Parlamentskorrespondenz Nr. 1162 vom 30.11.2011

EU-Ausschuss Bundesrat: Für und Wider Basel III

BundesrätInnen befürchten Kreditklemme für KMU

Wien (PK) – Die Finanz- und Schuldenkrise hat die Anfälligkeit des Bankensystems, vor allem aufgrund einer zu niedrigen Eigenkapitalausstattung einmal mehr deutlich gemacht. Daher sollen nun durch neue Vorschriften ("Basel III") die Eigenkapitalbasis und der Liquidität im Bankensektor gestärkt werden. Zentrale Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung sind höhere Anforderungen an die Qualität und Quantität des "harten Kernkapitals" und eine absolute Begrenzung des Verhältnisses der Ausleihungen zum Eigenkapital ("Leverage Ratio"). Das Liquiditätsregime soll weltweit harmonisiert werden und die vorzuhaltenden Kapitalpuffer haben sich an Stressszenarien zu orientieren.

Die neuen Vorschriften sollen Anfang 2013 in Kraft treten, was sehr knapp ist, da mit dem Abschluss der Verhandlungen frühestens Mitte 2012 zu rechnen sein wird. Gleichzeitig ist auf nationaler Ebene die entsprechende Umsetzung durchzuführen. Parallel dazu soll die europäische Bankenaufsichtsbehörde Standards und Leitlinien zur Umsetzung ausarbeiten. 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats diskutierte heute über einen Richtlinienentwurf und drei Verordnungsentwürfe (Teil 1, Teil 2 und Teil 3) zur Umsetzung von Basel III sowie über ein Arbeitsdokument der Europäischen Kommission hinsichtlich der Folgenabschätzung. Das Ziel der Vorhaben ist die Steigerung der Finanzmarktstabilität, die Stärkung des Vertrauens der Anleger in das Finanzsystem und die Hebung der Resistenz des Finanzsystems in Finanzkrisen. Es soll in Zukunft eine sektorale Ansteckungsgefahr verhindert werden, die Schieflage einer Bank dürfe nicht mehr auf eine andere überschwappen.

Die entsprechenden Änderungsvorschläge zielen daher insbesondere darauf ab, die Qualität und Quantität der Eigenmittel zu heben, harmonisierte Liquiditätsanforderungen einzuführen, den Verschuldensgrad eines Kreditinstituts zu reduzieren und prozyklische Effekte zu vermeiden, heißt es in den Unterlagen des Finanzministeriums. Es gehe um Stärkung der Markttransparenz und der Aufsichtsbehörden, führte die Vertreterin des Finanzministeriums weiter aus. Dadurch sollen schon vorzeitig Indikatoren der Krise erkannt werden, sodass rechtzeitig Maßnahmen seitens der Aufsicht vorgeschrieben und ergriffen werden können. Darüber hinaus soll die europäische Finanzaufsichtsstruktur, insbesondere durch engere Kooperation, weiter verbessert werden.

Das von der Kommission vorgelegte Maßnahmenpaket enthält Vorschläge zur Harmonisierung des europäischen Bankaufsichtsrechts ("Single Rule Book"), Vorschläge zur Verbesserung der Corporate Governance in Finanzunternehmen und Vorschläge für ein europaweit harmonisiertes Sanktionsregime.

Konkret sollen aufgrund von Basel III die Anforderungen an das Mindesteigenkapital erhöht werden, weiters wird die Einführung von Kapitalpuffern gefordert, um im Falle einer Krise besser und gestärkt agieren können. Basel III schreibt künftig eine harte Kernkapitalquote von 7% (4,5% Mindesteigenkapitalanforderungen und zusätzlich 2,5% Kapitalerhaltungspuffer) vor. Hinzu kommt weiches Kernkapital in Höhe von 1,5% und Ergänzungskapital in Höhe von 2%. Damit wird die ursprüngliche Quote ebenso wie die Anforderungen für andere wichtige Stabilitäts-Kennzahlen erhöht.

Was die Sanktionen betrifft, so tritt neben die schon jetzt möglichen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden die Möglichkeit einer öffentlichen Warnung vor einem Institut als Sanktionsmöglichkeit hinzu. Zudem soll die Bemessung von Geldstrafen, die von einer zuständigen Behörde bei Verwaltungsübertretungen, die nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung erfüllen, europaweit vereinheitlicht werden.

Die Mitglieder der G 20 (darunter auch die USA) verpflichteten sich zur Umsetzung von Basel III, die USA zudem zur nachträglichen Umsetzung von Basel II bis 31.12.2012, selbstverständlich vorbehaltlich eines Kongressbeschlusses.

"Basel III" wurde vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im September 2010 beschlossen. Im Baseler Ausschuss sind die Zentralbankgouverneure der Notenbanken und die Leiter der Finanzaufsichtsbehörden folgender Länder vertreten: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, China, Frankreich, Deutschland, Hong Kong SAR, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Korea, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Russland, Saudi Arabien, Singapur, Südafrika, Spanien, Schweden, Schweiz, Türkei, USA und Großbritannien. Der Ausschuss ist bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel angesiedelt.

Seitens der Bundesrätinnen und Bundesräte wurde große Skepsis gegenüber Basel III geäußert. Sie befürchteten insbesondere negative Auswirkungen auf die Kreditvergabe an die KMU und die Abwälzung der Kosten auf die Betriebe und privaten Haushalte. In diesem Sinne äußerten sich die Bundesrätinnen Sonja Zwazl (V/N), Monika Mühlwerth (F/W) und Susanne Neuwirth (S/S). Die Finanzkrise sei nicht von europäischen Banken ausgegangen, bemerkte etwa Bundesrätin Zwazl. Bundesrätin Angelika Winzig (V/O) erkundigte sich, ob es hinsichtlich der Rating-Kriterien für die Banken eine Harmonisierung gibt, was von Franz Nauschnigg (OeNB), der dem Ausschuss als Auskunftsperson zur Verfügung stand, verneint wurde. Das machen die Banken selbst, das Problem sei aber, dass diese Aufgabe manche Banken an Ratingagenturen weitergegeben haben, sagte er. Basel III soll nun dazu dienen, dass auf Grund des höheren Eigenkapitals die Banken für die eigenen Fehler selbst gerade stehen können. Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) gegenüber bestätigte er, dass es immer wieder Spekulationsangriffe auf einzelne EU Staaten gebe, derzeit auch auf Österreich, Deutschland und Niederlande, was zu höheren Spreads führe.  

Den Bedenken der Bundesrätinnen und Bundesräte gegenüber Basel III hielt die Vertreterin des Finanzministeriums entgegen, dass das geplante Vertragswerk auch dazu diene, die Abwälzung der Kosten auf die SteuerzahlerInnen, und das seien auch KMU, zu minimieren. Die EU sei besonders bestrebt, die Bedingungen für die kleineren und mittleren Unternehmen zu verbessern. Laut vorliegenden Studien habe auch Basel II zu keiner Kreditknappheit geführt, bemerkte sie. Außerdem habe die Bankaufsichtsbehörde über die Auswirkungen Berichte vorzulegen. Basel III sei nur eines von mehreren parallel laufenden Projekten, führte sie weiter aus. Dazu zählen etwa Vorhaben zur Regulierung von Ratingagenturen, zur Verbesserung der Marktinfrastruktur sowie zur möglichen Abwicklung systemrelevanter Banken.

Auch Franz Nauschnigg von der Oesterreichischen Nationalbank unterstützte die Zielrichtung von Basel III und stellte dies in einen historischen Kontext. Bis zum Jahr 1971 habe es ein gut funktionierendes System mit starken staatlichen Eingriffen in den Finanzmarkt gegeben. Ab dieser Zeit habe man die Notwendigkeit einer Deregulierung gesehen, nun sei man wieder auf dem Weg zu einer Re-Regulierung, da man schon vor der aktuellen Krise eine große Anzahl anderer Krisen zu bewältigen gehabt habe. Nauschnigg überraschte mit einer Statistik, wonach es seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts 208 Währungskrisen, 124 Bankenkrisen und 63 Staatsschuldenkrisen gegeben hat. Der Euro stelle einen Schutzschirm vor einer Währungskrise dar, betonte der Experte, der Bankensektor könne aber auf die Realwirtschaft ansteckend wirken und auch den Staat selbst gefährden, wie man an Island und Irland nachverfolgen könne. Im Jahr 2009 habe es spekulative Attacken gegen Länder in Osteuropa und auch gegen Österreich gegeben, was man mit mehreren Maßnahmen bewältigen konnte, etwa durch die Zahlungsbilanz Fazilität für nicht Euro Länder, die Anhebung der Mittel des IWF und die Vienna Initiative.

(Schluss EU-Ausschuss Bundesrat)


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