Parlamentskorrespondenz Nr. 304 vom 18.04.2012

Prammer: Am Prinzip des Verhältniswahlrechts wird nicht gerüttelt

Reformen dürfen Gesetzgeber nicht arbeitsunfähig machen

Wien (PK) – Am Prinzip des Verhältniswahlrechts wird nicht gerüttelt, stellte heute Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Rahmen eines Pressegesprächs fest. In der vom Nationalrat am vergangenen Freitag eingesetzten Arbeitsgruppe zur Wahlrechtsreform werde es keine Diskussion über das Mehrheitswahlrecht geben. Die Präsidentin blieb auch bei ihrem Vorschlag eines Superwahlsonntags und betonte, dass sie in dieser Frage viele Bündnispartner habe.

Die Reduzierung der Abgeordneten bedeute nicht unbedingt Einsparungen, denn weniger Abgeordnete heiße nicht gleichzeitig weniger Arbeit. Es wäre inakzeptabel, den Gesetzgeber arbeitsunfähig zu machen, mahnte Prammer. Die Kontrollrechte lägen im Parlament und diese könnten in keiner Weise in Frage gestellt werden, machte sie klar. Das Parlament brauche daher trotz etwaiger Verringerung der MandatarInnen eine entsprechende Infrastruktur. Einsparungen ohne Einschränkung der Demokratie brächte vielmehr ein Superwahlsonntag, sagte die Nationalratspräsidentin. Die Zusammenlegung von Wahlen an einem Tag würden nicht nur für die Parteien selbst weniger Kosten verursachen, sondern auch für die Administration kostensparend wirken.

Mit der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe zeigte sich Prammer zufrieden. Man wolle bis zu den Julitagen vieles abarbeiten und dann im Rahmen einer Generaldebatte eine Zwischenbilanz ziehen, auf deren Basis man dann entscheidet, wie man im Herbst weiter vorgeht. Da die Arbeitsgruppe größer sei, habe man die Möglichkeit, Untergruppen einzurichten.

Nach derzeitigem Übereinkommen sind eine Untergruppe "Infrastruktur" und eine zum Thema "direkte Demokratie" geplant, die beide von ihr selbst geleitet werden. Auf Anfrage von JournalistInnen erläuterte die Präsidentin, zum Punkt Infrastruktur zähle etwa auch die zukünftige Zahl der Ausschüsse sowie die Frage, wie man die Arbeit bei geringerer Zahl von Abgeordneten anders organisiere. Die Zahl der Nationalratsmitglieder ist für sie keine Fahnenfrage, wesentlicher Punkt sei vielmehr, wie man in Zukunft arbeiten wolle. Nehme man bei einem Punkt Änderungen vor, habe dies Konsequenzen für andere Arbeitsabläufe, sagte Prammer, ein Punkt greife in den anderen über. Inkonsequent wäre Prammer zufolge jedenfalls, den Nationalrat mit einfacher Mehrheit zu verkleinern und den Bundesrat so zu belassen, wie er ist. Beim Thema direkte Demokratie gehe es darum, die vielen auf dem Tisch liegenden Vorschläge nun ernsthaft zu diskutieren.

Darüber hinaus sei an die KlubsekretärInnen der Auftrag ergangen, die offenen Punkte aus dem Geschäftsordnungskomitee aufzulisten, um feststellen zu können, was noch aktuell ist und was nicht. Dazu zähle auch die Frage der Minderheitenrechte, die vor allem von der Opposition in den Vordergrund gestellt werde. Es könnten sich alle Fraktionen mit Vorschlägen einbringen, was diskutiert werden soll, merkte die Präsidentin an.

Prammer zeigte sich zufrieden, dass man im Untersuchungsausschuss offensichtlich wieder zu einem Konsens zurückgefunden hat. Noch nie habe es in einem Untersuchungsausschuss so viele Akten gegeben, wie sie bereits jetzt eingelangt sind. Die Gefahr, dass die Fülle der Unterlagen kaum bewältigbar ist, sieht die Präsidentin nicht, da dafür die Parlamentsdirektion eine gute technische Infrastruktur bereitgestellt habe.

Angesprochen auf das Transparenzpaket, machte sich Prammer hinsichtlich der Offenlegung von Nebeneinkünften für das deutsche Modell stark und meinte, sie könne sich eine noch weitergehende Regelung vorstellen, indem man nicht Jahresgrenzen, sondern Monatsgrenzen heranzieht.

Prammer: Es wäre "Wahnsinn", wenn sich das Parlament aus der Auslandspolitik ausklinkt

Zur aktuellen Diskussion über die internationale Tätigkeit von Abgeordneten unterstrich die Präsidentin die Bedeutung der internationalen Kontakte auf parlamentarischer Ebene. Wenn Abgeordnete reisen, so sei das keine Vergnügung und auch kein Luxus, stellte sie dezidiert fest, vielmehr nähmen die MandatarInnen internationale parlamentarische Aufgaben wahr. Man sei bedacht, dass dies seriös und gut vorbereitet abläuft, die Reisen seien mit den Klubs koordiniert und es sei sichergestellt, dass zu bestimmten Themen und Institutionen jene fahren, die auch über die entsprechende Erfahrung verfügen.

Sie hielte es für einen "Wahnsinn", wenn sich das österreichische Parlament aus der internationalen Arbeit ausklinkt. Als Beispiel nannte sie die internationale Konvention über das Verbot von Streumunition. Dabei habe sich besonders der österreichische Nationalrat im Rahmen seiner internationalen Kontakte stark engagiert und habe wesentlich dazu beigetragen, dass es zu einem internationalen Vertragswerk gekommen ist. Die außenpolitische Tätigkeit der Abgeordneten sei eine wesentliche Ergänzung der österreichischen Außenpolitik, betonte Prammer und fügte hinzu, das Parlament könnte in diesem Bereich viel Arbeit in einer wesentlich offeneren und direkteren Art leisten.

Prammer wies auch auf die Bedeutung der IPU als älteste internationale Organisation hin, in der alle parlamentarischen Gremien außer Nordkorea vertreten sind. Auch dort habe es unter wesentlicher Mithilfe Österreichs eine Institutionenreform gegeben, die zu mehr Effizienzsteigerung und kostengünstiger Verwaltung geführt habe.

Bei Reisen von Abgeordneten würden die Kosten für Begleitpersonen nicht übernommen, bekräftigte Prammer, in Zukunft werde die Parlamentsdirektion auch keinerlei Unterstützung für Buchungen für Begleitpersonen mehr leisten, um eine noch striktere Trennung einzuhalten.

Im Rahmen des Pressegesprächs machte die Präsidentin auch auf die Veranstaltung für SchülerInnen am Tag der Pressefreiheit, Freitag dem 27. April 2012 im Pressezentrum aufmerksam. Der Gedenktag finde heuer am 4. Mai statt, am Vortag werde das Jugendprojekt vorgestellt, das sich diesmal dem Thema "Euthanasie" widmet (siehe PK Nr. 256/2012). Für die Lesung habe Tobias Moretti gewonnen werden können. (Schluss)