Parlamentskorrespondenz Nr. 1127 vom 23.11.2011

OeNB-Gouverneur Nowotny: Wichtig, im eigenen Haus Ordnung zu halten

Finanzausschuss diskutiert Schuldenbremse und Eurobonds

Wien (PK)- Thema der aktuellen Aussprache in heutigen Finanzausschuss des Nationalrats war der 2. Halbjahresbericht 2011 des Gouverneurs und des Vize-Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank über die erfolgten geld- und währungspolitischen Maßnahmen. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny und Vize-Gouverneur Wolfgang Duchatczek thematisierten dabei die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um das Vertrauen in das österreichische Kreditsystem zu stärken. Nowotny unterstrich auch die besondere Verantwortung, die dem Gesetzgeber in der Frage einer Verankerung einer Schuldenbremse in Verfassungsrang zukomme. Das Triple-A-Rating Österreichs hänge nicht zuletzt von der Einschätzung der Finanzmärkte über die Nachhaltigkeit seiner Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung ab. Das Beispiel anderer Staaten zeige, dass nur eine mit Verfassungsmehrheit eingeführte Regelung hier ausreichendes Gewicht habe, stellte Nowotny fest.

Wachstumseinbruch 2012 zeichnet sich auch für Österreich ab

In seinem einleitenden Statement sprach OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny die Wachstumsprognosen für das nächste Jahr an. Die österreichische Wirtschaft, die im ersten Halbjahr 2011 noch kräftig expandierte, zeigte im dritten Quartal eine Abschwächung, die auch im vierten Quartal anhält. Für das Gesamtjahr 2011 ist zwar mit einem Wachstum von 3 % zu rechnen, in der Exportwirtschaft ist die Wachstumsabschwächung jedoch bereits spürbar und ein schwaches viertes Quartal zu befürchten. Viele Unternehmen schieben zudem Investitionsprojekte aufgrund der bestehenden hohen Verunsicherung auf. Trotz erfreulicher Beschäftigungsentwicklung werden auch die verfügbaren Haushaltseinkommen nur wenig steigen. Die Arbeitslosigkeit steigt seit einigen Monaten wieder an. WIFO und IHS haben daher die Wachstumsprognosen für 2012 auf 0,8 % bzw. 1,3 % zurückgenommen, was in etwa auch den Erwartungen der OeNB entspricht.

Nowotny nahm dann Bezug auf Diskussionen mit der Rating-Agentur Moody's über die Zukunft des österreichischen Triple-A-Ratings. Es bestehe eine allgemeine Krise der Staatshaushalte, und wenn auch Österreich hier noch im sicheren Bereich liege, so sei doch festzustellen, dass die Refinanzierung der Staatsschuld auch für uns teurer werde. Die Spreads für zehnjährige österreichische Staatsanleihen, die früher 30 bis 40 Punkte betrugen, liegen nun bereits bei 164 Punkten. Anstatt sich damit, wie in den letzten Jahren, in der Nähe Deutschlands zu befinden, werde Österreich nun mit Frankreich gruppiert. Die Schuldenbremse als vertrauensbildendes Element sei daher eine unabdingbar notwendige Maßnahme, sagte Nowotny und betonte die besondere Verantwortung des Gesetzgebers, diese durch eine Verfassungsmehrheit abzusichern.

Ein weiterer Punkt sei das Engagement österreichischer Banken in Ost- und Südosteuropa. Dieses sei prinzipiell eine Erfolgsgeschichte und die Volkswirtschaften aller beteiligten Staaten hätten davon profitiert. Allerdings würden sich daraus auch Risiken ergeben. In Verhandlungen mit der FMA und den Banken habe man Vorgaben entwickelt, um diese Risiken einzugrenzen. Hier geht es um höhere Kapitalisierungserfordernisse an die Mutterbanken, was auch die Implementierung von Basel III ohne Übergangsbestimmungen bereits ab 1. 1. 2013 umfasst. Die zentrale Maßnahme ist die Stärkung der lokalen Refinanzierung besonders exponierter Auslandstochterbanken. Hier ist eine Koppelung des zukünftigen Kreditwachstums an das Wachstum ihrer stabilen, eigenständigen Refinanzierungsformen (d. h. vor allem Einlagen) vorgesehen. Das bedeutet eine maximale Kredit-Einlagen-Quote von 110 % im Neugeschäft.

Damit wurde ein nachhaltiges Geschäftsmodell für die drei großen, in diesem Bereich engagierten Banken (Bank Austria, Erste und Raiffeisen International) entwickelt, um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Es gehe dabei also keineswegs, wie gelegentlich fälschlich kolportiert, um einen Rückzug dieser Banken, sondern um die Dynamik der weiteren Entwicklung ihres Engagements.

Die Situation auf den internationalen Finanzmärkten sei inzwischen für alle Staaten sehr angespannt. Auch Deutschland hat seit kurzem Probleme, seine 10-jährigen Bundesanleihen zu niedrigen Zinsen zu refinanzieren. 2012 werde ein massivere Refinanzierungsbedarf für die Staatsanleihen mehrerer europäischer Staaten vorliegen, dieser werde etwa für Italien 312 Mrd. € betragen, für Frankreich 246 Mrd. €. Österreich werde einen Refinanzierungsbedarf von 18 Mrd. € habe und sei damit in einer vergleichsweise günstigen Lage, da der Bund stets ein kluges Schuldenmanagement betrieben habe. Es sei aber auch zu bedenken, dass es auch einen Refinanzierungsbedarf der Kreditwirtschaft gebe. Insofern sei es für den österreichischen Staat besonders wichtig, "im eigenen Haus Ordnung zu halten", meinte Nowotny und sprach sich nochmals dezidiert für die Schuldenbremse aus.   

OeNB-Vizegouverneur Duchatczek verwies ergänzend zu den Ausführungen von Gouverneur Nowotny darauf, dass die Maßnahmen der OeNB im Kontext europäischer Vorgaben stehen. So verabschiedete ECOFIN am 8. November 2011 formell sechs Legislativakte zur verstärkten wirtschaftspolitischen Steuerung ("Six Pack"). Wesentliche Neuerungen bestehen zum einen in der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), mit strengeren Vorgaben im präventiven und korrektiven Arm sowie finanziellen Sanktionen für Euroraum-Mitgliedstaaten im Falle der Nicht-Einhaltung wirtschaftspolitischer Empfehlungen. Zum anderen wurde eine gänzlich neue Prozedur zur Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte geschaffen (Excessive Imbalances Procedure, EIP). Gemäß einem Indikatoren-Set ("Scoreboard") soll eine Früherkennung möglicher Ungleichgewichte stattfinden. Auch im Rahmen dieser Prozedur können finanzielle Sanktionen gegen Euroraum-Mitglieder verhängt werden. Für sämtliche Sanktionen (SWP, EIP) gilt, dass diese quasi-automatisch in Kraft treten.

Der Euro-Gipfels vom 26.Oktober 2011 beschloss eine Ausweitung des "Euro-Schutzschirms" European Financial Stability Facility (EFSF). Dazu wurden zwei Optionen im Grundsatz beschlossen: Erstens die Bereitstellung von zusätzlichen Sicherheiten für Privatanleger als Option beim Kauf von Anleihen am Primärmarkt ("Versicherungslösung") und zweitens die Optimierung der EFSF-Finanzierungsmechanismen über Zweckgesellschaften, damit erhöhte Mittel für Gewährung von Darlehen, Bankenrekapitalisierung sowie Ankauf von Staatsanleihen im Primär- und Sekundärmarkt bereitstehen ("Hebelung"). Eine weitere Zusammenarbeit mit dem IWF wird angestrebt, um die Wirkung der Finanzmittel der EFSF zu steigern. Am 7. November 2011 veröffentlichte der EFSF die Umsetzungsmodalitäten zu den beiden Optionen.

 

Zur Banken-Rekapitalisierung verabschiedete der Euro-Gipfel ein umfassendes Paket von Maßnahmen zu Stärkung des Vertrauens in den Bankensektor durch leichteren Zugang zu längerfristiger Finanzierung mithilfe eines koordinierten Vorgehens auf EU-Ebene und die Anhebung der Eigenkapitalposition von Banken auf 9 % Kernkapital ("Tier 1") bis Ende Juni 2012.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) begrüßte die Maßnahmen der OeNB zur Bankenregulierung und thematisierte das Rating Österreichs. Sei es früher in der Nähe Deutschlands gelegen, so werde Österreich nun wie Frankreich eingeschätzt, obwohl sich aus den Kennzahlen dies nicht nachvollziehen lasse. Grundsätzlich forderte Krainer, dass man bei Konsolidierungsmaßnahmen und Schuldenbremse nicht den Fehler machen dürfe, Maßnahmen zu setzen, die Wachstum und Beschäftigung kosten würden. Nur über Wachstum und Beschäftigung gebe es die Chance aus der Krise herauszukommen. Abgeordneter Martin Bartenstein (V) meinte hingegen, es sei zwar an sich richtig, auf Wachstum hinzuarbeiten und den richtigen Mix einnahmen- und ausgabenseitiger Maßnahmen zu finden. Derzeit befinde man aber noch am Beginn des Pfades und Sparen sei in dieser Phase angesagt. Er erkundigte sich bei Gouverneur Nowotny nach der Signalwirkung einer Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung und seiner Einschätzung der drei Varianten von Euro-Bonds, welche von der Europäischen Kommmission präsentiert wurden. Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) interessierte sich für die Frage des seiner Meinung nach künstlich "hochgespielten" Ostrisikos österreichischer Banken und sah Probleme darin, dass die EZB eine anderer Definition von Eigenkapital als Österreich vertrete. Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sprach die Befürchtung aus, dass sich eine Kreditklemme für KMU abzeichne und frage, ob Basel III hier das richtige Modell sein könne. Er fragte, ob die Refinanzierung der Staaten nicht nach einem anderen Modell, etwa dem Japans, erfolgen könnte, dass sich durchaus erfolgreich von den Volatilitäten der Finanzmärkte abkopple. Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) zog die Prognosen des Wirtschaftswachstums und der Inflationsrate in Zweifel. G-Abgeordnete Ruperta Lichtenecker erkundigte sich ebenfalls nach der Einschätzung der Euro-Bonds sowie der Auswirkung einer Schuldenbremse auf das Triple-A-Rating Österreichs, während Abgeordneter Peter Westenthaler (B) in der Schuldenbremse ein bloßes "Placebo" erkennen konnte. Wenn schon daran gedacht werde, so sollte zur selben Zeit eine Höchststeuerquote als Zielwert eingeführt werden, meinte er. Abgeordneter Konrad Steindl (V) fragte nach der Refinanzierung südeuropäischer Staaten, und Ausschussvorsitzender Günter Stummvoll (V) nach der Ankaufspolitik der EZB.

OeNB-Gouverneuer Nowotny sagte zur Frage der Schuldenbremse und der Auswirkung auf das Urteil der Rating-Agenturen, diese Frage liege nicht in der Kompetenz der Notenbank, diese müsse aber auf gesamtwirtschaftliche Notwendigkeiten und internationale Entwicklungen hinweisen. Das Konzept einer Schuldenbremse gebe es in der Schweiz seit 10 Jahren und wurde vor zwei Jahren auch für Deutschland entwickelt. Es wäre sicher besser, wenn Österreich hier etwas eigenständig entwickeln würde, um nicht später dazu gezwungen zu werden. Für die Rating-Agenturen zähle vor allem die Nachhaltigkeit von Maßnahmen, diese könne nur durch verfassungsrechtliche Normen abgesichert werden. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland handle es sich daher um Bestimmungen im Verfassungsrang.

Zum Ostengagement österreichischer Banken hielt er fest, dass es auch hier um die nachhaltige Entwicklung der österreichischen Kreditwirtschaft gehe. Dies sei der wesentliche Punkt für Ratings. In letzter Zeit sei hier wieder eine Diskussion entstanden, weshalb es wichtig war, das Vertrauen in die österreichische Kreditwirtschaft und damit auch in den österreichischen Staat zu erhöhen.

In der Frage der Eurobonds und der europäischen Kapitalmärkte stellte Nowotny fest, dass zweifellos erhebliche Probleme bei der Finanzierung öffentlicher Haushalte bestehen. Staaten wir Griechenland und Portugal, die nicht mehr auf die internationalen Finanzmärkte gehen können, erhalten eine externe Finanzierung durch den Rettungsschirm. Diese ist an bestimmte Auflagen geknüpft, die auf Strukturänderungen abzielen. Der ESFS gebe damit eine Überbrückungshilfe, da sie an gewisse Grenzen gestoßen sei, habe man eine Ausweitung beschlossen. Diese Beschlüsse seien aber noch nicht umgesetzt, er vertrete daher die Position, dass es nicht sinnvoll sei, neue Modelle zu diskutieren, bevor diese Umsetzung nicht erfolgt sei. Das Problem einer Kreditklemme für KMU müsse man ernst nehmen, meinte Nowotny, Basel III enthalte Regelungen, die darauf durchaus Rücksicht nehmen. Es zeichne sich auch die Tendenz ab, Basel III nur für große, international tätige Banken einführen zu wollen. Das Problem sei allerdings nicht gesamteuropäisch, sondern eher für Österreich relevant. Es zahle sich aber auf jeden Fall aus, sich für die KMUs einzusetzen. Zur Ankaufspolitik der EZB hielt er fest, dass diese auf Korrekturen von Marktversagern abziele. Es ergebe sich daraus keine inflatorische Wirkung.

Beim Thema Eurobonds hielt Vizegouverneur Wolfgang Duchatczek fest, dass die Zinsentwicklung in der Eurozone die wirtschaftliche Entwicklung der Länder bis 2006 nicht widergespiegelt habe und sich die Spreads in Europa erst nach dem Lehman-Zusammenbruch auseinanderentwickelt haben. Als Voraussetzungen für eine Zusammenführung der Spreads nannte der Vizegouverneur eine Konvergenz der Finanzmärkte in Europa und zumindest Elemente einer Wirtschaftsunion, um eine Auseinanderentwicklung schwacher und starker Mitgliedstaaten zu verhindern.

Abgeordneter Werner Kogler (G) machte darauf aufmerksam, dass ein Eurobond-System mit Blue Bonds und Red Bonds Vorteile für Europa bringen würde und zeigte sich überzeugt, dass ein solches Modell funktionieren könnte. Kogler hielt es nämlich für einen "Rechenfehler", anzunehmen, dass die Zinsen auf einem einheitlichen Kapitalmarkt in Europa dem gewichteten Durchschnittswert der heutigen Eurozonen-Mitglieder entsprechen würde. Der Liquiditätseffekt würde vielmehr zinsdämpfend wirken, die Eurozone gegen Spekulanten immunisieren und außerdem könnte man sich die Kosten für jene Länder ersparen, die man nicht Pleite gehen lassen könne. Vorauissetzen würde dies würde freilich, innerhalb der Eurozone ausreichend Anreize zur Einhaltung der Budgetdisziplin zu schaffen.

Den Appell des Notenbank-Gouverneurs an die Opposition, der Schuldenbremse zuzustimmen, wies Abgeordneter Kogler zurück. Er halte nichts davon, in die Bundesverfassung einen Saldo hineinzuschreiben, ohne dass die Regierung auch nur den Weg skizziere, wie man die Schulden senken wolle.

Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny sprach von Vor- und Nachteilen von Eurobonds und räumte ein, dass ein einheitlicher Kapitalmarkt nach dem Vorbild der USA wünschenswert wäre. "Es ist ein Nachteil der EU, kein einheitlicher Kapitalmarkt zu sein". Die Entwicklung einer einheitlichen europäischen Finanzpolitik brauche aber Zeit, weil man regionalpolitische Transfereffekte vermeiden müsse. Deutschland, das größte Mitgliedsland der Eurozone, lehne solche Transfereffekte ab, ohne Zustimmung Deutschlands haben Eurobonds realistischerweise keine Chance. Vizegouverneur Duchatczek merkte an, Eurobonds würden dazu führen, dass sich wirtschaftlich schwächere Länder der Eurozone billiger refinanzieren könnten, für wirtschaftlich stärkere Länder würden Eurobonds höhere Zinsen bedeuten.

Schließlich unterstrich Nowotny die Notwendigkeit einer Schuldenbremse noch einmal mit dem Hinweis auf die langfristige Stabilität und wiederholte seinen Appell an alle politischen Kräfte, eine Schuldenbremse nach dem Vorbild der Schweiz und Deutschlands zustande zu bringen. (Schluss)