Parlamentskorrespondenz Nr. 1173 vom 01.12.2011

Leistungsangebot von Spitälern soll bedarfsgerechter werden

Ärztegesetznovelle wegen Blockade der Bundesländer vertagt

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss vertagte heute mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ mehrheitlich die 15. Ärztegesetznovelle, da fünf Bundesländer zu dieser Frage den Konsultationsmechanismus angerufen haben. Die Haltung der Bundesländer wurde allgemein bedauert, da die Abgeordneten vor allem die darin enthaltenen Verbesserungen für die TurnusärztInnen unterstützten. Die Novelle sieht die Möglichkeit einer Flexibilisierung der Kernarbeitszeiten für Turnusärztinnen und -ärzte vor, um ihre Ausbildung im Mehrschichtbetrieb unter entsprechender fachärztlicher Anwesenheit zeitversetzt und intensiver gestalten zu können.

Die Abgeordneten Sabine Oberhauser (S), Wolfgang Spadiut (B), Kurt Grünewald (G), Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), Oswald Klikovits und Erwin Rasinger (beide V) sprachen dabei die Hoffnung aus, dass es in weiteren Verhandlungen mit den Ländern möglich sein werde, das Vorhaben gemeinsam umzusetzen. Abgeordneter Erwin Rasinger wies insbesondere darauf hin, dass die neuen Bestimmungen den Ländern eine weitgehende Flexibilität, auch in Hinblick auf den Personaleinsatz ermögliche. Er warnte aber davor, die Arbeitsbedingungen gerade für TurnusärztInnen zu verschlechtern, denn es zeige sich im Ausland der Trend, dass junge ÄrztInnen wegen schlechter Arbeitsbedingungen nicht mehr ins Spital gehen. Auch in Österreich komme es immer wieder vor, dass TurnunsärztInnen auf sich allein gestellt seien und damit nicht nur selbst in eine schwierige Haftungsposition kommen, sondern auch die PatientInnen gefährden. Man müsse alles tun, um für die jungen ÄrztInnen eine optimale Ausbildung zu gewährleisten, so der allgemeine Tenor.

Dem schloss sich auch Gesundheitsminister Alois Stöger an und gab zu bedenken, dass die Bundesländer zu sehr auf die Ökonomie schauten und offensichtlich weniger die Qualität der Ausbildung im Blick hätten. Sollte es keine Einigung mit den Ländern geben, dann habe er nur die Möglichkeit, die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen zu belassen, die Kontrollen aber zu erhöhen.

Unter den insgesamt 16 Maßnahmen, die der gegenständliche Gesetzentwurf umfasst, findet sich auch das Vorhaben, in Bezug auf die ärztliche Verschwiegenheitspflicht eine Ausnahme gegenüber anderen ÄrztInnen und Krankenanstalten zur besseren Vernetzung bei Verdacht auf Kindesmissbrauch zu verankern. Damit soll dem Unentdecktbleiben derartiger Fälle entgegengewirkt werden: ÄrztInnen werden künftig von ihrer Verschwiegenheitspflicht gegenüber oben genannten Stellen entbunden, wenn dies zur Aufklärung eines Missbrauchs-, Vernachlässigungs- oder Misshandlungsverdachts und zum Wohle des Minderjährigen erforderlich ist.

Dazu brachte Abgeordneter Wolfgang Spadiut (B) einen Abänderungsantrag ein, in dem eine unverzügliche Anzeigepflicht bei Verdacht auf Misshandlung und sexuellem Missbrauch Minderjähriger gefordert wird. Dagegen wandten sich jedoch die Abgeordneten Sabine Oberhauser (S), Kurt Grünewald (G), Ridi Maria Steibl und Erwin Rasinger (beide V). Sie führten ins Treffen, alle ExpertInnen hielten die geltende Regelung für ausreichend. ÄrztInnen haben bei Verdacht grundsätzlich sofort Anzeige zu erstatten, erklärte Abgeordnete Oberhauser, eine Ausnahme gebe es nur, wenn die Tat innerhalb der Familie erfolgt ist. Diese Regelung gebe es aus gutem Grund, da man Sorge habe, dass anderenfalls die Eltern nicht sofort ärztliche Hilfe aufsuchen. Außerdem sei es psychologisch für die Kinder sehr schwierig, gegen die eigenen Eltern auszusagen. Man brauche viel mehr Prävention und Unterstützung der Eltern, wurde argumentiert, außerdem müsse man in derartigen Fällen sofort mit der Jugendwohlfahrt Verbindung aufnehmen.

Der Antrag der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), in dem der Gesundheitsminister aufgefordert wird, eine bundesweite EDV-Vernetzung zwischen Krankenhäusern und Hausärzten zu veranlassen, um dem Spitalstourismus im Zusammenhang mit verletzten Kindern Einhalt zu gebieten, wurde ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

Kranken- und Kuranstalten: Qualität muss aufrecht erhalten werden

Die Neuregelung für die Kranken- und Kuranstalten wurde von Abgeordnetem Erwin Rasinger (V) als eine "Revolution" bezeichnet. Dadurch würde den Ländern eine weitestgehende Spezifizierung des Leistungsangebots ermöglicht. Es gelte nun, alles daran zu setzen, auch die Qualität zu halten. Rasinger machte auch zu diesem Tagesordnungspunkt auf die Gefahr aufmerksam, dass aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen und mangelnder Qualität immer mehr ÄrztInnen und Schwestern aus Österreich abwandern könnten. Vor allem für Frauen mit Kindern seien die Arbeitsbedingungen in den Spitälern schlecht, sagte er. Er warnte daher eindringlich davor, im Gesundheitsbereich die Ökonomie in den Vordergrund zu stellen. Vielmehr müsse man alles daran setzen, das hohe Niveau der Gesundheitsversorgung, das Österreich nur mehr mit Deutschland und Schweden teile, aufrecht zu erhalten. Der Arbeitsdruck der Spitalsbeschäftigten gehe bis ins Unerträgliche, stellte er fest.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) begrüßte die Novelle als einen deutlichen Versuch, in der Qualitätssicherung weiter zu kommen. Sie sah vor allem große Vorteile für den ländlichen Bereich, insbesondere durch die abgestufte Versorgung: Hausarzt – Facharzt -  ambulanter Bereich - hochspezialisierte Versorgung.

Dem gegenüber zeigte sich Abgeordneter Kurt Grünewald (G) skeptisch. Er sehe zwar die großen Chancen, die die Novelle biete, diese seien jedoch mit einem hohen Risiko verbunden. Es werde darauf ankommen, wie das Ressort das Gesetz begleitet und evaluiert, stellte er fest. Kein Vertrauen in das Bemühen der Länder um Qualität hatte jedoch Ausschussvorsitzende Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Sie befürchtete die Entwicklung zu "Schmalspurkrankenhäusern", da ein gesamtösterreichischer Plan fehle.

Bundesminister Alois Stöger bekräftigte seine Erwartung, dass die Änderungen zur Verbesserung der Versorgung und der Qualität beitragen werden. Er stimmte Abgeordnetem Rasinger zu, mit den Ressourcen vernünftig umgehen zu müssen. Das Gesundheitssystem könne aber nicht immer an erster Stelle bei Einsparungen genannt werden, stellte er fest.

Die Novelle passierte den Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen mehrheitlich.

Biomedizinkonvention und Präimplantationsdiagnostik – zusätzlicher Diskussionsbedarf

Eine größere Diskussion entstand um den Antrag von Abgeordneter Helene Jarmer (G) zur Entschädigung von Contergan-Opfern. Bis jetzt seien nur neun Personen entschädigt worden, sagte sie, alles gehe viel zu langsam. Die in Österreich zur Verfügung gestellten 2,8 Mio. € klängen zwar viel, würden aber die Lebensqualität der Betreffenden nicht verbessern.

Bundesminister Alois Stöger bekräftigte, er sei um eine humanitäre Geste bemüht gewesen, habe aber die Schwierigkeit des Nachweises unterschätzt. Derzeit würde die Fälle von 54 Personen untersucht, in vielen Fällen seien bereits 50.000 € ausbezahlt worden. Sobald die Gesamtzahl feststeht, werde der Rest aufgeteilt. Es würden alle 2,8 Mio. € den Opfern zur Verfügung gestellt, bekräftigte er. Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) ergänzte, dass österreichische Opfer Zugang zu den Ausgleichszahlungen in Deutschland haben, dazu gebe es auch eine umfassende Information. Der österreichische Beitrag sei eine einmalige humanitäre Geste, andernfalls hätten die Betreffenden keinen Anspruch auf die deutschen Zahlungen. Der Antrag der Grünen wurde schließlich von SPÖ, ÖVP und FPÖ mehrheitlich abgelehnt.

Ebenfalls mehrheitlich abgelehnt, diesmal von SPÖ und ÖVP, wurde der Antrag von Abgeordnetem Norbert Hofer (F) betreffend Einrichtung eines Unterstützungsfonds für österreichische Contergan-Geschädigte.

Der Antrag des Abgeordneten Kurt Grünewald (G) betreffend begrenztem Zugang zur Präimplantationsdiagnostik wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen dem Justizausschuss zugewiesen. Die Abgeordneten Claudia Durchschlag (V) und Sabine Oberhauser (S) sprachen von einem differenzierten Antrag, worüber eine breite Debatte notwendig sei. Der Minister selbst meinte, Österreich befinde sich in dieser Frage nicht auf der Höhe der Zeit. Abgeordneter Kurt Grünewald (G) machte darauf aufmerksam, dass es im Bereich der Präimplantationsdiagnostik viele Widersprüche gebe. Einerseits dürfe man die Schwangerschaft unterbrechen, eine Diagnose in diesem Stadium dürfe man hingegen nicht erstellen. Es rede auch niemand darüber, dass Embryonen vernichtet werden.

Die Forderung von Abgeordnetem Kurt Grünewald (G) hinsichtlich der Ratifizierung der Biomedizinkonvention wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen mehrheitlich vertagt. Man kam allgemein überein, dass man dazu ExpertInnen einlädt.

Ebenfalls vertagt mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP wurde der Antrag der Abgeordneten Ursula Haubner (B) betreffend die Errichtung einer medizinischen Universität in Linz. Zu diesem Thema zeigte sich der Gesundheitsminister durchaus offen. Der Vertagungsantrag wurde von Abgeordnetem Rasinger mit dem Hinweis begründet, dass die Ärztebedarf-Studie noch nicht vorliegt.

Keine Zustimmung erhielt jedoch der Antrag des Abgeordneten Wolfgang Spadiut (B) – er wurde nur von der eigenen Fraktion und den Grünen unterstützt - eine Anlaufstelle für CFS-PatientInnen (Chronic Fatigue Syndrom) zu errichten. Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) meinte dazu, NeurologInnen und PsychiaterInnen seien ausreichend geschult und es sei nicht erforderlich, für sämtliche Spezialkrankheiten zentrale Anlaufstellen einzurichten.

Bericht der Gentechnikkommission

An der Spitze des Gesundheitsausschusses stand das Thema "Gentechnik". Grundlage für die Diskussion war der fünfte Bericht der Gentechnikkommission. Dieser gibt nicht nur Auskunft über das Tätigkeitsspektrum dieses Gremiums im Zeitraum 2008-2010, sondern informiert auch über durchgeführte Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen, ihre Freisetzung, die In-Verkehr-Bringung von GVO-Erzeugnissen und die Durchführung von genetischen Analysen und Gentherapien am Menschen. Enthalten sind des Weiteren auch Daten, Zahlen und Fakten betreffend die legistische Anpassung und Vollziehung des Gentechnikgesetzes (GTG). Der Bericht wurde gegen die Stimmen der FPÖ mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Die Ausschussvorsitzende Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) begründete die Haltung ihrer Fraktion damit, dass die Gentechnikkommission über zu wenig Kompetenzen verfügt. Gentechnisch verändertes Saatgut mache nicht an Österreichs Grenzen Halt, ergänzte sie.

Dem gegenüber meinte Abgeordneter Johann Maier (S), der Bericht gebe einen umfassenden Überblick über die Anwendung der Gentechnik. Er wies vor allem auf die wichtigen Erkenntnisse im Bereich der Pharmakogenetik hin, machte jedoch darauf aufmerksam, dass es in diesem sensiblen Bereich vor allem auch um Datensicherung und Datenschutz geht. Abgeordneter Erwin Rasinger (V) zeigte sich zufrieden darüber, dass die EU-Kommission die österreichische Linie der nationalen Selbstbestimmung bei Gentechnik unterstützt. Die Biotechnologie stelle aber einen zukunftsweisenden Sektor mit hoher Wertschöpfungs- und Forschungsquote dar, bemerkte er.

Dem schloss sich Gesundheitsminister Alois Stöger an und berichtete, dass 104 Unternehmen mit rund 11.000 MitarbeiterInnen in Österreich im Bereich Biotechnologie tätig seien. Mit einem Jahresumsatz von rund 2,8 Mrd. € stellten sie einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar, der zu 75% eigene Forschung betreibt. 

(Fortsetzung Gesundheitsausschuss)