Parlamentskorrespondenz Nr. 179 vom 13.03.2012

Karl: Staatsanwaltschaft kein Staat im Staat

Justizministerin distanziert sich von Kopf-Äußerungen

Wien (PK) – Am Rande der heutigen Sitzung des Justizausschusses nahm Ministerin Beatrix Karl in einer Aktuellen Aussprache auch zur Äußerung des VP-Klubobmanns Kopf Stellung, wonach die Staatsanwaltschaft ein Staat im Staat sei. Auf Fragen des Abgeordneten Albert Steinhauser (G) stellte die Ressortleiterin klar, sie teile diese Auffassung nicht und verbiete sich Einmischungen und Zurufe aus der Politik in Richtung Staatsanwaltschaft. Es gelte vielmehr sicherzustellen, dass die Staatsanwaltschaft in Ruhe arbeiten kann, betonte sie.

Breiten Raum in der Aussprache nahm das von der Regierung in Aussicht gestellte Anti-Korruptionspaket ein, wobei die Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Gerald Grosz (B) beklagten, dass die Opposition über den diesbezüglichen Ministerialentwurf noch nicht informiert wurde. Sowohl Grüne als auch BZÖ forderten in diesem Zusammenhang auch eine Verschärfung des Anfütterungsverbotes und schlugen insbesondere eine Rückkehr zu der in den Jahren 2008 und 2009 geltenden Regelung vor. Steinhauser griff überdies auch das Thema Diversion auf und meinte, er bekenne sich grundsätzlich zum außergerichtlichen Tatausgleich, die Ministerin habe in ihrem Entwurf aber über das Ziel geschossen. Klar war für den Justizsprecher der Grünen, dass Diversion auf kleine Amtsmissbrauchsdelikte beschränkt werden sollte.

Bundesministerin Beatrix Karl erklärte zur Vorgangsweise beim Korruptionsstrafrecht, der Vorschlag aus dem Ministerium sei zuerst den Regierungsparteien vorgelegt worden, um eine Abstimmung innerhalb der Koalition zu ermöglichen, noch im März werde darüber aber mit den Oppositionsparteien diskutiert werden. Der Entwurf setze bereits acht der zehn GRECO-Empfehlungen um und umfasse nicht nur das Anfütterungsverbot. Enthalten seien etwa Abgeordnetenbestechung, Ministerbestechung, die Ausweitung der Strafbarkeit im Inland, eine Ausweitung des Amtsträgerbegriffes auf Unternehmen mit einem öffentlichen Anteil von über 50 %. Was nun das Anfüttern betrifft, gab Karl zu bedenken, die aktuelle Fassung stelle auf ein künftiges Amtsgeschäft ab und werde als zu eng betrachtet. Nach der geplanten Version soll nun Anfüttern auf irgendein in Zukunft mögliches Amtsgeschäft abzielen, was, wie Karl betonte, eine Verschärfung gegenüber dem geltenden Recht darstelle. Eine Rückkehr zum Gesetzestext aus dem Jahr 2008 sei nicht sinnvoll, da der alte Paragraph zu Unklarheiten und Verwirrungen geführt habe, argumentierte die Ministerin. Skeptisch zeigte sie sich auch in Bezug auf die Festschreibung einer bestimmten Betragshöhe im Gesetzestext. Der Begriff "geringfügiger Vorteil", der sich im Strafgesetzbuch an mehreren Stellen findet, werde von der Judikatur regelmäßig mit 100 € interpretiert, erklärte Karl und meinte, relevant seien jedenfalls auch die Art und die Häufigkeit der Zuwendung.

Zur Diversion bei Amtsmissbrauch präzisierte Karl, ihre ursprüngliche Intention sei es gewesen, die Verfahren so zu gestalten, dass die Staatsanwälte im Bereich der Delikte mit geringerer Schuld entlastet werden, um sich schwereren Delikten widmen zu können. Karl wies in diesem Zusammenhang auf die angespannte Budgetsituation hin und gab zu bedenken, sie habe zwar einen Aufnahmestopp in der Justiz verhindern können, zusätzliches Personal für die Staatsanwaltschaften sei allerdings nicht zu erwarten. Über eine mögliche Ausdehnung der Diversion werde nun jedenfalls in einer Arbeitsgruppe breit diskutiert werden.

Weiteres Thema der Aussprache war die geplante Zusammenlegung von Bezirksgerichten. Auf mehrfaches Insistieren durch den Abgeordneten Gerald Grosz (B), der die Vorlage einer Liste der betroffenen Standorte urgierte, unterstrich die Ministerin, zunächst müsse mit den Landeshauptleuten über die Zusammenlegung verhandelt werden, da diesen ein verfassungsrechtlich verankertes Zustimmungsrecht zukomme. Danach werde eine Verordnung der Bundesregierung ergehen, über die dann die Öffentlichkeit informiert wird. Derzeit stehe jedenfalls noch nicht fest, welche Bezirksgerichte zusammengelegt werden. Die Liste, die die Basis für die Verhandlungen mit den Landeshauptleuten bildet, sei bewusst nicht an die Medien weitergegeben worden, eine Veröffentlichung würde bloß zu Verunsicherung unter den Mitarbeitern der Gerichte führen, erklärte Karl.

Ein Punkt der Aussprache war auch der Themenbereich Unterhaltsvorschuss, Familiengerichtsbarkeit und Namensrecht. Auf Kritik der Abgeordneten Sonja Steßl-Mühlbacher (S) und des Abgeordneten Peter Fichtenbauer (F), die vor allem die lange Verfahrensdauer beim Unterhaltsvorschuss beklagt hatten, replizierte Karl, ein Vorschuss ohne Unterhaltsanspruch, wie dies vielfach gefordert werde, wäre eine Mindestsicherung und falle nicht in die Kompetenz des Justizministeriums. Zuversichtlich zeigte sie sich über den Erfolg des Pilotprojekts Familiengerichtshilfe, von dem sich Karl auch im Sinne des Abgeordneten Peter Fichtenbauer (F) schnellere Entscheidungen in familiengerichtlichen Verfahren vor allem durch Erwirkung von einvernehmlichen Lösungen erhoffte. Was das neue Namensrecht betrifft, auf das die Ministerin von der Abgeordneten Daniela Musiol (G) angesprochen wurde, sei geplant, in Hinkunft auch Doppelnamen für die gesamte Familie zu ermöglichen. Im Obsorgerecht wiederum will Karl, wie sie mitteilte, auch die unehelichen Väter verstärkt einbinden, darüber hinaus werde der Begriff des Kindeswohls neu und praxisgerechter gefasst.

Skeptisch zeigte sich Karl in Bezug auf einen Vorschlag des Abgeordneten Franz-Joseph Huanigg (V), der die Zulassung von Blinden zum Richteramt zur Diskussion gestellt hatte. Karl gab zu bedenken, dass Richter optisch und akustisch die Beweismittel zu würdigen haben. Das von Huanigg angesprochene deutsche Vorbild könne man in Österreich nur schwer umsetzen, da die heimische Rechtsordnung vom Prinzip des Universalrichters ausgeht und die Richter in sämtlichen Arten von Verfahren eingesetzt werden, präzisierte die Ministerin. (Schluss)