Parlamentskorrespondenz Nr. 1166 vom 30.11.2011

Grünes Licht für Änderungen beim Kinderbetreuungsgeld

Familienausschuss nimmt diesbezügliche Novelle mit S-V-Mehrheit an

Wien (PK) – Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP nahm der Familienausschuss des Nationalrats heute Nachmittag eine Novelle des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (1522 d.B.) an, mit der die Zuverdienstgrenze bei der einkommensabhängigen Kindergeldvariante von 5.800 auf 6.100 € erhöht wird. Der Gesetzesentwurf sieht außerdem Änderungen hinsichtlich der Berechnung des Zuverdienstes bei Selbständigen, eine Frist für den Nachweis von Einkünften vor und nach dem Kindergeldbezug und die Einführung von Sanktionen bei Verweigerung der Mitwirkung oder bei Verstoß gegen die Meldepflichten vor. Eltern, die vor der Geburt des Kindes arbeitslos gemeldet sind, sollen außerdem auch dann keinen Anspruch auf einkommensabhängiges Kindergeld haben, wenn sie zuvor (neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung) geringfügig beschäftigt waren.

Ebenfalls diskutiert wurde in der Sitzung des Familienausschusses über eine Reihe von Oppositionsanträgen, die man teils vertagte, teils ablehnte. Keine Zustimmung fanden dabei die Anträge des BZÖ betreffend Abschaffung der Zuverdienstgrenzen beim Kinderbetreuungsgeld (1742/A[E]) und Umgestaltung des FLAF zu einem ausgegliederten Familienleistungszentrum (1745/A[E]). Ebenfalls abgelehnt wurden die Initiativen der Grünen und Freiheitlichen betreffend frühere Auszahlung von Familienleistungen (377/A[E]) und Gewährung von Familienbeihilfe für Auszubildende zum Sozialfachbetreuer in der Berufstätigenform (1449/A[E]).

Mit S-V-Mehrheit vertagt wurden die Anträge, in denen sich die Grüne Fraktion für ein bundeseinheitliches Grundsatzgesetz für Kinderbetreuung (598/A[E]) und die Einsetzung eines Kinderrechte-Monitoringausschusses (1679/A[E]) ausspricht. Ebenso erging es der Initiative der Freiheitlichen betreffend Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten (1604/A[E]) und dem Antrag des BZÖ betreffend Vereinheitlichung der Antrags- und Auszahlungsmodalitäten der Familienleistungen (1744/A[E]). 

Grundsatzdebatte über die Weiterentwicklung des Kindergelds

Anlass zu einer Grundsatzdebatte über die Zukunft des Kinderbetreuungsgelds bot die auf der Tagesordnung des Ausschusses stehende Novelle der diesbezüglichen gesetzlichen Grundlage. Während die VertreterInnen der Koalitionsparteien einen Schritt zur Vereinfachung der Modalitäten und der Vermeidung von Härtefällen sahen, konzentrierte sich die Kritik der Opposition auf die ihrer Ansicht nach zu große Komplexität der Kindergeldregelungen, welche es Eltern schwer mache, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die S-Abgeordneten Rosemarie Schönpass und Gabriele Binder-Maier hoben hervor, dass die Novelle notwendige Klarstellungen bringe und damit auch Verwaltungsaufwand und damit Geld spare, das, wie Abgeordnete Gisela Wurm (S) meinte, eher in Kinderbetreuungsplätze investiert werden sollte. Einer generellen Abschaffung der Zuverdienstgrenzen standen die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP ablehnend gegenüber. Die V-Abgeordneten Anna Höllerer, Christine Marek und August Wöginger sahen vor allem die Gefahr, dass durch die völlige Abschaffung der Zuverdienstgrenze der Lenkungseffekt verloren gehen würde. Letztlich ginge ein solches einkommensunabhängiges Kindergeld zu Lasten der Väterbeteiligung, da Väter keinen Anreiz mehr hätten, weniger zu arbeiten und sich Zeit für die Kinderbetreuung zu nehmen. Die Novelle löse Probleme, die in Einzelfällen auftraten, etwa bei Zuverdienstgrenzen, und sichere die Wahlfreiheit bei den Kindergeldvarianten ab, zeigte sich Ausschussvorsitzende Ridi Maria Steibl (V) überzeugt.

VertreterInnen der Opposition plädierten hingegen klar für die Abschaffung der Zuverdienstgrenze. Die F-Abgeordneten Anneliese Kitzmüller und Carmen Gartelgruber sahen eine zu starke Inflexibilität des Systems des Kindergelds, wodurch es nicht möglich sei, auf geänderte Lebensumstände zu reagieren. Eltern müssten sich zudem zu früh und ohne ausreichende Information auf ein bestimmtes Modell festlegen. Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) sah überdies keine ausreichende Wahlfreiheit der Eltern gegeben. Das Argument, dass der Fall der Zuverdienstgrenze das System überfordere, sei nicht haltbar, meinte sie.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) war der Ansicht, dass die Novelle die Komplexität der Kindergeldregelungen, die sogar für JuristInnen schwer durchschaubar seien, nur weiter erhöhe, und verwies in diesem Zusammenhang auf die diesbezügliche Kritik der Arbeiterkammer und der Volksanwaltschaft. Die Neuregelung des Kindergeldbezugs während der Arbeitslosigkeit stehe möglicherweise sogar im Widerspruch zu EU-Recht – eine Thematik, die auch G-Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill aufgriff. Abgeordnete Judith Schwentner (G) merkte überdies an, dass man es verabsäumt habe, die rechtliche Stellung von Hebammen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere zu verbessern. Die Novelle hätte eine Handhabe geboten, auch dieses Problem anzugehen.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) forderte eine Diskussion über die Weiterentwicklung des Kindergeldes ein. Es seien viele Aspekte, wie der Kreis der Anspruchsberechtigten oder die Dauer des Bezugs und damit verbundener Fristen, nicht hinreichend geklärt. Das BZÖ plädiere daher für die Entwicklung zu einer einkommensunabhängigen Familienleistung. Abgeordnete Martina Schenk (B) wollte von Familienminister Reinhold Mitterlehner außerdem wissen, was eine Abschaffung der Zuverdienstgrenze budgetmäßig kosten würde.  

Mitterlehner räumt ein, dass das Kinderbetreuungsgeld sehr komplex geregelt sei, da man damit auf viele verschiedene Lebensmodelle Rücksicht nehme. Man habe aber eindeutig ein über weite Strecken erfolgreiches Modell geschaffen. Das lasse sich etwa an der deutlichen Steigerung der Väterbeteiligung ablesen. Kritisch bewertete er die Forderung nach dem Fall der Zuverdienstgrenze beim Kindergeld, denn damit würden gewünschte Lenkungseffekte wegfallen. Dadurch entstünde schlussendlich ein komplizierteres und teureres System, das den FLAF mit zusätzlichen 200 bis 300 Mio. € belasten würde, ohne dass sich eine Verbesserung der Kinderbetreuung ergäbe.

Die Einsparungseffekte, die die vorliegende Novelle bringen werde, seien von seinem Ressort aufgrund der Annahme, dass ein Teil der Eltern nun in die Pauschalvariante des Kindergeldes wechseln werde, berechnet worden. Prinzipiell ließ der Minister die Bereitschaft erkennen, Vorschläge, wie eine Vereinfachung und kostengünstigere Abwicklung des Kindergeldes möglich wäre, zu diskutieren. Änderungen sollten aber auf dem jetzt bestehenden Modell aufbauen, stand für ihn außer Frage.

Die rechtliche Stellung der Hebammen sei außerdem ein Problem, mit dem sich das Gesundheitsressort zu befassten hatte, schloss Mitterlehner.

Keine Änderung der Auszahlungsmodalitäten der Familienbeihilfe

Auf der Tagesordnung standen weiters zwei Oppositionsanträge, die auf eine Veränderung der Auszahlungsmodalitäten der Familienbeihilfe abzielten. Die Grünen forderten in ihrem Antrag eine monatliche Auszahlung: Dies würde eine bessere Planbarkeit der Familienbudgets erlauben, argumentierte Abgeordnete Daniela Musiol (G), die diesbezüglich Unterstützung von F-Abgeordneter Edith Mühlberghuber erhielt. Abgeordnete Schenk (B) wies darauf hin, dass diese Forderung auch im Antrag des BZÖ enthalten sei, in dem man überdies für eine direkte Auszahlung der Studienbeihilfe an Studierende plädiere. Abgeordnete Windbüchler-Souschill (G) meinte, alle angesprochenen Probleme gelte es in Hinblick auf eine generelle Neuordnung der Familienbehilfe diskutieren.

Abgeordnete Angela Lueger (S) und Abgeordneter Nikolaus Prinz (V) konnten den Vorteil einer monatlichen Auszahlung nicht erkennen: Diese würde lediglich die Verwaltungskosten erhöhen, stellten sie fest. S-Abgeordneter Franz Riepl machte außerdem darauf aufmerksam, dass die direkte Auszahlung der Familienbeihilfe an Studierende eine Reihe komplexer steuerrechtliche Fragen für deren Eltern aufwerfen würde.

Familienminister Reinhold Mitterlehner verwies ebenfalls auf die hohen Verwaltungskosten, die eine monatliche Auszahlung nach sich ziehen würde. Was die Auszahlung der Studienbeihilfe an Studierende betreffe, wäre die Umstellung auf einen direkten Anspruch der Studierenden außerdem mit beträchtlichen rechtlichen Komplikationen verbunden und äußerst schwierig umzusetzen. Sein Ressort berate deshalb über eine "Softvariante", die eine direkte Anweisung ermöglichen würde, doch sei auch das rechtlich weit komplexer, als man auf den ersten Blick vermutete.

Was die von Seiten der Freiheitlichen Fraktion geforderte Ermöglichung des Familienbeihilfebezugs für Personen, die eine Ausbildung zum Sozialfachbetreuer in Berufstätigenform absolvierten (1449/A[E]), anbelange, gelte es stets den Einzelfall im Blick zu halten, meinte Mitterlehner. Der gegenständliche Antrag sei damit nicht das geeignete Mittel, die diesbezüglich bestehenden Probleme zu lösen. Personen, die eine solche Ausbildung absolvierten und die Zuverdienstgrenze von 10.000 € jährlich nicht überschritten, hätte schließlich durchaus die Möglichkeit, eine solche Beihilfe zu erhalten, schloss er. Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und BZÖ abgelehnt.

Ausschuss diskutiert Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten

Ein weiterer Antrag der Freiheitlichen Fraktion (1604/A[E]) veranlasste die Mitglieder des Ausschusses zu einer Grundsatzdebatte über die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Antragstellerin Anneliese Kitzmüller zeigte sich dabei überzeugt, dass die derzeit bestehende Regelung, die es ermögliche, 2.300 € pro Kind (das das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet habe) abzusetzen, zu wenig weit gehe: Die FPÖ fordere nicht nur eine Ausweitung in Hinblick auf die gesetzte Altersgrenze, sondern auch eine Aufnahme weiterer familienbezogener Kosten, erläuterte sie. Ihre Fraktionskollegin Carmen Gartelgruber machte außerdem auf das Problem der unzureichenden Aufklärung der Eltern über die Möglichkeit der steuerlichen Absetzung von Kinderbetreuungskosten aufmerksam.

B-Mandatarin Ursula Haubner plädierte für ein gänzlich neues Modell, das klare Regelungen schaffe. Das BZÖ spreche sich in diesem Zusammenhang für ein System aus, das eine Absetzung von "Kinderkosten" allgemein ermögliche. Dem gegenständlichen Antrag wolle man, obgleich er in die richtige Richtung weise, daher nicht die Zustimmung erteilen.

Abgeordnete Christine Marek (V) hielt fest, die Ermöglichung der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten sei ein "Meilenstein" gewesen. Nun gehe es darum, die derzeit gültigen Bestimmungen sukzessive zu verbessern und zu erweitern. Dazu bedürfe es jedoch weiterführender Diskussionen, weshalb der Antrag zu vertagen sei.

Vertagt wurde auch die Initiative der Grünen betreffend Schaffung eines bundeseinheitlichen Grundsatzgesetzes Kinderbetreuung (598/A[E]), die G-Mandatarin Daniela Musiol ausführlich erläutert hatte. Ihr zufolge gehe es nicht an, sich ständig auf eine zersplitterte Kompetenzlage auszureden: Man müsse vielmehr konkrete Maßnahmen setzen.

Die Abgeordneten Christine Marek (V), Gabriele Binder-Maier (S) und Angela Lueger (S) hielten es für notwendig, die angesprochene Kompetenzlage anzuerkennen, die es erfordere, Schritt für Schritt vorzugehen. Das sei nicht leicht, doch wesentlich realistischer als die Forderung der Grünen, stand für sie außer Frage – eine Auffassung, der sich auch Bundesminister Reinhold Mitterlehner anschloss: Käme es heute zu einem derartigen Beschluss, wäre das Problem schließlich nur "scheinerledigt", gab er zu bedenken.

F-Mandatarin Anneliese Kitzmüller und B-Abgeordnete Martina Schenk sprachen in Hinblick auf den gegenständlichen Antrag von positiven Aspekten, wiesen aber einige Forderungen der Grünen als zu weit gehend zurück.

Für eine Vertagung stimmten SPÖ und ÖVP auch im Falle des Antrags der Grünen Fraktion, in dem sich Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill für die Etablierung eines Kinderrechte-Monitoringsausschusses zur Überprüfung der Umsetzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte der Kinder ausspricht (1679/A[E]). V-Mandatarin Silvia Fuhrmann begründete dieses Vorgehen mit der ohnehin durchgeführten Evaluierung im Rahmen des internationalen Monitoringmechanismus und dem derzeit wichtigeren Anliegen, eine Kinder- und Jugendverträglichkeitsprüfung auf Schiene zu bringen.

FLAF: Sanierung aber keine Umgestaltung

Diskutiert wurde im Ausschuss außerdem ein Antrag des BZÖ betreffend Umgestaltung des FLAF zu einem ausgegliederten Familienleistungszentrum (1745/A[E]), den B-Mandatarin Ursula Haubner ausführlich begründete. Dieser stieß bei den übrigen Fraktionen und Familienminister Reinhold Mitterlehner allerdings auf wenig Gegenliebe: Zwar seien Sanierung und Reform des FLAF notwendig und wichtig, doch könne man der vorgeschlagenen Umgestaltung nicht nähertreten, begründeten sie die Ablehnung des vorliegenden Antrags. (Schluss)