Parlamentskorrespondenz Nr. 233 vom 27.03.2012

Bundesrat kritisiert EU-Pläne zu Wasserpolitik und Katastrophenschutz

EU-Ausschuss beschließt drei Anträge auf Mitteilung an die EU

Wien (PK) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats beschloss heute einstimmig gleich drei Anträge auf Mitteilung an die EU-Institutionen, in denen kritisch zu der geplanten Richtlinie hinsichtlich prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik, zum Vorschlag für ein Katastrophenschutzverfahren in der Union sowie zum Entwurf für einen Europäischen Energiefahrplan 2050 Stellung genommen wird.

Im Hinblick auf die Pläne zum Katastrophenschutzverfahren stellen die Bundesrätinnen und Bundesräte sogar fest, dass die gegenständlichen Vorhaben nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip zu vereinbaren sind. Wie Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) betonte, hätte man in diesem Fall sogar eine begründete Stellungnahme, das heißt eine Subsidiaritätsrüge, einer Mitteilung vorgezogen, die Stellungnahmen der Bundesländer seien aber zu spät eingelangt. Man werde daher in Zukunft die Zusammenarbeit mit den EU-Ausschüssen der Landtage noch effizienter gestalten müssen, kündigte er unter Zustimmung der anderen Ausschussmitglieder an. Vor allem sollten sich die Bundesländer früher mit den einzelnen Materien befassen, so der übereinstimmende Tenor im Ausschuss, damit der Bundesrat entsprechend und zeitgerecht reagieren kann.

Die Pläne für die neuen Qualitätskriterien für die Gewässer enthalten nach Ansicht der Länderkammer überbordende Maßnahmen, obgleich Bundesrat Edgar Mayer (V/V) in Übereinstimmung mit den anderen Mitgliedern eingangs eine EU-weite Vorgangsweise angesichts grenzüberschreitender Wasserverschmutzung für erforderlich hält. Was die Mitteilung in Bezug auf den Energiefahrplan 2050 betrifft, so stellte Mayer fest, es sei notwendig, die Standpunkte dazu in einem möglichst frühen Stadium der Verhandlungen auf EU-Ebene vorzulegen. 

Qualitätsnormen für Gewässer – Bundesrat gegen überbordende Maßnahmen

Der EU-Ausschuss des Bundesrats nahm nach einer ersten Diskussion am 14. März 2012 (vergleiche PK-Meldung Nr. 186/2012) die Beratungen über den Richtlinienentwurf zur Wasserpolitik wieder auf. Mit dem gegenständlichen Vorschlag sollen neue Umweltqualitätsnormen beziehungsweise Grenzwerte festgeschrieben werden. Der Kommissionsvorschlag sieht die Aufnahme von fünfzehn neuen Stoffen in die Liste der prioritären Stoffe vor, für sieben Stoffe sollen die Umweltqualitätsnormen geändert werden. Die Mitglieder des Bundesrats anerkannten unisono die Notwendigkeit zur stetigen Verbesserung der Wasserqualität und der ständigen Modernisierung des dafür rechtlich erforderlichen Rahmens. Sie befürchten aber, dass die Kosten für die Untersuchung, die Verwaltung sowie das Monitoring der Daten massiv ansteigen und damit zu einer massiven Belastung der Städte und Gemeinden werden könnten. Dazu kämen zusätzliche Reinigungsmaßnahmen, die weitere Mittel erforderlich machen würden, wobei es den Bundesrätinnen und Bundesräten mehr als fraglich erscheint, inwieweit dieser Mehraufwand gerechtfertigt ist.

Der Antrag auf Mitteilung, in der diese Bedenken geäußert werden, passierte den Ausschuss einstimmig. Der EU-Ausschuss des niederösterreichischen Landtags hatte im Vorfeld den Bundesrat aufgefordert, eine begründete Stellungnahme abzugeben. Dies wurde im Rahmen der Debatte von Bundesrat Martin Preineder (V/N) nochmals unterstrichen. Aufgrund der späten Stellungnahmen aus anderen Bundesländern beschließe man heute aber nur eine Mitteilung an die EU-Institution, erläuterte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V).

Die Auffassung der Bundesrätinnen und Bundesräte wurde auch vom Experten des Lebensministeriums geteilt. In den Ratsgruppen werde selbstverständlich keine Fundamentalopposition geübt, sicherte er zu, sollten die vorliegenden Bestimmungen jedoch umgesetzt werden, würden in Österreich die Grenzwerte in den Gewässern, auch in Gebirgsbächen, flächendeckend überschritten. Die geschätzten Mehrkosten bezifferte er mit 18 € pro Einwohner und Jahr. Von österreichischer Seite sei man daher bemüht, einige Stoffe zunächst einmal auf die Beobachtungsliste zu setzen.

Diese Vorgangsweise wurde auch von Bundesrat Stefan Schennach (S/W) unterstützt, der die Richtlinie prinzipiell begrüßte und meinte, dass aus einer Liste von 2000 Stoffen lediglich 15 ausgewählt worden seien, weshalb man seitens der EU ohnehin vorsichtig vorgehe. Dem entgegnete der Experte des Ministeriums, Handlungsbedarf sei unabhängig von der Anzahl der in die Liste aufgenommenen Stoffe gegeben. Er stimmte Schennach insofern zu, als dieser vor allem auf das Problem der Hormonpräparate, die über die Menschen in das Wasser gelangen, hinwies. Unvermeidlich seien auch die ubiquitären Stoffe, die über den Niederschlag in das Grundwasser gelangen. Der Vertreter der Wirtschaftskammer machte darauf aufmerksam, dass es bei dieser Richtlinie nicht nur um Industriechemikalien gehe, sondern um Stoffe, die im täglichen Leben emittiert werden, wie zum Beispiel Schmerzmittel aber auch Kleidungsstoffe. Seiner Meinung nach haben die bisherigen Qualitätskriterien ausgereicht.

Für Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) sind vor allem toxische Stoffe ausschlaggebend, weshalb sie, genauso wie Bundesrätin Juliane Lugsteiner (S/N) dafür plädierte, die Verursacher - in diesem Fall die pharmazeutische Industrie - zur Verantwortung zu ziehen.

Pläne zu Katastrophenschutzverfahren in EU widerspricht Subsidiaritätsprinzip

Hinsichtlich des Vorschlags zu einem Katastrophenschutzverfahren der Union (siehe auch PK-Meldung 186/2012) waren sich die Bundesrätinnen und Bundesräte einig, dass das gegenständliche Vorhaben mit dem Subsidiaritätsprinzip unvereinbar ist. Im entsprechenden, einstimmig angenommenen Antrag auf Mitteilung wenden sie sich jedoch nicht grundsätzlich gegen Bemühungen, Katastrophenschutzmaßnahmen innerhalb der Union besser zu koordinieren, da dies Leben retten und Schäden minimieren kann. Sie machen jedoch darauf aufmerksam, dass der Vorschlag der Kommission Maßnahmen erfasst, die aufgrund der österreichischen Bundesverfassung in die Kompetenz der Länder fallen.

Kernpunkte der Pläne sind Vorgaben zur Erstellung und Übermittlung von Risikomanagementplänen durch die einzelnen Mitgliedstaaten, der Aufbau europäischer Notfallabwehrkapazitäten und ihrer Organisation sowie haushaltsrechtliche Vorkehrungen und Bestimmungen über Durchführungsrechtsakte. Die Vertreterinnen und Vertreter der Länderkammer halten es zwar für notwendig, dass die Mitgliedstaaten über entsprechende Risikomanagementpläne verfügen, es sei aber überflüssig, diese von der Kommission sammeln zu lassen. Darüber hinaus lehnen sie verpflichtende Vorgaben für die Ausgestaltung der Risikomanagementpläne ab, da die lokalen Gegebenheiten sehr unterschiedlich sind. Sie vertreten auch die Auffassung, dass eine europäische Notfallabwehrkapazität über eine koordinierende und unterstützende Rolle der Union hinaus geht. Das gleiche gelte für das Recht der Kommission, Kapazitätsziele festzulegen und Qualitätsstandards vorzuschreiben. Die Möglichkeit von Durchführungsrechtsakten umgeht nach Ansicht des Ausschusses das in den Verträgen festgelegte institutionelle Gleichgewicht und nimmt den nationalen Parlamenten die ihnen zukommenden Möglichkeiten der Subsidiaritätskontrolle.

Die Notwendigkeit, bei den einzelnen Risikomanagementplänen die unterschiedlichen geographischen Strukturen in den Mitgliedsländern zu berücksichtigen, wurde explizit von den Bundesräten Stefan Schennach (S/W) und Edgar Mayer (V/V) bekräftigt. Die Pläne könnten daher nicht vereinheitlicht werden. Ins gleiche Horn stießen die Bundesrätinnen Monika Mühlwerth (F/W) und Elisabeth Kerschbaum (G/N), die meinten, in erster Linie gehe es bei den Risikomanagementplänen um eine bessere Koordination innerhalb der EU. Die in der Diskussion geäußerten Bedenken wurden auch von der Expertin des Innenministeriums geteilt, die jedoch darauf hinwies, dass der juridische Dienst des Rats dies anders sieht. Gleichzeitig informierte sie den Ausschuss, dass fast alle Mitgliedstaaten ähnliche Probleme mit dem nun vorliegenden Dokument haben.

Bundesrat bekräftigt Ablehnung der Kernenergie

Ebenfalls einstimmig passierte ein Antrag auf Mitteilung den Ausschuss, in dem sich die Länderkammer kritisch mit dem Vorschlag zu einem Energiefahrplan 2050 auseinandersetzt (siehe auch PK-Meldung Nr. 73/2012).

Die EU-Kommission will mit ihrem Vorhaben die Ziele für ein CO2-armes Energiesystem bis 2050 erreichen und die Versorgungssicherheit Europas verbessern. Die nationalen Energiepolitiken sollen demnach aufeinander abgestimmt werden. In sieben verschiedenen Szenarien werden darin mögliche Wege aufgezeigt, wie die Reduktion der CO2-Emmissionen um 80% erreicht werden kann, wobei die Kommission keinem Szenario eine Präferenz gibt. In ihren Schlussfolgerungen hält sie jedoch fest, dass Strom eine steigende Bedeutung haben wird, dafür aber das komplette Erzeugungssystem umstrukturiert werden müsse. Die Strompreise werden nach Berechnungen der Kommission aufgrund hoher Kapital- und Investitionskosten steigen, die Kernkraft werde auch weiterhin einen erheblichen Beitrag zum Umwandlungsprozess leisten, insbesondere wenn Carbon Capture Storage (CCS) verspätet eingeführt wird, hält die Kommission fest.

Daran knüpft auch die Kritik des Bundesrats an, der einmal mehr der Kernenergie als einer Energiegewinnung zur Reduzierung von CO2 eine strikte Absage erteilt. In ihrem Antrag halten die Ausschussmitglieder fest, dass die hohen Kosten für die Lagerung von nuklearen Abfällen und der hohe finanzielle Aufwand für die Haftung bei Kernenergieunfällen ausgeblendet würden. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte sei die Atomenergie eine teure und hoch subventionierte Energieform. Um die CO2-Ziele bis zum Jahr 2050 zu erreichen, sind aus österreichischer Sicht eine verbesserte Energieeffizienz, Energiesparen und ein höherer Anteil erneuerbarer Energien notwendig, konstatieren sie. Ebenso abgelehnt wird die geologische Speicherung von Kohlenstoffdioxid, Österreich habe deshalb im Dezember des Vorjahrs ein gesetzliches Verbot dieses Verfahrens erlassen.

Die Bundesrätinnen und Bundesräte fordern daher in ihrem Antrag auf Mitteilung, den europa- und weltweiten Verzicht auf die Nutzung von Kernenergie zu fördern und den Verzicht auf die geologische Speicherung von Kohlenstoffdioxid zu unterstützen. Außerdem soll die Energieeffizienz in allen wesentlichen Sektoren konsequent gesteigert und die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Die Ausschussmitglieder verlangen weiters die langfristige Absicherung der Energieversorgung durch ausreichende Infrastruktur für Transport und Speicher. Sie plädieren auch dafür, den Energieverbrauch möglichst gering zu halten, die eigenen Energieressourcen zu schützen, die Abhängigkeit von ausländischen Energieerzeugern zu senken, den Energieverbrauch unter der Wirtschaftswachstumsrate zu stabilisieren und strengere Kriterien für Stresstests zu erwirken.

Die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums wies darauf hin, dass Österreich mit seiner Sicht der Kernenergie in Europa alleine dastehe und man sich daher im Energieministerrat um möglichst neutrale Formulierungen bemühe, um die Nuklearenergie als Low Carbon Energie auszuschließen. Die Kommission gehe aber davon aus, dass bis 2050 keine neuen Atomkraftwerke dazukommen werden. Dem gegenüber meinten Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) sowie Bundesrat Stefan Schennach (S/W), dass Planungen für neue Atomkraftwerke weitergehen würden. Was das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid betrifft, so sei Österreich für andere Mitgliedsländer ein Vorbild, sagte Bundesrat Schennach, er wisse von einigen nationalen Parlamenten, dass es hier massiven Widerstand gegen dieses Verfahren gebe. Jedenfalls seien die einzelstaatlichen Verbote von der EU anzuerkennen, wurde Bundesrat Ferdinand Tiefnig (V/O) seitens des Ministeriums bestätigt.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) schlug darüber hinaus vor, innerhalb der COSAC einen Antrag zu den erneuerbaren Energien zu initiieren.

Bedenken gegen den Energiefahrplan wurden vom Experten der Wirtschaftskammer geäußert. Dieser meinte, die angepeilte CO2-Reduzierung sei nur mit Energieformen zu erreichen, die man eigentlich nicht haben möchte. (Schluss)


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