Parlamentskorrespondenz Nr. 58 vom 26.01.2012

Parlament: Szenische Lesung zum Thema Mädchenorchester in Auschwitz

Prammer für klare Zeichen gegen Provokationen am Holocaust-Gedenktag

Wien (PK) – Am heutigen Vorabend des Internationalen Holocaust-Gedenktages – er erinnert an die Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Jänner 1945 - lud Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zur szenischen Lesung aus Fania Fenelons Roman "Das Mädchenorchester in Auschwitz" in das Parlament. Die Widerstandskämpferin und berühmte Pariser Sängerin Fania Fenelon (1922 bis 1983) wurde von den Nazis nach Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort als Sängerin und Pianistin in das "Mädchenorchester" aufgenommen. In Auschwitz-Birkenau, wo von 1940 bis 1944 Millionen von Menschen ermordet wurden, richtete die SS-Lagerleitung zur "Aufmunterung" der Häftlinge und zur "Erbauung" der Mörder zynischerweise mehrere Musikorchester ein. Hauptaufgabe des "Mädchenorchesters" war es, am Tor aufzuspielen, wenn die Häftlinge morgens das Lager zur Arbeit verließen und abends wieder zurückkamen. Dazwischen studierten die Mädchen mit ihrer Dirigentin, der im April 1944 im KZ an Typhus umgekommenen Wienerin Alma Rose, der Nichte Gustav Mahlers, neue Stücke ein und arbeiteten an der Qualität ihrer Musik - das Einzige, worauf sie in ihrem Überlebenskampf setzen konnten. Sonntags wurden die jungen Musikerinnen zu Konzerten für die SS-Mannschaften herangezogen und immer wieder mussten sie auch zur privaten Erbauung ihrer Peiniger auftreten. Wie Fania Fenelon in ihrem Roman berichtet, ließen sich auch Lagerkommandant Josef Kramer und Josef Mengele, der berüchtigte Lagerarzt, unter anderem Robert Schumanns "Träumerei" vorspielen. Dank der Musik hat Fania Fénelon die Gräuel des Lagers überlebt und in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ihre furchtbaren Erlebnisse niedergeschrieben. Grundlage der szenischen Lesung im Parlament bildete eine von Eva Fillipp, Helga Golinger und Fritz Steppat besorgte dramatisierte Bearbeitung des Fenelon-Romans. Für die Darbietung sorgte das "Erste Wiener Lesetheater und Zweite Stegreiftheater", für dessen Initiative und Arbeit sich Präsidentin Prammer ausdrücklich bedankte.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zum Thema Gedenkkultur    

In ihrer Begrüßungsansprache bezeichnete es Nationalratspräsidentin Barbara Prammer als wichtig, rund um den Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner eine Veranstaltung im Parlament abzuhalten, obwohl Österreich seit 1997 am 5. Mai, dem Tag der Befreiung des KZ Mauthausen, einen eigenen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus begeht. Umso wichtiger sei dies, weil andere – auch im Nationalrat vertretene Kräfte - am Holocaust-Gedenktag einen Ball organisieren und versuchen, dem Gedenken in schäbigster Weise Abbruch zu tun. "Wir dürfen uns solche Provokationen nicht gefallen lassen und müssen klare Zeichen dagegen setzen, nicht nur am 27. Jänner und am 5. Mai, sondern das ganze Jahr hindurch", sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer.

In grundsätzlichen Ausführungen zum Thema "Gedenkkultur" wandte sich Barbara Prammer vehement gegen Stimmen, die das Gedenken als nicht mehr notwendig in Frage stellen und einen "Schlussstrich ziehen wollen". Es gilt, sich immer wieder an die Geschichte zu erinnern und uns unserer Verantwortung für eine Geschichte bewusst zu machen, die auch ein Teil unserer Geschichte ist, den wir nicht abschütteln können. Mit großem Bedauern erinnerte Prammer daran, dass die ZeitzeugInnen immer weniger werden, die über die unglaublichen Gräuel des Nationalsozialismus noch aus eigener Erfahrung berichten können. Ihr Wunsch sei es, gemeinsam mit den Zeitzeugen eine Gedenkkultur zu entwickeln und erinnerte an die diesbezügliche intensive Arbeit des Parlaments. Thema des nächsten Gedenktags am 5. Mai wird das NS-Euthanasie-Programm sein, kündigte Prammer an. Dazu wird auch ein großes SchülerInnen-Projekt vorbereitet, teilte die Präsidentin mit. Dem "Ersten Wiener Lesetheater und Zweitem Stegreiftheater", von dem die Initiative zur szenischen Lesung aus Fania Fenelons Roman im Parlament ausgegangen war, dankte die Präsidentin ausdrücklich für ihre Initiative und für ihre Darbietung im Parlament.

Das "Erste Wiener Lesetheater und Zweite Stegreiftheater"

Das Ensemble hat sich seit 1990 auf Lesungen selten aufgeführter Literatur spezialisiert, arbeitet mit fließenden Übergängen zwischen Lesung, szenischer Lesung und dramatischer Darstellung und konzentriert sich bei seinen Lesungen unter Verzicht auf Kulisse, Requisite und Kostüm auf das Wort. Bei der heutigen Lesung aus dem Roman "Das Mädchenorchester in Auschwitz" setzte das Lesetheater auch Musik ein.

Mitwirkende: Eva Dité, Eva Fillipp, Helga Golinger, Martin Heesch, Hanna Held, Hubsi Kramar, Martha Laschkolnig, Susanne Litschauer, Rahel Rosa Neubauer, Andrea Pauli, Gabriela Schmoll, Sabina Schreib, Vera Schwarz, Susanna C. Schwarz-Aschner, Rolf Schwendtner, Eva Maria Tacha-Breitling. Für die Musikbeiträge sorgten Martha Laschkolnig (Akkordeon) und Eva Maria Tacha-Breitling (Blockflöte).

Fotos von dieser Veranstaltung finden sie auf der Parlaments-Homepage im Fotoalbum. (Schluss)