Parlamentskorrespondenz Nr. 1179 vom 01.12.2011

Verfassungsausschuss stimmt Änderungen im Vergaberecht zu

Eigenes Gesetz für Vergaben im Bereich Verteidigung und Sicherheit

Wien (PK) – Im Bereich des Vergaberechts kommen auf öffentliche Auftraggeber und Auftragnehmer einige Neuerungen zu. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats gab in seiner heutigen Sitzung grünes Licht für einen von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf. Damit werden zum einen Änderungen im Bundesvergabegesetz vorgenommen, zum anderen ist – in Umsetzung einer EU-Richtlinie – ein eigenes Bundesgesetz für Auftragsvergaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich in Aussicht genommen. Der Beschluss fiel mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und BZÖ; FPÖ und Grüne kritisierten die schwere Verständlichkeit des Gesetzes bzw. fehlenden Nachdruck bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips.

Unter anderem werden mit dem Gesetzentwurf der Schwellenwert für Direktvergaben erhöht, neue vereinfachte Verfahren für wertmäßig mittelgroße Aufträge eingeführt, die Bestimmungen über den Eignungsnachweis gelockert und die Möglichkeiten der zentralen Beschaffung erweitert. Schadenersatzansprüche gegen den Auftraggeber bestehen in Umsetzung eines EuGH-Urteils künftig auch dann, wenn er nicht schuldhaft gegen vergaberechtliche Bestimmungen verstoßen hat.

Im Konkreten ist vorgesehen, zur Vereinfachung von Vergabeverfahren künftig im gesamten Unterschwellenbereich ein selbst gestaltetes Verfahren zuzulassen, wie es etwa bereits jetzt für nicht prioritäre Dienstleistungen gilt. Außerdem werden mit der "Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung" und der "Direktvergabe nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb" zwei neue Vergabevarianten eingeführt, die für Aufträge unter 130.000 € (für öffentliche Auftraggeber) bzw. unter 200.000 € (für Sektorenauftraggeber) gelten und weitgehend formlose Auftragsvergaben bei gleichzeitiger Sicherstellung von Transparenz ermöglichen. Für Bauaufträge ist bei beiden Varianten ein Limit von 500.000 € in Aussicht genommen.

Der Schwellenwert für "klassische" Direktvergaben, der wegen der Wirtschaftskrise vorübergehend auf 100.000 € angehoben wurde und 2012 wieder auf 40.000 € sinken hätte sollen, wird nunmehr mit 50.000 € – bzw. 75.000 € im Sektorenbereich – festgelegt. Neu ist die Möglichkeit, bei der Direktvergabe zum Zwecke der Markterhebung verschiedene Angebote einzuholen, ohne gleich ein förmliches Vergabeverfahren durchführen zu müssen.

Die Vorlage von Eignungsnachweisen durch Unternehmen ist in Hinkunft nur noch im Oberschwellenbereich zwingend vorgesehen. Im Unterschwellenbereich soll hingegen im Regelfall eine "Eigenerklärung" reichen. Dadurch will man die Verwaltungslasten von Unternehmen reduzieren. Betreiber von öffentlichen Personenverkehrsdiensten werden verpflichtet, bei Auftragsvergaben die neue EU-Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge zu beachten und im Zuge von Ausschreibungen entweder technische Spezifikationen mit einem hohen ökologischen Standard festzulegen oder ökologische Zuschlagskriterien vorzusehen.

Unter das neue Bundesvergabegesetz für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (BVergGVS) fallen sowohl Liefer- als auch Dienstleistungs- und Bauaufträge. Als Beispiele werden etwa die Beschaffung von Militärgütern und sensibler Ausrüstung, Transportdienstleistungen und sensible Bauten wie Luftschutzbunker oder Landebahnen genannt. Die Schwellenwerte orientieren sich dabei an den Schwellenwerten für Sektorenauftraggeber: bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen beginnt der Oberschwellenbereich mit einer Auftragshöhe von 387.000 €, bei Bauaufträgen mit 4,845 Mio. €.

Auch die Rechtschutzbestimmungen sind – mit geringfügigen Adaptionen – im Wesentlichen an jene für "normale" Vergabeverfahren angelehnt. So ist das Bundesvergabeamt auch bei militärischen Beschaffungen ermächtigt, Verträge unter gewissen Voraussetzungen für nichtig zu erklären. Wie in den Erläuterungen festgehalten wird, ist Österreich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie bereits säumig: sie hätte bis zum 21. August 2011 implementiert werden müssen.

Da durch den vorliegenden Gesetzentwurf auch Länderkompetenzen berührt sind, bedarf die Kundmachung des Gesetzes der Zustimmung der Länder.

In der Debatte begrüßte Abgeordneter Konrad Steindl (V) die Schwellenwertregelung als im Sinne der Wirtschaft gelegen, während Abgeordneter Harald Stefan (F) eine gesetzliche Fixierung der Schwellenwerte auf 100 000 € forderte. Der FPÖ-Mandatar kritisierte die Vorlage insgesamt als zu komplex und für den Normalverbraucher unverständlich.

Gegen das Gesetz sprach sich seitens der Grünen auch Abgeordnete Daniela Musiol aus, die vor allem Mängel bei der Anwendung des Nachhaltigkeitsprinzips im öffentlichen Beschaffungswesen sah. Nachhaltige Beschaffung sollte von einer Soll-Bestimmung in eine Muss-Bestimmung umgewandelt werden, schlug sie vor.

BZÖ macht sich für Agrargemeinschaften stark

Vom Verfassungsausschuss vertagt wurde ein Antrag des BZÖ, der auf eine Novellierung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes abzielt. Abgeordneter Gerhard Huber und seine FraktionskollegInnen wollen damit, wie es in den Erläuterungen heißt, auf "höchstgerichtliche Fehlentscheidungen" reagieren und einen österreichweiten "juristischen Flächenbrand" verhindern. Sie fürchten eine Enteignung der vor allem in Tirol weit verbreiteten Agrargemeinschaften zugunsten von Ortsgemeinden entgegen den ursprünglichen Intentionen des Flurverfassungsrechts und fordern eine Wiederherstellung des alten Systems des Teilungs- und Regulierungsrechts.

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (V) warnte hingegen vor einer Anlassgesetzgebung und verwies auf das gegenständliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs. Überdies strebe das Land Tirol Konsenslösungen in dieser Frage an, betonte er. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)