Parlamentskorrespondenz Nr. 302 vom 17.04.2012

Töchterle: Bei Anti-Atompolitik fair, offen und hart agieren

EU-Unterausschuss befasst sich mit Programm Horizont 2020

Wien (PK) – Eine Diskussion über die Anti-Atompolitik entwickelte sich heute im EU-Unterausschuss zum EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (2014-2020) "Horizont 2020". Es führt die bisher getrennten Programme "RP7", das siebente Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung, sowie "CIP", das Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zusammen. Für die kommende Finanzperiode will man seitens der EU die Fördersumme auf ca. 90 Mrd. € erhöhen.

Dazu lagen drei Entwürfe vor, und zwar für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das genannte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, für das EURATOM-Programm für Forschung und Ausbildung (2014-2018) in Ergänzung des Rahmenprogramms sowie ein Vorschlag über die Regeln für die Beteiligung am Rahmenprogramm.

Die Oppositionsparteien stießen sich vor allem am EURATOM-Programm mit dem Hinweis auf den österreichischen Konsens in der Anti-Atompolitik. Die Sicherheitsforschung werde dazu dienen, die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern, befürchtete Abgeordneter Kurt Grünewald (G). Die Gelder des Programms sollten vielmehr den rascheren Markteintritt der erneuerbaren Energien fördern. Er brachte daher seitens der Grünen einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem der Minister für Wissenschaft und Forschung aufgefordert wird, das gegenständliche EURATOM-Programm abzulehnen und alle Schritte zu unternehmen, damit der EURATOM-Vertrag in seiner derzeitigen Form abgeschafft und zum Atomausstiegsvertrag umgewandelt wird. Dieser Antrag wurde auch von FPÖ und BZÖ unterstützt, blieb damit aber in der Minderheit.

Bundesminister Karlheinz Töchterle verteidigte die Position mit dem Hinweis, dass es unmöglich sei, einen Teilvertrag der EU abzulehnen. Auch eine Stimmenthaltung hielt der Minister nicht für probat, da es Österreich im Vorjahr gelungen sei, umfassende Sicherheitsvorkehrungen gegen den massiven Widerstand einzelner Länder in den Vertrag hineinzureklamieren. Wenn man diesen Erfolg behalten will, dann könne man sich nun nicht der Stimme enthalten. Er bekräftigte mehrmals, dass er dem Programm nicht zustimmen werde, sollte ein Passus enthalten sein, wonach die Kernenergie einen langfristigen Beitrag zur Senkung der CO2 Emissionen und der Klimaschutzpolitik leiste. Töchterle appellierte, in dieser Frage ehrlich und realistisch zu sein und zu berücksichtigen, dass einige Staaten extrem vom Atomstrom abhängen und ein totaler Ausstieg deren Energieversorgung zum Zusammenbruch bringen würde. Man müsse "fair, offen und hart" agieren, unterstrich Töchterle und wies noch einmal darauf hin, dass man es geschafft habe, bei EURATOM etwas zum Positiven zu verändern.

Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) bemerkte zu dieser Diskussion, wie wichtig angesichts der jüngsten Ereignisse die Sicherheitsforschung ist. Dem gegenüber stellte Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) eine Diskrepanz zwischen der Antiatompolitik Österreichs einerseits und der Akzeptanz von grenznahen AKW andererseits fest. Man müsse daher bei den Folgeverträgen eindeutige Standpunkte vertreten, sagte er und wandte sich entschieden gegen diesen Teil des Forschungsprogramms.

Auch Abgeordneter Wolfgang Spadiut (B) äußerte sich kritisch zu den gegenständlichen Vorschlägen und zitierte daraus einige Stellen, die ein Bekenntnis zur Kernenergie enthalten. Dieser Kritik schloss sich auch Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) an. Der Grün-Abgeordnete kam auch auf das Kernfusionsprojekt ITER zu sprechen und meinte, es sei längst an der Zeit, dieses fehlgeschlagene Experiment ad acta zu legen, worauf auch der Minister seiner Skepsis Ausdruck verlieh. Die Ergebnisse von ITER seien jenseits jeder praktischen Anwendung, sagte Töchterle.

Das Programm "Horizont 2020" beruht auf drei Schwerpunkten: Im Bereich "Exzellente Wissensbasis" soll insbesondere die Grundlagenforschung im Rahmen des Europäischen Forschungsrates gefördert werden, weiters geht es um internationale Forscherstipendien (Marie Curie Aktionen), um die

Förderung für Forschungsinfrastrukturen sowie für künftige und neu entstehende Technologien. Bundesminister Karlheinz Töchterle unterstrich insbesondere den integrativen Ansatz von der Grundlagenforschung bis hin zur Markteinführung.

Der Industrie weist man dabei eine führende Rolle zu, wobei die anwendungsorientierte Forschung mit dem Ziel einer führenden Rolle bei grundlegenden und industriellen Technologien (IKT, Nanotechnologie, innovative Werkstoffe, Biotechnologie, fortgeschrittene Fertigung und Verarbeitung und Raumfahrt) besonders unterstützt werden soll. Der Zugang zu Risikofinanzierung und die Innovation in KMUs stellt ebenfalls eines der wesentliche Ziele der Programme dar.

Im dritten Feld geht es um gesellschaftliche Herausforderungen. Das reicht von Gesundheit, demografischem Wandel und Wohlergehen über Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit, nachhaltige Landwirtschaft, marine und maritime Forschung und Biowirtschaft bis hin zu sicherer, sauberer und effizienter Energie, intelligentem, umweltfreundlichem und integriertem Verkehr sowie Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Rohstoffen und integrativen, innovativen und sicheren Gesellschaften.

Auch im Bereich Forschung und Innovation hat sich Österreich bisher hervorragend bewährt, berichtete der Wissenschaftsminister. Aus dem siebenten Rahmenprogramm habe man mehr als 125 % der eingezahlten Mittel zurückholen können, mehr als 2000 ForscherInnen haben Anträge eingebracht. Er erwarte sich, dass dieser positive Weg auch im achten Rahmenprogramm fortgesetzt werden könne, zumal es besonders in der Bioforschung und hinsichtlich des Klimawandels hervorragende Forschungsergebnisse in Österreich gebe.

Was vorliege, sei ein Verhandlungspapier, das man bis Mitte 2013 endgültig ausverhandeln wolle. Österreich unterstütze die Stärkung des europäischen Forschungsraums und vor allem den integrativen Ansatz, konstatierte Töchterle. Wichtig seien ihm die Vorschläge zur Vereinfachung der Antragsstellung, und man wolle darauf achten, dass es zu keinen Parallelaktionen kommt.

Die internationalen Spitzenleistungen österreichischer WissenschafterInnen wurden auch von Abgeordneter Katharina Cortolezis-Schlager (V) hervorgehoben. Sie ersuchte den Minister, sich für die Aufstockung der Forschungsmittel einzusetzen, da Investitionen in Zukunftsbereichen wichtig für das Wirtschaftswachstum seien. Die Forschung lebe von grenzüberschreitendem Dialog, Innovation heiße immer auch ein Stück Wissenstransfer, der direkt in Beschäftigung und Wachstum übergeführt werde. Als besonders erfreulich erachtete es Cortolezis-Schlager, dass die EU den Schwerpunkt auf die Klein und Mittelbetriebe gelegt hat, was für den Wirtschaftsstandort Österreich von besonderer Bedeutung ist. Sie ersuchte den Minister, den Wissenstransfer auch in den Leistungsvereinbarungen zu verankern.

Grundsätzlich positiv wurde das Programm auch von Abgeordnetem Kurt Grünewald (G) bewertet. Er betonte insbesondere die Bedeutung der Geistes- und Sozialwissenschaften und meinte, die Frage der Folgenabschätzung sollte auch viel mehr dem österreichischen Parlament zugänglich sein. Sein Klubkollege Alexander Van der Bellen begrüßte die Erhöhung der Mittel für die Grundlagenforschung und thematisierte auch die Möglichkeit einer 100%igen Förderung von Projekten. Er befürchtete in diesem Zusammenhang Fehlerallokationen, wenn die Industrie nichts beisteuert. Auch diese Ansichten teilte der Minister. Es werde viel zu sehr der Fokus auf Naturwissenschaften und Technik gelegt, bemerkte er und sicherte zu, sich dafür einzusetzen, dass geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung mehr Berücksichtigung findet. Die 100%ige Förderung beziehe sich auf die Anwendungsforschung, informierte Töchterle.

Auf eine Bemerkung des Abgeordneten Michael Schickhofer (S) bestätigte Töchterle die Schwierigkeit, den integrativen Ansatz immer durchzuhalten. Jedenfalls aber schaffe man nur dann eine gute und innovative Anwendung, wenn man über eine fundierte Grundlagenforschung verfügt, sagte er. Im Hinblick auf die Forschungsinfrastruktur informierte der Minister, dass man im Hochschulplan ein spezielles Instrument entwickelt habe, um es Universitäten zu ermöglichen, gemeinsam Großgeräte anzuschaffen und zu verwenden.

Mit kritischem Unterton meldete sich Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) zu Wort. Die Forschung sei ein Bereich, der am ehesten einen internationalen Zusammenschluss erfordere, räumte er ein. Die Programme hätten durchaus Sinn. Aber auch durch das Programm "Horizont 2020" werde eine zusätzliche Subventionsebene eingeführt, wogegen sich die FPÖ wende. (Schluss EU-Unterausschuss)