Parlamentskorrespondenz Nr. 128 vom 28.02.2012

Die Unschuldsvermutung in Zeiten der Untersuchungsausschüsse

Diskussionsrunde im Parlament wirft brisante Fragen auf

Wien (PK) – Das Spannungsverhältnis zwischen Information  der Öffentlichkeit und dem Schutz des Einzelnen wirft Fragen auf, die vor allem im Lichte des aktuellen Untersuchungsausschusses an zusätzlicher Brisanz gewinnen. Unter dem Titel "Es gilt die Unschuldsvermutung" widmete sich heute im Parlament eine prominent besetzte Diskussionsrunde vor allem dem Problem, wie Politik und Medien mit den Rechten Beschuldigter umgehen. Wie sehr müssen Auskunftspersonen, die vor dem Untersuchungsausschuss auftreten, geschützt werden ? Wo verläuft der Grat zwischen der Darstellung einer Person als Zeuge auf der einen und als Beschuldigter auf der anderen Seite ? Wie weit darf bzw. muss die Informationspflicht der Medien gehen ? Antworten darauf suchten die Medienrechtsexpertin Maria Windhager, der Rechtsanwalt Manfred Ainedter, der Journalist Florian Klenk und der Abgeordnete Peter Pilz.

Windhager mahnt verantwortungsvollen Umgang mit Informationen ein

Maria Windhager schickte voraus, eine demokratische Gesellschaft brauche Kontrolle und setze daher bewusst darauf, dass geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Es sei nicht verboten, Teile von Akten den Medien zuzuspielen, dies könne vielmehr im öffentlichen Interesse liegen und sei zudem auch durch das Redaktionsgeheimnis geschützt. Problematisch erachtete Windhager allerdings die Art der Verwertung von Akten und den Umgang mit Informationen. Sie rief zu mehr Verantwortung auf und beklagte unter Hinweis auf konkrete Fälle, insbesondere die Causen Grasser und Kampusch, eine, wie sie sagte, unerträgliche Boulevardisierung in Österreich, die sich auch darin äußere, dass mit der Floskel "Es gilt die Unschuldsvermutung" werde permanent Missbrauch getrieben werde. Windhager sprach sich für eine Verschärfung der Sanktionen aus, hielt allerdings nichts von Strafen gegen Journalisten.

Pilz für Verschärfung der Anti-Korruptionsgesetze

Abgeordneter Peter Pilz stellte fest, das Problem seien nicht diejenigen, die Akten weitergeben, sondern vielmehr diejenigen, die nach wie vor veraltete Gesetze missbrauchen, um Kontrolle zu verhindern. Der Grün-Mandatar sprach in diesem Zusammenhang von einer Überinterpretation der Amtsverschwiegenheit, die seiner Meinung nach mittlerweile zu einer Amtsknebelung geführt habe. Mit Nachdruck verteidigte er die Zuspielung von Aktenteilen an die Medien und die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses in den aktuellen Korruptionsfällen und betonte, wenn man die Kontrolle ernst nimmt, dann dürfe eine gerichtliche Untersuchung nicht zu einer Zwangspause für das Parlament führen. Klar war für Pilz dabei die Notwendigkeit des Schutzes der Privatsphäre, wobei er auch den Fall Kampusch ansprach und die diesbezügliche Geheimhaltung der Ergebnisse des parlamentarischen Unterausschusses als selbstverständlich begrüßte. Insgesamt sah Pilz Handlungsbedarf bei der Verschärfung der Gesetze gegen die Korruption, drängte zudem aber auch auf eine Erweiterung der Öffentlichkeit im Vorverfahren.

Die Unschuldsvermutung wiederum interpretierte Pilz als den völligen Verzicht auf Vorverurteilungen.

Ainedter: Unschuldsvermutung wird permanent verletzt

Manfred Ainedter beklagte, noch nie sei ein Wort so ins Gegenteil pervertiert worden wie der Begriff der Unschuldsvermutung. Unter Hinweis auf das Verfahren gegen seinen Mandanten Karl-Heinz Grasser kritisierte er die Weitergabe von geheimen Protokollen und Akten an Journalisten, sprach von einer Paralleljustiz durch Medien und Untersuchungsausschuss und meinte, primär hätte die Justiz am Zug zu sein. Die Strafprozessordnung werde tagtäglich gebrochen, Beschuldigte würden durch die Medien öffentlich vorverurteilt, der Rechtsstaat werde untergraben, stand für Ainedter fest. Er ortete vor allem Handlungsbedarf gegen Journalisten, die geheime Akten veröffentlichen, und stellte überdies die Einführung des Tatbestandes der Verfahrensbeeinflussung im gerichtlichen Vorverfahren zur Diskussion.

Klenk: Veröffentlichung von Akten dient der Kontrolle

Florian Klenk sah hingegen die Presse als Wachhund der Demokratie und betonte, im Sinne einer wirksamen Kontrolle müsse es den Medien erlaubt sein, Akten zu veröffentlichen. Investigativer Journalismus versuche, der Sache auf den Grund zu gehen und Fakten zu eruieren. Auf den Fall Grasser angesprochen meinte er, die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, woher der Ex-Finanzminister sein Vermögen bezieht und wofür Provisionen im Zusammenhang mit öffentlichen Geschäften geflossen sind. Wenn die Presse diesbezügliche Akten nicht veröffentlichen darf, dann haben wir ein Problem mit der Kontrolle, war für Klenk klar. Die großen Affären in dieser Republik seien nur deshalb öffentlich geworden, weil Journalisten über verschiedenste Umwege Akten erhalten haben. Die Akteneinsicht der Medien bezeichnete Klenk als Guckloch, um Kontrolle im nichtöffentlichen Vorverfahren auszuüben, wobei für ihn aber die Notwendigkeit des Schutzes der Privatsphäre außer Streit stand. Mit Nachdruck verteidigte Klenk das Redaktionsgeheimnis und bemerkte, es gehe nicht an, die Berufung auf die Pressefreiheit zu kriminalisieren.  

  

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum. (Schluss)