Parlamentskorrespondenz Nr. 237 vom 28.03.2012

Große Meinungsunterschiede bei Wirtschaftstreuhandberufsgesetz

Akkreditierungsgesetz, Vermessungsgesetz, Abkommen mit Südkorea

Wien (PK) – Im Anschluss an die Debatte über den Budgetkonsolidierungskurs für die nächsten Jahre widmete sich der Nationalrat Berichten des Wirtschaftsausschusses. Mehrheitlich wurden zunächst die Änderungen zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, im Bilanzbuchhaltungsgesetz und in der Gewerbeordnung angenommen. Die Neufassung des Akkreditierungsgesetzes sowie die Änderungen zum Maß- und Eichgesetz sowie zum Kesselgesetz erhielt einhellige Zustimmung. Das Vermessungsgesetz passierte das Plenum ebenso mehrheitlich wie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Republik Korea.

Wirtschaftstreuhänder und Bilanzbuchhalter: Kompromiss - Divergenzen bleiben

Die Änderungen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, im Bilanzbuchhaltungsgesetz und in der Gewerbeordnung, gehen auf einen Initiativantrag der Abgeordneten Christoph Matznetter (S) und Konrad Steindl (V) zurück und erfuhren im Ausschuss noch Änderungen. Das Gesetz unterscheidet ab 2013 zwischen BuchhalterInnen, PersonalverrechnerInnen und BilanzbuchhalterInnen. Sie werden in die Wirtschaftskammer Österreich übergeführt. Die Umsatzgrenzen bei der Bilanzierung werden auf die Werte der kleinen GmbH in Entsprechung zum Unternehmensrecht dynamisiert. BilanzbuchhalterInnen dürfen künftig, wie auch PersonalverrechnerInnen, Arbeitnehmerveranlagungen durchführen. Die Praxiszeiten für die Zulassung zur Fachprüfung "Steuerberater" werden für BilanzbuchhalterInnen von 9 Jahren auf 5 Jahre verkürzt.

In der Gewerbeordnung wird klargestellt, dass ZahntechnikermeisterInnen im Einzelfall und im Auftrag der ZahnärztInnen sowie in deren Ordination Abformungen und notwendige Bissnahmen im Mund des Patienten vornehmen sowie An- und Einpassungsarbeiten am Zahnersatz durchführen können.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) konzentrierte sich auf die Änderungen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und im Bilanzbuchhaltungsgesetz, die seine Fraktion ablehne, weil BWL-AbsolventInnen durch die Verkürzung der vorgeschriebenen Praxiszeiten gegenüber HAK-AbsolventInnen benachteiligt würden. Themessl lehnte auch die Anhebung der Wertgrenzen für BilanzbuchhalterInnen gegenüber den SteuerberaterInnen in dem vorgesehenen Ausmaß ab, weil dies nahezu auf eine Abschaffung des Berufs der SteuerberaterInnen hinauslaufe, formulierte der Abgeordnete pointiert. Zudem machte Themessl auf Nachteile für BilanzbuchhalterInnen durch die neue Regelung bei deren Krankenversicherungsbeiträgen aufmerksam.

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) bekannte sich zur Anpassung von Berufsrechten an die dynamischen Veränderungen in der Wirtschaft. Nach langen Verhandlungen mit den Berufsgruppen, die keinen Konsens finden konnten, habe man den Weg einer parlamentarischen Initiative gewählt, die Anhebung nicht mehr zeitgemäßer Wertgrenzen bei den BilanzbuchhalterInnen vorgeschlagen und die PersonalverrechnerInnen, Buchhalter und Bilanzbuchhalter in die Wirtschaftskammer Österreich übergeführt. Statt einer statischen Wertgrenze für die BilanzbuchhalterInnen wurde die Wertgrenze der "kleinen GesmbH" gewählt und die Praxiszeit für SteuerberaterInnen auch deshalb abgesenkt, weil in diesem Bereich Nachwuchsbedarf bestehe. Bei den ZahntechnikerInnen wiederum legalisiere man, was bereits langjährige Praxis sei, nämlich dass ZahntechnikerInnen unter Aufsicht der ZahnärztInnen Abdrücke im Mund der PatientInneen vornehmen können.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) erinnerte an die heftigen Reaktionen von BilanzbuchhalterInnen und SteuerberaterInnen auf den Beschluss des Wirtschaftsausschusses und appellierte an die Koalitionsparteien, nicht über das Ziel hinaus zu schießen. So hätte man bei den Wertgrenzen den Wünschen der BilanzbuchhalterInnen entgegen kommen können. Ihre Fraktion hätte auch einen "normalen" Gesetzgebungsprozess mit einem Begutachtungsverfahren bevorzugt. Die Grünen geben diesen Änderungen keine Zustimmung, halten aber die Änderungen bei den Zahntechnikern für sinnvoll, sagte sie.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) erinnerte gegenüber vielen Protestmails daran, dass die vorgesehene Gesetzesänderung den Bilanzbuchhalterinnen Verbesserungen bringe. Die Größe des Umsatzes allein sage wenig aus über die für die jeweilige Bilanzierung erforderliche Qualifikation. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung basiere auf dem europäischen Regelwerk, das er, Matznetter für angemessen halte. Bei der Praxisdauer sei zu berücksichtigen, dass selbständige Tätigkeit verlangt werde, sagte der Redner und sprach von einer "salomonischen Lösung", die gefunden werden konnte.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) warf den Koalitionsparteien vor, ihren "Gesetzespfusch" ohne Anhörung der Betroffenen, ohne Begutachtung und ohne Anhörung von ExpertInnen fortzusetzen, ohne dass irgendjemand verstehen könne, wozu die Eile notwendig sei.  Die Opposition habe den vorliegenden "Husch-Pfusch-Entwurf" erst kurz vor Beginn der Ausschusssitzung bekommen. Das BZÖ verlange daher, diese Materie an den Ausschuss zurückzuverweisen und dort unter Beiziehung von ExpertInnen ausreichend zu beraten.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner sprach von der schwierigen Aufgabe, verschiedene Berufe voneinander abzugrenzen und Antworten für die dabei auftretenden Qualifikationsfragen zu finden. Gespräche seien durch Wochen hindurch unter Beiziehung der Fachorganisationen geführt worden, erinnerte der Minister. Es sei ein vernünftiger Kompromiss gefunden worden, hielt der Ressortleiter fest, auch wenn das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht sei. Beide Seiten haben recht bekommen, sagte Mitterlehner, der sich ausdrücklich bei den Verhandlern Konrad Steindl und Christoph Matznetter bedankte.

Abgeordneter Peter HAUBNER (V) sprach von einem wichtigem Kompromiss nach jahrelangen Verhandlungen und lobte ebenfalls die umsichtige Verhandlungsführung von Christoph Matznetter und Konrad Steindl. Mit diesem Kompromiss können beide Seiten leben, weil es weder Sieger noch Verlierer gibt. Zu hoffen sei nun, dass alle beteiligten Berufsgruppen die vorliegende Lösung mittragen werden.

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) meinte, die Diskussion über die Abgrenzung zwischen ZahntechnikerInnen und ZahnärztInnen gehöre nicht in eine Wirtschaftsdebatte, weil medizinische Ausbildungsfragen nicht mit wirtschaftspolitischer Logik gelöst werden können – hier gehe es um Gesundheitspolitik. Den ZahntechnikerInnen bringe die neue Regelung keine Verbesserung, weil sie ihnen die Möglichkeit nehme, sich von der Arbeit des Zahnarztes abzugrenzen und große Zahntechnikerketten gegenüber einzelnen ZahntechnikerInnen begünstige.

Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) zeigte sich überzeugt von der Notwendigkeit, Anforderungen an verschiedene Berufsgruppen an Veränderungen anzupassen, so auch im Berufsbild der BilanzbuchhalterInnen, die überdies Verbesserungen für die KonsumentInnen bringe. Die Erweiterung der Befugnisse der BilanzbuchhalterInnen nützten auch Frauen, die diesen Beruf in großer Zahl ausüben.

Abgeordneter Gabriel OBERNOSTERER (V) hielt es für wichtig, die Qualität der Berufsausübung zu gewährleisten und die Interessen der KonsumentInnen zu wahren. Bei der vorliegenden Lösung gibt es keine Gewinner und keine Verlierer, sagte er. Die Änderungen dienten dazu, das Wirtschaftsleben kundenfreundlicher zu machen.

Abgeordneter Hubert KUZDAS (S) erinnerte Abgeordneten Karlsböck daran, dass der Zahntechniker ein Lehrberuf und daher der Wirtschaftsminister zuständig sei. Der Redner bekannte sich dazu, ZahntechnikermeisterInnen Abformungs- und Anpassungsarbeiten bei prothetischen Maßnahmen in der Praxis der ZahnärztInnen im Mund der PatientInnen durchführen zu lassen. An dieser Stelle würden die gesetzlichen Bestimmungen an die Realität angepasst und Rechtssicherheit geschaffen. Die KonsumentInnen würden von besseren Anpassungen, kürzeren Wartezeiten und geringeren Kosten profitieren.

Der Rückweisungsantrag des BZÖ wurde mehrheitlich abgelehnt. Nach differenzierten Voten bei der getrennt durchgeführten Abstimmung in zweiter Lesung stimmte der Nationalrat der Gesetzesänderung in dritter Lesung mit Mehrheit zu.

Gemeinden müssen BürgerInnen über Änderung der Grundstücksgrenzen informieren

Einstimmig angenommen wurden eine Neufassung des Akkreditierungsgesetzes und eine Änderung des Maß- und Eichgesetzes sowie des Kesselgesetzes, die die "EU-Verordnung über die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten" ergänzen und eine Bundeskompetenz zur Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen schaffen.

Lediglich mehrheitlich passierten die Änderungen im Vermessungsgesetz den Nationalrat, die durch die Grundbuchsnovelle des Jahres 2008 und die Erneuerung der Grundstücksdatenbank bedingt sind. Das Adressregister wird auf Wunsch der Städte und Gemeinden künftig auch den Zustellort enthalten.

Mehrheitlich genehmigten die Abgeordneten sodann ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Korea, das dem wachsenden Marktpotential des ostasiatischen Landes Rechnung trägt, die Grundlagen der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen verbessern und die wirtschaftliche Zusammenarbeit ausbauen soll.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) konzentrierte sich auf das Vermessungsgesetz und problematisierte die vorgesehene Kundmachung von Grundstücksänderungen im "Amtsblatt für Vermessungswesen", einem wenig verbreiteten Publikationsorgan, was befürchten lasse, dass betroffene BürgerInnen nicht rechtzeitig von Grenzveränderungen erfahren und daher Fristen für Einsprüche versäumen könnten.

Auch Abgeordneter Franz GLASER (V) beschäftigte sich mit dem Vermessungsgesetz und meinte gegenüber den Befürchtungen seines Vorredners, dass die Gemeinden die Informationsarbeit übernehmen und die BürgerInnen in ortsüblicher Weise über allfällige Einspruchsmöglichkeiten informieren werden.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) hielt die Verfahrens- und Verwaltungsvereinfachung beim Akkreditierungsgesetz für positiv. Hinsichtlich der Information der BürgerInnen über Veränderungen bei ihren Grundstücken sprach sich die Abgeordnete für eine bürgernahe Lösung aus. Das Freihandlungsabkommen mit Südkorea problematisierte die Rednerin im Hinblick auf eine mögliche Aufweichung der strengen CO2-Abgaswerte für Fahrzeuge in Südkorea.

Abgeordneter Kurt GARTLEHNER (S) hielt es für gut, mit Südkorea noch intensiveren wirtschaftlichen Kontakt aufzunehmen, wobei er die professionelle Zusammenarbeit mit Südkorea und die hohe Qualität der wirtschaftlichen Beziehungen lobte.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) stimmte den Veränderungen beim Akkreditierungsgesetz wegen der Verwaltungvereinfachungen gerne zu. Beim Freihandelsabkommen mit Südkorea befürwortete der Abgeordnete Verbesserungen beim Marktzugang und das Bemühen um eine Erweiterung des Wirtschaftsaustauschs. Die Änderungen im Vermessungsgesetz lehnte der Redner ab, weil die Veröffentlichung im Amtsblatt und die sechsmonatige Einspruchsfrist die betroffene Bevölkerung benachteiligten. Windholz verlangte die direkte Information der Betroffenen. Die Hoffnung, dass die Gemeinden die Bürgerinnen "schon informieren werden", sei ihm zu wenig.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER wies auf die Vorteile der vorliegenden Änderung des Akkreditierungsgesetzes hin, wobei er das Ziel erläuterte, eine Bundeskompetenz für die zahlreichen Prüfstellen zu schaffen, die sich mit der Konformität von Industrienormen befassen. Der Minister erläuterte auch die Anpassungen im Vermessungsgesetz an die neue Grundstücksdatenbank und die Vereinfachung der Gebührenvorschreibungen. Den Abgeordneten teilte Mitterlehner mit, dass sein Ressort im Kontakt mit Gemeinden und Städten dafür Sorge getragen habe, dass die BürgerInnen in Gemeinde- und Amtsblättern Informationen über Veränderungen ihrer Grundstücksgrenzen erhalten. Zudem hielt der Minister fest, dass das Freihandelsabkommen mit Korea Österreich Vorteile bringe, Umweltprobleme seien damit nicht verbunden.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) beschäftigte sich mit dem Akkreditierungsgesetz und dem Abkommen mit der Republik Korea. Bei ersterem gehe es um die notwendige Verwaltungsvereinfachung durch Schaffung einer einzigen zuständigen Behörde. Das Freihandelsabkommen schaffe einen besseren Marktzugang für Waren und Dienstleistungen und habe bereits zu einer bemerkenswerten Exportsteigerung nach Korea geführt.

Abgeordneter Franz KIRCHGATTERER (S) setzte sich für Auslandspraktika für Lehrlinge ein, die erfreulicherweise in Österreich verstärkt gefördert würden. Es zeige sich daran, dass der Wert des dualen Ausbildungssystems geschätzt werde. Eine gute Ausbildung der Fachkräfte sei schließlich für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts von großer Bedeutung. Kirchgatterer verwies auf die positive Handelsbilanz Österreichs mit Korea. Auch das sei ein Erfolg österreichischer Facharbeit.

In der Abstimmung wurde das Akkreditierungsgesetz 2012 einstimmig angenommen. Die Änderung des Vermessungsgesetzes wurde mehrheitlich angenommen. Auch die Zustimmung zum Freihandelsabkommen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und der Republik Korea erfolgte mehrheitlich.

(Fortsetzung Nationalrat)


Themen