Parlamentskorrespondenz Nr. 301 vom 17.04.2012

Schmied: Kunst und Kultur darf sich Ökonomie nicht unterordnen

EU-Unterausschuss diskutiert Programme zu Bildungs- und Kulturpolitik

Wien (PK) – Der EU-Unterausschuss des Nationalrats beschäftigte sich heute mit Fragestellungen, die sonst nicht im Mittelpunkt der europapolitischen Diskussion stehen, für den Wirtschaftsstandort Europa sowie für eine aktive Bürgergesellschaft jedoch von nicht minderer Bedeutung sind. Im ersten Teil nahmen die Abgeordneten das geplante EU-Programm "Erasmus für alle" für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, das Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" sowie das Rahmenprogramm "Kreatives Europa" unter die Lupe, gefolgt von einer Diskussion über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizont 2020". In diesen Teilen standen Bildungsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle den Abgeordneten zur Verfügung.

Zum Programm Erasmus für alle" wurde mit großer Mehrheit eine Mitteilung an die EU-Institutionen angenommen, in der vor allem die Bedeutung der Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen unterstrichen wird.

Eine Subsidiaritätsrüge gab es jedoch zum dritten Themenblock, der gesundheitspolitischen Aspekten gewidmet war. Konkret ging es um Medikamentenpreise sowie um Information über verschreibungspflichtige Arzneimittel. Bei diesem Tagesordnungspunkt war Bundesminister Alois Stöger im Ausschuss anwesend.

Bildung ist Motor für Weiterentwicklung und Fortbestand des Wohlstands

Allgemeine Zustimmung fand der Verordnungsvorschlag der EU zum Programm "Erasmus für alle ". Die Abgeordneten beschlossen dazu mit breiter Mehrheit von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ eine Mitteilung an die EU-Institutionen, worin sie auf die Bedeutung der allgemeinen, beruflichen sowie Hochschulbildung als Motor für den Fortbestand und die Weiterentwicklung unseres Wohlstands hinweisen. Sie begrüßen daher, dass die EU mit diesem Gesamtprogramm ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in diesem Bereich auf den Weg gebracht hat. Gerade angesichts der drastisch angestiegenen Jugendarbeitslosigkeit in manchen EU-Ländern seien Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen von höchster Bedeutung für die Zukunft Europas, heißt es im Antrag. Die Ausschussmitglieder zeigen sich grundsätzlich zufrieden damit, dass das Programm ausreichend finanziell ausgestattet sein soll, merken aber an, dass der Verwaltungsaufwand nicht über ein angemessenes Maß hinausgehen darf und interessierten Personen keine unnötigen bürokratischen Hürden in den Weg gelegt werden dürfen.

Ziel der EU ist es, lebenslanges Lernen sowie die Mobilität vor allem der Jugend besonders zu fördern. Zu diesem Zweck gab es seit 2006 die Programme "Lebenslanges Lernen", "Jugend in Aktion" sowie Drittstaatenprogramme im Hochschulbereich (z.B. Erasmus Mundes, Tempus, Edulink, Alfa), die nun in das Programm "Erasmus für alle" (2014 – 2020) zusammengefasst und um ein Sportprogramm erweitert werden sollen.

Wie das Bildungsressort in seinen Erläuterungen ausführt, soll das neue Programm allen Lernenden sowie Lehrkräften, Ausbilderinnen und Ausbildern in allen öffentlichen und privaten Einrichtungen offenstehen, die in der allgemeinen und beruflichen Bildung, im Jugend- und im Sportbereich tätig sind. Bei Kooperationsprojekten will man Unternehmen als Partner für Bildungseinrichtungen und Jugendorganisationen künftig mehr einbinden. Ferner sollen Schulen ermutigt werden, mit Schulen in anderen EU-Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten. Im Bereich der Erwachsenenbildung wird das Programm die Mobilität von Lehrkräften und Ausbilderinnen und Ausbildern verstärkt unterstützen und eine engere, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Organisationen fördern.

Bundesministerin Claudia Schmied erläuterte, dass die Papiere zunächst Vorschläge darstellen, die im Hinblick auf den neuen Finanzrahmen 2014-2020 ausverhandelt werden müssen. Man stehe daher derzeit in der Phase der Politikentwicklung, um Linien für die Zukunft gut vorzubereiten. Auch die Ministerin bemerkte mit Zufriedenheit, dass die EU die Bereiche Bildung, Kunst, Kultur und Kreativität als eine Priorität betrachtet und dafür bereit ist, Budgetsicherheit zu gewährleisten. Schmied sieht in dem Programm eine deutliche Unterstützung auch der innerstaatlichen bildungspolitischen Zielsetzungen, dem lebenslangen Lernen, der Erhöhung der Mobilität und der Verbesserung der Qualität besonderes Augenmerk zu schenken. Besonders wichtig ist ihr die Teilnahme von PädagogInnen an den Angeboten des lebenslangen Lernens. Auch sei das berufsbildende Schulwesen in Österreich beispielgebend, weshalb es ihr ein besonderes Anliegen sei, das Berufsbildungssystem im gegenständlichen Programm fest zu verankern.

Zusammenfassend umriss die Ressortchefin die österreichische Position mit den Stichworten "lebenslanges Lernen", "berufliche Bildung", "internationale Dimension" und "entsprechende Dotierung". Schmied merkte weiters an, dass es sich sowohl bei Bildung als auch bei Kultur um Politikfelder handelt, die in nationaler Verantwortung liegen, weshalb sie in den betreffenden EU-Programmen wesentliche Impulse zur Unterstützung von Maßnahmen sieht, die in dieser Internationalität nationalstaatlich nicht durchführbar sind.

Die Vorschläge der EU wurden von den Abgeordneten grundsätzlich als wichtig erachtet, wobei jedoch von Abgeordnetem Johannes Hübner (F) kritische Worte gefunden wurden. Prinzipiell sei Mobilität und wissenschaftlicher Austausch notwendig, und in diesem Sinne stimme er auch mit der positiven Stellungnahme überein. Er knüpfte allerdings an die nationalstaatliche Kompetenz im Bildungsbereich an und fragte nach dem Sinn, eine weitere "Subventionsbürokratie" auszubauen und Dinge seitens der EU zu finanzieren, die auch auf innerstaatlicher Ebene durchgeführt werden könnten.

Darauf reagierte die Ministerin mit dem Hinweis auf das Bemühen, im gemeinsamen Europa zu einer Abstimmung von Politiken zu kommen. Sie erinnerte an die Tätigkeit der Strukturfonds, deren Ziel es auch ist, nationale politische Herangehensweisen und Absichten zu synchronisieren, ohne planwirtschaftlich zu agieren. Im Bildungsbereich gehe es darum, Anliegen, die allen wichtig sind, zu unterstützen, sagte sie, die Maßnahmen wären nationalstaatlich nicht umsetzbar.

Positiv bewertete Abgeordnete Christine Muttonen (S) das Erasmus Programm. Eine umfassende Allgemeinbildung steigere auch das Selbstbewusstsein und den Selbstwert und sei darüber hinaus Grundvoraussetzung dafür, den Wohlstand in einer hoch technisierten und industrialisierten Gesellschaft zu fördern. Eine grenzüberschreitende Bildung wertete sie als einen wesentlichen Aspekt für ein friedliches Europa. Muttonen zeigte sich vor allem zufrieden darüber, dass man der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einen besonderen Stellenwert beimisst und dass auch die duale Ausbildung ausreichend Berücksichtigung finden soll. Man müsse nur darauf achten, dass sich die verschiedenen Programme nicht auf den tertiären Sektor konzentrieren.

Es sei wichtig, Kindern und Jugendlichen den kulturellen und intellektuellen Reichtum zukommen zu lassen, betonte Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V). Die Beteiligung Österreichs an den letzten Programmen sei hervorragend gelaufen. Dies ist ihr zufolge auch auf das differenzierte Schulsystem zurückzuführen, das offensichtlich präventiv gegen Arbeitslosigkeit wirke und faire Chancen für den Berufseinstieg biete. Die Abgeordnete hob besonders die Programme Erasmus Mundus und Alfa hervor, im Rahmen derer sich die österreichische Wissenschaft international hervorragend geschlagen habe. Als weiteres Erfolgsmodell nannte sie "Entrepreneurship" womit man frühzeitig Selbstständigkeit fördere. Ein besonderes Anliegen sind Cortolezis-Schlager die Wissensallianzen. Österreich sei führend, was die Zusammenführung von Unternehmen und Hochschulen betrifft, sagte sie.

Daran knüpfte auch Ministerin Schmied an, die in den Wissensallianzen viel Entwicklungspotenzial stecken sah. Das treffe etwa auf die Ausbildung der PädagogInnen zu, wo man internationale Partnerschaften anstrebe, sowie auf die Donauraumstrategie, durch die Institutionen in den Regionen vernetzt werden sollen. Sie bestätigte auch die hohe Anzahl an österreichischen TeilnehmerInnen an den Programmen und teilte mit, dass rund 14.000 Jugendliche und Erwachsene daran teilgenommen hätten. Der Rückfluss an Kosten 2011 habe sich bei zirka 26 Mio. € belaufen. Sie beantwortete damit auch eine Frage von Abgeordnetem Wolfgang Spadiut (B).   

Auch für Abgeordneten Harald Walser (G) stand es außer Streit, dass es Aufgabe der Bildungspolitik ist, die Mobilität der jungen Menschen zu erhöhen und die Internationalität zu stärken. Der Ansicht von Abgeordneter Cortolezis-Schlager, wonach das differenzierte Schulsystem in Österreich positive Früchte trage, konnte er sich aber nicht anschließen. Das österreichische Schulsystem habe durchaus positive Ergebnisse, insbesondere das duale Berufsbildungssystem, sagte er, die EU kritisiere aber die noch immer existierende Halbtagsschule, weshalb er einmal mehr die rasche Einführung der Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht verlangte. Die zu frühe Differenzierung werde in der EU im Zusammenhang mit der hohen Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss kritisch gesehen, mahnte Walser, weshalb man hier gegensteuern müsse. Auch sei es notwendig, die Quote der Hochschulabschlüsse zu erhöhen. Einmal mehr übte Walser Kritik am seiner Meinung nach zu niedrigen Anteil des Bildungsbudgets am BIP. Dieser sei so niedrig wie in Irland oder in Griechenland.

Dem entgegnete Bundesministerin Claudia Schmied, Österreich erhalte seitens der EU viel Rückenwind für die eingeleiteten Reformen. Die Neue Mittelschule werde nicht nur von der OECD, sondern auch von der EU positiv bewertet. 

Kunst und Kultur kann sich selbstbewusst ökonomischer Debatte stellen

In der Diskussion zu den Vorlagen der EU-Kulturförderprogramme betonte Bundesministerin Claudia Schmied, der Kultursektor dürfe nicht dem Zwang einer ökonomischen Begründbarkeit unterworfen sein, für deren Berechtigung dürfe keinesfalls die Betriebswirtschaft herangezogen werden. Kunst und Kultur bräuchten aber die ökonomische Debatte nicht zu scheuen, immerhin sichere dieser Sektor eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und habe damit eine bedeutende Position in der Wertschöpfungskette, wie sich am Beispiel der österreichischen Bundestheater und -museen zeige. Sie reagierte damit auf die Kritik des Abgeordneten Wolfgang Zinggl (G), der befürchtete, mit den EU-Programmen würde die Kultur der Wirtschaft "untergeordnet".

Laut Zinggl dürfe die EU nicht den Wettbewerb um die besten Kulturprojekte zwischen den Mitgliedsstaaten forcieren. Überlegungen zur Höhe des Rückflusses der in die Programme eingezahlten Mittel seien zudem der falsche Zugang zur Kultur, bekundete der G-Mandatar seinen Unmut. Angesichts der prekären Lage vieler KünstlerInnen speziell in Ostereuropa sei die EU vielmehr in der Pflicht, zu helfen.

Schmied betonte demgegenüber, die EU wolle dem Bereich "Kultur" jene Bedeutung in der Europapolitik verschaffen, die ihm zustünde. Kunst und Kultur würden mit den Förderprogrammen nun als "selbstbestimmte" Politikfelder in der EU wahrgenommen. Nur durch eine gesicherte Finanzierung, unterstrich Schmied, sei erfolgreiches Kulturschaffen möglich.

In Zukunft sollen Synergien im Kultur- und Kreativbereich stärker genützt und unter den Dachprogrammen "Europa für Bürgerinnen und Bürger" sowie "Kreatives Europa 2014-2020" zusammengefasst werden. Die Programme zielen auf die Förderung interkultureller Projekte wie Städtepartnerschaften beziehungsweise von Kultur- und Medieninitiativen ab.

Mit dem Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger", das 2013 ausläuft und in der Periode 2014-2020 weitergeführt werden soll, will die Union unter anderem das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die gemeinsame Vergangenheit und die gemeinsamen Werte sowie für die Ziele der EU schärfen. Zudem beabsichtigt die Kommission, das demokratische und zivilgesellschaftliche Engagement der BürgerInnen zu stärken und sieht vor allem die Jugend als Zielgruppe, wie Schmied betonte. Die Projektergebnisse werden analysiert, publiziert und valorisiert. Eine klare Abwicklungsstruktur der Finanzierung und ausreichend Mitspracherecht der Mitgliedsstaaten bei den grenzüberschreitenden Projekten sind Schmied zufolge bedeutende Punkte der österreichischen Verhandlungshaltung zu den Programmen. 

"Kreatives Europa 2014-2020" ist auf die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kultur- und Kreativsektors in Europa fokussiert. Die Absicherung des Budgets nannte Schmied auch hier als wichtige Komponente zur Förderung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in den EU-Mitgliedsländern. Die bestehenden Programme "Kultur", "MEDIA" und "MEDIA Mundus" werden im neuen Verordnungsvorschlag unter einem Dach zusammengefasst, zugleich wird ein Garantiefonds geschaffen, der für einen vereinfachten Zugang zu den Darlehen sorgen soll. Zur Stärkung der Finanzkraft der Kultur- und Kreativbranchen wäre es auch angeraten, Aktivitäten im Bereich Kunst und Kultur zusätzlich in den Europäischen Strukturfonds für Regionale Entwicklung aufzunehmen, schlug die Bundesministerin vor. Dadurch könnten etwa Projekte aus den Bundesländern zusätzliche Mittel erhalten, sie führe bereits Gespräche mit den EU-Institutionen zur Co-Finanzierung regionaler Kulturprojekte durch den Strukturfonds, erklärte Schmied.

Österreich habe sich an den bisherigen Programmen mit großem Erfolg beteiligt, informierte die Ministerin. So waren beispielsweise aus dem Programm "Kultur" im Jahr 2011 460%, aus dem Programm "MEDIA" 100% der Fördermittel an Österreich zurückgeflossen.

Bezugnehmend auf das Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" zeigte sich Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) überzeugt, dass ein besseres Verständnis der europäischen Länder für die Geschichte der jeweils anderen auch zu einer verbesserten Zusammenarbeit führt. Außerdem begrüßte die V-Mandatarin die geplanten vereinfachten Verwaltungsstrukturen der Förderprogramme. Gerade die Hochkultur sei ein "riesiger Wirtschaftszweig" in Österreich, der klar mit dem wirtschaftlichen Wachstum des Landes zusammenhänge. Mit seinen "Spitzenleistungen" in Kunst und Kultur, bekräftigte Cortolezis-Schlager, belege Österreich seine Berechtigung des Rufs einer "Kunst- und Kulturnation".

Abgeordnete Elisabeth Hakel (S) zeigte sich erfreut, dass die Kreativwirtschaft in den EU-Programmen mit dem Bereich Kunst und Kultur gleichgestellt wird. Dadurch ergebe sich ein wertvoller "Brückenschlag" zwischen diesen Feldern. Besonderes Augenmerk richtete Hakel auf kulturschaffende Mikro- und Einpersonenunternehmen, die nun ebenfalls von EU-Förderungen profitieren könnten. Die Frage der S-Mandatarin, ob gewährleistet sei, dass durch Kreditgarantien alle Forderungen der Kreativwirtschaft erfüllt würden, beantwortete Kulturministerin Schmied mit der noch laufenden Ausarbeitung der finanziellen Abwicklungsmodalitäten. So sei es etwa bislang nicht geklärt, bis zu welcher Größenordnung sich Banken zur Kreditvergabe bereit erklären würden.

Subventionen müssten nicht immer "segensreich" sein, stellte Abgeordneter Johannes Hübner (F) fest und wies auf das "endenwollende" Budget hin, das für Kulturförderungen zur Verfügung stehe. Er bezweifle daher, ob es auf EU-Ebene eine neue Bürokratie zur "Subventionsverteilung" brauche, so Hübner. Österreich solle die Förderungen mit den vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser selbst übernehmen. Außerdem bemängelte der F-Mandatar, dass durch die Rückzahlungen an Österreich ja nur bereits vorab an die EU gezahlte Gelder zurückkämen. (Fortsetzung EU-Unterausschuss)