Parlamentskorrespondenz Nr. 1224 vom 13.12.2011

EU-Unterausschuss gegen Mittelkürzung im Globalisierungsfonds

Diskussion über soziale Programme und Förderungen in der EU

Wien (PK) - Der EU-Unterausschuss des Nationalrats befasste sich heute neben der Frage einer gesetzlichen Verpflichtung, ein Basiskonto für alle BürgerInnen ab 18 Jahre einzurichten, auch mit Verordnungsentwürfen der EU-Kommission zur Weiterführung und Neuausrichtung des Globalisierungsfonds und des Europäischen Sozialfonds sowie zum Programm der EU für sozialen Wandel und soziale Innovation. Im Hintergrund all dieser Maßnahmen steht die Umsetzung der Strategie 2020, das Programm der EU für ein "intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" mit einer besseren Koordinierung der nationalen und europäischen Wirtschaft. Auch zu diesen Themen stand Sozialminister Rudolf Hundstorfer den Abgeordneten für nähere Informationen zur Verfügung.

In der Diskussion wurde vor allem seitens der SPÖ und der Grünen unterstrichen, dass die EU längst nicht mehr nur eine Wirtschaftsunion darstellt, sondern sich auch zu einer Sozialunion entwickle. In diesem Sinne begrüßten sowohl die Abgeordneten der beiden Koalitionsparteien, als auch jene von Grünen und BZÖ grundsätzlich die Weiterführung der genannten sozialen Förderinstrumentarien, wenn auch mit kritischen Anmerkungen. So wurde vor allem der Plan abgelehnt, die Mittel des Europäischen Globalisierungsfonds für ArbeitnehmerInnen von bisher jährlich 500 Mio. € pro Jahr auf 71,5 Mio. € zu kürzen. Die Abgeordneten Stefan Petzner (B), Christine Muttonen (S) und Reinhold Lopatka (V) brachten dazu einen entsprechenden Antrag auf Ausschussfeststellung ein, der auf einem ursprünglich vorgelegten Antrag des BZÖ beruht und mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen wurde.

Lediglich die Freiheitlichen sprachen sich gegen die Fonds aus. Abgeordneter Johannes Hübner (F) nannte es einen typischen Geburtsfehler der EU, ein Verteilungssystem für alle Mitglieder zu etablieren, in das man einzahlt und von dem man hohe Beträge wieder zurück erhält. Dabei könne man nicht von einer Verwaltungsvereinfachung reden, meinte er, der Vorschlag der Kommission sei nichts anderes als eine neue Subventionsbürokratie. Er brachte in diesem Zusammenhang einen Antrag auf Ausschussfeststellung ein, in dem gefordert wird, die Mittel der Fonds möglichst stark zu reduzieren und im Gegenzug dazu den österreichischen EU-Beitrag zu senken. Die dadurch freiwerdenden Mittel sollten auf nationaler Ebene entsprechend verwendet werden, forderte er. Dieser Antrag wurde jedoch von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer machte auf die Bedeutung der Fonds insbesondere in Zeiten der Finanzkrise aufmerksam und merkte an, dass diese Gelder enorme positive Auswirkungen auf die Beschäftigung haben. Auch Österreich habe die Instrumente gut nützen und gegensteuern können.

Spätestens seit dem Vertrag von Lissabon und der Aufnahme sozialer Grundrechte ist die Union nicht mehr nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, stellten die Abgeordneten Renate Csörgits  und Christine Muttonen (beide S) fest. Ein gemeinsames Vorgehen im Wirtschaftsbereich erfordere auch gemeinsame Maßnahmen auf dem sozialen Sektor, sagten sie. Ziel müsse es sein, eine hohe Lebensqualität zu sichern und dafür brauche man europaweit Mindeststandards, damit die Mitgliedstaaten einander nicht ausspielen können. Abgeordnete Birgit Schatz (G) vertrat die Ansicht, dass das EU-Budget für soziale Belange und zur Förderung der Beschäftigung innerhalb der EU einen wesentlich höheren Anteil im Gesamtbudget der Union ausmachen sollte.

Allgemein wurden aber die bürokratischen Hürden bei der Antragstellung für Fördergelder aus den Fonds kritisch beleuchtet.

Der Globalisierungsfonds – ein wichtiges Instrument in der Krise

Der Europäische Globalisierungsfonds (EGF) soll nach den Plänen der Kommission auch in der Periode 2014-2020 weiterbestehen und inhaltlich ausgeweitet werden. Dennoch sieht der Vorschlag eine drastische Kürzung der Fondsmittel vor.

Der EGF ist ein Finanzinstrument der EU zur einmaligen, zeitlich begrenzten Unterstützung von ArbeitnehmerInnen in Regionen und Branchen, die aufgrund weit reichender Strukturveränderungen im Zuge der Globalisierung arbeitslos geworden sind. Es werden damit Maßnahmen finanziert, die bei der Arbeitssuche unterstützen, aber auch individuell angepasste Weiterbildungsmaßnahmen und Schritte in die Selbständigkeit und Unternehmensgründungen. Es werden darüber hinaus Mobilitätsbeihilfen, Beihilfen für benachteiligte oder ältere ArbeitnehmerInnen, damit diese weiter bzw. wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sowie andere vorübergehende "Ergänzungszahlungen" gewährt. Der Fonds ergänzt die Europäischen Sozialfonds (ESF) und das von 2007 bis 2013 laufende Progress-Programm der EU.

Der EGF trat am 19. Januar 2007 in Kraft. Er wird derzeit jährlich mit bis zu 500 Mio. € dotiert, die zur beruflichen Wiedereingliederung verwendet werden sollen. Die Mittel des Fonds müssen von den EU-Mitgliedstaaten beantragt und kofinanziert werden und werden nur für Fälle von mindestens 1.000 Entlassungen freigegeben.

Laut Verordnungsentwurf sollen zukünftig auch LeiharbeiterInnen und Personen mit befristeten Arbeitsverhältnissen gefördert werden können. Die "aktivierenden Maßnahmen", von denen Österreich laut Information des Sozialministeriums bisher überproportional profitiert hat, sollen bei max. 50% gedeckelt werden. Der Kreis der möglichen Begünstigten soll um geschäftsführende Inhaber von KMUs sowie Selbstständige (darunter LandwirtInnen) erweitert werden. Ein Verlust des Arbeitsplatzes muss in diesem Fall nicht gegeben sein. Der Betrag zur Unterstützung des landwirtschaftlichen Sektors darf gemäß vorliegendem Entwurf insgesamt 2,5 Mrd. € (das sind ca. 357,5 Mio. € pro Jahr) nicht übersteigen. Für ArbeitnehmerInnen stehen maximal 500 Mio. € für die gesamte Laufzeit (das sind 71,5 Mio. € pro Jahr) zur Verfügung. Diese Ausstattung stellt eine deutliche Kürzung dar, da bisher 500 Mio. € pro Jahr für ArbeitnehmerInnen ausgeschüttet werden können.

Neben der beabsichtigten Kürzung der Mittel für den EGF kritisierten vor allem die Abgeordneten von SPÖ, Grünen und BZÖ die Einbeziehung der Landwirtschaft in den Kreis der Förderberechtigten und sahen sich dabei einer Meinung mit Sozialminister Hundstorfer. Der Agrarsektor werde ohnehin durch die GAP enorm gefördert, argumentierte etwa Abgeordnete Christine Muttonen (S). Auch Abgeordnete Birgit Schatz (G) konnte den Veränderungen in Bezug auf die förderungswürdigen Personen nichts abgewinnen und fragte, wie bei den Bauern die Kofinanzierung funktionieren soll. Der Globalisierungsfonds könne nicht als Ersatz für die Deckelung der Förderungen für die Landwirtschaft im Rahmen der GAP dienen, ergänzte ihr Klubkollege Abgeordneter Karl Öllinger. Auch für Abgeordneten Stefan Petzner (B) war es unverständlich, dass man den Fonds kürzt und die Selbständigen mit einbezieht. Dem gegenüber warfen die Abgeordneten Günter Stummvoll und Reinhold Lopatka (beide V) ein, auch in der Landwirtschaft müssten Arbeitsplätze gesichert werden.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) befürchtete grundsätzlich, dass man in der gegenwärtigen Krise nicht mehr ausreichend werde gegensteuern könne. Die Fondsmittel seien zu wenig und die Staaten derart verschuldet, dass Programme wie im Jahr 2008 heute nicht mehr möglich sein werden.

Diese negative Sicht wurde nicht von allen geteilt, vielmehr unterstrichen andere Abgeordnete die Bedeutung des Fonds, um ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren, die aufgrund des Strukturwandels ihren Arbeitsplatz verloren haben. So meinte etwa Abgeordnete Christine Muttonen (S), der Fonds stelle auch heute angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in vielen EU-Staaten ein wichtiges Instrument dar. Er könne vor allem einen Beitrag zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit leisten, in der Muttonen eine "tickende Bombe" sah.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer erinnerte daran, dass die Mittel des EGF im Jahr 2009 von Österreich erstmals in Anspruch genommen wurden und das Land bislang daraus 18,6 Mrd. € erhalten habe, wodurch rund 1.300 Personen gefördert wurden. Derzeit gebe es Hilfestellung für die MitarbeiterInnen der Austria Tabak.

Der Sozialminister betonte, dass die Diskussionen um die Umgestaltung des Fonds erst beginnen und brachte nochmals seine Skepsis in Bezug auf die Einbeziehung von Bauern und Bäuerinnen an. Er bedauerte auch sehr, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise als Antragsgrund keine Geltung mehr habe. Die Befürchtungen der Abgeordneten Reinhold Lopatka (V), Christine Muttonen (S) und Birgit Schatz (G), dass der Fonds aufgrund einer Blockade Deutschlands überhaupt auslaufen könnte, konnte der Minister nicht bestätigen. Er glaube an ein Fortbestehen des Fonds, bekräftigte er, die Blockade Deutschlands habe sich auf die aktuelle Situation des Fonds bezogen.

Das Programm für sozialen Wandel und soziale Innovation

Die Umsetzung der Europa 2020-Strategie spielt auch für das von der EU-Kommission vorgeschlagene Programm für sozialen Wandel und soziale Innovation eine Rolle, das mittels einer Verordnung zur Erreichung der Kernziele der Strategie beitragen soll.

Die allgemeinen Zielsetzungen des Programms umfassen die Förderung der geografischen Mobilität der Arbeitskräfte, die Weiterentwicklung der Sozialschutzsysteme und Arbeitsmärkte durch die Förderung von Good Governance, dem Voneinander-Lernen und der sozialen Innovation. Die Modernisierung und die Gewährleistung der wirksamen Anwendung des Unionsrechts im Bereich der Arbeitsbedingungen sollen unterstützt werden.

Das Programm besteht aus drei komplementären Unterprogrammen: "PROGRESS" unterstützt die Entwicklung, Umsetzung, Überwachung und Evaluierung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik der Union sowie der Rechtsetzung im Bereich der Arbeitsbedingungen; "EURES" fördert durch den Austausch und die Verbreitung von Informationen die geografische Mobilität der Arbeitskräfte und "MIKROFINANZIERUNG UND SOZIALES UNTERNEHMERTUM" gibt vor allem arbeitsmarktfernen UnternehmerInnen Zugang zu Finanzierungen. Neu ist die Förderung der Entwicklung von Sozialunternehmen.

Auch diese Programme wurden von den Abgeordneten positiv bewertet, die Abgeordneten Stefan Petzner (B), Birgit Schatz und Karl Öllinger (beide G) thematisierten dabei jedoch die Mittelaufteilung und die Mikrokredite, zumal die Grünen insbesondere Schwierigkeiten bei der Rückzahlung der Einstiegsförderung orteten. Öllinger sah auch den Rahmen für die Kredite zu eng gegriffen. Abgeordneter Stefan Petzner (B) wieder sprach die möglichen negativen Folgen der vorgeschriebenen kurzfristigen Erhöhung der Eigenkapitalausstattung der Banken an und warnte vor einer Kreditklemme.

Dazu informierte Sozialminister Hundstorfer, der aktuelle Zinssatz für Mikrokredite belaufe sich auf 4,15%. Er könne die angesprochenen Schwierigkeiten nicht bestätigen, vielmehr gebe es wenig Zahlungsausfälle, da im Vorfeld genau geprüft werde und den UnternehmerInnen ein Pool von Seniorkonsultern gratis zur Verfügung stehe. Abgeordneter Birgit Schatz (G) gegenüber versicherte er, dass man in das Programm PROGRESS die Antidiskriminierungsbestimmungen wieder hineinreklamieren werde.

Im Allgemeinen habe man mit dem Programm, insbesondere in Grenzregionen, gute Erfahrungen gemacht und rund 105 Personen bei der Umsetzung von Geschäftsideen helfen können, informierte der Minister.

Der Europäische Sozialfonds

Mit der vorgeschlagenen Verordnung soll auch der Europäische Sozialfonds (ESF) als Teil der Strukturfondspolitik der EU in den Jahren 2014-2020 fortgeführt werden. Damit will die Kommission die Strukturfondspolitik sowie den Fonds für die Ländliche Entwicklung und den Fischereifonds für die kommende Finanzperiode unter ein gemeinsames Dach, dem sogenannten Gemeinsamen Strategischen Rahmen für jeden Mitgliedstaat, bringen.

Der Entwurf sieht für den Zeitraum 2014-2020 vor, den ESF unionsweit auf folgende vier "thematische Ziele" auszurichten: auf die Förderung der Beschäftigung und der Mobilität der Arbeitskräfte, auf die Investitionen in Bildung, Kompetenzen und lebenslanges Lernen, auf die Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut und schließlich auf die Verbesserung der institutionellen Kapazitäten und auf eine effizientere öffentliche Verwaltung. Mit dem Ziel der stärkeren Fokussierung und Schwerpunktsetzung sollen Mitgliedstaaten zukünftig im ESF 80% der Mittel auf vier Interventionsprioritäten festlegen, d.h. die Umsetzung der oben genannten thematischen Zielsetzungen wird auf wenige Maßnahmenfelder konzentriert. 20% der Mittel sind für die Armutsbekämpfung vorgesehen.

Der finanzielle Rahmen für des ESF ist laut Vorschlag ein Minimumanteil von 25% der Gesamtmittel (376 Mrd. € für die Gesamtperiode 2014-2020), das ergibt 84 Mrd.€ für den ESF für diesen Zeitraum.

Österreich habe die Mittel aus dem ESF zur Armutsbekämpfung und für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen voll ausschöpfen können, berichtete der Sozialminister. Er werde nun mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur sowie mit den Bundesländern über Maßnahmen in den Schwerpunktbereichen Armutsbekämpfung, Qualifizierung, Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen sowie für ältere Menschen verhandeln.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) trat dafür ein, die Mittel für den ESF ab 2014 deutlich anzuheben, da der Fonds dazu beitrage, Ungleichheiten abzufedern. Hohe Arbeitslosenzahlen in Europa dürften nicht hingenommen werden, sagte sie. Abgeordnete Birgit Schatz (G) hielt es für positiv, dass ein Schwerpunkt dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gewidmet ist. (Schluss EU-Unterausschuss)