Parlamentskorrespondenz Nr. 380 vom 10.05.2012

Die Finanzkrise ist noch nicht vorbei

FMA-Vorstände Ettl und Pribil zur Entwicklung der Finanzmärkte

Wien (PK) – Im Finanzausschuss berichteten die Vorstände der Finanzmarktaufsicht (FMA), Helmut Ettl und Kurt Pribil, den Abgeordneten heute über die Tätigkeit ihrer Behörde im Jahr 2011. Trotz einer positiven Entwicklung im 1 Quartal 2012 sei die Finanzkrise noch nicht vorbei, erfuhren die Abgeordneten von den FMA-Vorständen, die über die aufsichtliche Begleitung des Ost-Engagements österreichischer Banken und von europäischen Bemühungen berichteten, ein Banken-Insolvenzrecht zu schaffen. Finanzministerin Maria Fekter regte eine Gesetzesänderung an, die sicherstellt, dass die Millioneneinnahmen der FMA aus Verwaltungsstrafen nicht nur der Sitzgemeinde der Behörde – Wien – zugutekomme. Der Wiener SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer zeigte sich gesprächsbereit, verlangte aber eine generelle Regelung und Rücksichtnahme auf den Finanzausgleich.      

Helmut Ettl (FMA) leitete seine Ausführungen mit einer Darstellung des großen und überaus komplexen österreichischen Finanzmarktes ein, der im Jahr 2011 1121 Unternehmen umfasste. Die Finanzmarktaufsicht hat bei einem Budget von 48 Mio. € ihren Personalstand gegenüber 2010 um 30 Mitarbeiter auf 308 erhöht. 8 Mio. € an Einnahmen seien an die Oesterreichische Nationalbank gegangen. Die Einnahmen aus Verwaltungsstrafen betrugen 2011 2,6 Mio. €, die an den Fond "Soziales Wien" gingen, erfuhren die Abgeordneten. An dieser Stelle klärte Finanzministerin Maria Fekter darüber auf, dass Einnahmen aus Verwaltungsstrafen – wenn gesetzlich nicht anders geregelt, wie etwa in der Straßenverkehrsordnung – aufgrund einer Bestimmung aus dem Jahr 1919 an den Sozialfond der Gebietskörperschaft gehen, in der die einhebende Behörde ihren Sitz hat. "Das ist grotesk", sagte die Ministerin und schlug mit Unterstützung von ÖVP, BZÖ und FPÖ eine Gesetzesänderung vor. Abgeordneter Maximilian Linder verlangte, die Einnahmen in das allgemeine Budget fließen zu lassen, Für die SPÖ zeigte sich auch Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) gesprächsbereit, konnte sich aber nur eine generelle Regelung für die Einnahmen aus Verwaltungsstrafen im Zusammenhang mit Finanzausgleichsverhandlungen vorstellen. Außerdem erinnerte Krainer an die hohen Sozialausgaben großer Gemeinden im Unterschied zu kleinen Gemeinden.

Die Höhe der Strafeinnahmen resultiere aus Abschlagszinsen bei der Verletzung finanzmarktrechtlicher Bestimmungen, klärte Helmut Ettl an dieser Stelle auf. Der Strafrahmen reiche bis zu 150.000 €, die höchste verhängte Strafe betrug 2011 36.000 €.

Wann die größte Finanzkrise seit dem 2. Weltkrieg vorbei sein werde, könne er noch nicht sagen, meinte Ettl. Die Banken haben ihre Geschäftstätigkeit im Jahr 2011 ausgeweitet und um 4,6 % mehr Kredite vergeben, während die Bilanzsumme auf knapp unter 1 Mrd. € sank und die Überschüsse gegenüber 2010 um zwei Drittel zurückgingen. Auch die Versicherungen hatten Rückgänge hinzunehmen, insbesondere bei fondsgebundenen Lebensversicherungen. Trotz positiver Ergebnisse im ersten Quartal 2012 sei es noch zu früh, von einer nachthaltigen Erholung auf den Finanzmärkten zu sprechen, sagte Helmut Ettl.

Fremdwährungskredite und Tilgungsträger seien seit 2008 um 20 % zurückgegangen, aber immer noch auf hohem Niveau. Der Rat der Finanzmarktaufsicht an die Kunden laute, das gegenwärtige Stabilisierungsfenster zu nützen, Ettl warnte vor Problemen beim Fälligwerden von Fremdwährungskrediten ab dem Jahr 2017.

Kurt Pribil (FMA) berichtete über die verstärkte aufsichtsrechtliche Begleitung österreichischen Banken bei ihren Engagements in Osteuropa durch die FMA. Die drei großen österreichischen Banken sollen ab 2013 die neuen Eigenkapitalregeln (Basel III) unmittelbar übernehmen, wobei privates Beteiligungskapital angerechnet werde. Tochtergesellschaften der Banken sollen sich stärker lokal refinanzieren, um die Liquidität der österreichischen Mutterkonzerne zu schonen. Auch sei vorgesehen, dass große Banken nach FMA-Leitlinien Sanierungs- und Abwicklungspläne entwickeln, berichtete Kurt Pribil.

Nach Schlüssen der EU und Österreichs aus der Krise gefragt, sate Kurt Pribil, es gelte, die Rating-Agenturen schärfer zu beaufsichtigen und teilte mit, dass die schärfere Aufsicht durch die EU bereits Dinge entdecken habe lassen, die nicht in Ordnung sind. Er hoffe auf weitere Schritte auf diesem Weg. Positiv besprach Pribil auch die Tätigkeit des neuen europäischen Komitees (FIST), das neue Finanzmarktprodukte bewerte und Verbote für "giftige" Innovationen aussprechen könne.

Der Staat soll von Banken nicht erpressbar sein, Banken sollen daher aus dem Markt ausscheiden können, ohne dass der Steuerzahler zur Kassa gebeten wird. Dazu dienen Sanierungs- und Abwicklungspläne, die darauf gerichtet sind, bei Problemen ein frühzeitiges Eingreifen der Aufsicht bis hin zur Bestellung eines Sanierungsbeauftragten zu ermöglichen. In weiterer Folge gehe es um eine Abwicklung, ohne den Einlagensicherungsfall auszulösen. Dabei sprach Pribil auch die Möglichkeit einer Bad Bank an. Dafür seien von Seiten der EU Vorschläge zu erwarten.  

In der Debatte hielt es Abgeordneter Michael Ikrath (V) für unverständlich, die Strafeinnahmen der FMA einem einzigen Bundesland zufließen zu lassen. Ikrath kritisierte die Belastung von Banken durch die zunehmende Regulierung und gab zu bedenken, dass Banken unter dem Druck, ihr Eigenkapital zu erhöhen, versuchen könnten, Gewinne aus spekulativen Kapitalmarktprodukten zu erhöhen - das wäre kontraproduktiv.

Abgeordneter Jakob Auer (V) problematisierte "Fit&proper-Tests" für Aufsichtsräte in Genossenschaftsbanken und erinnerte einmal mehr daran, dass das Rating von Lehman-Brothers, UBS und vielen anderen Banken vor der letzten Krise nicht erkennen ließen welch schwere Probleme diese Banken hatten. Auch in Österreich habe es vor der Krise eine FMA, eine OeNB-Kontrolle und Staatskommissare gegeben, erinnerte Auer. Heute seien seiner Ansicht nach zu viele Prüfer in den Häusern unterwegs, man komme dort nicht mehr zum Arbeiten.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) beschäftigte sich Krainer mit der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge und stellte die Frage, ob es sinnvoll sei, Finanzprodukte anzubieten, deren Erträge nicht einmal die Bench-Marks von Staatsanleihen erreichen. Es sei auch zu fragen, ob es sinnvoll sei, weiterhin Prämien in "ausgestoppte" Pensionsvorsorgen zu leisten.

Beim Bankeninsolvenzrecht drängte Krainer darauf, auch die Gläubiger, oftmals Eigentümer der Banken, an der Sanierung zu beteiligen. Bei Systembanken wird der Staat auch in Zukunft einspringen müssen, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt.

Abgeordneter Rainer Widmann (B) kündigte den Antrag seiner Fraktion zum Thema Einnahmen aus Verwaltungsstrafen für Wien an und verlangte bessere Auskünfte der Finanzmarktaufsicht auf schriftliche Anfragen der Abgeordneten.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) hielt es für widersprüchlich, ein Bankeninsolvenzrecht schaffen, Systembanken aber zugleich ausnehmen zu wollen. Podgorschek erkundigte sich auch nach den Folgen eines möglichen Ausscheidens von Griechenland aus der Eurozone.

Abgeordneter Maximilian Linder (F) problematisierte die steigenden Personalzahlen bei der FMA trotz sinkender Bilanzsumme und schlug vor, Strafeinnahmen der FMA in das allgemeine Budget fließen zu lassen.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) registrierte eine unvermeidliche Spannung zwischen Aufsichtseffizienz und Bürokratie und wollte wissen, ob diesbezüglich Gesetzesänderungen notwendig seien.

Helmut Ettl (FMA) klärte darüber auf, dass die Finanzmarktaufsicht auf jeden Bürokratismus in ihrer Kontrolltätigkeit verzichte. Die neuen Eigenkapitalvorschriften (Basel III) werden für den Großteil der österreichischen Banken keinerlei Probleme bringen. Partizipationsmittel des Bundes in der Höhe von 5 Mrd. € müssen im Jahr 2017 allerdings durch hartes Eigenkapital der Banken ersetzt werden, teilte Ettl mit. Er trete für eine ausreichende Kapitalisierung des österreichischen Bankensektors ein, weil dies auch wichtig für die Bonität der Republik sei.

35% der privaten Pensionsvorsorgeverträge sind ausgestoppt, berichtete Ettl, der aber zugleich klarstellte, dass neue Prämien an der Ertragsermittlung wieder teilnehmen.

Kurt Pribil (FMA) hielt es für zweckmäßig, "Fit&proper-Tests" für Aufsichtsräte in Großbanken vorzusehen, stimmte aber zu, dass man bei kleinen Instituten auf die Proportionalität achten müsse.

Eine Konkursordnung für Banken werde von der EU-Kommission umfassend vorbereitet, es sei richtig, dass die Kompetenz für das Insolvenzrecht bei den Nationalstaaten liege, die Kommission sei aber für die grenzüberschreitenden Aspekte des Themas zuständig. Die Finanzmarktaufsicht tritt für den Aufbau eines Restrukturierungsfonds ein, wobei noch offen sei, ob dieser Fond auch für die Einlagensicherung gelten soll. Jedenfalls sei dafür zu sorgen, dass auch Banken aus dem Markt ausscheiden können.

Auskünfte über einzelne Aufsichtsfälle könne die FMA aus rechtlichen Gründen nicht erteilen, hielt Kurt Pribil fest. Der Personalstand der FMA sei 2011 erhöht worden, weil in den Bereichen Kampf gegen die Geldwäsche sowie bei der Kontrolle von Hedgefonds personeller Nachholbedarf bestand.

Finanzministerin Maria Fekter berichtete von einer Präsentation im ECOFIN zum Thema Bankeninsolvenzrecht. Dabei wurden präventive Maßnahmen, frühzeitige Interventionen zur Vermeidung des Schadenfalls, die Bestellung eines Staatskommissärs als Geschäftsführer, ein Verbot für das Abziehen von Kapital und Regeln für die Liquidation vorgestellt. Österreich sollte sich diesem System annähern, das nicht nur Regeln für die Abwicklung sondern präventive Maßnahmen zur Vermeidung einer Liquidation enthält. Skeptisch zeigte sich Fekter gegenüber einer Bad-Bank, deren Eigentümer letztlich der Steuerzahler wäre. "Das ist keine Lösung".

Weiters informierte die Ministerin über die Berücksichtigung österreichischer Besonderheiten bei den neuen Eigenkapitalvorschriften, die aber Kritik von Seiten Großbritanniens hervorgerufen haben, erfuhren die Abgeordneten. (Schluss)