich dagegen, dass die Budgetdiskussion mit unrichtigen Zahlen geführt werde. Es sei auch nicht angebracht, Ausgaben für Eisenbahner und Bauern gegeneinander aufzurechnen, wie mehrfach in Redebeiträgen versucht worden sei. Die Ausgaben für die ÖBB würden sich auch nicht auf die kolportierten 6,7  Mrd. € belaufen, stellte er fest. Es handle sich vielmehr um 1,43 Mrd. € für Infrastruktur und 730 Mio. € für die Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen, also nur ein Drittel dieser Summe. Die Leistungsbestellungen kämen vor allem auch dem Verkehrsangebot im ländlichen Raum zugute. In der Diskussion um ÖBB-Bedienstete müsse man auch berücksichtigen, dass diese höhere Pensionsbeiträge zahlen, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Rudolf PLESSL (S) hob hervor, dass Österreich während der Finanz und Wirtschaftskrise anders reagiert habe als viele andere Länder. Während es dort zu Kürzungen im Sozialbereich gekommen sei, habe Österreich nachhaltige Investitionen in die Infrastruktur getätigt. Ein gutes Beispiel dafür sei der Marchdamm, sagte Plessl und bedankte sich im Namen der Bevölkerung der Region ausdrücklich bei Bundesministerin Bures für die Unterstützung dieses Projekts. (Schluss Verkehr, Innovation und Technologie/Fortsetzung Wirtschaft)