Parlamentskorrespondenz Nr. 1092 vom 21.11.2011

Vorlagen: Verfassung

Schuldenbremse, Bundesvergabegesetz, Volksanwaltschaft, Dienstrecht

Gesetzentwurf bringt neue Bestimmungen für öffentliche Aufträge

Die Regierung hat dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem zum einen Änderungen im Bundesvergabegesetz vorgenommen werden und zum anderen in Anlehnung an eine EU-Richtlinie ein eigenes Bundesgesetz für Auftragsvergaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich geschaffen wird (1513 d.B.). Unter anderem ist vorgesehen, den Schwellenwert für Direktvergaben zu erhöhen, neue vereinfachte Verfahren für wertmäßig mittelgroße Aufträge einzuführen, die Bestimmungen über den Eignungsnachweis zu lockern, die Möglichkeit der zentralen Beschaffung zu erweitern sowie in einzelnen Punkten, etwa bei der vertieften Angebotsprüfung, Erleichterungen sowohl für den Auftraggeber als auch für die Unternehmen vorzunehmen.

Schadenersatzansprüche gegen den Auftraggeber bestehen künftig auch dann, wenn er nicht schuldhaft gegen vergaberechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Damit wird ein EuGH-Urteil umgesetzt.

Im Konkreten will die Regierung zur Vereinfachung von Vergabeverfahren künftig im gesamten Unterschwellenbereich ein selbst gestaltetes Verfahren zulassen, wie es etwa bereits jetzt für nicht prioritäre Dienstleistungen gilt. Außerdem werden mit der "Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung" für öffentliche Auftraggeber und der "Direktvergabe nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb" für Sektorenauftraggeber zwei neue Vergabevarianten vorgeschlagen, die für Aufträge unter 130.000 € (für öffentliche Auftraggeber) bzw. unter 200.000 € (für Sektorenauftraggeber) weitgehend formlose Auftragsvergaben bei gleichzeitiger Sicherstellung von Transparenz ermöglichen sollen. Für Bauaufträge ist für beide neue Varianten ein Limit von 500.000 € in Aussicht genommen.

Der Schwellenwert für "klassische" Direktvergaben, der wegen der Wirtschaftskrise vorübergehend auf 100.000 € angehoben wurde und 2012 wieder auf 40.000 € sinken hätte sollen, wird nunmehr mit 50.000 € – bzw. 75.000 € im Sektorenbereich – festgelegt. Neu ist die Möglichkeit, bei der Direktvergabe zum Zwecke der Markterhebung verschiedene Angebote einzuholen, ohne gleich ein förmliches Vergabeverfahren durchführen zu müssen.

Die Vorlage von Eignungsnachweisen durch Unternehmen ist in Hinkunft nur noch im Oberschwellenbereich zwingend vorgesehen. Im Unterschwellenbereich soll hingegen im Regelfall eine "Eigenerklärung" reichen. Dadurch will man die Verwaltungslasten von Unternehmen reduzieren. Betreiber von öffentlichen Personenverkehrsdiensten werden verpflichtet, bei Auftragsvergaben die neue EU-Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge zu beachten und im Zuge von Ausschreibungen entweder technische Spezifikationen mit einem hohen ökologischen Standard festzulegen oder ökologische Zuschlagskriterien vorzusehen.

Unter das neue Bundesvergabegesetz für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (BVergGVS) fallen sowohl Liefer- als auch Dienstleistungs- und Bauaufträge. Als Beispiele werden etwa die Beschaffung von Militärgütern und sensibler Ausrüstung, Transportdienstleistungen und sensible Bauten wie Luftschutzbunker oder Landebahnen genannt. Die Schwellenwerte orientieren sich dabei an den Schwellenwerten für Sektorenauftraggeber: bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen beginnt der Oberschwellenbereich mit einer Auftragshöhe von 387.000 €, bei Bauaufträgen mit 4,845 Mio. €.

Auch die Rechtschutzbestimmungen sind – mit geringfügigen Adaptionen – im Wesentlichen an jene für "normale" Vergabeverfahren angelehnt. So ist das Bundesvergabeamt auch bei militärischen Beschaffungen ermächtigt, Verträge unter gewissen Voraussetzungen für nichtig zu erklären. Wie in den Erläuterungen festgehalten wird, ist Österreich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie bereits säumig: sie hätte bis zum 21. August 2011 implementiert werden müssen.

Da durch den vorliegenden Gesetzentwurf auch Länderkompetenzen berührt sind, bedarf die Kundmachung des Gesetzes der Zustimmung der Länder.

Öffentlicher Dienst: Höchstalter von 40 Jahren für neue Beamte fällt

Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat eine umfassende Dienstrechts-Novelle für den Öffentlichen Dienst in Aussicht gestellt. Nun liegt ein erster Gesetzentwurf der Regierung mit einzelnen Detailänderungen vor (1514 d.B.).

Zentraler Punkt der Gesetzesnovelle ist die Abschaffung des derzeit geltenden Höchstalters von 40 Jahren für die Aufnahme in ein Beamtendienstverhältnis. Bei der Ausbildung von RichterInnen soll ein stärkerer Fokus auf das Verständnis für wirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Abläufe und Zusammenhänge gelegt werden. Durch eine Änderung des Vertragsbedienstetengesetzes will man eine enge dienstliche Zusammenarbeit von Ehepartnern bzw. nahen Verwandten mit Weisungsbefugnissen grundsätzlich ausschließen. Um fortbildungswilligen BeamtInnen weiterhin den Zugang zu einem Aufstiegskurs in der Verwaltungsakademie zu eröffnen, wird eine ausgelaufene Verordnung des Bundeskanzlers vorübergehend – befristet bis Ende 2014 und mit einigen Adaptierungen – wieder in Kraft gesetzt.

Volksanwaltschaft wird zentrale Anlaufstelle für Foltervorwürfe

Österreich hat bereits im Jahr 2003 ein internationales Abkommen zur Verhinderung von Folter sowie von anderen grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen bzw. Strafen (OPCAT) unterzeichnet. Nun soll in Umsetzung dieses Übereinkommens die Volksanwaltschaft als zentrale Anlaufstelle zur Prüfung von Foltervorwürfen und zur Verhütung von Folter eingerichtet werden. Die Regierung hat dazu ein "OPCAT-Durchführungsgesetz" vorgelegt, das unter anderem eine Änderung der Bundesverfassung, des Volksanwaltschaftsgesetzes und des Sicherheitspolizeigesetzes vorsieht (1515 d.B.).

Konkret soll die Volksanwaltschaft künftig von sich aus prüfen, ob in "Orten der Freiheitsentziehung" die Menschenrechte eingehalten werden, und im Zuge dieser Prüfungen auch die Arbeit der vollziehenden Organe kontrollieren. Dabei geht es, wie aus den Erläuterungen hervorgeht, nicht nur um Justizanstalten und Polizeiinspektionen, sondern etwa auch um Erstaufnahmestellen für AsylwerberInnen, Kasernen, psychiatrische Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Krisenzentren sowie Wohngemeinschaften für Jugendliche. Ebenso sollen Einrichtungen und Programme für behinderte Menschen unter die Lupe genommen werden, um Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu vermeiden. Insgesamt rechnet die Regierung mit rund 4.000 zu überprüfenden – öffentlichen und privaten – Einrichtungen.

Unterstützt werden sollen die VolksanwältInnen bei ihrer neuen Aufgabe vom Menschenrechtsbeirat, der vom Innenministerium zur Volksanwaltschaft übersiedelt und vergrößert wird, sowie von zumindest sechs neu einzurichtenden Kommissionen. Zur Bewältigung des Arbeitsaufwandes werden der Volksanwaltschaft insgesamt 15 zusätzliche Planstellen zugeordnet.

Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, erhält die Volksanwaltschaft weiters das Recht, dem Nationalrat und dem Bundesrat gesondert über einzelne Wahrnehmungen zu berichten. Außerdem ist eine Zusammenarbeit der Volksanwaltschaft mit dem Unterausschuss der Vereinten Nationen zur Verhütung von Folter vorgesehen, wobei auch den Unterausschussmitgliedern das Recht eingeräumt wird, die vom OPCAT-Übereinkommen erfassten Einrichtungen in Österreich zu besuchen. In Kraft treten soll das Gesetz mit 1. Juli 2012.

"Schuldenbremse" soll für mehr Haushaltsdisziplin sorgen

Ein weiterer von der Regierung dem Nationalrat vorgelegter Gesetzentwurf betrifft die Verankerung einer "Schuldenbremse" in der Verfassung (1516 d.B.). Durch ergänzende Bestimmungen über die Haushaltsziele von Bund, Ländern und Gemeinden und den verpflichtenden Abschluss eines unbefristeten innerösterreichischen Stabilitätspakts ab 2013 will die Regierung einen Abbau der hohen Schuldenquoten bewirken sowie Bund, Länder und Gemeinden künftig zu mehr Haushaltsdisziplin zwingen.

Konkret soll das strukturelle Defizit des Bundes durch die neuen Verfassungsbestimmungen ab dem Jahr 2017 auf maximal 0,35% des BIP begrenzt werden. Länder und Gemeinden sind ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichtet. Allerdings ist es den Gebietskörperschaften erlaubt, außergewöhnliche Konjunkturschwankungen "symmetrisch" zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck wird sowohl für den Bund als auch für die Länder und die Gemeinden ein "Kontrollkonto" eingerichtet, auf dem vorübergehend höhere Defizite erfasst werden sollen. Diese zusätzlichen Belastungen müssen spätestens dann "konjunkturgerecht" zurückgeführt werden, wenn ein bestimmter Schwellenwert – 1,5% für den Bund, 0,25% für Länder und Gemeinden – erreicht wird.

Im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen, die sich, wie es heißt, "der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen", kann der Nationalrat die vorgegebene Defizitgrenze mit einfacher Mehrheit lockern, wobei höhere Defizite der Länder auch der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Entsprechende Beschlüsse sind jeweils mit einem Schuldenabbauplan zu verbinden, der die Rückführung der überhöhten Defizite in einem angemessenen Zeitraum vorsehen muss. Verfassungsrechtlich verankert wird auch die Verpflichtung der Länder, die bundesrechtlichen Haushaltsvorschriften weitgehend zu übernehmen.

Sollte die EU finanzielle Sanktionen verhängen, weil Österreich budgetäre EU-Vorgaben nicht einhält, sieht der Gesetzentwurf eine Aufteilung der Strafzahlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Verhältnis der Abweichung von den verfassungsrechtlich festgelegten Defizitgrenzen fest.